denkanstösse zur überwindung der finanzkrise - Cross-Border ...
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Stadtkämmerer a. D. Dr. jur. Elmar Schulze<br />
KOMMUNEN VOR DEM KOLLAPS?<br />
DENKANSTÖSSE<br />
ZUR ÜBERWINDUNG DER FINANZKRISE<br />
HYPOTHEKENBANK IN ESSEN AG · MAI 2006
Stadtkämmerer a. D. Dr. jur. Elmar Schulze<br />
KOMMUNEN VOR DEM KOLLAPS?<br />
DENKANSTÖSSE<br />
ZUR ÜBERWINDUNG DER FINANZKRISE<br />
HYPOTHEKENBANK IN ESSEN AG · MAI 2006
Vorwort<br />
Als einer <strong>der</strong> großen Staatsfinanzierer Deutschlands beobachtetet die Hypotheken-<br />
bank in Essen AG fiskalpolitische Entwicklungen sehr aufmerksam. Es ist mehr als<br />
naheliegend, dass auch die Situation <strong>der</strong> nordrhein-westfälischen Städte und<br />
Gemeinden für die Hypothekenbank in Essen von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist.<br />
Die vorliegende Studie stellt die prekäre haushaltspolitische Situation <strong>der</strong> Kommunen<br />
in Nordrhein-Westfalen auf eindrucksvolle Weise dar. Die zentrale Schlussfolgerung<br />
besteht darin, dass ein konstruktives Zusammenwirken aller staatlichen Ebenen<br />
notwendig sein wird, um die <strong>der</strong>zeitige Krise zu überwinden. Konkret wird einerseits<br />
vorgeschlagen, Staatsleistungen zu reduzieren, an<strong>der</strong>erseits sollen Institutionen und<br />
Prozesse gestrafft werden. Die Rolle des Staates ist in vielen Bereichen neu zu<br />
definieren. Insbeson<strong>der</strong>e dafür werden umfassende Vorschläge gemacht. Des<br />
Weiteren ist anzumahnen, dass <strong>der</strong> Bund und die Län<strong>der</strong> ihrer Verantwortung für die<br />
finanzielle Situation <strong>der</strong> Kommunen in Gesetzgebung und Politik nachkommen<br />
müssen.<br />
In ihrer Klarheit und Unvoreingenommenheit werden die Vorschläge dieser<br />
Untersuchung für alle Ebenen des Staatsapparates von Interesse sein. Darüber<br />
hinaus sollen aber nicht nur Lösungsvorschläge geliefert werden, die Studie will<br />
genauso anregen und provozieren, um so eine Diskussion über die finanzpolitischen<br />
Probleme <strong>der</strong> Städte und Gemeinden zu för<strong>der</strong>n. Für diese Diskussion haben wir auf<br />
<strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> Essen Hyp unter www.essenhyp.de ein Forum eingerichtet.<br />
Wir freuen uns sehr, wenn dieses Forum intensiv genutzt wird, um Kritik zu üben,<br />
Anregungen zu geben und weitere Ideen zu diskutieren.<br />
Die nachfolgende Untersuchung lässt keinen Zweifel daran, dass Diskussions- und<br />
Handlungsbedarf besteht. Die hier vorgestellten Gedanken und weiteren Ideen zu<br />
kanalisieren, im Kontext <strong>der</strong> demokratischen Meinungsbildung zu bewerten und<br />
fortzuentwickeln, ist ein unabdingbares Vorhaben für die nächsten Jahre.<br />
Die Hypothekenbank in Essen wird die Erörterung <strong>der</strong> aufgeworfenen Fragen mit<br />
Engagement und Neugier weiter begleiten.<br />
II
Der Autor <strong>der</strong> Studie, Dr. Elmar Schulze, kann auf eine 30-jährige Berufserfahrung<br />
als Stadtkämmerer <strong>zur</strong>ückblicken. Dabei war er unter an<strong>der</strong>em Stadtdirektor von<br />
Wuppertal und Vorsitzen<strong>der</strong> des Finanzausschusses des Deutschen Städtetages. Er<br />
ist insofern nicht nur <strong>der</strong> beobachtende Analyst, son<strong>der</strong>n hat auch die Perspektive<br />
eines Praktikers, <strong>der</strong> um die Probleme jeglicher Umsetzung weiß.<br />
Herrn Dr. Schulze spreche ich meinen Dank und Respekt für die geleistete Arbeit<br />
aus.<br />
Essen, im Mai 2006<br />
Hubert Schulte-Kemper<br />
III
I. Analyse<br />
Stichwortregister für den eiligen Leser<br />
Problembereiche, Lösungsansätze Seite<br />
a) Kritische Situation <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen<br />
- Bund,<br />
- Län<strong>der</strong><br />
- Gemeinden<br />
b) Strukturelle Unterfinanzierung <strong>der</strong> deutschen Kommunen<br />
gegenüber Bund und Län<strong>der</strong>n<br />
c) Massives Wachstum <strong>der</strong> Sozialausgaben<br />
d) Lasten des Solidarpakts<br />
e) Ungehemmtes Ansteigen <strong>der</strong> Verschuldung und<br />
Kassenkredite <strong>der</strong> Kommunen<br />
f) Dramatischer Verfall <strong>der</strong> Investitionen<br />
g) Alarmieren<strong>der</strong> Gesamtbefund <strong>der</strong> kommunalen Finanzen<br />
in NRW<br />
h) Staatl. Einstandspflicht für faktische Insolvenz von<br />
Kommunen o<strong>der</strong> Rating keine Lösung<br />
i) Erheblich verstärkte Haushaltskonsolidierung aller drei<br />
staatlichen Ebenen unausweichlich<br />
j) Anspruch <strong>der</strong> Kommunen auf aufgabenadäquate<br />
Finanzausstattung<br />
II. Denkanstöße <strong>zur</strong> Überwindung <strong>der</strong> Krise <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
a) Handlungsempfehlungen für die Kommunen<br />
– Reduzierung <strong>der</strong> Personal- und Sachausgaben durch:<br />
- Aufgabenkritik<br />
- Optimierung <strong>der</strong> Verwaltungsorganisation<br />
- Personal-Management, Nutzung <strong>der</strong> Fluktuation<br />
- effizientes Gebäude-Management, Büroflächen-<br />
Management<br />
- flankierend: Fort- und Weiterbildung<br />
– Begrenzung <strong>der</strong> Sozialausgaben durch:<br />
- För<strong>der</strong>ung des örtlichen Arbeitsmarktes,<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
- Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs<br />
- Realisierung von Rückzahlungs- und<br />
Regressansprüchen<br />
- Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Sozialarbeit: Hilfe <strong>zur</strong><br />
Selbsthilfe, nie<strong>der</strong>schwellige Hilfen<br />
- Budgetierung<br />
- Abbau von Doppelangeboten<br />
- Optimierung <strong>der</strong> Heimunterbringung<br />
– Konzentration auf Kernaufgaben<br />
– Privatisierung, soweit langfristig wirtschaftlich und<br />
strategisch sinnvoll<br />
– Problemfall: Veräußerung von Wohnungs- o<strong>der</strong><br />
Versorgungsunternehmen<br />
– Stärkere Nutzung von ÖPP / PPP-Modellen<br />
IV<br />
4-6<br />
4-6<br />
3 ff, 62 f<br />
7 ff<br />
9, 21 ff<br />
7<br />
12 ff<br />
8, 11<br />
8 ff, 12 ff, 62 f<br />
63 ff<br />
69 ff<br />
3, 64 ff<br />
15 ff, 17, 28 f<br />
17 f<br />
18-20<br />
19, 58 f<br />
19<br />
21, 54 ff<br />
22 f<br />
24<br />
24 f<br />
27<br />
27<br />
26 f<br />
28 ff<br />
29 ff, 32<br />
32-36<br />
37 ff
– Intensivierung <strong>der</strong> interkommunalen Zusammenarbeit<br />
– NKF kein Zaubermittel<br />
– Ausschöpfung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten nur bedingt<br />
hilfreich<br />
– Zukunftsgerichtete Stadt- und Wohnungspolitik<br />
– Umgang mit demographischem Wandel<br />
– Einwohner-Management<br />
– Familienfreundliche Politik<br />
– Steigerung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Innenstädte<br />
– Verstärkung <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
– Nutzung externen Rates<br />
– Stärkung des Ehrenamts<br />
– Bemühungen um Sponsoren und Stiftungen<br />
b) Handlungsempfehlungen für das Land<br />
– Verbesserung <strong>der</strong> GFG-Struktur, ggf. nach Prüfung durch<br />
Experten<br />
– Haushaltssicherungsverfahren optimieren<br />
– Entlastung durch Hartz IV voll und dauerhaft an<br />
Kommunen weitergeben<br />
– Ehrliche Beachtung des (neuen) Grundsatzes <strong>der</strong><br />
Konnexität<br />
– Vorschläge <strong>der</strong> Expertenkommission umsetzen<br />
– Verwaltungsstrukturreform beschleunigen: Zahl <strong>der</strong><br />
Landesbehörden (fast 700) erheblich reduzieren, Aufgaben<br />
z. T. an Kreise, kreisfreie Städte und Landschaftsverbände<br />
übertragen;<br />
„Dreier-Lösung“ für Bezirksregierungen problematisch<br />
– Bürokratieabbau<br />
– Sparkassen: keine Ermöglichung <strong>der</strong> „Versilberung“<br />
zugunsten <strong>der</strong> Kommunen,<br />
höhere Ausschüttung zugunsten <strong>der</strong> Träger<br />
– Keine Einschränkung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Betätigung<br />
(§ 107 GO)<br />
c) Handlungsempfehlungen an Bund und Land<br />
– Bürokratieabbau und Beseitigung von Übertreibungen im<br />
Datenschutz<br />
– Rückführung <strong>der</strong> gesetzlichen Standards<br />
d) Handlungsempfehlungen für den Bund und die Län<strong>der</strong><br />
– Wirksame Gemeindefinanzreform, dabei Strukturschwäche<br />
<strong>der</strong> Städte und Stadt- Umlandprobleme berücksichtigen<br />
– Reduzierung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
– Verlängerung <strong>der</strong> Wahlperiode des Bundestages (5 Jahre)<br />
und Entzerrung <strong>der</strong> Landtagswahltermine<br />
– Begrenzung <strong>der</strong> Zahlungsverpflichtungen gegenüber <strong>der</strong><br />
EU<br />
– Solidarpakt än<strong>der</strong>n: auch im Westen strukturschwache<br />
Regionen<br />
V<br />
40 ff<br />
42 ff<br />
45 f<br />
47 ff<br />
47 ff<br />
50<br />
51<br />
51<br />
54 ff<br />
59 f<br />
61 f<br />
61 f<br />
97 f<br />
68 f<br />
10 f, 22<br />
73<br />
97<br />
100 ff<br />
103 ff<br />
75 ff<br />
107 ff<br />
115 ff<br />
99 f<br />
23, 75 ff<br />
78 f<br />
72, 86 ff<br />
91 ff<br />
93 f<br />
94 ff<br />
89 ff
– Ausweitung Fö<strong>der</strong>alismusreform: Anhörungsrecht für<br />
Gemeinden<br />
– Beachtung des Grundsatzes <strong>der</strong> Konnexität<br />
– Notwendige Reformen umsetzen<br />
– Echtes Sparen, Zurückhaltung bei Steuererhöhungen<br />
e) Handlungsempfehlungen für Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden<br />
– Rückführung gesetzlicher Standards auf das notwendige<br />
Maß und strengere Maßstäbe für<br />
Ermessensentscheidungen<br />
– Optimierung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten durch<br />
- effizienten Steuervollzug<br />
- kompromisslose Bekämpfung von<br />
Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung<br />
– Vermeidung von Schäden durch korruptive<br />
Machenschaften<br />
f) Handlungsempfehlungen für die EU<br />
– Finanzierung durch die Mitgliedslän<strong>der</strong> gerechter gestalten<br />
– Keine För<strong>der</strong>ung von Arbeitsplatzverlagerung in neue<br />
Mitgliedslän<strong>der</strong><br />
– Bürokratieabbau<br />
III. Fazit<br />
Überwindung <strong>der</strong> öffentlichen Finanzkrise in Deutschland<br />
durch konzertierte Aktionen <strong>der</strong> drei staatlichen Ebnen<br />
erreichbar<br />
VI<br />
74<br />
73 ff<br />
70 f<br />
70 f<br />
78 f<br />
79 ff<br />
79 ff<br />
83 ff<br />
94 ff<br />
95 f<br />
77 f<br />
69 ff, 72, 85,<br />
117 f
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung ..................................................................................................................................... 3<br />
Teil 1: Analyse <strong>der</strong> ungünstigen Entwicklung <strong>der</strong> kommunalen Finanzen und Ansätze<br />
<strong>zur</strong> Gegensteuerung....................................................................................................... 7<br />
a) Strukturelle Unterfinanzierung <strong>der</strong> deutschen Kommunen gegenüber Bund und<br />
Län<strong>der</strong>n............................................................................................................................... 7<br />
b) Dramatische Verschlechterung <strong>der</strong> Finanzsituation <strong>der</strong> Kommunen in Nordrhein-<br />
Westfalen in den vergangenen 5 Jahren....................................................................... 8<br />
c) Alarmieren<strong>der</strong> Gesamtbefund <strong>der</strong> kommunalen Finanzsituation in Nordrhein-<br />
Westfalen Ende 2005 ....................................................................................................... 12<br />
d) Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> kommunalen Haushaltskonsolidierung ................. 14<br />
1) Reduzierung <strong>der</strong> Personalausgaben......................................................................... 15<br />
2) Begrenzung <strong>der</strong> sozialen Leistungen........................................................................ 21<br />
3) Etatentlastung durch „Privatisierung“ und „Konzentration auf Kernaufgaben“ ... 28<br />
4) Chancen und Risiken beim Verkauf des „Tafelsilbers“: Veräußerung von<br />
Anteilen an Wohnungs- o<strong>der</strong> Versorgungsunternehmen sinnvoll?.................... . 32<br />
5) Stärkere Nutzung von ÖPP-Modellen für Investitionsvorhaben ......................... . 37<br />
6) Intensivierung <strong>der</strong> interkommunalen Zusammenarbeit........................................ . 40<br />
7) „Befreiungsschlag“ durch das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) .. 42<br />
8) Ausschöpfung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten............................................................ . 45<br />
9) Die Herausfor<strong>der</strong>ungen des demographischen Wandels meistern:<br />
Zukunftsgerichtete Stadtentwicklung und Wohnungspolitik . ................................ 47<br />
10) Verstärkung <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung .................................................................... 54<br />
11) Sonstige Empfehlungen an die Kommunen......................................................... . 57<br />
12) Resümee zu d) ........................................................................................................... 62<br />
e) Wer haftet letztlich für die Verbindlichkeiten <strong>der</strong> Kommunen?.................................... 63<br />
1) „Basel II“ und die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> deutschen Kommunen........................... . 63<br />
2) Die verfassungsrechtlich gesicherte Position <strong>der</strong> Kommunen: Einstandspflicht<br />
des Landes für faktische Insolvenz von Kommunen............................................. . 64<br />
3) Konsequenzen für das Land und Vorschläge für das Haushaltssicherungs-<br />
verfahren......................................................................................................................... 68<br />
f) Fazit zu Teil 1: Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden zum gemeinsamen Kampf gegen<br />
die Krise verpflichtet .......................................................................................................... 69<br />
Teil 2: Strategisches Zusammenwirken von Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden <strong>zur</strong><br />
Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> kommunalen Handlungsfähigkeit ....................................... 72<br />
a) Strikte Einhaltung des Grundsatzes <strong>der</strong> „Konnexität“............................................... 73<br />
b) Baldige Umsetzung und erhebliche Ausweitung <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform............ 74<br />
c) Effektiver Bürokratieabbau.......................................................................................... . 75<br />
d) Rückführung gesetzlicher Standards auf das notwendige Maß............................. 78<br />
e) Strengere Maßstäbe für Ermessensentscheidungen bei <strong>der</strong> Prüfung von<br />
gesetzlichen Ansprüchen............................................................................................. . 79<br />
f) Optimierung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten <strong>der</strong> öffentlichen Hand durch effizienten<br />
Steuervollzug und kompromisslose Bekämpfung von Schattenwirtschaft und<br />
Steuerhinterziehung...................................................................................................... . 79<br />
g) Vermeidung von Schäden durch korruptive Machenschaften ................................ 83<br />
h) Fazit zu Teil 2: Durchgreifende Erfolge nicht kurzfristig zu erwarten.................... 85<br />
1
Teil 3: Ergänzende Denkmodelle und Vorschläge ............................................................... 86<br />
a) For<strong>der</strong>ungen an Bundestag und Bundesrat .................................................................. 86<br />
1) Nachhaltige finanzielle Absicherung <strong>der</strong> Kommunen durch eine gerechte<br />
Gemeindefinanzreform................................................................................................ . 86<br />
2) Än<strong>der</strong>ung des Solidarpakts: Angemessene Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Strukturschwäche westdeutscher Kommunen.......................................................... 89<br />
3) Reduzierung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> .................................................................. 91<br />
4) Verlängerung <strong>der</strong> Wahlperiode für den Bundestag auf 5 Jahre und Bündelung<br />
<strong>der</strong> Landtagswahltermine ........................................................................................... . 93<br />
5) Begrenzung <strong>der</strong> Zahlungsverpflichtungen gegenüber <strong>der</strong> EU.............................. 94<br />
b) Sonstige Empfehlungen an Landtag und Landesregierung in NRW ........................ 96<br />
1) Baldige und umfassende Umsetzung <strong>der</strong> Vorschläge aus dem Gutachten <strong>der</strong><br />
Expertenkommission ................................................................................................... . 97<br />
2) Grundlegende Reform <strong>der</strong> Struktur des Gemeindefinanzausgleichs .................. 97<br />
3) Keine Begrenzung <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>zur</strong> wirtschaftlichen Betätigung <strong>der</strong><br />
Kommunen................................................................................................................... . 99<br />
4) Verwaltungsstrukturreform des Landes NRW mit den Kommunen, nicht<br />
gegen sie......................................................................................................................... 100<br />
c) Verwertung „mittelbaren Vermögens“ <strong>der</strong> Kommunen: Veräußerung von<br />
Sparkassen und Provinzial Versicherungen zugunsten <strong>der</strong> Kommunen<br />
ermöglichen?....................................................................................................................... 107<br />
d) Fazit zu Teil 3: Überwindung <strong>der</strong> Finanzkrise in Deutschland durch konzertierte<br />
Aktionen <strong>der</strong> drei staatlichen Ebenen erreichbar ........................................................ 117<br />
Epilog des Verfassers .............................................................................................................. . 119<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> Anlagen............................................................................................................ 122<br />
2
Einleitung<br />
Die Finanzlage <strong>der</strong> deutschen Städte und Gemeinden hat sich in den letzten Jahren<br />
besorgniserregend verschlechtert; das gilt uneingeschränkt auch für die Kommunen in<br />
NRW. Wegen ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für die Kommunen sind <strong>der</strong><br />
Bund und die Län<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>t, Städte und Gemeinden von unzumutbaren Lasten zu<br />
befreien und die finanziellen Voraussetzungen für eine geordnete Erfüllung <strong>der</strong><br />
Aufgaben <strong>der</strong> Daseinsvorsorge <strong>der</strong> Gemeinden für ihre Einwohner zu schaffen. Das ist<br />
letztlich eine Folge aus <strong>der</strong> dreistufigen Staatsorganisation <strong>der</strong> Bundesrepublik.<br />
Danach stellen die Gemeinden die unterste staatliche Ebene dar; sie verfügen über<br />
einen verfassungsrechtlich gesicherten Rechtsstatus als allzuständige und<br />
eigenverantwortliche Selbstverwaltungskörperschaften (Artikel 28 Abs. 2 GG).<br />
Deshalb „verfügen die Gemeinden über ein Recht auf aufgabenadäquate<br />
Finanzausstattung“, wie es im Standard-Kommentar zum Grundgesetz heißt. 1<br />
Danach muss die Finanzausstattung quantitativ ausreichend sein, um den Gemeinden<br />
die Aufgabenerfüllung bezüglich zugewiesener Aufgaben zu ermöglichen und auch<br />
selbstgewählte Aufgaben erfüllen zu können. 2 Das Innenministerium NRW bestätigt,<br />
dass „eine aufgabenadäquate Finanzausstattung <strong>der</strong> Gemeinden (GV) ... eine<br />
Grundvoraussetzung für gemeindliches Handeln zum Wohle <strong>der</strong> Bürgerinnen und<br />
Bürger und Grundlage <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung“ sei.<br />
Die Realität sieht allerdings ganz an<strong>der</strong>s aus. Die gegenwärtige<br />
Gemeindefinanzverfassung ermöglicht es den meisten Gemeinden schon seit Jahren<br />
nicht mehr, ihrer Verantwortung hinreichend gerecht zu werden. Eine bedrückende<br />
Gesamtverschuldung sowie die inzwischen auf Rekordhöhe angewachsenen<br />
Kassenkredite haben die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen – auch in NRW –<br />
bereits ausgehöhlt o<strong>der</strong> an eine kritische Grenze gebracht.<br />
Das erfüllt den Verfasser dieses Papiers mit großer Sorge. Er hat es sich <strong>zur</strong> Aufgabe<br />
gemacht, vornehmlich die Situation <strong>der</strong> Städte in NRW unter die Lupe zu nehmen<br />
und nach Möglichkeiten einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Finanz- und<br />
Leistungskraft zu suchen, damit sich nicht nach und nach Gemeinden aus <strong>der</strong><br />
Aufgabenerfüllung im Rahmen <strong>der</strong> Daseinsvorsorge verabschieden.<br />
1 Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Art. 28 GG, Randnummer 84 b, mit Hinweisen auf Rechtsprechung, z. B.<br />
des Verfassungsgerichtshofs NRW – NWVerfGH OVGE 38,301 (303, 312ff).<br />
2 Quelle wie vor.<br />
3
Der für die Kommunen nach <strong>der</strong> Finanzverfassung naheliegende Weg, eine<br />
ausreichende Finanzausstattung beim Land o<strong>der</strong> beim Bund einzufor<strong>der</strong>n, stößt<br />
gegenwärtig auf erhebliche faktische Schwierigkeiten, da neben den kommunalen<br />
Haushalten auch die Etats des Bundes und des Landes NRW in eine prekäre<br />
Schieflage geraten sind.<br />
Der von den Partnern <strong>der</strong> neuen Bundesregierung ausgehandelte Koalitionsvertrag<br />
und die dazu geführte lebhafte Diskussion haben die dramatische Etatsituation des<br />
Bundes in voller Breite in das öffentliche Bewusstsein gerückt.<br />
Dass auch das Land NRW erhebliche Probleme mit seiner Haushalts- und Finanzlage<br />
hat, wurde spätestens mit <strong>der</strong> Regierungserklärung von Ministerpräsident Jürgen<br />
Rüttgers im Juli 2005 deutlich, in welcher das bisherige Ausgabeverhalten des Landes<br />
einschließlich <strong>der</strong> Schuldenpolitik ausdrücklich als „verfassungswidrig“ bezeichnet<br />
worden ist. 3 Die von Rüttgers berufene hochkarätig besetzte Expertenkommission<br />
hat in ihrem im November 2005 vorgelegten Abschlussbericht ungeschminkt<br />
dargestellt, dass das Land NRW im Jahr 2004 „mit 12,8 % des Haushaltsvolumens<br />
das höchste Defizit unter den westdeutschen Flächenlän<strong>der</strong>n hatte“ und „die<br />
Lasten <strong>der</strong> Vergangenheit jede Zukunftschance blockieren“, so dass „unmittelbar,<br />
umfassend und nachhaltig gegengesteuert werden muss“. 4<br />
Die Expertenkommission bewertet die bisherige Haushalts- und Finanzpolitik des<br />
Landes NRW als „völlig inakzeptabel“, eine Fortführung „käme ... einem quasi<br />
institutionalisierten, dauerhaften Bruch <strong>der</strong> Landesverfassung gleich, weil die<br />
Defizite in jedem Jahr die Investitionen deutlich übersteigen.“ 5 Die Experten folgern<br />
weiter: „Sollte NRW genauso vorgehen wie Bremen, das Saarland o<strong>der</strong> Berlin, wäre<br />
schnell das fö<strong>der</strong>ale Gesamtgefüge in Deutschland bedroht, da die dann für NRW<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Finanzmittel jede handhabbare Dimension sprengen würden. Überdies<br />
hätte ein solcher Kreditausfall selbstverständlich auch massive Auswirkungen auf den<br />
(ohnehin bereits angeschlagenen) Bundeshaushalt und auf die Bonität Deutschlands<br />
an den internationalen Kreditmärkten.“ 6 Die Kommission sieht<br />
Sanierungsmöglichkeiten von jährlich rund 8 Mrd. €, die in einer gemeinsamen<br />
Kraftanstrengung von Landtag und Regierung bis 2010 realisiert werden können:<br />
insbeson<strong>der</strong>e rund 2 Mrd. € Ausgabenkürzungen bei Sachausgaben und Investitionen,<br />
3 Vgl. Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers vom 13. Juli 2005, Abschn. II.<br />
4 Vgl. Abschlussbericht „Kommission zu Situation und Perspektive des Landeshaushalts NRW“ vom 25.<br />
Oktober 2005, S. 1 ff.<br />
5 Abschlussbericht wie vor, S. 3.<br />
6 Abschlussbericht wie vor, S. 4.<br />
4
2,5 Mrd. € bei Zuweisungen und Zuschüssen und knapp 3 Mrd. € im Personalbereich.<br />
Die Experten empfehlen, die dafür erfor<strong>der</strong>lichen Voraussetzungen unmittelbar zu<br />
schaffen. 7<br />
Bei dieser Ausgangslage gibt es für die große Zahl von Städten und Gemeinden in<br />
NRW wenig Hoffnung auf „Hilfe von oben.“ Umso wichtiger ist es, zu echten<br />
Befreiungsschlägen für die Kommunen zu kommen, damit sie bald wie<strong>der</strong> ihrer<br />
Funktion als unterste staatliche Ebene ungehin<strong>der</strong>t nachkommen können. Diese<br />
Studie zeigt eine Fülle von Möglichkeiten auf, <strong>der</strong>en Realisierung zu einer<br />
nachhaltigen Konsolidierung <strong>der</strong> kommunalen Etats beitragen kann.<br />
Wegen <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Finanzverfassung innerhalb <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
haben viele Maßnahmen des Bundes und des Landes unmittelbar o<strong>der</strong> mittelbar<br />
Auswirkungen auf die Haushalte <strong>der</strong> nachgeordneten staatlichen Ebenen. Deshalb<br />
werden mit diesem Thesen- und Diskussionspapier Vorschläge für alle drei<br />
staatlichen Ebenen unterbreitet, <strong>der</strong>en Umsetzung in ihrem Zusammenwirken zu<br />
gravierenden Entlastungen <strong>der</strong> Kostenseite und zu nachhaltigen Verbesserungen <strong>der</strong><br />
Einnahmekraft sowohl <strong>der</strong> staatlichen als auch <strong>der</strong> kommunalen Haushalte führen<br />
wird.<br />
Wer den Kommunen Wege aus dem Dilemma aufzeigen will, muss zunächst in einer<br />
sorgfältigen Analyse den Ursachen für die negative Entwicklung nachgehen, um<br />
gegenläufige Trends und Ansätze <strong>zur</strong> Gegensteuerung zu finden. Das geschieht in<br />
Teil 1 dieses Papiers, in dem bereits eine Reihe von Verbesserungsansätzen<br />
aufgezeigt werden, die sich im Rahmen <strong>der</strong> Analyse aus dem jeweiligen<br />
Sachzusammenhang ergeben. Darüber hinaus werden in diesem Teil Möglichkeiten<br />
und Grenzen von Konsolidierungsmaßnahmen <strong>der</strong> Gemeinden aufgezeigt und wird<br />
beschrieben, was die Städte und Gemeinden aus eigener Kraft bereits leisten und<br />
noch zusätzlich tun können. Dabei wird sich allerdings zeigen, dass die Situation in<br />
erheblichem Umfang weitergehende Maßnahmen erfor<strong>der</strong>t.<br />
In Teil 2 werden deshalb zusätzliche Vorschläge gemacht, die im strategischen<br />
Zusammenwirken aller staatlichen Ebenen maßgeblich <strong>zur</strong> Wie<strong>der</strong>erlangung <strong>der</strong><br />
kommunalen Handlungsfähigkeit beitragen können und zudem zu einer nachhaltigen<br />
7 Abschlussbericht wie vor, S. 1.<br />
5
Verbesserung <strong>der</strong> Finanzsituation <strong>der</strong> öffentlichen Hand in Deutschland führen<br />
dürften.<br />
Teil 3 enthält weitere Denkmodelle und Vorschläge, die sich gezielt an den Bund<br />
und das Land richten, weil die Überwindung <strong>der</strong> öffentlichen Finanzkrise in<br />
Deutschland letztlich nur durch konzertierte Aktionen von Bund, Län<strong>der</strong>n und<br />
Gemeinden zu realisieren ist.<br />
Im Jahre 2005 hat sich das „Haushaltsloch“ von Bund, Län<strong>der</strong>n, Kommunen und<br />
Sozialversicherungen gegenüber dem Vorjahr um 70 Mrd. Euro vergrößert. Die<br />
konsolidierte deutsche Staatsverschuldung hat sich damit auf eine Rekordsumme<br />
von 1,52 Billionen Euro summiert. Nach Angaben <strong>der</strong> Deutschen Bundesbank<br />
entspricht dieser Betrag mehr als zwei Dritteln (67,7 %) des Bruttoinlandsprodukts. 8<br />
Die besorgniserregende Gesamtsituation <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen in<br />
Deutschland muss von allen Beteiligten sehr ernst genommen werden, damit<br />
Verwerfungen im fö<strong>der</strong>alen Gesamtgefüge o<strong>der</strong> gar ein gesamtwirtschaftlicher Kollaps<br />
vermieden werden. Halbherzige Reformen helfen nicht weiter, zu kurze Schritte<br />
verlängern die Zeit für den <strong>zur</strong>ückzulegenden Weg und erschweren den Erfolg.<br />
Wegen <strong>der</strong> Härte <strong>der</strong> Sachzwänge gehören auch ungewöhnliche Denkanstöße auf<br />
den Tisch, bisherige Tabus sind über Bord zu werfen. Bei einer Reihe von<br />
Vorschlägen setzt die Umsetzung <strong>der</strong> Maßnahmen Mut und Entschlossenheit sowie<br />
den Verzicht auf Populismus voraus.<br />
Das hiermit vorgelegte Perspektivpapier soll in diesem Sinne Lösungsansätze und<br />
Denkmodelle aufzeigen. Es wird ein wichtiges Teilziel schon dann erreicht haben,<br />
wenn es eine lebhafte, wenn auch kontroverse Diskussion auslöst. Eine solche<br />
öffentliche Erörterung von denkbaren Maßnahmen dürfte zumindest die allgemeine<br />
Erkenntnis dafür stärken, dass auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden<br />
müssen, <strong>der</strong>en Auswirkungen aber auf Dauer <strong>der</strong> Allgemeinheit zugute kommen.<br />
Voraussetzung für ein gutes Gelingen sind eine Stärkung des Selbstvertrauens<br />
aller Beteiligten und eine echte Aufbruchstimmung, an <strong>der</strong> es in Deutschland<br />
bisher lei<strong>der</strong> immer noch weitgehend fehlt. Möge diese Studie zu einer<br />
entsprechenden Bewusstseinsän<strong>der</strong>ung beitragen.<br />
8 Deutsche Bundesbank, Offizielle Pressenotiz v. 23.03.2006.<br />
6
Teil 1: Analyse <strong>der</strong> ungünstigen Entwicklung <strong>der</strong> kommunalen Finanzen und Ansätze<br />
<strong>zur</strong> Gegensteuerung<br />
a) Strukturelle Unterfinanzierung <strong>der</strong> deutschen Kommunen gegenüber Bund und<br />
Län<strong>der</strong>n<br />
Die Finanzausstattung <strong>der</strong> deutschen Kommunen war seit vielen Jahren<br />
angespannt; allerdings gab es wegen <strong>der</strong> deutlichen strukturellen Unterschiede<br />
zwischen den einzelnen Städten sowie zwischen den Größenklassen teilweise<br />
bedeutsame Abweichungen nach oben und unten. Die Vorgaben des Bundes ließen<br />
die sozialen Leistungen überproportional anwachsen, hohe Tarifabschlüsse trieben die<br />
Personalkosten nach oben.<br />
In den alten Bundeslän<strong>der</strong>n waren die sozialen Leistungen <strong>der</strong> Gemeinden rasant<br />
angestiegen; sie beliefen sich im Jahre 1980 auf 15,4 Mrd. DM und hatten sich bereits<br />
1990 mit 32,2 Mrd. DM mehr als verdoppelt (+ 116 %). Die Personalausgaben<br />
schnellten in diesen 10 Jahren von 33,5 Mrd. DM auf 49,5 Mrd. DM (+ 48 %).<br />
Nach <strong>der</strong> deutschen Vereinigung kamen beachtliche neue Lasten auf die<br />
kommunale Ebene zu, da die Gemeinden seit 1991 erhebliche Leistungen <strong>zur</strong><br />
Mitfinanzierung des „Fonds Deutsche Einheit“ aufzubringen haben. Die Stadt<br />
Essen beispielsweise hat sich bis zum Frühjahr 2005 mit 420 Mio. € an den Kosten<br />
<strong>der</strong> deutschen Einheit beteiligt; das waren rund 42 % <strong>der</strong> bis zu jenem Zeitpunkt<br />
aufgenommenen Kassenkredite. 9<br />
Die Übertragung staatlicher Aufgaben führte zu zusätzlichen Belastungen. Auch EU-<br />
Vorgaben wirken sich vielfältig auf die Gemeindeebene aus. Eine Fülle von<br />
Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Steuergesetze, vor allem bei <strong>der</strong> Festsetzung <strong>der</strong><br />
Gewerbesteuerumlage und durch Steuersenkungen (z. B. Steuerentlastungsgesetz<br />
1999 / 2000 / 2002), haben massive Einnahmeverluste bei Städten und<br />
Gemeinden bewirkt bzw. den erwarteten und notwendigen Zugang von Einnahmen<br />
verhin<strong>der</strong>t. Durch die im Abstand mehrerer Jahre anstehende Umverteilung des<br />
Gemeindeanteils an <strong>der</strong> Einkommensteuer haben sich zudem Verschiebungen von<br />
den größeren Städten zu den Umlandgemeinden ergeben, was die spezielle Situation<br />
<strong>der</strong> größeren Städte relativ weiter erschwert hat. Bereits in den 1990er Jahren war<br />
die Gesamtheit <strong>der</strong> deutschen Kommunen zwangsläufig zu einem starken „Tritt auf die<br />
9 Haushaltsrede des Essener Stadtkämmerers Nieland vom 27.04.2005 zum Etatentwurf 2005.<br />
7
Ausgabenbremse“ gezwungen. Trotz mehrfacher gegenteiliger Bekundungen<br />
kompetenter Vertreter des Bundes kam es seinerzeit nicht zu einer wirklich<br />
durchgreifenden Gemeindefinanzreform. Die Möglichkeiten <strong>zur</strong> Verschuldung waren<br />
dadurch sehr eingeengt. Die Folge waren schon damals fortgesetzte Einschränkungen<br />
städtischer Leistungen sowie ein kontinuierlicher Verfall <strong>der</strong> städtischen Investitionen.<br />
Umfangreiche Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen wurden wegen <strong>der</strong><br />
Finanzenge immer weiter aufgeschoben, sodass nach und nach fast überall ein<br />
enormer Reparaturstau entstand. Die massive Reduzierung <strong>der</strong> kommunalen<br />
Investitionen von 65,5 Mrd. DM im Jahre 1992 auf verbleibende 48,2 Mrd. DM im<br />
Jahre 2000 beinhaltete einen nominellen Rückgang um 26,4 % – realiter also<br />
entsprechend mehr; das war schon damals unter gesamtwirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten außerordentlich problematisch und hat darüber hinaus vielfach eine<br />
geordnete Stadtentwicklung verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> sehr erschwert. 10<br />
– Vgl. dazu Anlage 1: „Verfall <strong>der</strong> Investitionen“ –<br />
b) Dramatische Verschlechterung <strong>der</strong> Finanzsituation <strong>der</strong> Kommunen in Nordrhein-<br />
Westfalen in den vergangenen 5 Jahren<br />
Zunächst soll in einer eingehenden Analyse <strong>der</strong> Versuch unternommen werden, mit<br />
Zahlen und Fakten die Tragweite <strong>der</strong> kommunalen Finanznot im Bund wie<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Land NRW zu beleuchten. Dabei sollen zugleich denkbare Stärken<br />
und Schwächen herausgefunden werden, die zum Ausgangspunkt und Ansatz<br />
wirksamer Hilfsmaßnahmen genommen werden könnten. Während die wesentlichen<br />
Einnahmeblöcke in den kommunalen Haushalten seit Jahren von stagnierenden o<strong>der</strong><br />
rückläufigen Faktoren geprägt sind, steigen die sozialen Leistungen, die einen<br />
markanten Anteil <strong>der</strong> Ausgaben <strong>der</strong> Verwaltungshaushalte ausmachen, ungebremst<br />
weiter an.<br />
Einige Zahlen belegen das. 11 Die kommunalen Gesamteinnahmen im<br />
Bundesgebiet stagnieren im 10-Jahres-Vergleich. Sie lagen mit rd. 145 Mrd. € nur<br />
geringfügig über denen des Jahres 1994. Demgegenüber sind die Ausgaben für<br />
10 Die vorstehenden Daten beruhen auf Angaben des Deutschen Städtetages (DST) im<br />
„Gemeindefinanzbericht“ für 2000 und 2005 sowie des Statistischen Bundesamtes.<br />
11 Die nachfolgend genannten Zahlen, Daten und Fakten sind Veröffentlichungen des Deutschen<br />
Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes entnommen.<br />
8
soziale Leistungen allein in den letzten vier Jahren um 5,7 Mrd. €, also um rd. 22<br />
%, gewachsen und haben damit eine Gesamthöhe von rund 31,9 Mrd. € erreicht.<br />
– Vgl. dazu Anlage 2: „Anstieg <strong>der</strong> Sozialausgaben“ –<br />
Die Ursachen für diese gegenläufige Entwicklung liegen einerseits in <strong>der</strong> in mehreren<br />
Stufen in Kraft getretenen Einkommensteuerreform; die Einnahmen aus dem<br />
Gemeindeanteil an <strong>der</strong> Einkommensteuer sind dadurch schon im 5. Jahr<br />
hintereinan<strong>der</strong> rückläufig und liegen inzwischen um mehr als 3 Mrd. € unter <strong>der</strong><br />
Vergleichszahl des Jahres 2000, dem letzten Jahr vor den großen Einkommensteuer-<br />
Entlastungen. Dieser nachhaltig wirkende Rückgang konnte auch durch die<br />
Gewerbesteuer nicht wettgemacht werden, die – nach einem massiven Einbruch in<br />
den Jahren 2001 bis 2003 – inzwischen wie<strong>der</strong> angestiegen ist An<strong>der</strong>erseits spiegelt<br />
<strong>der</strong> ständig wachsende Block <strong>der</strong> sozialen Leistungen u. a. die betrübliche<br />
Arbeitsmarktlage wi<strong>der</strong>, aus <strong>der</strong> sich kräftig wachsende Ansprüche auf Sozialhilfe<br />
ergeben.<br />
Auch die staatlichen Zuweisungen bewirken keine Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen<br />
Finanzkraft. Die gesamten Zuweisungen von Bund und Län<strong>der</strong>n waren vor allem im<br />
Jahre 2003 durch einen deutlich negativen Kurs geprägt und blieben im Jahre 2004<br />
noch unter <strong>der</strong> Vergleichszahl von 2000.<br />
Das alles trug dazu bei, dass die Städte und Gemeinden weiterhin eisern sparen<br />
mussten. Im 10-Jahres-Vergleich sind die Gesamtausgaben – trotz <strong>der</strong> Belastungen<br />
z. B. in <strong>der</strong> Sozialhilfe – nicht gestiegen; sie betrugen im Jahr 2004 rd. 149 Mrd. €<br />
gegenüber rd. 150,5 Mrd. € im Jahre 1994.<br />
Für 2005 müssen die deutschen Kommunen mit einem Anstieg des Jahresdefizits<br />
von 3,8 auf 5,8 Mrd. € rechnen. Noch alarmieren<strong>der</strong> sind die inzwischen<br />
aufgelaufenen strukturellen Defizite in den Verwaltungshaushalten. Allein bei den<br />
Mitgliedsstädten des Deutschen Städtetags summierten sich die Defizite auf rd. 9,1<br />
Mrd. € und verharrten damit auf <strong>der</strong> Rekordhöhe des Jahres 2003, dem schwersten<br />
Krisenjahr <strong>der</strong> Städte seit Bestehen <strong>der</strong> Bundesrepublik. 12<br />
– Vgl. dazu Anlage 3: „Defizitäre städtische Verwaltungshaushalte“ –<br />
12 Vgl. „Gemeindefinanzbericht 2005“ des DST.<br />
9
Auch die Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen weiterhin unter einem<br />
enormen Druck. Die Steuereinnahmen <strong>der</strong> Kommunen im Lande lagen im Jahre<br />
2004 – trotz einer positiven Tendenz bei <strong>der</strong> Gewerbesteuer – mit 14 Mrd. € noch um<br />
400 Mio. € unter dem Wert des Jahres 2000. Die Einnahmen aus <strong>der</strong> Gewerbesteuer<br />
waren in den Jahren 2000 bis 2003 entsprechend <strong>der</strong> ungünstigen konjunkturellen<br />
Entwicklung stark rückläufig; sie erreichten dann im Jahr 2004 – abzüglich <strong>der</strong><br />
Gewerbesteuerumlage – mit 5,7 Mrd. € lediglich 200 Mio. € mehr als 4 Jahre zuvor.<br />
Der Gemeindeanteil an <strong>der</strong> Einkommensteuer ist als Folge <strong>der</strong> Steuerreform seit 2000<br />
rapide gesunken. Während er im Jahre 2000 noch 5,8 Mrd. € ausmachte, konnten die<br />
Kommunen 2004 nur noch 4,9 Mrd. € als Einnahmen verbuchen.<br />
Während seit dem Jahr 2000 insgesamt ein massiver Einbruch <strong>der</strong> Einnahmen zu<br />
verkraften war, sind die sozialen Leistungen in dieser Zeit weiterhin enorm, nämlich<br />
um 1,2 Mrd. auf 9,4 Mrd. €, gestiegen. 13<br />
Angesichts dieses gravierenden Trends setzten die Kämmerer ihre Hoffnung auf eine<br />
Reform am Arbeitsmarkt, auf die lange gewartet werden musste. Zum 1. Januar 2005<br />
ist durch das neue Sozialgesetzbuch (SGB II) die Zuständigkeit für Hilfen an<br />
Erwerbsfähige auf den Bund übergegangen, während die Hilfen für Nicht-<br />
Erwerbsfähige bei den Städten bzw. Kreisen verblieben sind. Zugleich wurden den<br />
Kommunen die Unterkunftskosten für beide Personenkreise auferlegt; an diesen<br />
Kosten beteiligt sich <strong>der</strong> Bund mit einem Schlüssel von anfangs 29,1%. Durch die<br />
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch das SGB II sollen<br />
die Kommunen in NRW um jährlich 450 Mio. € entlastet werden. Durch diese<br />
Entlastung von Folgekosten <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit ist die kommunale Ebene<br />
endlich von <strong>der</strong> unsystematischen Zuständigkeit für Konsequenzen <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit befreit worden. Diese Kompetenz <strong>der</strong> Kommunen für die Bewältigung<br />
von Kosten <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit war sachlich schon immer falsch, da die<br />
maßgeblichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und damit die Instrumente<br />
für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitskräften nicht vor Ort, son<strong>der</strong>n auf<br />
Bundesebene und teilweise von Brüssel aus beeinflusst werden. Die bisherige<br />
systemwidrige Kostenzuständigkeit hat jedoch wesentlich <strong>zur</strong> strukturellen<br />
Unterfinanzierung <strong>der</strong> Kommunalhaushalte beigetragen.<br />
Die weitere Entwicklung nach <strong>der</strong> Umsetzung von „Hartz IV“ bleibt abzuwarten, sie ist<br />
voller Risiken für die Kommunen. Wichtig ist, dass es bei <strong>der</strong> avisierten Entlastung <strong>der</strong><br />
13 Vgl. „Kommunalfinanzbericht“ des Innenministeriums NRW von November 2005.<br />
10
Gemeinden bleibt. Dazu gehört, dass die Län<strong>der</strong> entsprechend den Ergebnissen im<br />
Vermittlungsausschuss die bei ihnen eingetretenen Kostenvorteile aus dem Wegfall<br />
<strong>der</strong> Wohngeldzahlungen ungeschmälert an die kommunale Ebene weitergeben.<br />
Da sich die Schere zwischen wichtigen Einnahme- und Ausgabeblöcken immer weiter<br />
zum Nachteil <strong>der</strong> Gemeinden geöffnet hat, sind viele Haushalte <strong>der</strong> Kommunen in<br />
Nordrhein-Westfalen in eine Schieflage geraten, obwohl die Kommunen insgesamt<br />
seit vielen Jahren eine sehr restriktive Politik bei den Personal- und Sachausgaben<br />
betreiben.<br />
Ein markanter Beleg dafür ist <strong>der</strong> massive Rückgang <strong>der</strong> kommunalen<br />
Sachinvestitionen. Die Ausgaben <strong>der</strong> Gemeinden und Gemeindeverbände im Lande<br />
für den Erwerb von Grundstücken und Baumaßnahmen sanken von 1992 mit 6,4 Mrd.<br />
Euro auf rd. 3,0 Mrd. Euro im Jahre 2005 14 , also um 53 %. Zu diesem Zahlenvergleich<br />
ist allerdings anzumerken, dass die Kommunen in den vergangenen Jahren einzelne<br />
Aufgabenbereiche ausgeglie<strong>der</strong>t haben, sodass die Ausgaben jener Betriebe nicht<br />
mehr in den öffentlichen Statistiken erfasst werden. Präzise Zahlen über den Umfang<br />
solcher „Privatisierungen“ gibt es jedoch nicht. Die jüngste „Privatisierungswelle“ mag<br />
einen gewissen Anteil des außergewöhnlichen Abbaus an Sachinvestitionen erklären.<br />
Der oft miserable bauliche Zustand ungezählter Schulen und Straßen-Kilometer, nicht<br />
nur in strukturschwachen Städten, belegt jedenfalls beispielhaft den Ernst <strong>der</strong><br />
eingetretenen Entwicklung und den aufgestauten hohen Sanierungsbedarf.<br />
– Vgl. dazu Anlage 4: „Rückgang <strong>der</strong> kommunalen Sachinvestitionen“ (Kommunen in<br />
NRW) –<br />
Die restriktive Haushaltspolitik <strong>der</strong> Kommunen spiegelt sich auch in den<br />
Personalkosten wi<strong>der</strong>. Das zeigen z. B. die Zahlen des Jahres 2004. Obwohl es 2004<br />
eine Tariferhöhung um 1,0% gegeben hat, wurden die Personalkosten in den alten<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n um 1,0% gesenkt. Um das zu erreichen, musste die Zahl <strong>der</strong><br />
Beschäftigten weiter reduziert werden. Die Personalausgaben <strong>der</strong> deutschen<br />
Kommunen lagen im Jahr 2004 fast genau auf dem Niveau des Jahres 1992,<br />
obwohl in den vergangenen 12 Jahren eine Reihe von Tariferhöhungen verkraftet<br />
werden mussten. Das Land NRW hat sich in dieser Zeit auf diesem Sektor völlig<br />
an<strong>der</strong>s verhalten; „seit Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre expandieren die Personalausgaben<br />
11
ungebremst und vor allem stärker als die übrigen Gesamtausgaben“, lautet die<br />
Analyse im Abschlussbericht <strong>der</strong> von Ministerpräsident Rüttgers berufenen<br />
Expertenkommission. 15<br />
Bei den deutschen Kommunen wurden demgegenüber die Tariferhöhungen <strong>der</strong><br />
vergangenen 12 Jahre im Ergebnis praktisch völlig durch Personalabbau<br />
aufgefangen, soweit nicht in Einzelfällen Teilbereiche <strong>der</strong> Verwaltung ausgeglie<strong>der</strong>t<br />
wurden (Outsourcing) und sie den Personalkörper „mitgenommen“ haben.<br />
Ähnliches gilt für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Hier wirkt sich<br />
<strong>der</strong> ungünstige Trend im kommunalen Finanzausgleich als zusätzlicher<br />
Belastungsfaktor aus. In Folge konjunktureller und steuerpolitischer Entwicklungen<br />
kam es in den letzten Jahren mehrfach zu signifikanten Reduzierungen des<br />
Steuerverbunds. Das wirkte sich verschärfend auf den finanzwirtschaftlichen Status<br />
<strong>der</strong> Kommunen aus, zumal in frühren Jahren <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Gemeinden am<br />
Steuerverbund in mehreren Stufen ganz beträchtlich gesenkt worden war. 16<br />
c) Alarmieren<strong>der</strong> Gesamtbefund <strong>der</strong> kommunalen Finanzsituation in Nordrhein-<br />
Westfalen Ende 2005<br />
Eine Gesamtbewertung des beklagenswerten finanzwirtschaftlichen Zustands <strong>der</strong><br />
Kommunen im Bund wie im Land Nordrhein-Westfalen lässt sich aus folgenden<br />
prägnanten Indikatoren ableiten: 17<br />
Die deutschen Kommunen hatten Ende des dritten Quartals 2005 insgesamt<br />
Kassenkredite in Höhe von 23,7 Mrd. € in Anspruch genommen; das waren 15,4 Mrd.<br />
€ mehr als Ende 2000.<br />
Die Kassenkredite <strong>der</strong> Kommunen in NRW hatten Ende 2004 einen neuen<br />
Höchststand und damit eine beängstigende Größenordnung erreicht; sie beliefen<br />
sich Ende 2004 auf 8,5 Mrd. und stiegen bis zum 30. Juni 2005 bereits auf über 10,0<br />
14<br />
Schätzung des Innenministeriums NRW zum 30.06.05; vgl. „Kommunalfinanzbericht“ von November<br />
2005.<br />
15<br />
Vgl. Abschlussbericht <strong>der</strong> Expertenkommission zum Landeshaushalt NRW, S. 2.<br />
16<br />
Der kommunale Anteil am Steuerverbund, auf den die Gemeinden nach <strong>der</strong> Landesverfassung vom<br />
Grunde her einen Anspruch haben, betrug im Jahre 1981 noch 28,5 %. Er wurde nach und nach immer<br />
mehr zum Nachteil <strong>der</strong> Gemeinden gesenkt und beträgt seit dem Jahre 1986 nur noch 23,0 %.<br />
17<br />
Die nachfolgenden Zahlen basieren auf Angaben im „Kommunalfinanzbericht“ des Innenministeriums<br />
NRW von Juni 2005 und November 2005.<br />
12
Mrd. Euro an. Der Stand <strong>der</strong> fundierten Schulden 18 lag zum 31.12.2004 bei rd. 24,6<br />
Mrd. Euro.<br />
– Zur Pro-Kopf-Verschuldung <strong>der</strong> kreisfreien Städte in NRW vgl. Anlage 5; zu<br />
originären Defiziten größerer Städte in NRW vgl. Anlage 6. –<br />
Im November 2005 befanden sich in NRW 198 Kommunen in <strong>der</strong><br />
„Haushaltssicherung“.<br />
Zu 1.: Die rasante Zunahme <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Kassenkredite ist vornehmlich eine<br />
Folge davon, dass viele Städte und Gemeinden bereits mehrere Jahre hintereinan<strong>der</strong><br />
Defizite aufgestapelt haben, da sie diese nicht ordnungsgemäß finanzieren können.<br />
Notgedrungen weicht man dann auf die Inanspruchnahme von Kassenkrediten aus,<br />
die im Prinzip den Zweck haben, Liquiditätsengpässe in einem laufenden<br />
Haushaltsjahr auszugleichen, nicht jedoch dazu gedacht sind, endgültig entstandene<br />
Defizite abgeschlossener Haushaltsjahre auf längere Zeit zu „finanzieren“.<br />
Bei einer großen Zahl von Kommunen in NRW ist an einen Ausgleich <strong>der</strong><br />
aufgelaufenen Fehlbeträge aus Vorjahren in absehbarer Zeit überhaupt nicht zu<br />
denken, zumal in vielen Fällen <strong>der</strong> Verwaltungshaushalt im Zeitfenster <strong>der</strong> fünfjährigen<br />
Mittelfristigen Finanzplanung durchgehend strukturelle Fehlbeträge ausweist.<br />
Zu 2.: Zum Jahresende 2005 befanden sich in NRW 198 <strong>der</strong> 427 Städte, Gemeinden<br />
und Kreise in <strong>der</strong> Haushaltssicherung.<br />
Wenn ein Haushaltsausgleich nicht zu erreichen ist, ist nach den Vorschriften <strong>der</strong><br />
Gemeindeordnung NW (§ 75, Abs. 4 GO NW) ein Haushaltssicherungskonzept<br />
(HSK) aufzustellen und darin <strong>der</strong> Zeitpunkt zu beschreiben, innerhalb dessen <strong>der</strong><br />
Haushaltsausgleich wie<strong>der</strong> erreicht wird. Diese Vorschrift soll im Sinne des Gesetzes<br />
im Prinzip einen Ausnahmefall regeln; <strong>der</strong> Ausnahmefall ist inzwischen zu einem<br />
Massenphänomen geworden.<br />
Ende 2005 befanden sich in NRW insgesamt 189 <strong>der</strong> 396 Städte und Gemeinden in<br />
<strong>der</strong> Haushaltssicherung, ferner 9 Kreise, was beim Landkreistag Rechtsfragen<br />
18 Dabei handelt es sich um die Kredite für Investitionsfinanzierungen in den kommunalen<br />
Kernhaushalten ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Eigenbetriebe.<br />
13
wegen <strong>der</strong> Umlagesystematik ausgelöst hat. 19 . Bei den kreisangehörigen Gemeinden<br />
waren es 45 %, nämlich 169 von 373; von den 23 kreisfreien Städten zählten sogar<br />
20 o<strong>der</strong> 87 % zu dieser Kategorie. Der Trend zu gewaltigen Haushaltsproblemen<br />
steigt demgemäss überwiegend mit <strong>der</strong> Einwohnerzahl <strong>der</strong> Städte, was als Indiz für<br />
Strukturfehler in den Gemeindefinanzierungsgesetzen des Landes gewertet<br />
werden kann.<br />
In 105 dieser Kommunen ist die Finanzsituation so dramatisch, dass ein<br />
aufgestelltes HSK von <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde nicht genehmigt wurde, sodass die<br />
Kommunen unter den strengen Auflagen <strong>der</strong> „vorläufigen Haushaltswirtschaft“<br />
stehen 20 , also einem „Nothaushaltsrecht“ unterliegen. Eine Gemeinde befindet sich<br />
bereits in <strong>der</strong> „Zwangsverwaltung“, bei welcher die Aufsichtsbehörde einen<br />
Beauftragten bestellt, <strong>der</strong> die Aufgaben <strong>der</strong> Gemeindeorgane wahrnimmt. Damit ist<br />
dort die Totenglocke für die Selbstverwaltung angeklungen.<br />
Die Kommunen in NRW müssen deshalb den beschrittenen Weg einer konsequenten<br />
Haushalts- und insbeson<strong>der</strong>e Ausgabendisziplin weiterhin beschreiten.<br />
d) Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> kommunalen Haushaltskonsolidierung<br />
Die Kommunen in Lande bemühen sich seit Jahren um eine Gesundung ihrer<br />
Haushalte. Sie werden diesen Weg konsequent fortsetzen müssen. Die wichtigsten<br />
Konsolidierungsansätze dazu lassen sich mit folgenden Stichworten umschreiben:<br />
– Umfassende Aufgabenkritik mit entsprechenden Konsequenzen,<br />
– Personalabbau, u. a. durch Optimierung <strong>der</strong> verwaltungsinternen<br />
Arbeitsabläufe und Nutzung <strong>der</strong> natürlichen Fluktuation,<br />
– Begrenzung <strong>der</strong> Verwaltungstätigkeit auf Kernaufgaben und -kompetenzen,<br />
Kernkompetenzen,<br />
– Kritische Überprüfung aller Zuschüsse an Dritte vom Grunde wie vom<br />
Umfang her,<br />
– Ablehnung neuer freiwilliger Aufgaben und Leistungen,<br />
– Verwendung von Mehreinnahmen und Min<strong>der</strong>ausgaben zum Abbau von Defiziten,<br />
– Einrichtung eines effektiven Gebäudemanagements,<br />
19 Ob für Kreise überhaupt eine Haushaltssicherung in Betracht kommt, wird in <strong>der</strong> Fachliteratur<br />
bezweifelt, weil über eine Erhöhung <strong>der</strong> Kreisumlage stets ein Haushaltsausgleich möglich ist; vgl. dazu<br />
Lühmann, Hans, Neun Kreis in <strong>der</strong> Haushaltssicherung, Eildienst LKT NRW 2005, S. 276 f.<br />
20 Die Daten <strong>zur</strong> Haushaltssicherung im Lande NRW stammen aus dem „Kommunalfinanzbericht“ des<br />
Innenministeriums von November 2005 sowie aktuellen Mitteilungen des Ministeriums.<br />
14
– Verstärkte Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen,<br />
– Einholung externen Sachverstands <strong>zur</strong> Optimierung <strong>der</strong> durchzuführenden<br />
Konsolidierungsmaßnahmen.<br />
Generell müssen Zahl und Umfang <strong>der</strong> Einrichtungen und Angebote, die häufig in<br />
Zeiten eines allgemeinen Wohlstands geschaffen o<strong>der</strong> erheblich ausgeweitet worden<br />
sind, stringent auf die stark eingeschränkte Leistungskraft <strong>der</strong> Kommune<br />
abgeschmolzen werden.<br />
Die meisten <strong>der</strong> genannten Maßnahmen sind aus sich heraus verständlich und<br />
inzwischen bewährte Mittel <strong>zur</strong> Bewältigung <strong>der</strong> finanziellen Krise. Bei einer Reihe<br />
dieser Aktionen kann es sich jedoch im Einzelfall um ein problematisches Vorgehen<br />
handeln, zu dem sich viele Gemeinden dennoch gezwungen sehen. Nachfolgend<br />
sollen Risiken und Chancen <strong>der</strong> wichtigsten Konsolidierungsansätze beleuchtet<br />
werden. Die einzelnen Themenbereiche sind verschiedentlich miteinan<strong>der</strong> verwoben<br />
und deshalb im Prinzip im Zusammenhang zu sehen. Durch alle Betrachtungen zieht<br />
sich jedoch <strong>der</strong> „rote Faden“ <strong>der</strong> Suche nach beson<strong>der</strong>s erfolgversprechenden<br />
Ansätzen <strong>zur</strong> Entlastung <strong>der</strong> angeschlagenen kommunalen Haushalte.<br />
1) Reduzierung <strong>der</strong> Personalausgaben<br />
Die Personalausgaben zählen zu den dicksten Ausgabeblöcken jedes öffentlichen<br />
Haushalts. Von den kommunalen Ausgaben entfallen nach Ermittlungen des<br />
Deutschen Städtetags unter Berücksichtigung von Angaben des Statistischen<br />
Bundesamts etwa 26,5 % auf Personalausgaben. 21 Deshalb ist hier eine<br />
entscheidende Stellschraube <strong>zur</strong> Kostenreduzierung zu sehen. Trotz aller damit<br />
verbundenen Konsequenzen, vor allem menschlicher Art, kann auf die Ausnutzung<br />
dieser Möglichkeit schlechthin nicht verzichtet werden. Das zeigt sich auch am<br />
Beispiel <strong>der</strong> deutschen Unternehmen, welche im Ringen um globale<br />
Wettbewerbsfähigkeit vorrangig die Personalkosten herunterfahren. Lei<strong>der</strong><br />
geschieht das teilweise zum Nachteil <strong>der</strong> deutschen Volkswirtschaft, wenn in großem<br />
Rahmen Produktionen ins Ausland verlegt werden. Die Zielsetzung <strong>der</strong> Reduzierung<br />
von Personalkosten – und damit verbunden entsprechen<strong>der</strong> sächlicher Aufwendungen<br />
21 „Gemeindefinanzbericht 2005“ des DST, S. 89; Schätzung für 2005. Berücksichtigt wurden die Daten<br />
<strong>der</strong> Kommunen ohne Stadtstaaten, ohne Krankenhäuser mit kaufmännischem Rechnungswesen und<br />
ohne ausgeglie<strong>der</strong>te Einrichtungen.<br />
15
– ist notwendig und richtig. Sie gilt in ähnlicher Weise für das Vorgehen <strong>der</strong><br />
Kommunen. Hinzu kommt, dass im kommunalen Bereich bis vor wenigen Jahren<br />
keine Rückstellungen für die enormen Pensionslasten <strong>der</strong> Beamten gebildet<br />
wurden. Die Versorgungsbezüge sind daher aus den laufenden Einnahmen zu<br />
finanzieren. Es handelt sich um erhebliche Beträge. So entfallen in <strong>der</strong> Stadt<br />
Wuppertal fast 25 Mio. € auf Versorgungsbezüge; das sind mehr als 11 % <strong>der</strong><br />
persönlichen Ausgaben. Für diese hohen Pensionslasten stehen den Kommunen<br />
selbst auf längere Sicht keine Rückstellungen <strong>zur</strong> Verfügung. Erst durch das<br />
Versorgungsfondsgesetz NRW von April 1999 sind sowohl das Land als auch die<br />
Kommunen verpflichtet, <strong>zur</strong> Sicherung <strong>der</strong> Beamtenversorgung für einen Zeitraum von<br />
ursprünglich 15 Jahren eigene Rücklagen zu bilden. Die einem Son<strong>der</strong>fonds<br />
zuzuführenden Beträge sind nach den Vorjahresbeträgen für Besoldung und<br />
Versorgung zu berechnen und betrugen im Startjahr 1999 bescheidene 0,2%. In den<br />
Folgejahren sollte dieser Vomhun<strong>der</strong>tsatz jeweils um 0,2 gegenüber dem Vorjahr<br />
erhöht werden, und zwar bis zum Jahr 2017. Erstmals zum Jahr 2018 sollten<br />
Erträge aus dem Son<strong>der</strong>vermögen <strong>zur</strong> Verfügung stehen. Im Jahre 2003 wurden die<br />
jährlichen Erhöhungen für mehrere Jahre ausgesetzt, sodass einstweilen ein<br />
Vomhun<strong>der</strong>tsatz von 0,8 festgeschrieben ist. Danach kommen Entnahmen aus den<br />
Rückstellungen erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt in Betracht. Es ist<br />
wenig tröstlich, darauf zu verweisen, dass auch <strong>der</strong> Bund bislang keine<br />
Pensionsrückstellungen gebildet hat. Erst Anfang April 2006 brachten die<br />
Haushaltspolitiker <strong>der</strong> Koalition den Vorschlag ins Verfahren, das Pensionssystem für<br />
Bundesbeamte umzubauen. Für neu eingestellte Beamte, Richter und Berufssoldaten<br />
soll mit Wirkung zum 1. Januar 2007 ein Fonds eingerichtet werden, aus dessen<br />
Erträgen demnächst ein Teil <strong>der</strong> Pensionen gezahlt werden soll. 22<br />
Wegen des hohen Anteils <strong>der</strong> persönlichen Ausgaben an den Gesamtausgaben<br />
müssen die Personalkosten mit allen Mitteln gesenkt und für die künftige Entwicklung<br />
gebremst werden. Es wird gelegentlich eingewandt, dass jede im Rathaus<br />
freigesetzte Stelle letztlich am Ort zu einem Arbeitslosen mehr führe, <strong>der</strong> die<br />
Gemeinde wie<strong>der</strong> entsprechend belasten würde. Diese Argumentation ist zu<br />
vor<strong>der</strong>gründig, da die öffentliche Hand kein „Ersatzarbeitgeber“ ist, son<strong>der</strong>n durch<br />
22 DIE WELT, 07.04.06, S. 2.<br />
16
ihr Gesamtengagement günstige Rahmenbedingungen für eine prosperierende<br />
Wirtschaft schaffen soll.<br />
In <strong>der</strong> Praxis haben sich eine Reihe von Instrumentarien und Methoden für die<br />
Bestimmung des notwendigen Personalbedarfs einer Verwaltung herausgebildet;<br />
einige davon haben sich aus dem Zusammenwirken mit bewährten<br />
Beratungsunternehmen ergeben o<strong>der</strong> resultieren aus Empfehlungen und<br />
Fachgutachten <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände sowie <strong>der</strong> „Kommunalen<br />
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement“ (KGSt) 23 . Externe Sachverständige<br />
bringen in die Projekte nicht nur geeignete Verfahrensweisen ein – wie Mo<strong>der</strong>ation<br />
o<strong>der</strong> Coaching; vielmehr verfügen sie in <strong>der</strong> Regel über aussagefähige Kennzahlen,<br />
die bei <strong>der</strong> notwendigen Schwachstellenanalyse hilfreich sind.<br />
Wesentlicher Ansatzpunkt für die Bemessung des für die Zukunft notwendigen<br />
Personals ist naturgemäß die Aufgabenkritik. Bei <strong>der</strong> Fragestellung, welche<br />
Aufgaben überhaupt noch und in welcher Intensität und auf Dauer wahrgenommen<br />
werden sollen, müssen strenge Maßstäbe gesetzt werden.<br />
Zudem ist nicht zu bestreiten, dass in einigen Verwaltungsbereichen bisher<br />
umfangreich angefallene Aufgaben inzwischen ohnehin merklich reduziert<br />
worden sind, wie z. B. im Hoch- und Tiefbau, da Investitionen und Instandsetzungen<br />
drastisch heruntergefahren werden mussten. Das kann auch für das Grünflächenamt<br />
und an<strong>der</strong>e Bereiche gelten, wenn Unterhaltungsarbeiten reduziert worden sind.<br />
Teilweise fehlen in solchen Fällen wohl noch die personalwirtschaftlichen<br />
Konsequenzen.<br />
Ähnliches gilt für Verwaltungsbereiche, in denen die Fallzahlen abgenommen haben<br />
o<strong>der</strong> eine rückläufige Tendenz erkennen lassen, etwa durch den Rückgang <strong>der</strong><br />
Einwohnerzahl o<strong>der</strong> die allgemeine Tendenz zu weniger Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />
Von Stadt zu Stadt wird man bei einer gründlichen Prüfung unter diesem Aspekt zu<br />
unterschiedlichen Ergebnissen kommen. So können sich die Besucherzahlen bei <strong>der</strong><br />
Musikschule o<strong>der</strong> <strong>der</strong> VHS nach unten entwickeln. Lohnenswert ist eine Prüfung <strong>der</strong><br />
Gesundheitsämter und ihrer Dienste sowie <strong>der</strong> traditionellen Art ihrer<br />
Aufgabenerfüllung. Es ist denkbar, dass man den schulärztlichen und<br />
schulzahnärztlichen Dienst auf den Prüfstand stellen muss, um zu klären, ob diese<br />
23 Die KGSt bietet eine Fülle von Literatur an, insbeson<strong>der</strong>e zu Fragen <strong>der</strong> Führung, Steuerung und<br />
Organisation <strong>der</strong> Kommunalverwaltung, auch zu den hier behandelten Themen. Eine Übersicht ist zu<br />
finden über „www.kgst.de“.<br />
17
Dienste ganz o<strong>der</strong> teilweise von nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten übernommen werden<br />
sollten.<br />
Diese ohne spezielle Gewichtung genannten Beispiele sollen deutlich machen, dass<br />
gezielte Personal- und Organisationsmaßnahmen recht wirkungsvoll sein können;<br />
wichtig ist allerdings, dass bisherige Gewohnheiten <strong>der</strong> Aufgabenerfüllung ohne<br />
falsche Rücksichtnahme gründlich hinterfragt werden.<br />
Weitere erfolgversprechende Impulse <strong>zur</strong> Personaleinsparung ergeben sich bei einer<br />
Ausweitung <strong>der</strong> regionalen Zusammenarbeit. Auf diesen personalkritischen Ansatz<br />
von erheblicher Wirkungsmöglichkeit macht auch die im Februar 2006 von <strong>der</strong> Stadt<br />
Düsseldorf <strong>der</strong> Öffentlichkeit vorgestellte Broschüre „Düsseldorfer<br />
Entfesselungsimpulse 2006“ aufmerksam, die sich vorrangig für einen erfolgreichen<br />
Bürokratieabbau und dadurch zugleich für die För<strong>der</strong>ung von Wachstum und<br />
Beschäftigung ausspricht. 24<br />
Für die verbleibenden Verwaltungsgeschäfte sind die Abläufe zu optimieren. Vor<br />
allem müssen „flachere Hierarchien“ – also weniger Hierarchieebenen – geschaffen<br />
werden („Lean Management“). Zukunftsweisende Technologien sollten intensiv<br />
dazu genutzt werden, standardisierbare Verwaltungsprozesse zu automatisieren, da<br />
<strong>der</strong>artige Investitionen in <strong>der</strong> Regel rentabel sind. Wichtige Schnittstellen zwischen<br />
verschiedenen Ämtern / Ressorts, aber auch innerhalb von Ämtern, müssen mit dem<br />
Ziel überprüft werden, Doppelarbeiten und Abstimmungsprobleme weitgehend zu<br />
verhin<strong>der</strong>n. Von nachhaltigem Effekt ist eine konsequente Personalentwicklung,<br />
die sich an langfristigen Zielen orientieren und dabei die Grundsätze <strong>der</strong><br />
Aufgabenkritik sehr ernst nehmen muss.<br />
Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungsapparats müssen durch ein<br />
überzeugendes Steuerungs- und Controllingsystem gesichert werden. Das gilt<br />
speziell auch für die Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung. In diesem<br />
Zusammenhang ist auf das für die Kommunen in den letzten Jahren entwickelte<br />
„Neue Steuerungsmodell – NSM“ hinzuweisen, dessen Grundsätze inzwischen in<br />
<strong>der</strong> Praxis weitgehend Anerkennung gefunden haben und als Methode sowohl für die<br />
Räte als auch die Verwaltungen maßgebliche Hilfen in <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer<br />
Aufgaben bietet. Die Zielsetzung <strong>der</strong> Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung kann sich an dem<br />
Motto orientieren: „Von <strong>der</strong> Behörde zum Dienstleistungsunternehmen“.<br />
24 Düsseldorfer Entfesselungsimpulse 2006, Februar 2006 herausgegeben von <strong>der</strong> Stadt Düsseldorf.<br />
18
Zielgerichtete Fortbildungsmaßnahmen müssen die Mitarbeiterschaft motivieren<br />
und för<strong>der</strong>n und sollten als wichtige flankierende Maßnahmen seitens <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Verwaltungsleitung angeordnet und kontrolliert werden. Durch spezielle<br />
Weiterbildungsmaßnahmen sollten geeignete Mitarbeiter z. B. in<br />
betriebswirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Hinsicht eine verbesserte<br />
Fachkompetenz erhalten, was <strong>zur</strong> schnelleren und effizienteren Aufgabenerledigung<br />
im Rathaus o<strong>der</strong> Kreishaus beiträgt und damit <strong>der</strong> gesamten Belegschaft zugute<br />
kommt.<br />
Bei alledem sind die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten eindeutig festzulegen.<br />
Jedoch darf <strong>der</strong> Servicebereich – <strong>der</strong> Kontakt mit dem Bürger – nicht vernachlässigt<br />
werden; das „Eigenleben <strong>der</strong> Verwaltung“ ist gegenüber dem Auftrag, den sie im<br />
Sinne <strong>der</strong> Allgemeinheit zu erfüllen hat, absolut sekundär.<br />
Durch eine zielgerichtete Aufgabenkritik sowie geeignete Strukturän<strong>der</strong>ungen des<br />
Verwaltungsaufbaus und eine Optimierung <strong>der</strong> Verwaltungsabläufe sind ganz<br />
erhebliche persönliche und sachliche Aufwendungen einzusparen.<br />
Eine <strong>der</strong> üblichen Folgen <strong>der</strong> Verkleinerung des Personalkörpers ist die Einsparung<br />
von Büroflächen und <strong>der</strong> entsprechenden Ausstattung. Dieses Ziel kann zusätzlich<br />
dadurch verfolgt werden, dass für geeignete Sachgebiete das Modell <strong>der</strong> Heimarbeit<br />
ermöglicht wird, was sich in <strong>der</strong> Wirtschaft schon länger bewährt hat. Die mo<strong>der</strong>nen<br />
Mittel <strong>der</strong> Kommunikationstechnik erleichtern das.<br />
Mit einem intelligenten Büroflächen-Management lässt sich <strong>der</strong> Raumbedarf noch<br />
weiter optimieren. Das kann letztlich <strong>zur</strong> Aufgabe angemieteter Büroflächen o<strong>der</strong> gar<br />
<strong>zur</strong> Freisetzung städtischer Gebäude führen, die dann für an<strong>der</strong>e Zwecke genutzt,<br />
vermietet o<strong>der</strong> auch verkauft werden können.<br />
Für die öffentliche Hand versteht es sich von selbst, dass Personalabbau<br />
sozialverträglich zu erfolgen hat. Entlassungen bilden nicht nur aus<br />
arbeitsrechtlichen Gründen die absolute Ausnahme. Umsetzungen innerhalb <strong>der</strong><br />
Verwaltung sind demgegenüber zumutbar, aber oft unbeliebt, auch bei<br />
Verwaltungsleitungen. In den Kommunen sollte es inzwischen Übung sein, die als<br />
entbehrlich bewerteten Stellen nicht bloß mit einem „kw-Vermerk“ (künftig wegfallend)<br />
zu versehen und die Stelleninhaber bis zu ihrem „normalen Ausscheiden“ am<br />
bisherigen Arbeitsplatz, jedoch ohne wirkliche Beschäftigung, zu belassen. Vielmehr<br />
19
sollte die Entscheidung, eine bestimmte Stelle abzubauen, stets dazu genutzt werden,<br />
nach einer an<strong>der</strong>en sinnvollen Betätigung des Betroffenen zu suchen. Die<br />
einzelnen Maßnahmen sollten – ggf. auch über die vorgeschriebenen Fälle hinaus –<br />
mit dem Personalrat abgestimmt werden. Weitsichtig agierende Vertreter <strong>der</strong><br />
Belegschaft werden sich kooperativ zeigen, den notwendigen Prozess durch eigene<br />
Ideen för<strong>der</strong>n und die Bemühungen um die erfor<strong>der</strong>liche Motivation aller Beteiligten<br />
unterstützen.<br />
Die Umsetzung von Stelleneinsparungen wird erleichtert durch die natürliche<br />
Fluktuation; sie liegt bei einer beispielsweise durchschnittlichen Zugehörigkeit <strong>der</strong><br />
Beschäftigten zu ihrer Behörde von maximal 40 Jahren bei mindestens 2,5% jährlich.<br />
Rein rechnerisch lassen sich deshalb innerhalb von nur 4 Jahren 10 % aller Stellen<br />
einsparen. Ähnlich sieht es die von <strong>der</strong> Landesregierung NRW eingesetzte<br />
Expertenkommission; sie geht davon aus, dass wegen einer für das Land NRW<br />
üblichen Fluktuation von 2 % p.a. innerhalb von 5 Jahren rund 10 % des Personals<br />
eingespart werden können. 25 „Der zentrale Ansatz liegt in einer signifikanten<br />
Steigerung <strong>der</strong> Personaleinsatzeffizienz und dem Wegfall von Funktionen. Auf diese<br />
Weise können Kosten ohne Service- und Qualitätsverluste reduziert werden“ heißt es<br />
weiter in dem Abschlussbericht <strong>der</strong> Expertenkommission.<br />
Da die übliche Fluktuation meist nicht dort wirksam wird, wo Stelleneinsparungen<br />
operativ angezeigt sind, ist <strong>der</strong> „Abbauprozess aktiv zu steuern“. Dafür bietet sich –<br />
nach dem Vorschlag <strong>der</strong> NRW-Expertenkommission zum Landeshaushalt – ein<br />
spezielles „Personal-Überhangmanagement“ nach dem z. B. bei <strong>der</strong> Deutschen<br />
Telekom und einigen Banken angewandten Modell an. 26 Ergänzend wurde von <strong>der</strong><br />
Expertenkommission empfohlen, „<strong>zur</strong> Flexibilisierung des Personaleinsatzes“ müsse<br />
auch „die Än<strong>der</strong>ung des Landespersonalvertretungsgesetzes geprüft werden.“ 27<br />
Zu warnen ist vor großzügigen vorzeitigen Ruhestandsangeboten an Beamte, da nach<br />
<strong>der</strong>en Ausscheiden gewichtige Pensionslasten bei <strong>der</strong> Kommune verbleiben, denen<br />
keine „aktuelle Gegenleistung“ mehr gegenüber steht.<br />
Beim Personalmanagement sollten auch sonst Wirtschaftlichkeitsaspekte beachtet<br />
werden. Es kann sich für die Gesamtverwaltung sehr lohnen, solche Sachgebiete<br />
personell zu verstärken, <strong>der</strong>en Aufgaben darin bestehen, die gegebenen<br />
Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Ebenso wichtig ist es, den Umfang <strong>der</strong><br />
25 Vgl. Abschlussbericht, S. 7.<br />
26 Vgl. Abschlussbericht, S. 8.<br />
27 Vgl. Abschlussbericht, S. 8.<br />
20
Ausgaben zu beschränken. In diesem Zusammenhang sollten Arbeitsfel<strong>der</strong> und<br />
Zielsetzungen wie die Bekämpfung <strong>der</strong> Schwarzarbeit, die Einschränkung des<br />
Missbrauchs staatlicher Leistungen und die Begrenzung des Ermessens bei <strong>der</strong><br />
Prüfung von Ansprüchen vorrangig Beachtung finden.<br />
2) Begrenzung <strong>der</strong> sozialen Leistungen<br />
Ein weiterer kräftiger Ausgabeblock ist mit dem Feld <strong>der</strong> Sozialausgaben<br />
angesprochen, dessen Gewicht weitgehend durch Bundes- und Landesvorgaben<br />
beeinflusst wird. Im Jahr 2005 entfielen etwa 23,4 % <strong>der</strong> kommunalen Ausgaben auf<br />
den Bereich <strong>der</strong> sozialen Leistungen. 28<br />
Von maßgeblicher Bedeutung für Umfang und Entwicklung <strong>der</strong> sozialen Leistungen<br />
<strong>der</strong> Städte und Gemeinden sind die Arbeitslosigkeit, darunter vor allem die Folgen <strong>der</strong><br />
Langzeitarbeitslosigkeit und das soziale Problem <strong>der</strong> Jugendarbeitslosigkeit,<br />
ferner die Zunahme sozialer Problemlagen innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft, beson<strong>der</strong>s<br />
in sozialkritischen Wohnvierteln. Sozialexperten beklagen eine „Scherenerweiterung<br />
zwischen Arm und Reich“ sowie sozialproblematische Konzentrationen in anfälligen<br />
Wohnquartieren und sprechen von einem „Verslumungs-Trend“, einem drastisch<br />
steigenden Auslän<strong>der</strong>anteil sowie zunehmen<strong>der</strong> Kriminalität und Verwahrlosung von<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in Problemvierteln. Angesichts dieses gesellschaftlichen<br />
Befundes fällt es manchem Sozialpolitiker schwer, die Ausgabetitel in Sozialetats<br />
kritisch zu hinterfragen. Die problematische Situation <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte lässt<br />
jedoch keine an<strong>der</strong>e Wahl. Es geht letztlich darum, die wirklich Bedürftigen auf<br />
Dauer zu schützen; darüber hinausgehende Vergünstigungen sind nicht mehr leistbar<br />
und vertretbar.<br />
Wenn man den Versuch unternehmen will, die aus den sozialen Gegebenheiten<br />
resultierenden Kosten zu reduzieren o<strong>der</strong> wenigstens in ihrer Dynamik zu bremsen,<br />
empfiehlt es sich, zunächst bei den aufgezeigten Hauptursachen anzuknüpfen und<br />
nach Möglichkeiten <strong>der</strong> Gegensteuerung zu suchen. Bezüglich <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit sei auf die bekannten Lösungsansätze und geplanten Maßnahmen<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung verwiesen, wie sie u. a. im Koalitionsvertrag beschrieben und<br />
zum Teil inzwischen in <strong>der</strong> Umsetzung sind. Gleiches gilt für die politischen Vorhaben<br />
<strong>der</strong> Landesregierung NRW. Darüber hinaus bleiben die Auswirkungen <strong>der</strong> neuen<br />
28 „Gemeindefinanzbericht 2005“ des DST, S. 89.<br />
21
gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit Hartz IV und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Maßnahmen abzuwarten. Entscheidend für die Kommunen ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass die Län<strong>der</strong> ihre Entlastungen durch Hartz IV (vgl. dazu die<br />
Ausführungen in Teil I. b) 9) uneingeschränkt und dauerhaft an die kommunale<br />
Ebene weitergeben.<br />
Schon kurz nach Inkrafttreten des Hartz IV-Pakets war zu erkennen, dass<br />
Einzelregelungen zu großzügig ausgefallen waren. Auf folgenschwere Fehlanreize<br />
und Missbrauchsmöglichkeiten im Gesetz haben die kommunalen<br />
Spitzenverbände recht bald aufmerksam gemacht und z. B. gefor<strong>der</strong>t, für<br />
alleinlebende Kin<strong>der</strong> wohlhaben<strong>der</strong> Eltern kein Arbeitslosengeld II zu gewähren und<br />
die Gestaltungsmöglichkeiten für „Bedarfsgemeinschaften“ einzuschränken. 29 Im<br />
Februar 2006 hat <strong>der</strong> Bundestag erste entsprechende Gesetzesän<strong>der</strong>ungen<br />
beschlossen. Im ersten Quartal 2006 war ein drastischer Kostenanstieg bei Hartz<br />
IV zu verzeichnen. Allein die Wohnungskosten haben gegenüber dem vergleichbaren<br />
Zeitraum des Vorjahrs um fast 25 % höher gelegen. Nach Ermittlungen des DST lag<br />
die Zahl <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften mit 3,92 Mio. um rd. 600.000 höher. Bund und<br />
Kommunen werden deshalb über die Kostenverteilung neu verhandeln müssen, zumal<br />
<strong>der</strong> Bund von den Wohnkosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger bislang nur einen<br />
Anteil von 29,1 % übernommen hat. 30<br />
Auch wegen dieser Entwicklung bleibt zu for<strong>der</strong>n, eine verbesserte Regelung des<br />
Datenabgleichs, insbeson<strong>der</strong>e mit den Finanzämtern, sowie genauere Überprüfungen<br />
von Antragsdokumenten, z. B. Mietverträgen, zu ermöglichen. Lei<strong>der</strong> besteht nach<br />
den Erfahrungen <strong>der</strong> Städte und Gemeinden begründeter Anlass zu <strong>der</strong> Annahme,<br />
dass in nicht unerheblichem Umfang Leistungsmissbrauch betrieben wird. Einige<br />
Beispiele sollen beleuchten, welche Mentalität weit verbreitet ist. So melden Bezieher<br />
von Arbeitslosengeld II offiziell 400 Euro-Jobs an, arbeiten in Wahrheit jedoch<br />
wesentlich mehr bis hin zu einem vollen Job. Es handelt sich weitgehend um Arbeiten<br />
ohne größere Qualifikation wie im Bereich <strong>der</strong> Gastronomie o<strong>der</strong> für private<br />
Renovierungen bzw. Gartenarbeiten. Auf diese Weise werden die tatsächlich sehr viel<br />
höher kassierten Vergütungen am Finanzamt vorbei und ohne Auswirkung auf das<br />
Arbeitslosengeld einbehalten. Dem Sozialamt kann das auffallen, wenn in einem<br />
solchen Fall Ganztagsbetreuung für Kin<strong>der</strong> beantragt wird. Anlass <strong>zur</strong> gezielten<br />
Kontrolle besteht ferner, wenn mehrere Schreiben ohne Reaktion bleiben. In solchen<br />
29 Vgl. z. B. Pressemitteilung des DStGB vom 03.11.2005.<br />
22
Fällen trifft <strong>der</strong> Mitarbeiter im Außendienst oft zwar auf einen Briefkasten, <strong>der</strong><br />
Betroffene wohnt jedoch nicht dort, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>swo, kassiert aber zusätzlich Hilfe<br />
für die Wohnungskosten. Eine große Überraschung erlebte Ende 2005 die unter dem<br />
Dach <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit eingerichtete Familienkasse in Solingen, nachdem<br />
sie ihren Zuständigkeitsbereich auch auf die Nachbarstädte Wuppertal, Remscheid,<br />
Velbert, Heiligenhaus und Wülfrath ausgedehnt hatte. Als man die 55.000<br />
hinzugekommenen Kin<strong>der</strong>geldempfänger mit einem Schreiben von <strong>der</strong> Fusion<br />
informieren wollte, kamen etwa 12.000 Briefe wie<strong>der</strong> <strong>zur</strong>ück. Fast jede 4. Adresse<br />
stellte sich als falsch heraus. Allein 3.500 € an Nachporto wurden fällig. Viel wichtiger<br />
war jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang und für welche Dauer Kin<strong>der</strong>geld zu<br />
Unrecht ausgezahlt worden war. 31<br />
Die Kommunen gehen wegen solcher Erfahrungen vermehrt dazu über, durch<br />
kommunale Kontrollgruppen beim Ordnungsamt intensiver „draußen“ zu prüfen.<br />
Oft erfolgen gemeinsame Aktionen mit dem <strong>zur</strong> Bekämpfung von Schwarzarbeit<br />
zuständigen Hauptzollamt. Diese Prüfungstätigkeit ist sehr effektiv und sollte in den<br />
Städten allgemein verstärkt werden.<br />
Auch übertriebener Datenschutz kann dazu führen, dass in ungezählten Fällen<br />
Leistungen zu Unrecht begehrt und bewilligt werden, was massive Kostenfolgen<br />
auslösen kann. Hier hat sich offenbar inzwischen eine beachtliche Grauzone<br />
aufgetan, die – wenn auch nicht gewollt – mittelbar den Schutz des Rechtsstaats<br />
erfährt. Das ist z. B. <strong>der</strong> Fall, wenn sich ein Antragsteller vor dem Sozialgericht bei<br />
dem Verdacht eines ungerechtfertigten Leistungsbezugs erfolgreich auf den<br />
Datenschutz berufen kann. Problematisch – und für den Staat teuer – wird es, wenn<br />
das Sozialgericht z. B. für die Prüfung <strong>der</strong> Anspruchsberechtigung einen Hausbesuch<br />
ablehnt, wie das vom Hessischen Landessozialgericht (LSG) im Januar 2006<br />
entschieden worden ist. 32 Auch vom Grunde her wirken die Sozialgerichte immer<br />
stärker bei <strong>der</strong> Bemessung von Leistungen mit. So sind wegen <strong>der</strong><br />
Arbeitsmarktreform allein im Jahr 2005 mehr als 52.000 Verfahren – darunter mehr als<br />
15.000 in NRW – bei den Gerichten eröffnet worden, in denen es um Grund und Höhe<br />
von Ansprüchen ging. Nach Aussage des Präsidenten des Bundessozialgerichts<br />
(BSG) Kassel hat noch nie eine neue Gesetzgebung einen <strong>der</strong>artigen Klageboom<br />
30 Vgl. Süddeutsche Zeitung, 05.04.2006, S. 6, und DIE WELT, 05.04.2006, S. 1.<br />
31 Vgl. Bericht <strong>der</strong> Tageszeitung Westdeutsche Zeitung, Ausgabe Wuppertal, vom 11.02.06.<br />
32 LSG Hessen, Beschluss vom 30.01.2006.<br />
23
ausgelöst. 33 Diese Entwicklung kann nicht zufrieden stellen. Die Lösung ist jedoch<br />
nicht in erster Linie von den Gerichten zu erwarten. Vielmehr ist <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
gefor<strong>der</strong>t; er sollte insbeson<strong>der</strong>e die gesetzlichen Vorgaben an den Datenschutz<br />
enger fassen.<br />
Die Kommunen können auch ihrerseits die Kostenbelastung beeinflussen. Sie<br />
sollten die vielfach gegebenen Möglichkeiten, Regressansprüche zu realisieren,<br />
intensiver ausschöpfen, als das offenbar teilweise geschieht. Auch sollten die<br />
Kommunen nicht auf Rückfor<strong>der</strong>ungen von Darlehen und Mietkautionen an<br />
ehemalige Sozialhilfeempfänger verzichten, die seit Anfang 2005 das<br />
Arbeitslosengeld II erhalten. Das geschieht offenbar vielerorts. Als Grund wird<br />
angeführt, dass die Sozialämter einen großen Teil ihrer Mitarbeiter an die im Rahmen<br />
von Hartz IV eingeführten Jobcenter abgegeben haben. Allein in Berlin sollen<br />
Zehntausende Akten unbearbeitet liegen bzw. gar ohne abschließende Bearbeitung<br />
abgelegt worden sein, was zu einem Schaden von rund 40 Mio. Euro führen könnte.<br />
Auch in zahlreichen an<strong>der</strong>en Städten soll es große Probleme mit <strong>der</strong> Fülle <strong>der</strong><br />
Altakten geben. 34 Eine nahe liegende Möglichkeit <strong>zur</strong> Lösung solcher Probleme bietet<br />
das zu Ziff. 1) erläuterte Personalmanagement mit <strong>der</strong> Umsetzung und Umschulung<br />
von Beschäftigten, die an an<strong>der</strong>er Stelle nicht mehr benötigt werden.<br />
Auch in an<strong>der</strong>en Aufgabenfel<strong>der</strong>n lässt sich die Kostenentwicklung durch<br />
intelligente Lösungen spürbar beeinflussen, ohne dass <strong>der</strong> gewichtige<br />
sozialpolitische Auftrag vernachlässigt werden müsste. Die Grundsätze <strong>der</strong> sozialen<br />
Leistungsgesetze lassen das zu. Gemäss § 1 des Bundessozialhilfegesetzes, welches<br />
von 1962 bis 2004 Art und Umfang <strong>der</strong> Sozialhilfe geregelt hat und ab Anfang 2005<br />
durch das „Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch“ (SGB XII) abgelöst worden ist, ist es<br />
zwar „Aufgabe <strong>der</strong> Sozialhilfe, dem Empfänger <strong>der</strong> Hilfe die Führung eines Lebens zu<br />
ermöglichen, das <strong>der</strong> Würde des Menschen entspricht“, jedoch soll „die Hilfe ihn<br />
soweit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei muss er nach<br />
seinen Kräften mitwirken.“ Unter diesem Aspekt sollte die Art <strong>der</strong> Sozialarbeit, wie<br />
sie sich in den vergangenen 2 bis 3 Jahrzehnten herausgebildet hat, sehr<br />
kritisch hinterfragt werden. Ein Kenner <strong>der</strong> Szene schil<strong>der</strong>t seine Erfahrungen wie<br />
folgt: Die Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe handelt heute zunehmend „therapeutisch“.<br />
Praktische Hilfen von fallverantwortlichen Sozialarbeitern gibt es weniger. Die<br />
33 Erklärung des BSG-Präsidenten von Wulffen, vgl. DIE WELT vom 03.02.2006.<br />
34 Vgl. Bericht „Teurer Personalmangel“ in dem Magazin Capital 4/2006.<br />
24
Mitarbeiter betrachten sich als „Fallmanager“, die im Wesentlichen nur noch Hilfen<br />
organisieren und nicht mehr selber tätig werden. Dabei sind diese Hilfen oft in<br />
hohem Maße spezialisiert, also sehr „hochschwellig“: therapeutische Hilfen,<br />
Psychologen, Pädagogen. Die eigenständige Übernahme von Verantwortung durch<br />
die Erziehungsberechtigten und die Verpflichtung, sich wie<strong>der</strong> selbst an <strong>der</strong> Lösung<br />
<strong>der</strong> Probleme zu beteiligen, kommt dadurch oft zu kurz. Diese kritische Analyse<br />
entspricht <strong>der</strong> Überzeugung und Erfahrung des langjährigen Leiters des Ressorts<br />
„Jugendamt und Soziale Dienste“ einer größeren Großstadt in NRW. In<br />
Übereinstimmung mit an<strong>der</strong>en Sozialexperten ist er <strong>der</strong> Auffassung, dass man eine<br />
alternative Lösung in dem Einsatz von Familienpflegern sehen sollte, die praktisch<br />
helfen, den Haushalt und alles was mit <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zu tun hat, in <strong>der</strong><br />
Familie und gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten zu organisieren.<br />
Entsprechend dem Grundsatz <strong>der</strong> „Hilfe <strong>zur</strong> Selbsthilfe“ muss alles versucht<br />
werden, die Eigenverantwortung <strong>der</strong> Hilfebedürftigen zu stärken und das<br />
allgemeine Anspruchsdenken zu reduzieren. Auf diese Weise ließe sich<br />
mittelfristig in beträchtlichem Umfange Geld sparen und dürfte auch <strong>der</strong> Erfolg<br />
in vielen Fällen wesentlich größer sein als durch das übliche Einleiten einer<br />
aufwendigen „Hilfe“ <strong>zur</strong> Erziehung. Therapeutische Angebote sollten demgegenüber<br />
auf das unbedingt notwendige Maß <strong>zur</strong>ückgeführt werden. Darüber hinaus gibt es bei<br />
vielen Maßnahmen einen breiten Spielraum, <strong>der</strong> genutzt werden kann. So muss z. B.<br />
Nachhilfeunterricht nicht unbedingt in Einzelbetreuung erfolgen.<br />
Als wichtige flankierende Maßnahmen sind intensive Bemühungen um eine<br />
verbesserte Integration von Personen mit Migrations-Hintergrund zu nennen, da<br />
sich hier zunehmend erhebliche Probleme auftun. Für diesen Zweck stehen Gel<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit <strong>zur</strong> Verfügung, soweit es sich bei den Personen um<br />
Empfänger von Arbeitslosengeld II handelt.<br />
Wichtige Erkenntnisse und Lösungsansätze <strong>zur</strong> Begrenzung <strong>der</strong> Kosten können<br />
die Sozialämter aus Kennzahlenvergleichen gewinnen. 17 Großstädte in NRW<br />
haben über mehrere Jahre hin ein „Benchmarking in <strong>der</strong> Sozialhilfe“ durchgeführt;<br />
die teilnehmenden Städte <strong>der</strong> Größenordnung von 110.000 bis 375.000<br />
Einwohnern haben unter Begleitung eines Hamburger Beratungsunternehmens Jahr<br />
für Jahr die Ergebnisse ihrer Aufwendungen für bestimmte Aufgaben qualifiziert<br />
verglichen und über den Weg des „Lernens vom Besseren“ Verfahrensmöglichkeiten<br />
25
entwickelt, die Hilfen besser zu organisieren und zu steuern, um die jeweilige<br />
Zielsetzung effektiver zu erfüllen, aber auch den Ressourcenbedarf zu reduzieren.<br />
Eine auffällig starke Ausweitung <strong>der</strong> kommunalen Kosten ist bei <strong>der</strong><br />
Heimunterbringung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen zu verzeichnen. Diese<br />
spezielle Art <strong>der</strong> „Hilfe <strong>zur</strong> Erziehung“ hat im Laufe <strong>der</strong> Jahre vielfach einen qualifiziert<br />
hochwertigen und damit kostentreibenden Standard erreicht, <strong>der</strong> in diesem<br />
Umfang nicht länger aufrechterhalten werden kann. Die Unterbringung in Heimen<br />
erfolgt oft fernab vom Heimatort; sie wird in <strong>der</strong> Regel durch pädagogische und<br />
psychologische Fachkräfte intensiv ergänzt. Die Grundkosten für Unterbringung und<br />
Betreuung, Verpflegung und medizinische Vorsorgung belaufen sich oft – ohne<br />
ergänzende Therapie – auf monatlich um die 3.500 € je Fall. Je nach Art und<br />
Umfang <strong>der</strong> zusätzlichen therapeutischen Maßnahmen steigen die monatlichen<br />
Gesamtkosten leicht auf das Doppelte an und können in Einzelfällen rd. 10.000 € im<br />
Monat ausmachen. Viele Kommunen bemühen sich deshalb um die Entwicklung<br />
sachlich verantwortbarer, aber kostengünstigerer Alternativen. Der optimale Erfolg<br />
stellt sich im Einzelfall dann ein, wenn eine Unterbringungsmaßnahme vermieden<br />
werden kann. Bemühungen um Prophylaxe haben deshalb einen sehr hohen<br />
Stellenwert. Die Angebote <strong>der</strong> Jugendhilfe sollten die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen in<br />
verstärktem Maße innerhalb ihrer Lebensfel<strong>der</strong> unterstützen, d. h. innerhalb ihrer<br />
Familien und Freundeskreise und innerhalb <strong>der</strong> von ihnen besuchten<br />
Kin<strong>der</strong>tagesstätten, Schulen o<strong>der</strong> Jugendfreizeiteinrichtungen. Sie sollten in stärkerem<br />
Maße als bisher darauf ausgerichtet sein, das Entstehen von Problemlagen von<br />
Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen und Eltern so weit wie möglich zu verhin<strong>der</strong>n und eine weitere<br />
Verschärfung <strong>der</strong> Problemlagen zu begrenzen. Hierzu ist ein „nie<strong>der</strong>schwelliges“<br />
Angebot notwendig, wie es z. B. durch Jugend- und Familienzentren bereitgestellt<br />
werden kann. Notwendig ist zugleich eine Vernetzung <strong>der</strong> Institutionen vor Ort.<br />
Durch diese Prävention müsste sich die Zahl <strong>der</strong> notwendigen<br />
Heimunterbringungen mittelfristig reduzieren lassen. Die verbleibenden<br />
Unterbringungsmaßnahmen sollten durch ein gezieltes Qualitätsmanagement<br />
optimiert werden, wie es in <strong>der</strong> Praxis inzwischen hier und da bereits erfolgreich<br />
geschieht. Sehr vorteilhaft, auch für den pädagogischen Erfolg, kann eine ortsnahe<br />
Unterbringung sein. Dafür sprechen gewichtige pädagogische Gründe, wie z. B. <strong>der</strong><br />
Erhalt <strong>der</strong> Lebensweltorientierung, aber auch die Optimierung <strong>der</strong><br />
Auslastungssituation örtlicher Einrichtungen, was sich kostensenkend auswirkt.<br />
26
Letztlich kann <strong>der</strong> entsprechende Personaleinsatz am Ort zu einem Effekt für den<br />
Arbeitsmarkt führen.<br />
Derartige Steuerungsmaßnahmen sollten durch eine intensivierte Inanspruchnahme<br />
von Pflegeeltern ergänzt werden. Die Bemühungen um die aktive För<strong>der</strong>ung von<br />
bestehenden Pflegeelternschaften sowie die Werbung von neuen Pflegeeltern sollten<br />
verstärkt werden. Schließlich sollten die unterschiedlichen Praktiken durch ein<br />
geeignetes Controllingsystem begleitet werden, wozu u. a. die Prüfung <strong>der</strong><br />
notwendigen Dauer je<strong>der</strong> einzelnen Maßnahme zählt.<br />
Effektive Auswirkungen kann eine Budgetierung wichtiger Haushaltspositionen<br />
bringen. Das gilt z. B. für die Zuordnung <strong>der</strong> Mittel <strong>der</strong> „Hilfe <strong>zur</strong> Erziehung“ auf die<br />
Bezirke <strong>der</strong> Sozialhilfe. Geeignete Kriterien für die Gewichtung sind dabei z. B. die<br />
– Sozialhilfedichte,<br />
– Arbeitslosenquote,<br />
– Dichte <strong>der</strong> Wohnbebauung,<br />
– Anzahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahre,<br />
– Auslän<strong>der</strong>quote.<br />
Das Budgetierungsverfahren kann durch sachgerechte Sanktionen optimiert werden.<br />
In <strong>der</strong> Praxis bewährt hat sich die Maßgabe, dass bei drohen<strong>der</strong> Überziehung <strong>der</strong><br />
Mittel in einem <strong>der</strong> Bezirke <strong>der</strong> Sozialhilfe die fehlenden Mittel bei den an<strong>der</strong>en<br />
Bezirkssozialdiensten beantragt werden mussten, wodurch fruchtbare Diskussionen<br />
ausgelöst wurden. Die Folge war eine Angleichung <strong>der</strong> strengeren Maßstäbe, sodass<br />
<strong>der</strong> Ausweg <strong>der</strong> Nachbewilligung zusätzlicher Gel<strong>der</strong> durch den Kämmerer o<strong>der</strong> den<br />
Rat vermieden wurde.<br />
Schließlich besteht erfahrungsgemäß Anlass dazu, das Gesamtgefüge <strong>der</strong> sozialen<br />
Hilfs- und Beratungseinrichtungen kritisch zu überprüfen. Im Laufe <strong>der</strong><br />
Jahrzehnte hat sich nicht selten ein dichtes Netz von Angeboten entwickelt, <strong>der</strong>en<br />
Fel<strong>der</strong> sich teilweise überschneiden. Ziel einer Prüfung muss es sein, die Angebote<br />
<strong>der</strong> Kommune und <strong>der</strong> örtlichen freien Träger optimal zu koordinieren und<br />
eventuelle Parallelangebote abzubauen. Auch diese Bemühungen sollten von dem<br />
Grundsatz geleitet werden, die Eigenverantwortung <strong>der</strong> Hilfe und Rat Suchenden zu<br />
stärken und die weit verbreitete Anspruchsmentalität zu begrenzen. Das gelingt nur,<br />
wenn sich die Mitarbeiter <strong>der</strong> zuständigen Einrichtungen und Dienste kompetent und<br />
geduldig um die notwendige Bewusstseinsän<strong>der</strong>ung bemühen.<br />
27
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Wenn und soweit <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
einerseits wie auch die Kommunen an<strong>der</strong>erseits die beschriebenen Maßnahmen<br />
umsetzen, dürften sich auf Dauer beträchtliche Einspareffekte einstellen, ohne dass<br />
<strong>der</strong> allgemeine sozialpolitische Auftrag dadurch unvertretbar vernachlässigt<br />
werden müsste.<br />
3) Etatentlastung durch „Privatisierung“ und „Konzentration auf Kernaufgaben“<br />
Bei den Bemühungen um die Konsolidierung des Haushalts ist die Aufgabenkritik<br />
eines <strong>der</strong> erfolgversprechenden Mittel. Im methodischen Ansatz geht es dabei um die<br />
Frage, ob und welchem Umfang eine Aufgabe auch künftig von <strong>der</strong> Kommune erfüllt<br />
werden soll o<strong>der</strong> muss. Bei den „freiwilligen“ Aufgaben besteht für die Städte und<br />
Gemeinden zwar begrifflich ein weiter Spielraum, das kommunale Engagement<br />
einzustellen o<strong>der</strong> einzuschränken. Allerdings handelt es sich bei diesen Angeboten oft<br />
um jene Bereiche, in denen sich in den Städten im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte eine jeweils<br />
typische Leistungspalette entwickelt hat, welche die unverwechselbare Eigenart eines<br />
Ortes ausmacht. Als Beispiele seien die Einrichtungen <strong>der</strong> Kultur genannt – vom hoch<br />
subventionierten Theater bis hin <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung kleiner privater Institutionen und<br />
Aktivitäten. Je stärker in dieses Aufgabenbündel eingegriffen wird, desto<br />
problematischer sind die Folgen für Attraktivität und Selbstidentifikation einer Stadt mit<br />
allen denkbaren Konsequenzen – einschließlich <strong>der</strong> Stadtflucht. Harte Fakten, wie<br />
„Spezialgebäude“, welche kaum eine an<strong>der</strong>e Nutzungsart zulassen, o<strong>der</strong> langfristige<br />
Vertragsbindungen, weisen zudem starke Grenzen auf, die zu beachten sind.<br />
Gleichwohl bemühen sich die Städte und Gemeinden schon seit vielen Jahren um<br />
eine spürbare Reduzierung des „freiwilligen“ Engagements. Es darf jedoch nicht so<br />
weit kommen, dass die Kommunen überwiegend nur noch als Ausführungsorgan <strong>der</strong><br />
staatlichen Aufträge fungieren. Einer solchen Entwicklung steht im Übrigen die<br />
Selbstverwaltungsgarantie entgegen.<br />
Soweit es sich um Pflichtaufgaben handelt, kann sich die Kommune dem<br />
gesetzlichen Auftrag nicht entziehen. Hier geht es zunächst um den Abbau von<br />
Standards und eine Optimierung im Verwaltungsvollzug. Als Alternative ist die<br />
Frage zu prüfen, ob die Durchführung <strong>der</strong> Aufgabe ganz o<strong>der</strong> teilweise einem Dritten<br />
übertragen werden sollte. In diesem Zusammenhang kommen vor allem „PPP-<br />
28
Modelle“, Interkommunale Zusammenarbeit und „Privatisierung“ in Betracht. Während<br />
die Themen „PPP-Modelle“ und „Interkommunale Zusammenarbeit“ für sich geson<strong>der</strong>t<br />
abgehandelt werden (vgl. zu Ziff. 5 und 6), sollen nachfolgend Chancen und Risiken<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Arten <strong>der</strong> Privatisierung näher beleuchtet werden.<br />
Das Stichwort „Privatisierung“ hat in <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion in Deutschland eine<br />
lange Geschichte. Versteht man unter “Privatisierung“ im ursprünglichen und<br />
engeren Sinn die Übertragung staatlichen Eigentums in privates Eigentum, so hat sich<br />
die Wortbedeutung im Laufe <strong>der</strong> Zeit ausgeweitet. In <strong>der</strong> aktuellen Diskussion wird<br />
auch dann von Privatisierung gesprochen, wenn kommunale Aufgaben durch ein<br />
Unternehmen in <strong>der</strong> privatrechtlichen Rechtsform einer GmbH o<strong>der</strong> AG<br />
wahrgenommen werden, das Unternehmen jedoch in <strong>der</strong> Trägerschaft <strong>der</strong> Kommune<br />
verbleibt. Diese Fälle sollte man als formale Privatisierung bezeichnen. Im<br />
Gegensatz dazu ist als materielle Privatisierung jener Vorgang zu bewerten, bei<br />
dem Aufgaben o<strong>der</strong> Vermögensteile gänzlich aus dem Einfluss <strong>der</strong> Kommune<br />
herausgelöst und einem Privaten übertragen o<strong>der</strong> überlassen werden. Die typischen<br />
staatlichen Aufgaben, insbeson<strong>der</strong>e im hoheitsrechtlichen Bereich, sind für<br />
Privatisierungsmodelle indisponibel. Jedoch müssen nicht alle öffentlichen Aufgaben<br />
auf örtlicher Ebene zwingend durch die Gemeinde selbst erfüllt werden. Von Fall zu<br />
Fall ist deshalb zu prüfen, ob eine Form <strong>der</strong> Privatisierung erfolgversprechend ist. Zu<br />
dieser Thematik gibt es zum Teil recht wi<strong>der</strong>strebende Auffassungen. Befürworter von<br />
Privatisierung argumentieren z. B. damit, dass private Unternehmer eine Aufgabe<br />
generell effizienter und wirtschaftlicher ausführen als eine Behörde mit ihrer „Amts-<br />
und Beamtenmentalität“. Der Staat solle sich deshalb auf seine Kernaufgaben<br />
konzentrieren. Kritiker <strong>der</strong> Privatisierung verweisen z. B. auf die Absicht <strong>der</strong><br />
Gewinnmaximierung privater Unternehmer, wodurch privatisierte Bereiche für den<br />
Bürger auf Dauer doch wie<strong>der</strong> teurer werden könnten. Auch dürfe man wesentliche<br />
Fel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Daseinsvorsorge nicht aus dem öffentlichen Einfluss entlassen, weil das zu<br />
einer schlechteren Erfüllung wichtiger Ziele führen könne. Entscheidungen im<br />
Einzelfall sollten jedenfalls ohne Rücksicht auf Vorurteile o<strong>der</strong> Ideologien getroffen<br />
werden.<br />
Die Bandbreite <strong>der</strong> hier angesprochenen Probleme bekommt jede zielgerichtete<br />
Arbeitsgruppe einer Kommune zu spüren, die sich auf den mühevollen Weg begibt,<br />
die jeweilige Aufgabenpalette eines Rathauses mit den angeführten kritischen<br />
29
Denkansätzen und dem Ziel einer Haushaltsverbesserung zu untersuchen. Seit vielen<br />
Jahren haben sich in den kommunalen Verwaltungen ungezählte Arbeits- und<br />
Projektgruppen um eine Konsolidierung des Haushalts bemüht und systematisch die<br />
maßgeblichen Haushaltsstellen und die damit verbundenen Leistungen und Produkte<br />
untersucht. Ein einziges Beispiel sei dafür genannt: das Gemeinschaftsprojekt <strong>der</strong><br />
Kreissparkasse Köln und mehrerer Kommunen. Hieran waren neben dem Kölner<br />
Finanzinstitut folgende Kommunen beteiligt: Burscheid (20.000 Ew.), Marienheide<br />
(13.500 Ew.), Pulheim (53.000 Ew.), Rösrath (29.000 Ew.), St. Augustin (58.000 Ew.),<br />
Wesseling (37.000 Ew.) und <strong>der</strong> Oberbergische Kreis (290.000 Ew.). Zu den<br />
Arbeitsschwerpunkten dieses im Frühsommer 2005 abgeschlossenen Projekts<br />
„Konsolidierung kommunaler Haushalte“ zählten Aufgabenkritik und<br />
Aufgabenerfüllung. Es war nicht zu erwarten, dass es <strong>zur</strong> Lösung <strong>der</strong> komplexen<br />
Problematik einen „Königsweg“ geben könnte. Vielmehr kommen <strong>zur</strong> Verbesserung<br />
von Art und Umfang <strong>der</strong> Erfüllung von Pflichtaufgaben nicht nur die Optimierung <strong>der</strong><br />
Leistungserbringung und Produkterstellung, son<strong>der</strong>n auch unterschiedlichste weitere<br />
Verfahrensansätze in Betracht, also auch formale o<strong>der</strong> materielle Privatisierung, PPP-<br />
Modelle und Interkommunale Zusammenarbeit. Im Ergebnis wurde u. a. festgehalten,<br />
dass PPP-Modelle nicht von vorne herein als die wirtschaftlichere Lösung angesehen<br />
werden können, son<strong>der</strong>n dass jeweils im Einzelfall an Hand von<br />
Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu untersuchen ist, ob Produkte bzw. Leistungen<br />
effektiver und bzw. o<strong>der</strong> effizienter im Rahmen eines solchen Verfahrens erstellt<br />
werden können. Zur Interkommunalen Zusammenarbeit wurde u. a. angemerkt, es<br />
müsse zuvor geprüft werden, ob ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften <strong>der</strong> §§<br />
97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Verbindung mit <strong>der</strong><br />
Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge erfor<strong>der</strong>lich ist. Daneben wurde für<br />
einzelne Leistungsbereiche eine formale Privatisierung als Möglichkeit gesehen, die<br />
nach sorgfältiger Einzelfallprüfung, Kosten-Nutzen-Vergleich und Definition des<br />
Standards in Betracht komme. Denkbare Aufgabenbereiche in diesem Sinne seien<br />
danach u. a. Fuhrpark, Bauhof und Werkstätten, die Wasserversorgung, aber auch die<br />
Druckerei o<strong>der</strong> ein Call-Center.<br />
Die in dem Gemeinschaftsprojekt entwickelten Empfehlungen und Vorschläge können<br />
an<strong>der</strong>en Kommunen, nicht nur für die Größenordnung des daran beteiligt gewesenen<br />
kreisangehörigen Bereichs, wertvolle Hinweise geben. Jedoch bedürfen die einzelnen<br />
Maßnahmen und Vorschläge <strong>der</strong> Bewertung und Beurteilung durch den jeweiligen<br />
30
kommunalen Aufgabenträger, <strong>der</strong> hierbei seine örtlichen Beson<strong>der</strong>heiten und<br />
speziellen kommunalpolitischen Zielsetzungen berücksichtigen muss, wie <strong>der</strong><br />
Arbeitskreis ausdrücklich betont hat.<br />
Die Kommunen haben von jeher die Möglichkeit genutzt, bestimmte Aufgabenkreise<br />
auf Eigengesellschaften zu übertragen. Bekannte Beispiele sind die in Form einer<br />
GmbH o<strong>der</strong> AG betriebenen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe,<br />
Wohnungsbaugesellschaften o<strong>der</strong> Müllverwertungsanlagen. Der Trend zu dieser Art<br />
formaler Privatisierung hat sich in den Jahren <strong>der</strong> knappen Finanzen sehr verstärkt;<br />
man sprach con einer „Outsourcing-Welle“. Hin und wie<strong>der</strong> wird auch weiterhin<br />
geprüft, an<strong>der</strong>e Verwaltungsteile auszuglie<strong>der</strong>n und in Eigengesellschaften<br />
einzubringen o<strong>der</strong> einen Eigenbetrieb in eine Eigengesellschaft umzuwandeln.<br />
Ausschlaggebende Motivation ist bisweilen, bei dieser Gelegenheit Kredite mit zu<br />
übertragen, die mit dem betreffenden Aufgabenfeld verbunden sind. Ziel ist hierbei, die<br />
Gesamtverschuldung <strong>der</strong> Stadt selbst zu senken und auf diese Weise das<br />
Genehmigungsverfahren zum Haushalt o<strong>der</strong> zum Haushaltssicherungskonzept zu<br />
erleichtern. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die kreditgebenden<br />
Finanzierungsinstitute bei <strong>der</strong> Übertragung belasteter Objekte auf einen neuen<br />
Rechtsträger zustimmen müssen. Auch ist die Kommunalaufsicht in <strong>der</strong> Regel zu<br />
beteiligen. Falls bei <strong>der</strong>artigen gesellschaftsrechtlichen Aktivitäten Grundstücke<br />
übertragen werden sollen, muss bedacht werden, dass bei einem Wechsel des<br />
Rechtsträgers Grun<strong>der</strong>werbsteuer anfällt. Schließlich sind bei allen solchen<br />
Engagements die Auswirkungen auf die Bilanz zu beachten, die künftig nach den<br />
NKF-Grundsätzen für die Gemeinde zu erstellen ist.<br />
Die hier nur exemplarisch aufgelisteten Beson<strong>der</strong>heiten schränken die Möglichkeiten<br />
weiterer formaler Privatisierungen nicht unerheblich ein. Das löst die Frage aus,<br />
welche Konsolidierungsmöglichkeiten über den Weg einer materiellen Privatisierung<br />
genutzt werden können. Diese Thematik wird im nächsten Abschnitt mit<br />
angesprochen.<br />
31
4) Chancen und Risiken beim Verkauf des „Tafelsilbers“: Veräußerung von<br />
Anteilen an Wohnungs- o<strong>der</strong> Versorgungsunternehmen sinnvoll?<br />
Gerät eine Familie in Not, so stellt sich schließlich auch die Frage, das Tafelsilber<br />
o<strong>der</strong> den Familienschmuck zu verkaufen. Angesichts <strong>der</strong> Finanznot <strong>der</strong> Kommunen<br />
ist dieser Lösungsvorschlag ebenfalls oft zu vernehmen. So soll denn Vermögen<br />
veräußert werden, um mit den Erlösen Schulden abzutragen. Die Zielsetzung als<br />
solche scheint richtig zu sein; denn die Kommunen verfolgen diese Linie seit langem<br />
und haben in großem Umfang Vermögensveräußerungen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Grundstücksverkäufe getätigt, um ihre Etats zu entlasten. Es kam beispielsweise auch<br />
vielfach <strong>zur</strong> Übertragung städtischer Anteile – etwa an Versorgungsunternehmen – an<br />
Private. Bei genauerem Hinsehen gibt es Anlass für kritische Anmerkungen; sie sollen<br />
schwerpunktmäßig am Vorgang des Verkaufs städtischer Immobilien veranschaulicht<br />
werden.<br />
Je größer die finanzielle Not in einer Stadt ist, desto weniger Freiheit bleibt für eine<br />
sorgfältige Prüfung, ob z. B. <strong>der</strong> Verkauf eines Grundstücks im Einzelfall auch auf<br />
lange Sicht finanzwirtschaftlich richtig ist. Unbebaute Grundstücke, die we<strong>der</strong> für die<br />
laufende Aufgabenerfüllung noch für langfristige Ziele <strong>der</strong> Stadtentwicklung benötigt<br />
werden, und schwierig zu bewirtschaften<strong>der</strong> Streubesitz sind eher verzichtbar als<br />
Gebäude, aus denen regelmäßige gute Erträge fließen. Der Verkauf solcher Gebäude<br />
leistet zwar einen kurzfristigen Beitrag <strong>zur</strong> Haushaltsentlastung, dafür entfallen jedoch<br />
auf Dauer die bisherigen Einnahmen. In <strong>der</strong>artigen Fällen passt auch <strong>der</strong> oft benutzte<br />
Begriff vom „Tafelsilber“ nicht mehr. Während das „klassische Tafelsilber“ (wie <strong>der</strong><br />
„Familienschmuck“) außer <strong>der</strong> bloßen Möglichkeit <strong>der</strong> Benutzung keine regelmäßigen<br />
Erträge abwirft, die beim Verkauf entfallen würden, fehlen z. B. nach <strong>der</strong> Veräußerung<br />
eines Wohnhauses dauerhaft die Mieten. Um im Bilde zu bleiben: Auch mit dem<br />
Alltagsbesteck kann man satt werden, ohne Kochgeschirr kommt jedoch erst gar<br />
nichts auf den Teller – und ohne einen eigenen Wohnungsbestand kann eine<br />
Kommune ihrer wohnungswirtschaftlichen Aufgabenstellung schwerlich gerecht<br />
werden.<br />
Diese Problematik steigert sich gewaltig, wenn es darum geht, größere kommunale<br />
Wohnungsbestände o<strong>der</strong> sogar städtische Wohnungsunternehmen in Gänze zu<br />
verkaufen. Exakt diese Situation ist auf dem aktuellen deutschen Wohnungsmarkt<br />
zunehmend zu beobachten. Der GdW-Kongress <strong>der</strong> kommunalen und öffentlichen<br />
32
Wohnungsunternehmen Ende November 2005 in Hannover hat sich aus<br />
gegebener Veranlassung mit dieser Thematik beschäftigt. Der Präsident des<br />
Deutschen Städtetages, <strong>der</strong> Münchener Oberbürgermeister Christian Ude,<br />
verwies auf die Tatsache, dass <strong>der</strong>zeit verstärkt internationale Finanzinvestoren –<br />
von manchen auch in Erinnerung an die biblische Plage „Heuschrecken“ genannt –<br />
auf dem deutschen Wohnungsmarkt auftreten und „ihre Großeinkäufe teils bis zu 90<br />
% fremd finanzieren“. 35 Da sie Gewinne erwirtschaften müssten, seien kräftige<br />
Mieterhöhungen, die über das Mietspiegelniveau hinausgehen, sowie<br />
Mieterprivatisierung und schließlich spekulative Weiterverkäufe zu befürchten.<br />
Derartige Maßnahmen liefen den Zielsetzungen <strong>der</strong> Städte zuwi<strong>der</strong>, die<br />
Wohnraumversorgung für breite Schichten <strong>der</strong> Bevölkerung zu sichern.<br />
Das Magazin „Stern“ schil<strong>der</strong>te ebenfalls im Spätherbst 2005 36 mit dem<br />
bezeichnenden Artikel „Heuschrecken spielen Monopoly“ die Methode internationaler<br />
Finanzinvestoren, die in Deutschland Hun<strong>der</strong>ttausende Sozialwohnungen aufkaufen,<br />
um Kasse zu machen. Die Wochenzeitschrift „DIE ZEIT“ brachte im Januar 2006 ein<br />
aufsehenerregendes dreiseitiges „Dossier“ mit dem Untertitel: „Aus <strong>der</strong> Traum vom<br />
humanen Wohnen für alle. Mit dem Verkauf von Millionen Sozialwohnungen an<br />
internationale Fonds verraten deutsche Städte ein Jahrhun<strong>der</strong>twerk“. 37 Nach den<br />
inhaltlich weitgehend übereinstimmenden Schil<strong>der</strong>ungen handelt es sich bei den<br />
Käufern um angelsächsische Fondgesellschaften, die hohe dreistellige Milliarde-<br />
Beträge an Dollar u. a. aus Pensionskassen anlegen wollen. Dabei würden z. B.<br />
lediglich 20 % des Kaufpreises aus Fondmitteln aufgebracht und für die restlichen 80<br />
% Barkredite aufgenommen, die aus den laufenden Mieteinnahmen abgetragen<br />
werden sollen. Diese Kalkulation gehe so lange auf, wie die Rendite aus den<br />
Mieteinnahmen deutlich höher sei als <strong>der</strong> – <strong>der</strong>zeit relativ niedrige – Kreditzins.<br />
Zusätzlich würden einzelne Wohnungen, manchmal nach bescheidener<br />
„Mo<strong>der</strong>nisierung“, an Mieter verkauft. Nach einigen Jahren wolle man den<br />
Restbestand mit hohem Gewinn weiterverkaufen. Der Mieterbund-Präsident Rips<br />
bezeichnete den Verkauf <strong>der</strong> öffentlichen Wohnungen als „unverantwortliches<br />
Verramschen von Sozialkapital“. Wenn Investoren die Mieten erhöhten, zahle <strong>der</strong><br />
Staat doppelt: Zum einen würden mehr Wohngeld und mehr Miete für Sozialhilfe fällig,<br />
35 Vortrag „Städte und Kommunale Wohnungsunternehmen – eine Win-Win-Situation“, gehalten am<br />
22.11.2005 im Rahmen des GdW-Kongresses; „GdW“: Bundesverband deutscher Wohnungs- und<br />
Immobilienunternehmen.<br />
36 Stern Nr. 42 / 2005, S. 180 ff.<br />
37 DIE ZEIT Nr. 2, 05.01.2006, S. 11-14.<br />
33
zum an<strong>der</strong>en müssten die Kommunen Belegungsrechte teuer <strong>zur</strong>ückkaufen, weil<br />
ihnen künftig Wohnungen für Bedürftige fehlten. 38<br />
Kommunale und öffentliche Wohnungsunternehmen bieten mit ihrem<br />
Wohnungsbestand den Städten nicht nur Steuerungsmöglichkeiten bei <strong>der</strong> Belegung.<br />
Sie übernehmen eine Reihe weiterer wichtiger Aufgaben. So bemühen sie sich in<br />
aller Regel auch um soziale Randgruppen und intakte Nachbarschaften und sind oft<br />
bereit, Modellprojekte neuer Wohnformen und Bauweisen durchzuführen. Zumindest<br />
in Ballungsräumen kann das Potential an preiswerten Wohnungen ein „weicher<br />
Standortfaktor“ sein. Diese Vorteile stellten <strong>der</strong> Münchener Oberbürgermeister Ude<br />
und sein Hannoveraner Kollege Schmalstieg auf <strong>der</strong> oben genannten Tagung speziell<br />
heraus; sie verwiesen ergänzend auf die Renditen für die Städte in Form von<br />
Eigenkapitalverzinsung. 39 Alle diese im Sinne <strong>der</strong> Städte liegenden Faktoren lassen<br />
sich als „Stadt- und Sozialrendite“ zusammenfassen, <strong>der</strong>en Wert über die rein<br />
finanzwirtschaftliche Rendite weit hinausgehen kann.<br />
Aus allen diesen Gründen sollten Kommunen vor einem Verkauf größerer<br />
Wohnungsbestände die Hinweise des Präsidenten des Deutschen Städtetages sehr<br />
ernst nehmen, wenn er formuliert, es gebe nur zwei Ausnahmesituationen, die er<br />
„milde“ beurteilen würde: 40<br />
– Städte, in denen <strong>der</strong> Wohnungsmarkt schon ausgeglichen ist und allen Prognosen<br />
zu Folge auch ausgeglichen bleiben wird, sodass an<strong>der</strong>e Aufgaben höhere Priorität<br />
beanspruchen können.<br />
– Finanzielle Nöte, die eine Gemeinde so überfor<strong>der</strong>n, dass kein an<strong>der</strong>er Ausweg<br />
mehr zu sehen ist, obwohl es jedem klar ist, dass diese Entscheidung, kommunale<br />
Wohnungsbestände zu veräußern, strukturpolitisch falsch ist.<br />
Zu <strong>der</strong> zweiten Fallgruppe könnte das „Modell Dresden“ zählen. Am 09. März 2006<br />
hat <strong>der</strong> Stadtrat <strong>der</strong> Landeshauptstadt Dresden den Verkauf des städtischen<br />
Wohnungsunternehmens WOBA Dresden GmbH an die US-Firmengruppe<br />
Fortress beschlossen. Es handelt sich um 48.000 Wohnungen. Die neuen<br />
Eigentümer haben sich verpflichtet, einen Bestand von 41.000 Wohnungen in Dresden<br />
zu halten und die bisher vorliegenden Konzepte <strong>der</strong> WOBA zum Abriss und <strong>zur</strong><br />
Sanierung von Wohnraum zu verwirklichen. Die Stadt Dresden kann mit dem<br />
38 DIE ZEIT a. a. O., S. 13.<br />
39 Vorträge vom 22.11.2005 im Rahmen des GdW-Kongresses.<br />
40 OB Ude am 22.11.2005; vgl. Fußnote 27.<br />
34
Nettoerlös von rund 982 Mio. Euro 41 in einem Schritt alle Kredite ablösen und will<br />
das tun. Damit wird die sächsische Hauptstadt als erste deutsche Großstadt<br />
schuldenfrei. Die Firmengruppe Fortress hat vertraglich eine Reihe städtischer<br />
Vorgaben übernommen, die im Rahmen einer „Sozialcharta“ geregelt wurden. Dazu<br />
gehören insbeson<strong>der</strong>e: ein lebenslanges Wohnrecht für über 60-Jährige sowie<br />
Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen, das Verbot von Luxussanierung, ein 20-<br />
jähriges Belegungsrecht für 8.000 Wohnungen zu Gunsten <strong>der</strong> Stadt, einen 5-jährigen<br />
Kündigungsschutz für die betroffenen Arbeitnehmer sowie eine Begrenzung bei<br />
Mieterhöhungen. Der Dresdener Oberbürgermeister Ingolf Roßberg erklärte hierzu in<br />
<strong>der</strong> entscheidenden Ratssitzung, dass es eine solche Sozialcharta „noch nie vorher<br />
bei einem Wohnungsverkauf in Deutschland gegeben hat“.<br />
Trotz Zusagen eines Käufers <strong>zur</strong> Erfüllung wichtiger städtischer Ziele darf nicht<br />
übersehen werden, dass einmalige Einnahmen keine langwirkende Sanierung<br />
eines kommunalen Haushalts sicherstellen. Wichtiger ist generell, dass sich das<br />
Ausgabeverhalten einer Stadt grundlegend än<strong>der</strong>t und das strukturelle Defizit<br />
dauerhaft beseitigt wird. Es wird vermutlich dennoch zu weiteren Verkäufen<br />
kommunaler Wohnungsunternehmen kommen. Mitte März 2006 wurde in den Medien<br />
berichtet, die RAG Immobilien AG verhandele „seit einiger Zeit mit mehreren<br />
Ruhrgebietsstädten konkret über die Privatisierung ihrer Wohnungsbestände“. 42<br />
Wenige Tage später äußerte sich <strong>der</strong> Repräsentant <strong>der</strong> größten Stadt in NRW, <strong>der</strong><br />
Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, er wolle die mehr als 42.000 städtischen<br />
Wohnungen nicht an ausländische Investoren abgeben. Es sei aber denkbar, dass die<br />
Wohnungen an eine städtische o<strong>der</strong> stadtnahe Gesellschaft verkauft würden, wodurch<br />
Geld in die Kasse komme, die Wohnungen aber faktisch unter städtischer Kontrolle<br />
blieben. 43<br />
Die für den Verkauf städtischer Wohnungsunternehmen angesprochene Bandbreite<br />
von Argumenten lässt sich teilweise auch auf die Veräußerung an<strong>der</strong>er städtischer<br />
Vermögenswerte an Dritte übertragen. Eine große Zahl von Städten hat<br />
Gesellschafteranteile an Versorgungsunternehmen verkauft. Im Jahre 2001<br />
verkaufte die Landeshauptstadt Düsseldorf 29,9 Prozent <strong>der</strong> Stadtwerke<br />
Düsseldorf AG an den Energiekonzern EnBW; <strong>der</strong> Kaufpreis von 447 Mio. Euro<br />
41<br />
Der Wert <strong>der</strong> verkauften Immobilien betrug rund 1,7 Mrd. Euro; vgl. Süddeutsche Zeitung,<br />
11./12.03.2006, S. 9.<br />
42<br />
Vgl. z. B. WAZ vom 16.03.2006: „Städte wollen Wohnungen verkaufen“.<br />
43 Westdeutsche Zeitung, 20.03.2006, S. 3.<br />
35
wurde <strong>zur</strong> Entschuldung verwandt. 44 Ende 2005 beschloss <strong>der</strong> Stadtrat den Verkauf<br />
weiterer 25,05 Prozent <strong>der</strong> städtischen Anteile an den Stadtwerken an EnBW, die jetzt<br />
Mehrheitsgesellschafter <strong>der</strong> Stadtwerke sind. Ferner will sich Düsseldorf von einem<br />
Teil des RWE-Aktienpakets trennen, um mit dem erwarteten Erlös (rund 363 Mio. Euro<br />
für den fungiblen Teil <strong>der</strong> Aktien) die Schulden weiter zu senken. 45 Eine ganze Reihe<br />
weiterer Städte haben sich von ihren RWE-Aktienpaketen getrennt o<strong>der</strong> beabsichtigen<br />
das.<br />
Die Stadt Wuppertal hat zwar ebenfalls Anteile an <strong>der</strong> Wuppertaler Stadtwerke AG<br />
veräußert; Erwerber waren <strong>der</strong> RWE-Konzern und <strong>der</strong> Luxemburger Energieversorger<br />
Cegedel. Seit 2004 besitzen die RWE Rhein-Ruhr AG rd. 18,7 % und die Cegedel<br />
International SA rd. 6,4 %; fast 75 % des Unternehmens verblieben jedoch in<br />
kommunaler Hand.<br />
Derartige millionenschwere Transaktionen dienen nicht ausschließlich dem Abbau von<br />
Krediten; im Einzelfall sollen sie Investitionsvorhaben ermöglichen, die nach<br />
Auffassung <strong>der</strong> örtlich Verantwortlichen für die Fortentwicklung <strong>der</strong> Stadt unabdingbar<br />
notwendig sind. Ferner werden mit solchen Entscheidungen wirtschaftspolitische Ziele<br />
verfolgt. Schließlich liegt ein Zusammengehen mehrerer Betriebe im direkten Sinn <strong>der</strong><br />
betreffenden Unternehmen selbst, indem sie sich für den Wettbewerb stärken. Vor<br />
allem durch Vorgaben <strong>der</strong> EU bedingt, ist es für Versorgungs- und<br />
Verkehrsunternehmen zu erheblichen Auswirkungen gekommen und sind weitere zu<br />
erwarten. Die von den EU-Institutionen verordnete „Marktliberalisierung“ hat in den<br />
vergangenen Jahren zu einer Welle von Firmenzusammenschlüssen nach den<br />
unterschiedlichsten Modellen geführt: Neben dem formalisierten Zusammengehen<br />
kleiner o<strong>der</strong> mittlerer kommunaler Unternehmen sind Kooperationen und<br />
Verschmelzungen von kommunalen Betrieben mit privaten Konzernen zustande<br />
gekommen. Mit dieser Entwicklung ist eine sehr komplexe Thematik angesprochen,<br />
die im Rahmen dieser Studie nicht näher berücksichtigt werden kann.<br />
Abschließend ist zu den diversen Modellen von Privatisierung festzuhalten, dass<br />
die jeweils Verantwortlichen in den kommunalen Vertretungskörperschaften wie in den<br />
Verwaltungen in jedem Einzelfall die Chancen und Risiken sorgfältig abzuwägen<br />
haben, damit es möglichst nicht zu unvertretbaren Konsequenzen kommt, <strong>der</strong>en<br />
Tragweite u. U. erst in viel späterer Zeit erkennbar wird.<br />
44 Vgl. Westdeutsche Zeitung, 10.03.2006.<br />
45 Etatrede von OB Joachim Erwin vom 01.09.2005 zum Haushaltsplanentwurf 2006.<br />
36
5) Stärkere Nutzung von ÖPP-Modellen für Investitionsvorhaben<br />
In Deutschland ist eine Tendenz dahingehend festzustellen, dass „Public Private<br />
Partnership-Modelle“ – PPP – bzw. „öffentlich-private Partnerschaften“ (ÖPP-<br />
Projekte) in nächster Zeit verstärkt genutzt werden; das gilt auch für den kommunalen<br />
Bereich. ÖPP ist eine neue Beschaffungsvariante des Staates. Ziel ist es,<br />
Haushaltentlastungseffekte durch die Nutzung von Effizienzvorteilen und den<br />
Einsatz privaten Kapitals in Kombination mit Nutzerfinanzierungen zu erreichen.<br />
ÖPP bedeutet demnach, bei öffentlicher Beschaffung konsequent neue Wege einer<br />
effizienteren Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatsektor zu nutzen.<br />
Solche Lösungen bieten sich vor allem an, wenn sie nicht nur Liquiditätsprobleme<br />
lösen, son<strong>der</strong>n auch über die gesamte Laufzeit kostengünstiger und / o<strong>der</strong> effizienter<br />
als staatliche Maßnahmen sind. Dazu ist in jedem Fall ein standardisierter<br />
Wirtschaftlichkeitsvergleich erfor<strong>der</strong>lich. Dieser Vergleich muss natürlich auch den<br />
Effizienzgewinn entsprechend würdigen, <strong>der</strong> nach Erfahrungen in Großbritannien<br />
zwischen 10 % und 25 % liegt.<br />
ÖPP-Strukturen bieten sich vor allem im öffentlichen Hochbau aller staatlichen<br />
Ebenen an, namentlich bei Objekten <strong>der</strong> Verwaltung (Rathäuser / Finanzämter), <strong>der</strong><br />
Bildung (Schulen / Hochschulen), <strong>der</strong> Gesundheit (Krankenhäuser / Altersheime), <strong>der</strong><br />
Freizeit und Kultur (Sportstätten / Museen) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sicherheit (Polizeigebäude /<br />
Gefängnisse). Im Bereich von Straßeninfrastrukturen spielt ÖPP bereits heute eine<br />
große Rolle.<br />
Die Kommunen sollten in allen geeigneten Fällen prüfen, wie sie die Chancen<br />
eines ÖPP-Modells nutzen können, da diese beträchtlich sein können. Auf den<br />
ersten Blick liegen die Vorteile für die Gemeinde darin, dass z. B. <strong>der</strong> Private eine<br />
Schule baut o<strong>der</strong> saniert und den Betrieb übernimmt, die Kommune aber Eigentümer<br />
bleibt und einen monatlichen Betrag für den Betrieb sowie die Baufinanzierung leistet.<br />
Auf diese Weise bleibt es <strong>der</strong> Gemeinde erspart, die Investitionskosten auf einmal zu<br />
finanzieren. Eine kritische Prüfung <strong>der</strong> wesentlichen Merkmale solcher Modelle lässt<br />
zwar erkennen, dass ÖPP-Projekte nicht automatisch eine Patentlösung für die<br />
kommunalen Finanzprobleme darstellen; denn eine öffentlich-private Kooperation<br />
macht eine Investition nicht vom Grunde her wirtschaftlicher, zumal <strong>der</strong> jeweils<br />
beteiligte Private – im Gegensatz <strong>zur</strong> Kommune – Rendite anstrebt. Die Ausschöpfung<br />
steuerrechtlicher Gegebenheiten o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten können jedoch zu<br />
37
günstigen Ergebnissen führen; solche können sich auch daraus ergeben, dass <strong>der</strong><br />
Private nicht an die VOB gebunden ist.<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Haushaltsanierung ist die Überlegung, auch unter<br />
demographischen Aspekten, rechtliche Konstruktionen zu implementieren, die eine<br />
optimale wirtschaftliche Nutzung des Immobilienvermögens ermöglichen und <strong>der</strong><br />
Gemeinde darüber hinaus die Möglichkeit verschaffen, am Ende <strong>der</strong> Vertragslaufzeit<br />
darüber zu entscheiden, ob die Immobilien im Bestand gehalten werden (Braucht die<br />
Gemeinde in 30 Jahren noch so viele Schulen / Krankenhäuser etc.?).<br />
Damit wird das Verwendungsrisiko von <strong>der</strong> Gemeinde auf den Privatinvestor<br />
verlagert. Entsprechende Konstruktionen sind bereits mit großer Resonanz einigen<br />
Gemeinden in NRW vorgestellt worden. Nach den Gemeindeordnungen ist es den<br />
Gemeinden allerdings im Grundsatz untersagt, <strong>zur</strong> Erfüllung von öffentlichen<br />
Aufgaben notwendige Vermögensgegenstände zu veräußern. Dies verhin<strong>der</strong>t die<br />
erfor<strong>der</strong>liche Flexibilität und erschwert die Durchführung klassischer Sell-and-lease-<br />
back-Konstruktionen. Das namentlich in den vergangenen zehn Jahren in <strong>der</strong><br />
Finanzwirtschaft entwickelte Know-how im Bereich <strong>der</strong> strukturierten Finanzierungen<br />
kann den Gemeinden mit intelligenten Konstruktionen die notwendige Flexibilität<br />
verschaffen; diese Chancen sollten im Interesse <strong>der</strong> Allgemeinheit nicht ungenutzt<br />
gelassen werden.<br />
Es ist deshalb zu begrüßen, dass „ÖPP-Task-Forces“ des Bundes sowie<br />
verschiedener Län<strong>der</strong> sich durch Grundsatz- und Koordinierungsarbeiten,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer bemühen, die Sensibilisierung für ÖPP-<br />
Projekte zu intensivieren. Auch das Finanzministerium des Landes NRW setzt sich<br />
„für eine Etablierung von Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und privaten<br />
Unternehmen bei <strong>der</strong> Realisierung von Infrastrukturprojekten ein“ und hat eine „Public<br />
Private Partnership-Initiative NRW“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, aus den<br />
Erfahrungen <strong>der</strong> europäischen Nachbarn bei <strong>der</strong> Realisierung und Finanzierung<br />
öffentlicher Infrastrukturvorhaben zu lernen und eine PPP-Strategie für das Land zu<br />
entwickeln. Eine beim Finanzministerium angesiedelte „Task Force“ baut <strong>der</strong>zeit<br />
anhand von Pilotprojekten Querschnittskompetenzen auf und berät auch kommunale<br />
Auftraggeber bei <strong>der</strong> Entwicklung von Geschäftsmodellen. 46<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit gab es bei <strong>der</strong> Prüfung von ÖPP-Projekten oft<br />
Verfahrensprobleme, u. a. wegen unklarer bzw. unterschiedlicher<br />
46 Nähere Einzelheiten unter „www.ppp.nrw.de“.<br />
38
Genehmigungsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Kommunalaufsicht. Durch eine Standardisierung<br />
<strong>der</strong> von den Kommunen einzuhaltenden Verfahrensschritte –<br />
Wirtschaftlichkeitsberechnung, Vertragsgestaltung, Vergabeverfahren, Einschaltung<br />
<strong>der</strong> Kommunalaufsicht – könnten und sollten die Rahmenbedingungen für ÖPP-<br />
Projekte verbessert werden. Ein Schritt auf diesem Wege ist das „ÖPP-<br />
Beschleunigungsgesetz“ des Bundes vom Sommer 2005. Durch dieses Gesetz<br />
sollen aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Beteiligten bisher offene Fragen bei <strong>der</strong> Vergabe gelöst<br />
werden, um damit die rechtssichere und zügige Umsetzung von ÖPP-Projekten zu<br />
erleichtern. Zugleich ist die zunehmende Bedeutung von öffentlich-privaten<br />
Kooperationen unterstrichen worden, womit <strong>der</strong>en Akzeptanz geför<strong>der</strong>t werden dürfte.<br />
Erschwernisse ergeben sich aus <strong>der</strong> neuesten Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofs – EuGH –, nach dessen Urteilen von Januar 2005 ÖPP-Modelle<br />
unabhängig von <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> privaten Beteiligung grundsätzlich<br />
ausschreibungspflichtig sind.<br />
Schließlich darf nicht übersehen werden, dass es sich bei ÖPP-Modellen zumeist um<br />
kreditähnliche Rechtsgeschäfte handelt, welche den städtischen Haushalt ähnlich<br />
langfristig belasten wie herkömmliche Darlehen. Sie sind bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong><br />
Verschuldung mit zu beachten und können von <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde im Rahmen <strong>der</strong><br />
Haushaltssicherung nicht unberücksichtigt gelassen werden. Nicht zu vernachlässigen<br />
sind daneben die nicht unbedeutenden zusätzlichen Projektkosten, vor allem die meist<br />
recht langfristigen Bindungszeiten mit einer gewissen Einschränkung <strong>der</strong> kommunalen<br />
Kompetenzen.<br />
An<strong>der</strong>erseits hat die langfristige Bindung <strong>der</strong> Gemeinde an den Privatinvestor<br />
auch ihre Vorzüge. Wenn <strong>der</strong> Investor vertraglich verpflichtet ist, den Betrieb z. B.<br />
eines Schulgebäudes für einen Zeitraum von 20 Jahren uneingeschränkt zu<br />
gewährleisten, so wird er bei <strong>der</strong> Auswahl des Bauunternehmens und <strong>der</strong><br />
Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen an die Bauausführung hohe Maßstäbe anlegen. Ein<br />
Bauunternehmer hingegen, <strong>der</strong> im direkten Auftrag <strong>der</strong> Gemeinde ein Schulgebäude<br />
saniert bzw. neu errichtet, ist im Regelfall nur daran interessiert, dass innerhalb <strong>der</strong><br />
Gewährleistungsfrist keine Mängel auftreten.<br />
Aus allen diesen Gründen kann es zwar keine generelle Empfehlung zugunsten von<br />
ÖPP-Modellen geben. Bei kommunalen Investitions- und Finanzentscheidungen wird<br />
es auch in Zukunft auf den Einzelfall ankommen, für den die Alternativen sorgfältig<br />
39
zu prüfen sind. Wenn sich dabei beachtliche dauerhafte Wirtschaftlichkeitsvorteile<br />
gegenüber einer konventionellen Finanzierung herausstellen, sollte <strong>der</strong> Weg mit einem<br />
zuverlässigen Privaten beschritten werden.<br />
6) Intensivierung <strong>der</strong> interkommunalen Zusammenarbeit<br />
Interkommunale Zusammenarbeit ist ein bestens geeignetes Mittel, die Effizienz<br />
<strong>der</strong> Verwaltung zu steigern und zugleich Kosten zu senken. Sie hat sich in vielen<br />
Städten und Gemeinden seit Jahrzehnten in unterschiedlichsten Bereichen bewährt.<br />
Hauptsächliche Anwendungsfel<strong>der</strong> sind bisher <strong>der</strong> ÖPNV, die Energie- und<br />
Wasserversorgung, Tourismusför<strong>der</strong>ung und Regionales Marketing,<br />
Abwasserentsorgung sowie Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, ferner<br />
Informationstechnologie und <strong>der</strong> Bildungsbereich (Volkshochschulen, Schulen,<br />
Musikschulen), schließlich auch Räumliche Planung und Entwicklung, Wirtschafts- und<br />
Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung sowie Brandschutz und Rettungsdienst. 47 Angesichts <strong>der</strong><br />
immer weiter fortschreitenden finanziellen Auszehrung <strong>der</strong> Kommunen sollten alle<br />
Möglichkeiten, die Ausführung von Aufgaben zusammenzufassen und über die<br />
Gemeindegrenzen hinweg zu verlagern, intensiv ausgelotet und genutzt werden. Auf<br />
diesem Felde liegen ganz erhebliche Chancen, da nicht mehr jede einzelne<br />
Gemeinde für die Durchführung aller Aufgaben selbst Personal vorhalten muss.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e im ländlichen Raum mit einer hohen Anzahl kleiner und mittlerer<br />
Kommunen sei interkommunales Handeln eine Schlüsselstrategie <strong>zur</strong> Sicherung<br />
<strong>der</strong> Zukunftsfähigkeit vieler Kommunen, erklärte ausdrücklich <strong>der</strong> Deutsche Städte-<br />
und Gemeindebund. Er for<strong>der</strong>te daher Bund und Län<strong>der</strong> auf, interkommunale<br />
Kooperationen durch verstärkte Freistellung von Genehmigungspflichten sowie durch<br />
eine prioritäre Berücksichtigung von För<strong>der</strong>programmen zu unterstützen.<br />
Bemühungen um Zusammenarbeit dürften zudem nicht durch europaweite<br />
Ausschreibungspflichten belastet werden. 48<br />
Auch die großen Städte und Gemeinden haben die Chancen des kommunalen<br />
Miteinan<strong>der</strong>s längst erkannt. Das kann man etwa an den Aktivitäten im<br />
Zusammenhang mit dem „Masterplan Ruhr“ erkennen. Im Jahr 2003 haben 8<br />
47 Vgl. dazu die DStGB Dokumentation Nr. 51: „Interkommunale Zusammenarbeit – Praxisbeispiele,<br />
Rechtsformen und Anwendung des Vergaberechts“, Oktober 2005 herausgegeben vom Deutschen<br />
Städte- und Gemeindebund und dem Bayerischen Gemeindetag.<br />
48 Verlautbarung des DStGB vom 27.10.2005.<br />
40
Großstädte des Ruhrgebiets – Duisburg, Oberhausen, Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr,<br />
Essen, Gelsenkirchen, Herne, Bochum und Dortmund – eine regionale<br />
Kooperation in Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> räumlichen Entwicklung vereinbart. Zu den<br />
„Entwicklungsaspekten“ zählen die Ziele des Stadtumbaus wie Stärkung <strong>der</strong><br />
Innenstädte, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigentumsbildung und Sicherung <strong>der</strong> sozialen<br />
Wohnungspolitik, womit auch die Probleme des Bevölkerungsverlusts und des<br />
Strukturwandels angegangen werden. So führen die aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen zu<br />
einem engeren Zusammengehen <strong>der</strong> Kommunen, sodass <strong>der</strong> wirtschaftliche Effekt<br />
durch weitere sachbezogene Vorteile ergänzt wird. Der „Regionalverband Ruhr“,<br />
dem die genannten Städte als Mitglie<strong>der</strong> angehören und <strong>der</strong> die Erstellung <strong>der</strong>artiger<br />
Masterpläne zu einer seiner wichtigen Aufgaben zählt, kann auch sonst als<br />
Musterbeispiel für bewährte regionale Zusammenarbeit angesehen werden.<br />
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Betätigungsfel<strong>der</strong>. Als Beispiele seien –<br />
insbeson<strong>der</strong>e nach dem Einbruch <strong>der</strong> kommunalen Investitionen – <strong>der</strong> Planungs- und<br />
Baubereich sowie benachbarte Sachgebiete wie Fuhrpark, Bauhof und Werkstätten<br />
genannt, aber auch Rechtsamt und Rechnungsprüfung, Druckerei und Einkauf sowie<br />
Kultur und Theater. Der immer engere finanzielle Rahmen wird dabei einen<br />
„heilsamen Druck“ ausüben. Die sachlichen Vorteile liegen auf <strong>der</strong> Hand, politische<br />
Bedenkenträger müssen entsprechend überzeugt werden. Lei<strong>der</strong> sind in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit manche erfolgversprechenden Ansätze zu bedeutsamen<br />
interkommunalen Kooperationen nicht zuletzt an „Kirchturmpolitik“ gescheitert.<br />
Mit Recht weist auch die Schrift „Düsseldorfer Entfesselungsimpulse 2006“ auf die<br />
vielfältigen „Möglichkeiten gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung <strong>zur</strong> Realisierung von<br />
Einsparpotenzialen“ hin und nennt Aufgabenfel<strong>der</strong> und Strukturen regionaler<br />
Zusammenarbeit; gefor<strong>der</strong>t wird dafür – entsprechend den Festlegungen im<br />
Koalitionsvertrag von CDU und FDP in NRW – die komplette Freigabe <strong>der</strong> rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen, u. a. durch Än<strong>der</strong>ung des Gesetzes über die kommunale<br />
Gemeinschaftsarbeit (GkG). 49<br />
Da durch die Zusammenlegung von Sachbereichen aus mehreren Orten deutlich<br />
weniger Personal erfor<strong>der</strong>lich ist, kann dieses besser spezialisiert werden und<br />
effizientere Leistungen erbringen. Das dient schließlich auch dem Interesse <strong>der</strong><br />
Bürger. Vielfach wird gegenüber interkommunaler Kooperation kritisch angemerkt,<br />
dass bei einer Übertragung von Aufgaben an an<strong>der</strong>e Gemeinden die politische<br />
49 Düsseldorfer Entfesselungsimpulse 2006, S. 28 f.<br />
41
Steuerung und Kontrolle seitens <strong>der</strong> übertragenden Gemeinde erschwert werde.<br />
Derartige Bedenken lassen sich bei gutem Willen aller Beteiligten ausräumen und<br />
die Kompetenzen im Vereinbarungswege absichern. Allerdings scheint vielerorts noch<br />
ein starker Bewusstseinswechsel erfor<strong>der</strong>lich zu sein. Da die gegenwärtige<br />
finanzielle Krise nicht so rasch überwunden sein wird, sollten die beträchtlichen<br />
Chancen genutzt und die durchaus berechtigten örtlichen Interessen durch eine<br />
entsprechende rechtliche Grundlage gewährleistet werden. Hierzu stehen den<br />
Gemeinden unterschiedlichste Organisationsformen <strong>zur</strong> Verfügung. Eine aktuelle<br />
Übersicht über mögliche Rechtsformen und die zu beachtenden Vorgaben des<br />
Vergaberechts bietet eine Dokumentation des Deutschen Städte- und<br />
Gemeindebundes von Oktober 2005. 50 Dieser Schrift sind auch eine Fülle von<br />
Praxisbeispielen und Hinweise zu denkbaren Anwendungsfel<strong>der</strong>n zu entnehmen.<br />
Allerdings ergeben sich seit einiger Zeit Erschwernisse aus dem Rechtsrahmen <strong>der</strong><br />
Europäischen Gemeinschaft. Die For<strong>der</strong>ung des DStGB, dass „für Städte und<br />
Gemeinden schnellstmöglich Rechtssicherheit bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Anwendung des<br />
Vergaberechts bei interkommunalen Kooperationen herbeigeführt werden muss“, ist<br />
deshalb zu unterstreichen. 51<br />
7) „Befreiungsschlag“ durch das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF)?<br />
Auf die deutschen Kommunen kommt ein verän<strong>der</strong>tes Haushalts- und Finanzwesen<br />
zu. Auch die Gemeinden und Gemeindeverbände in NRW bereiten sich auf das<br />
„Neue Kommunale Finanzmanagement“ – NKF – vor.<br />
Die Stadt Dortmund will mit dem im November 2005 vorgelegten<br />
Haushaltsplanentwurf 2006 als erste <strong>der</strong> zehn größten Städte in Deutschland ihr<br />
Haushalts- und Rechnungswesen vollständig auf ein kaufmännisches<br />
Rechnungswesen umstellen. Dortmund hatte als eine von sieben Modellkommunen<br />
in NRW 52 an <strong>der</strong> Entwicklung des neuen Rechnungswesens mitgewirkt und hat einen<br />
„vollständigen doppischen Haushalt 2006“ mit einer hochgerechneten<br />
gesamtstädtischen Modellbilanz erstellt. 53 Die finanzielle Situation hat sich durch die<br />
50<br />
Vgl. dazu die oben genannte DStGB Dokumentation Nr. 51.<br />
51<br />
Quelle wie vor.<br />
52<br />
Neben Dortmund waren die Kommunen Brühl, Düsseldorf, Hiddenhausen, Moers, Münster und <strong>der</strong><br />
Kreis Gütersloh an dem Projekt beteiligt.<br />
53<br />
Ausführungen des Stadtkämmerers Pehlke in <strong>der</strong> Etatrede am 10.11.2005.<br />
42
NKF-Einführung nicht entspannt, wie Stadtkämmerer Guntram Pehlke dem Rat<br />
ausdrücklich vortrug. 54<br />
Hier und da wird mit <strong>der</strong> Umstellung von <strong>der</strong> Kameralistik auf das neue System die<br />
Hoffnung verbunden, die Methodenän<strong>der</strong>ung könne bei <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong><br />
Finanzkrise behilflich sein. Ein intensiver Blick hinter die Kulissen des NKF zeigt ein<br />
an<strong>der</strong>es Bild.<br />
Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> deutschen Kommunen sollen durch eine<br />
grundlegende Reform des Haushalts- und Rechnungswesens gesteigert werden.<br />
Durch einen Beschluss von November 2003 hat die Innenministerkonferenz<br />
bundeseinheitliche Rahmenregelungen festgelegt. Das Kommunale Haushalts- und<br />
Rechnungswesen soll von <strong>der</strong> bisherigen zahlungsorientierten Darstellungsform auf<br />
ein ressourcenorientiertes System umgestellt werden. Während in <strong>der</strong> traditionellen<br />
Kameralistik grundsätzlich lediglich Einnahmen und Ausgaben erfasst werden, sollen<br />
künftig die Erträge und Aufwendungen zentrale Steuerungsgrößen im<br />
kommunalen Finanzmanagement darstellen. Die neue Methodik offenbart die<br />
Verän<strong>der</strong>ungen des kommunalen Eigenkapitals, wodurch das wirtschaftliche Handeln<br />
<strong>der</strong> Städte und Gemeinden wesentlich transparenter wird. Der Werteverzehr wird<br />
durch Abschreibungen offengelegt. Durch produktorientierte Teilrechnungen<br />
(Kosten-, Leistungsrechnungen) wird nachvollziehbar, was kommunale Leistungen<br />
tatsächlich kosten.<br />
Am 16. November 2004 hat <strong>der</strong> Landtag von NRW mit Wirkung zum 1. Januar 2005<br />
das „Gesetz über ein Neues Kommunales Finanzmanagement für Gemeinden im<br />
Land NRW, NKF-Gesetz“ beschlossen, durch welches alle Gemeinden und<br />
Gemeindeverbände im Lande verpflichtet werden, spätestens ab dem Haushaltsjahr<br />
2009 das neue System anzuwenden, das sich am kaufmännischen Rechnungswesen<br />
orientiert, indem die Finanzbuchhaltung nach den Grundsätzen <strong>der</strong> doppelten<br />
Buchführung („Doppik“) zu organisieren ist. Die zentralen Einzelheiten wurden durch<br />
Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> GO NRW und <strong>der</strong> Gemeindehaushaltsverordnung geregelt. Der<br />
Gesetzgeber hat festgelegt, dass es einen Start in das neue System erst mit einer<br />
festgestellten Eröffnungsbilanz geben kann.<br />
Bei den in den Verwaltungen <strong>der</strong>zeit laufenden Vorarbeiten <strong>zur</strong> Erfassung und<br />
Bewertung des Vermögens zeichnet sich häufig ab, dass die „bilanzielle<br />
54 Quelle wie vor.<br />
43
Eigenkapitalausstattung“ nach <strong>der</strong> Umstellung auf NKF relativ gut aussehen<br />
könnte. Im Vermögen <strong>der</strong> Kommunen „schlummern“ tatsächlich enorme Werte, die<br />
durch die Bilanzierung „sichtbar“ werden und vermutlich oft die Gesamtschulden <strong>der</strong><br />
betreffenden Kommune erheblich übersteigen. Plötzlich erscheint eine Stadt als<br />
„reich“, weil sie z. B. nicht nur wegen <strong>der</strong> Fülle von Verwaltungsgebäuden und<br />
Schulen, son<strong>der</strong>n auch an Straßenflächen und Kanälen hohe Werte ausweisen kann.<br />
Ein bloßer Blick auf das Zahlenwerk des bilanzierten Vermögens bedarf <strong>der</strong><br />
ergänzenden Betrachtung, ob und in welchem Umfang wesentliche Vermögensblöcke<br />
überhaupt entbehrlich sowie wirtschaftlich disponibel sind. Wird diese Bewertung zu<br />
vor<strong>der</strong>gründig angestellt, könnten kommunale Akteure dazu verleitet werden, die<br />
dringend gebotene Haushaltsdisziplin zu lockern.<br />
Aus Kreisen <strong>der</strong> kommunalen Handlungsträger ist dennoch vermehrt die Auffassung<br />
zu vernehmen, dass die Umstellung auf das neue Haushaltssystem eine echte<br />
Chance bei <strong>der</strong> Lösung <strong>der</strong> Finanzkrise bieten könne; man könne sich auf elegante<br />
Weise von Altfehlbeträgen befreien, da dem NKF Fehlbeträge im bisherigen<br />
kameralen Sinne naturgemäß fremd sind 55 . Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch<br />
zu relativieren. Altfehlbeträge lösen sich durch die Verfahrensumstellung von <strong>der</strong><br />
Kameralistik auf das neue Finanzmanagement nicht in „Luft“ auf; sie müssen auch<br />
weiterhin mit Zins und Tilgung bedient werden. Auch im System des NKF kann man<br />
Fehlbeträge nicht einfach „ausbuchen“. Im NKF erfolgt ein periodengerechter<br />
Ausgleich über die Ausgleichsrücklage – wenn es sie denn überhaupt gibt –, o<strong>der</strong> er<br />
wirkt sich als Rückgang des Eigenkapitals bzw. Erhöhung des Fremdkapitals aus, was<br />
schließlich bis <strong>zur</strong> Bilanzierung eines nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten<br />
Fehlbetrags in <strong>der</strong> Bilanz führen kann. Die Vermögenssituation <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Kommune als solche wird durch die Bilanzausweisung aller vorhandenen<br />
Vermögenswerte nicht verbessert, son<strong>der</strong>n lediglich optisch verdeutlicht. Die<br />
Möglichkeiten von Vermögensveräußerungen zum Ausgleich von Fehlbeträgen<br />
bestehen schon immer und sind nach wie vor einer sehr kritischen Einzelfallprüfung zu<br />
unterziehen.<br />
Das Innenministerium weist schon jetzt darauf hin, dass Kreditaufnahmen auch im<br />
NKF „ihren subsidiären Deckungscharakter und die grundgesetzlich erfor<strong>der</strong>liche<br />
Bindung an den Investitionsbegriff behalten“ 56 ; schließlich soll durch die Philosophie<br />
55<br />
Vgl. zu dieser Gesamtthematik den „Kommunalfinanzbericht“ des Innenministers NRW von<br />
November 2005.<br />
56<br />
„Kommunalfinanzbericht“ des Innenministers NRW von November 2005.<br />
44
des NKF generell ein wirtschaftliches Verhalten geför<strong>der</strong>t und eine Deckung von<br />
Aufwendungen und Erträgen erreicht werden. Kredite kommen demgemäss für<br />
konsumtive Aufwendungen und Zahlungen nicht in Betracht. Auch die GO NRW stellt<br />
in § 86 ausdrücklich klar, dass „Kredite nur für Investitionen und <strong>zur</strong> Umschulung<br />
aufgenommen werden dürfen“ und „die daraus übernommenen Verpflichtungen mit<br />
<strong>der</strong> dauernden Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Gemeinde in Einklang stehen müssen“. Den<br />
Kommunen bleibt demgemäss auch in Zukunft nichts an<strong>der</strong>es übrig, als dauerhaft<br />
einen Ausgleich von Aufwendungen und Erträgen anzustreben. „Strukturelle<br />
Lücken“ zwischen Aufwendungen und Erträgen führen auch im Zeitalter des<br />
NKF in die Haushaltssicherung mit den bekannten unangenehmen Konsequenzen.<br />
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Umstellung auf NKF effektiv kein Gemeinwesen<br />
„reicher“ macht, als es ist, und dass auch in <strong>der</strong> „NKF-Zeit“ die Haushaltssicherung<br />
droht.<br />
8) Ausschöpfung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten<br />
Bei <strong>der</strong> Haushaltskonsolidierung lockt aus verständlichen Gründen <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong><br />
Einnahmeverbesserungen. Dabei fällt <strong>der</strong> erste Blick auf die örtlich beeinflussbaren<br />
größeren Einnahmequellen, vor allem Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige<br />
Entgelte. Bei den Gebühren sind die Möglichkeiten einer Erhöhung in <strong>der</strong> Regel<br />
begrenzt, da sie sich nach den Grundsätzen des Abgabenrechts weitgehend an den<br />
(kalkulatorischen) Kosten zu orientieren haben und weil bei <strong>der</strong><br />
Eigenkapitalverzinsung durch Landesvorgaben o<strong>der</strong> zunehmend die<br />
Verwaltungsgerichte Limits gesetzt werden. Auf diese Weise lassen sich für das<br />
eingesetzte Kapital häufig nur Zinsen erzielen, die deutlich unter dem Markt liegen,<br />
was ein Ärgernis darstellt. Bei Beiträgen und <strong>der</strong> großen Zahl von Entgelten können<br />
Erhöhungen finanzwirtschaftlich leicht kontraproduktiv wirken, wenn dadurch die<br />
Inanspruchnahme von Einrichtungen o<strong>der</strong> Angeboten beeinträchtigt wird. Bis zu dieser<br />
Grenze dürften inzwischen die allermeisten Kommunen den denkbaren Rahmen<br />
ausnutzen. Damit bleibt die Frage des Ausreizens <strong>der</strong> städtischen Hebesätze bei<br />
den Haupteinnahmequellen, Grundsteuer und Gewerbesteuer. Die übrigen Steuern, z.<br />
B. Vergnügungsteuer und Hundesteuer, sind von ihrem Aufkommen her weniger<br />
bedeutend, sollten jedoch von <strong>der</strong> kritischen Prüfung nicht ausgenommen werden.<br />
Speziell bei <strong>der</strong> Hundesteuer sollte nicht unnötig stark auf „sozialpolitische Probleme<br />
45
und Folgen“ <strong>der</strong> Zahlungspflichtigen Rücksicht genommen werden, zumal für wirklich<br />
schützenswerte Interessen Ausnahmeregelungen getroffen werden können. Bei dieser<br />
Gelegenheit sei eine verschiedentlich diskutierte „Schieflage“ erwähnt: Die<br />
Mehrwertsteuer für Hundefutter beträgt 7 %, während die Mehrwertsteuer für<br />
Babywindeln demnächst 19 % ausmachen soll.<br />
Zur Prüfung <strong>der</strong> Frage einer Hebesatzerhöhung für Grundsteuer und<br />
Gewerbesteuer gehört die sorgfältige Auslotung <strong>der</strong> Auswirkungen einer höheren<br />
Belastung. Die Grundsteuer schlägt letztlich auch auf die Mieter durch, sodass die<br />
soziale Struktur <strong>der</strong> Bevölkerung zu beachten ist. Daneben trifft sie in durchaus<br />
beachtlichem Umfang auch die Betriebe und kann dadurch indirekt zu negativen<br />
Konsequenzen für die Gemeinde führen. Das gilt in beson<strong>der</strong>er Weise für die<br />
Gewerbesteuer, da eine zu hohe Belastung <strong>der</strong> heimischen Gewerbebetriebe die<br />
wirtschaftliche Entwicklung am Ort beeinträchtigen kann. Daneben muss man die<br />
Wettbewerbssituation gegenüber den Nachbargemeinden mit niedrigeren<br />
Steuersätzen im Auge behalten. Das Kernproblem <strong>der</strong> heutigen<br />
Gewerbesteuerstruktur liegt allerdings auf einem an<strong>der</strong>en Feld. Es besteht in <strong>der</strong><br />
inzwischen besorgniserregenden Entwicklung <strong>der</strong> Gewerbesteuer <strong>zur</strong><br />
Großbetriebssteuer. Zu diesem Thema wird in an<strong>der</strong>em Zusammenhang Stellung<br />
genommen; vgl. Teil 3, Kap. a) 1. Im übrigen sollten sich Verwaltungen und<br />
Vertretungskörperschaften sagen lassen, dass ein Drehen an <strong>der</strong> „Steuerschraube“<br />
generell nur als letztes Mittel erwogen werden sollte, zumal Steuererhöhungen den<br />
Druck zu einer energischen Haushaltskonsolidierung einschränken können – mit <strong>der</strong><br />
Folge, dass später noch härtere Maßnahmen erfor<strong>der</strong>lich werden.<br />
46
9) Die Herausfor<strong>der</strong>ungen des demographischen Wandels meistern:<br />
Zukunftsgerichtete Stadtentwicklung und Wohnungspolitik<br />
Viele größere Städte leiden seit Jahrzehnten unter <strong>der</strong> Abwan<strong>der</strong>ung von<br />
Einwohnern ins Umland, da dort verstärkt Möglichkeiten zum Bau von Ein- und<br />
Zweifamilienhäusern sowie Wohnungen in kleineren Mehrfamilienhäusern angeboten<br />
werden. Dieser Trend besteht vor allem bei jungen Familien. Mit dem Verlust von<br />
Einwohnern ist ein gravieren<strong>der</strong> Wegfall von Einnahmen verbunden, <strong>der</strong> den<br />
städtischen Haushalt teilweise direkt trifft und weitere indirekte Auswirkungen hat. Die<br />
wichtigsten Konsequenzen sind: Die nicht unbeträchtlichen Zuweisungen des Landes<br />
an die Kommunen im Rahmen des Finanzausgleichs richten sich nach – gewichteten<br />
– Einwohnerzahlen. Diese gemäß den jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetzen zu<br />
verteilenden „Schlüsselmittel“ wan<strong>der</strong>n mit dem Hauptwohnsitz mit. Dasselbe gilt<br />
für den Anteil <strong>der</strong> Gemeinden an <strong>der</strong> Lohn- und Einkommensteuer, da diese<br />
Steuer zwar an das Finanzamt zu zahlen ist, etwa 15 % davon aber letztlich beim<br />
Kämmerer des Wohnortes ankommen. Der Abzug von Kaufkraft macht sich mittelbar<br />
für eine Kommune noch zusätzlich bemerkbar.<br />
Der langfristig für Deutschland prognostizierte Bevölkerungsrückgang verstärkt in<br />
vielen Städten den Trend zum Verlust von Einwohnern. Der „Wegweiser<br />
demographischer Wandel“ <strong>der</strong> Bertelsmann Stiftung 57 von Anfang Februar 2006<br />
zeigt auf, dass in rund 50 Prozent aller deutschen Kommunen mit mehr als 5.000<br />
Einwohnern die Bevölkerung bereits bis zum Jahr 2020 z. T. erheblich schrumpfen<br />
wird. Die Studie lässt ferner erkennen, wie sich das Leben in den Städten und<br />
Gemeinden durch rückläufige Geburtenzahlen und den steigenden Anteil älterer<br />
Menschen grundlegend verän<strong>der</strong>n wird. So wird das Durchschnittsalter in allen<br />
untersuchten Kommunen deutlich ansteigen.<br />
– Zur Verschiebung <strong>der</strong> Altersgruppen innerhalb <strong>der</strong> Bevölkerung in NRW im<br />
längerfristigen Zeitablauf vgl. Anlage 7. –<br />
Anlässlich des „Politischen Forums Ruhr“ am 07. Februar 2006 in Essen hat<br />
Ministerpräsident Rüttgers darauf hingewiesen, dass in den vergangenen Jahren<br />
47
viele Menschen das Ruhrgebiet verlassen hätten und beson<strong>der</strong>s junge Familien aus<br />
<strong>der</strong> Region abgewan<strong>der</strong>t seien. Bis 2015 müsse im Revier mit einem weiteren<br />
Bevölkerungsrückgang von über 5 % gerechnet werden, zugleich werde <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> zugewan<strong>der</strong>ten Menschen steigen. Bereits im nächsten Jahrzehnt werde in den<br />
Kernstädten des Ruhrgebiets die Mehrheit <strong>der</strong> jungen Erwachsenen und die Mehrheit<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> „Auslän<strong>der</strong>“ sein bzw. einen Migrationshintergrund haben.<br />
Am Beispiel des Kreises Recklinghausen kann man erkennen, dass die<br />
Prognosedaten <strong>der</strong> Bertelsmann Stiftung für größere „Städte im postindustriellen<br />
Strukturwandel“ und <strong>der</strong>en Umfeld erheblich ungünstiger ausfallen als für den<br />
Durchschnitt im Lande NRW. Danach soll <strong>der</strong> Bevölkerungsrückgang bis zum Jahr<br />
2020 in Herten über 11 %, in Marl fast 10 %, in Datteln etwa 8 % und in den übrigen<br />
Städten etwa 5 bis 6 % betragen, während lediglich für Haltern ein Zuwachs von<br />
knapp 3 % angenommen wird. Der Landesdurchschnitt des Bevölkerungsrückgangs<br />
wird auf 1,9 % geschätzt. Das Durchschnittsalter im Kreis Recklinghausen soll von<br />
2003 mit 42,1 Jahren bis 2020 auf 46,9 Jahre ansteigen und damit über dem des<br />
Landes liegen.<br />
Eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung von März 2006<br />
bestätigt die negativen Prognosen für viele Städte, vorrangig im Osten Deutschlands.<br />
Aber auch das Land NRW ist in mehreren Regionen deutlich betroffen; das gilt vor<br />
allem für das Ruhrgebiet, aber auch für Krefeld und Wuppertal. 58 Das zu dieser<br />
Vorausschau vorgelegte Kartenmaterial veranlasst Demographen inzwischen dazu,<br />
von einer „Verlustschneise“ zu sprechen, die quer durch Deutschland verläuft und sich<br />
von Görlitz bis Gelsenkirchen erstreckt. Nach Einschätzung des Instituts kommt es<br />
unter Deutschlands Kommunen in den nächsten Jahren zu einem knallharten<br />
Wettstreit um gut qualifizierte Menschen und junge Familien. „Es wird ein Hauen<br />
und Stechen geben, einen regelrechten Einwohnerkannibalismus“, sagte einer <strong>der</strong><br />
Mitverfasser <strong>der</strong> Studie des Berlin-Instituts, <strong>der</strong> Bevölkerungswissenschaftler Reiner<br />
Klingholz. 59<br />
Derart gravierende Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Bevölkerungsstruktur haben nicht nur für<br />
das Zusammenleben <strong>der</strong> Menschen erhebliche Konsequenzen, son<strong>der</strong>n auch für den<br />
57<br />
Die damit verbundene Datenbank ist allgemein zugänglich; vgl. „www.aktion2050.de/wegweiser“ und<br />
„www.wegweiserdemographie.de“.<br />
58<br />
Die Studie liegt als Buch vor, „Die demographische Lage <strong>der</strong> Nation“, Verfasser Kröhnert, Steffen /<br />
Medicus, Franziska / Klingholz, Reiner. München 2006.<br />
59<br />
Zitiert in DIE WELT, 16.03.2006, S. 4, Artikel „Es droht Einwohnerkannibalismus“.<br />
48
Bedarf an Wohnraum, für die Schulen und Hochschulen sowie für die Betriebe. Nach<br />
mehreren Prognosen <strong>zur</strong> demographischen Entwicklung sollen beson<strong>der</strong>s größere<br />
Städte unter dem Einwohnerverlust leiden. Nach <strong>der</strong> aktuellen<br />
Bevölkerungsvorausberechnung des LDS NRW 60 wird für das Ruhrgebiet bis zum<br />
Jahr 2020 mit einem Bevölkerungsrückgang um 6 % gerechnet. „Verluste im<br />
zweistelligen Bereich werden vor allem für die kreisfreien Städte Hagen (-16,3<br />
Prozent), Wuppertal (-14,3 Prozent), Gelsenkirchen (-13,2 Prozent), Krefeld (-11,4<br />
Prozent), Essen (-10,8 Prozent) und Duisburg (-10,2 Prozent) vorausberechnet“. 61<br />
Demgegenüber können die Regierungsbezirke Münster (+ 0,9 Prozent), Köln (+ 3,0<br />
Prozent) und Detmold (+ 5,6 Prozent) mit Zugewinnen rechnen. 62 Das<br />
Durchschnittsalter <strong>der</strong> nordrhein-westfälischen Bevölkerung, welches 1950 bei gut 35<br />
Jahren lag, wird sich nach dieser Einschätzung von gut 42 Jahren (2004) bis zum Jahr<br />
2020 auf 45 Jahre erhöhen. 63<br />
Das Städtebauministerium NRW geht davon aus, dass eine <strong>der</strong> beiden größten<br />
Städte des Ruhrgebiets, Essen 64 , bis zum Jahr 2015 um etwa 11,5 % Einwohner<br />
ärmer sein könnte. 65 Nach einer Studie des Bundesverbandes für Wohneigentum und<br />
Stadtentwicklung (vhw) von 2005 soll diese starke Verlustprognose nicht nur durch<br />
die allgemeine Bevölkerungsentwicklung sowie den Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Altindustrien,<br />
son<strong>der</strong>n zu einem maßgeblichen Teil durch eine verfehlte Stadtentwicklungsstrategie<br />
bedingt sein, da Wohnungen, die wirklich gefragt sind, eher im Umland angeboten<br />
werden. 66 Als beson<strong>der</strong>s kritisch wurde die Abwan<strong>der</strong>ung einkommensstarker<br />
Personen bezeichnet. An<strong>der</strong>erseits weist <strong>der</strong> „vhw“ darauf hin, dass nach neuen<br />
Erkenntnissen bei vielen Wohnungssuchenden die Innenstädte wie<strong>der</strong> gefragt sind.<br />
Auch das Deutsche Institut für Urbanistik – DIFU – stellte einen neuen „Trend zum<br />
Innenstadtwohnen“ fest. 67<br />
Ob die <strong>zur</strong> Stadtentwicklung geäußerte Kritik hier o<strong>der</strong> da zutrifft, kann auf sich<br />
beruhen bleiben. Die Städte haben schon unter finanzwirtschaftlichem Aspekt allen<br />
60<br />
Vgl. „Nordrhein-Westfalen im Vergleich. 2005“. Veröffentlichung des Landesamts für<br />
Datenverarbeitung und Statistik (LDS) NRW. Düsseldorf 2005.<br />
61<br />
Vgl. Nordrhein-Westfalen im Vergleich. 2005, S. 10.<br />
62<br />
Quelle wie vor.<br />
63<br />
Quelle wie vor, S. 12.<br />
64<br />
Die beiden größten Städte des Ruhrgebiets mit fast gleicher Einwohnerzahl sind Essen und<br />
Dortmund mit jeweils rd. 588.000 Ew.<br />
65 Vgl. Bericht „Großstadt auf Schrumpfkurs“, DIE WELT vom 10.10.05.<br />
66 Quelle wie vor.<br />
67 Vgl. Beitrag „Urbanität als Leitbild <strong>der</strong> Zukunft“ von Hermann Marth, Vorstands-Chef <strong>der</strong> RAG<br />
Immobilien AG; erschienen <strong>zur</strong> „EXPO REAL 2005“, DIE WELT / WELT AM SONNTAG vom 08. /<br />
09.10.05.<br />
49
Anlass dazu, sich mit den Instrumenten <strong>der</strong> Stadtentwicklungsplanung und<br />
Wohnungspolitik um eine Abmil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Einwohnerauszehrung zu bemühen.<br />
Weitere Folgerungen <strong>der</strong> Bevölkerungsentwicklung können im Rahmen dieser Studie,<br />
die sich thematisch auf die fiskalischen Gegebenheiten fokussiert, nicht näher<br />
untersucht werden.<br />
In den Rathäusern sollten die Bemühungen um ein gezieltes Einwohner-<br />
Management intensiviert werden. Notwendig ist eine Stadtentwicklungsplanung, die<br />
<strong>der</strong> Lebenswirklichkeit <strong>der</strong> Alterung und <strong>der</strong> „Singularisierung“ in Folge des<br />
demographischen Wandels Rechnung trägt. 68 Wichtige Ziele werden dabei „die<br />
Bewältigung des demographischen Wandels in Kommunen im Sinne einer<br />
Anpassungsstrategie und Kin<strong>der</strong>- und Familienfreundlichkeit in den Kommunen als<br />
langfristige Präventionsstrategie“ sowie eine Stärkung <strong>der</strong> Bildungspolitik sein, die<br />
wahrscheinlich „<strong>der</strong> wichtigste Hebel für unsere Zukunftsfähigkeit“ ist. 69<br />
Im Oktober 2005 empfahl <strong>der</strong> Vorstands-Chef <strong>der</strong> RAG Immobilien AG den Städten<br />
das Handlungskonzept „Urbanität als Leitbild <strong>der</strong> Zukunft“, zu dessen Umsetzung<br />
die „Mischung unterschiedlicher Funktionen auf engem Raum Schlüsselfaktoren“<br />
seien. Man müsse vor allem in innenstadtnah gelegenen Arealen „die Lebensbereiche<br />
Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Gesundheit, Kultur und Konsum zusammenführen“. 70<br />
In diesem Zusammenhang ist an den bereits erwähnten „Masterplan Ruhr“ zu<br />
erinnern, zu dessen Entwicklungsaspekten u. a. die aktuellen Ziele des Stadtumbaus<br />
wie Stärkung <strong>der</strong> Innenstädte, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigentumsbildung und Sicherung <strong>der</strong><br />
sozialen Wohnungspolitik zählen (vgl. die Ausführungen zu I. d) 6).<br />
Der Berliner Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 enthält Hinweise auf die<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Urbanität <strong>der</strong> Städte und <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Innenstädte. 71 Auch<br />
Ministerpräsident Rüttgers sprach sich wie<strong>der</strong>holt dafür aus, die Arbeits- und<br />
Lebensverhältnisse in beson<strong>der</strong>s belasteten Wohnquartieren zu verbessern und die<br />
Innenstädte zu beleben. 72<br />
In den dicht besiedelten Städten wird man um punktuellen Abriss nicht herumkommen;<br />
daneben bieten sich die Umwandlung vorhandener Bausubstanz in gefragte Objekte<br />
in Verbindung mit Mo<strong>der</strong>nisierung sowie <strong>der</strong> Neubau von familien- sowie<br />
68 Vgl. Meier, Johannes, Mitglied des Vorstandes <strong>der</strong> Bertelsmann Stiftung, einleiten<strong>der</strong> Vortrag zum<br />
Kommunalkongress „Kommunen schaffen Zukunft“ am 08. Februar 2006 in Berlin.<br />
69 Quelle wie vor.<br />
70 Quelle wie vor.<br />
71 Vgl. Koalitionsvertrag, B I 6.7.<br />
50
seniorengerechten Wohnungen an. Das Wohnumfeld neuer Projekte muss qualitativ<br />
ansprechend gestaltet werden.<br />
Zu begrüßen ist die Absicht <strong>der</strong> Landesregierung NRW, im ganzen Lande<br />
Familienzentren aufzubauen, mit denen Kin<strong>der</strong>betreuung mit frühkindlicher Bildung,<br />
mit Familienbildung und mit Familienberatung zusammengeführt werden sollen.<br />
Ministerpräsident Rüttgers erklärte hierzu im Februar 2006, dass in <strong>der</strong> Pilotphase, die<br />
noch im Jahre 2006 beginnen soll, in jedem <strong>der</strong> 178 Jugendamtsbezirke mindestens<br />
ein solches Zentrum entstehen soll. 73<br />
Der Berliner Koalitionsvertrag nennt die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Familie eine<br />
„familienfreundliche Gesellschaft“, die „Wohnungseigentumsbildung von Familien<br />
mit Kin<strong>der</strong>n“ sowie „Mehrgenerationenhäuser (MGH)“ als wichtige Ziele <strong>der</strong><br />
Bundesregierung. Zum Projekt MGH wird ausgeführt, dass damit<br />
„sozialraumbezogene Kristallisationspunkte“ gebildet werden sollen, die för<strong>der</strong>nde<br />
Angebote für Familien und Generationen unter einem Dach und aus einer Hand<br />
ermöglichen. 74<br />
Es darf nicht bei <strong>der</strong>artigen Absichtserklärungen bleiben, vielmehr müssen Bund und<br />
Land entsprechende Hilfe leisten, damit diese zukunftsweisenden Ziele realisiert<br />
werden können, zumal dabei in <strong>der</strong> praktischen Durchführung teilweise hohe<br />
Hin<strong>der</strong>nisse zu überwinden sind: So hat das mit 42.000 Wohnungseinheiten größte<br />
kommunale Wohnungsunternehmen im Lande – die GAG Immobilien AG Köln –<br />
aufgrund eigener Erfahrungen Zweifel an <strong>der</strong> Realisierbarkeit von<br />
Mehrgenerationenhäusern, da junge Menschen für solche Objekte kaum zu<br />
gewinnen seien.<br />
Lebenswerte Wohnquartiere halten Einwohner in <strong>der</strong> Stadt, stoppen dadurch die<br />
Stadt-Umland-Wan<strong>der</strong>ung und mögen im Einzelfall sogar Einwohner in die Stadt<br />
locken. Einige hilfreiche Rahmenbedingungen für <strong>der</strong>artige Aktivitäten sind kürzlich<br />
bereits initiiert worden: Die Eigenheimzulage, welche die „Abwan<strong>der</strong>ungstendenz aufs<br />
Land“ vermutlich geför<strong>der</strong>t hat, ist abgeschafft. Gleiches gilt für den Wegfall bzw. die<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Steuervorteile aus <strong>der</strong> Pendlerpauschale.<br />
Wenn es gelingt, mehr junge Familien an die Städte zu binden, dürfte das zudem<br />
positive Auswirkungen auf das soziale Gesamtgefüge in den Städten haben; das gilt<br />
72<br />
Vgl. Regierungserklärung vom 13. Juli 2005, Ziff. XXVI, und Vortrag anlässlich des „Politischen<br />
Forums Ruhr“ am 07.02.06 in Essen.<br />
73<br />
Erklärung vom 07.02.06; vgl. Fußnote 9.<br />
74<br />
Koalitionsvertrag vom 11.11.05, B I 6.10 und B VI 1.<br />
51
dann verstärkt für die Innenstädte. Eine attraktive Innenstadt wertet das Image<br />
einer Stadt auf. Eine <strong>der</strong>artige Einschätzung kommt auch dem „Stadtrand“ zugute;<br />
auf eine Formel gebracht: Ohne attraktive Zentren keine attraktiven Rän<strong>der</strong>. Auch für<br />
Umlandgemeinden ist es günstiger, in <strong>der</strong> Nähe einer geschätzten größeren Stadt<br />
zu liegen. Und schließlich machen die Einwohner <strong>der</strong> Umlandgemeinden nicht selten<br />
von dem vielfältigen Angebot <strong>der</strong> größeren Nachbarstadt Gebrauch; sie besuchen z.<br />
B. <strong>der</strong>en hoch subventionierten Einrichtungen wie Theater, Zoo o<strong>der</strong> Museum, bevor<br />
sie wie<strong>der</strong> in ihre Heimatorte mit <strong>der</strong> meist niedrigeren Grundsteuer <strong>zur</strong>ückkehren.<br />
Der demographische Wandel stellt die Kommunen vor enorme Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
denen ein bedeuten<strong>der</strong> finanzwirtschaftlicher Aspekt zukommt. Städte und Gemeinden<br />
werden dazu gezwungen sein, die lokale Infrastruktur entsprechend anzupassen;<br />
je später das in den verschiedenen Bereichen erfolgt, desto höher werden die Kosten<br />
sein.<br />
In diesem Zusammenhang ist jedoch vor dem Fehlschluss zu warnen, dass ein<br />
Rückgang von Einwohnern generell zu einer geringeren Wohnungsnachfrage<br />
führt. Im Auftrag <strong>der</strong> Deutschen Kreditbank AG (DKB) hat das Institut „empirica“,<br />
Berlin, Prognosen <strong>der</strong> Wirtschafts- und Wohnungsmarktentwicklung für alle<br />
deutschen Regionen bis zum Jahr 2015 erarbeitet. In dieser Studie sind zu den<br />
Annahmen <strong>der</strong> allgemeinen Bevölkerungsentwicklung auch Voraussagen <strong>zur</strong><br />
Entwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft und <strong>der</strong> Beschäftigung gemacht worden, bevor daraus<br />
Schlüsse auf das künftige Wohnungsangebot und die abzusehende<br />
Wohnungsnachfrage gezogen wurden. 75 Auch weiterhin soll sich trotz stagnieren<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> rückläufiger Einwohnerzahl die Zahl <strong>der</strong> Haushalte durch<br />
„Haushaltsverkleinerung“ erhöhen; damit soll <strong>der</strong> Wohnungsbedarf merklich<br />
steigen. Wegen <strong>der</strong> zu geringen Zahl an Einfamilien- und Zweifamilienhäusern<br />
erwarten die Verfasser dieser Studie, dass „in allen Regionen – auch in jenen mit<br />
sinkendem Wohnungsbedarf – mindestens in den nächsten 15 Jahren weiter<br />
Einfamilienhäuser gebaut werden: in Ostdeutschland insgesamt knapp 500.000, in<br />
Westdeutschland gut 1,5 Mio. Demgegenüber wird eine schwächere Nachfrage<br />
nach Geschosswohnungen prognostiziert, sodass überflüssige Leerbestände<br />
abgebaut werden müssen. Es ist allerdings relativierend anzumerken, dass bei<br />
<strong>der</strong>artigen Prognosen auch die ökonomische Grenze zu beachten bleibt: Die<br />
geschätzten hohen Zahlen von Objekten müssen schließlich auch finanziert werden<br />
75 Studie „Wirtschaft und Wohnen in Deutschland“, Hrsg. „empirica“. Berlin, Dezember 2005.<br />
52
können, was zunehmend problematischer werden dürfte. Die staatliche<br />
Wohnraumför<strong>der</strong>ung muss deshalb fortgesetzt werden.<br />
Mit Run<strong>der</strong>lass vom 26. Januar 2006 hat das Düsseldorfer Ministerium für Bauen und<br />
Verkehr die notwendigen Konsequenzen gezogen und das<br />
Wohnraumför<strong>der</strong>ungsprogramm 2006 für NRW den aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
für die soziale Wohnungspolitik angepasst. Auch bei stagnierenden<br />
Bevölkerungszahlen wird mittelfristig ein jährliches Neubauvolumen von 50.000 bis<br />
60.000 Wohnungen für erfor<strong>der</strong>lich gehalten, wobei etwa die Hälfte auf „Ersatzneubau<br />
für Abriss, Umnutzung o<strong>der</strong> Zusammenlegung von Wohnraum“ entfällt. Da „in einer<br />
schrumpfenden Bevölkerung einzig <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> älteren Menschen wachsen“ wird,<br />
von denen sich vermutlich wie<strong>der</strong> viele in den Städten ansiedeln wollen, sollen „vor<br />
allem bei <strong>der</strong> Umstrukturierung <strong>der</strong> Wohnungsbestände und Quartiere“ die<br />
Bedürfnisse älterer und behin<strong>der</strong>ter Menschen gebührend berücksichtigt werden.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e in den Verdichtungsräumen des Rhein-Ruhr-Gebietes soll die<br />
Eigentümerquote, die dort unter dem Durchschnitt des Landes liegt, deutlich<br />
angehoben werden. Neben <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Wohneigentum soll auch die<br />
„För<strong>der</strong>ung von Mieteinfamilienhäusern für eine breitere Zielgruppe“, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Haushalte mit Kin<strong>der</strong>n, angeboten werden.<br />
Um die Stadtflucht zu bremsen, soll es bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung einen „Stadtbonus“<br />
geben. 76 Ausdrückliches Ziel <strong>der</strong> Landesregierung ist die Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong><br />
zunehmend verödeten Innenstädte als Wohn- und Handelszentren, wie die Minister<br />
für Wirtschaft und Bauen, Christa Thoben und Oliver Wittke, äußerten. 77<br />
Die aktuellen Prognosen <strong>zur</strong> Bevölkerungsentwicklung belegen, dass die<br />
Verän<strong>der</strong>ungen die Kommunen zu unterschiedlichen Zeiten treffen. Deshalb kann es<br />
für die einzelne Stadt kein Patentrezept geben, vielmehr sind individuelle Konzepte<br />
gefragt, die <strong>der</strong> jeweiligen Situation gerecht werden. Wichtig ist, dass das<br />
Problembewusstsein für den demographischen Wandel und dessen Folgen<br />
geschärft wird. Von großem Vorteil für die Kommunen wird es sein, wenn sich<br />
Wirtschaft, Verwaltung und Politik in den einzelnen Städten und Gemeinden<br />
gemeinsam den großen Aufgaben stellen; von erheblicher Bedeutung ist ferner, dass<br />
Bund und Län<strong>der</strong> entsprechend ihren jeweiligen Kompetenzen die notwendigen<br />
Rahmenbedingungen zum Gelingen schaffen. Ohne eine nachhaltige<br />
76 DIE WELT, 31.01.2006.<br />
53
Wie<strong>der</strong>herstellung und Stabilisierung <strong>der</strong> kommunalen Handlungsfähigkeit werden<br />
die Städte und Gemeinden die Herausfor<strong>der</strong>ungen des demographischen<br />
Wandels nicht bewältigen können. Das hätte gravierende Auswirkungen für die<br />
gesellschaftliche Wirklichkeit in Deutschland; denn wenn die Kommunen es nicht<br />
schaffen, zukunftsfähig zu sein, dann wird es auf höherer Ebene erst recht nicht<br />
gelingen. 78<br />
10) Verstärkung <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung muss eine aktive För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Wirtschaft einschließlich des örtlichen Arbeitsmarktes umfassen, wie sie von den<br />
Städten und Gemeinden traditionsgemäß betrieben wird. Vom Grunde her bedarf es<br />
daher hierzu keines beson<strong>der</strong>en Anstoßes. Die Kommunen haben sich seit jeher<br />
einerseits bemüht, die ansässigen Unternehmen zu för<strong>der</strong>n und z. B. bei<br />
Erweiterungsbedarf mit Grundstücken, Erschließungsmaßnahmen o<strong>der</strong> wenigstens<br />
mit <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong> bau- und planungsrechtlichen Rahmenbedingungen für<br />
Investitionen zu unterstützen. An<strong>der</strong>erseits versuchten sie sehr engagiert, neue<br />
Betriebe in die Stadt zu holen, um durch <strong>der</strong>en Ansiedlung günstige Impulse für das<br />
Wirtschaftsleben und den Arbeitsmarkt auszulösen, eventuell auch Neubürger<br />
anzulocken und die erwünschten Auswirkungen auf die Steuereinnahmen – von <strong>der</strong><br />
Gewerbesteuer bis hin zum Gemeindeanteil an <strong>der</strong> Einkommensteuer – zu erzielen.<br />
Der Kampf <strong>der</strong> Städte und Gemeinden um neue Betriebe ist in den vergangenen<br />
Jahrzehnten oft durch diverse För<strong>der</strong>programme beeinflusst worden, obwohl die<br />
gesamtwirtschaftliche Sinnhaftigkeit hoher För<strong>der</strong>quoten kaum nachweisbar<br />
war.<br />
Der interkommunale Wettbewerb um die Ansiedlung neuer Unternehmen ist in <strong>der</strong><br />
gegenwärtigen Phase einer stagnierenden Konjunktur und bei dem bekannten<br />
Bestreben <strong>der</strong> Betriebe um Kostenoptimierung schwierig geworden und deutlich in<br />
den Hintergrund getreten. Inzwischen bestehen die Schwerpunkte kommunaler<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Bestandspflege mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung vorhandener<br />
Wachstumspotentiale und in <strong>der</strong> Unterstützung von Unternehmensgründungen in<br />
Branchen, denen in heutiger Zeit Entwicklungspotential eingeräumt wird. Das sind<br />
77 Westdeutsche Zeitung, 14.02.2006, und DIE WELT, 16.02.2006.<br />
78 So lautet das Resümee des einleitenden Vortrags zum Kommunalkongress 2006 „Kommunen<br />
schaffen Zukunft“ am 08. Februar 2006 in Berlin.<br />
54
etwa Bereiche <strong>der</strong> Information und Kommunikation, <strong>der</strong> Computertechnik o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />
Technologien.<br />
Viele Städte haben Technologiezentren eingerichtet, in denen interessierte und<br />
wagemutige, meist junge unternehmerische Personen innerhalb eines entsprechend<br />
ausgerüsteten Gebäudezentrums die Möglichkeit erhalten, mit geeigneten Ideen und<br />
im Verbund mit an<strong>der</strong>en dynamischen Neu-Unternehmern Marktchancen auszuloten,<br />
und einen Start vorzubereiten o<strong>der</strong> gar zu tätigen. So bietet das Technologiezentrum<br />
einer Großstadt „jungen Unternehmen aus allen Technologie- und<br />
Dienstleistungsbereichen ideale Bedingungen für Gründung und Wachstum“ an. 79 Zu<br />
diesem Zweck hält es ein umfassendes Raum- und Leistungsangebot wie folgt bereit:<br />
– gezielte Gründungsberatung,<br />
– flexible räumliche Möglichkeiten,<br />
– enge Kontakte zu Unternehmen und Banken,<br />
– vielfältige Kooperationen <strong>zur</strong> örtlichen Universität.<br />
In Technologiezentren arbeiten Start- und Wachstumsunternehmen in unmittelbarer<br />
örtlicher Nähe, wodurch Kontakte zwischen erprobtem Fachwissen und neuesten<br />
Technologien geför<strong>der</strong>t werden; die örtliche IHK kann dazu maßgeblich beitragen. 80<br />
Vorteilhaft für Technologiezentren ist es, wenn in räumlicher Anbindung o<strong>der</strong> Nähe<br />
geeignete Grundstücksflächen o<strong>der</strong> Gebäude verfügbar sind, in denen erfolgreiche<br />
Neu-Unternehmen ihren eigenen Betrieb installieren und ggf. erweitern können. Zu<br />
diesem Zweck stellen viele Kommunen Technologieparks <strong>zur</strong> Verfügung, in denen z.<br />
B. geeignete Grundstücke erworben o<strong>der</strong> vorhandene Gebäude angemietet werden<br />
können.<br />
Derartige För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen bedürfen <strong>der</strong> ideellen und finanziellen<br />
Unterstützung, für welche sich die Städte zunehmend um die Bereitschaft bestehen<strong>der</strong><br />
größerer Unternehmen und erfahrener Unternehmerpersönlichkeiten sowie <strong>der</strong><br />
örtlichen Finanzinstitute, wie z. B. <strong>der</strong> Sparkassen, bemühen. 81 Als beson<strong>der</strong>s<br />
79 Technologiezentrum Wuppertal „W-tec“.<br />
80 An <strong>der</strong> „TTIB Technologietransfer- und Innovationszentrum Region Bonn GmbH & Co. KG“ sind u. a.<br />
die Stadt Bonn, <strong>der</strong> Rhein-Sieg-Kreis, die IHK Bonn, die Kreissparkasse Ahrweiler und eine<br />
Beteiligungsgesellschaft <strong>der</strong> Kreissparkasse Siegburg mit je knapp 9 % beteiligt; die Sparkasse Bonn<br />
und eine Beteiligungsgesellschaft <strong>der</strong> Genossenschaftsbanken <strong>der</strong> Region halten jeweils 17,33 % <strong>der</strong><br />
Anteile.<br />
81 In <strong>der</strong> Stadt Münster (Westf.) haben sich die Sparkasse Münsterland Ost (Stammeinlage von 75.000<br />
€), Die Sparda Bank Münster eG (Stammeinlage von 37.500 €) und die Volksbank Münster eG<br />
(Stammeinlage von 37.500 €) mit insgesamt 30 % <strong>der</strong> Stammeinlagen an <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Münster GmbH, die im September 2003 durch Beschluss des Rates gegründet worden ist, beteiligt. Das<br />
Stammkapital beträgt insgesamt 500.000 €.<br />
55
vorteilhaft erweist sich <strong>der</strong> ständige Kontakt mit dem kompetenten Fachbereich einer<br />
Universität o<strong>der</strong> Hochschule.<br />
Die Aktivitäten <strong>der</strong> Städte im Bereich <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, die früher oft von<br />
mehreren Ämtern <strong>der</strong> Verwaltung verantwortet wurden, wurden im Laufe <strong>der</strong> Zeit in<br />
<strong>der</strong> Regel in einem speziellen Amt für Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung gebündelt. Um die<br />
geschil<strong>der</strong>ten Aufgaben effektiver erfüllen zu können, sind manche Kommunen <strong>zur</strong><br />
Gründung von Gesellschaften, z. B. in Form einer GmbH übergegangen. Es dürfte<br />
sich für manche Stadt lohnen, diese Möglichkeit zu prüfen, um die<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung schlagkräftiger betreiben und Dritte an <strong>der</strong><br />
Aufgabenerfüllung beteiligen zu können.<br />
Gegenstand einer solchen Gesellschaft ist insbeson<strong>der</strong>e die Sicherung und<br />
Ausweitung <strong>der</strong> Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Zur allgemeinen<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in diesem Sinne zählen – in Anlehnung an eine aktuelle<br />
Neugründung einer Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungsgesellschaft 82 – insbeson<strong>der</strong>e<br />
„die wirtschaftliche Beratung von Unternehmer/innen (Standortberatung,<br />
Gründungsberatung, Festigungsberatung, Krisenprävention) sowie die Beratung über<br />
die Möglichkeit <strong>der</strong> Inanspruchnahme von För<strong>der</strong>- und Finanzierungsmitteln;<br />
die Mitgestaltung und Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Kommunikation zwischen Unternehmern/innen<br />
und städtischen Ämtern im Sinne eines Kundenbeziehungsmanagements,<br />
Öffentlichkeitsarbeit für den Wirtschaftsstandort“.<br />
Rund um diesen Kernbereich von Aufgaben haben die Kommunen je nach örtlichen<br />
Gegebenheiten teils verwandte Tätigkeiten gruppiert – etwa die Verkehrsför<strong>der</strong>ung,<br />
den Betrieb von Parkhäusern, aber auch den Bau von Kin<strong>der</strong>gärten, die an die Stadt<br />
vermietet werden.<br />
Nach wie vor ist ein wichtiger Aspekt <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, geeignete<br />
Grundstücke und Gebäude anbieten zu können. Hierzu müssen nicht unbedingt<br />
städtische Immobilien in größerem Umfang auf eine Gesellschaft mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit übertragen werden, zumal dann in aller Regel<br />
Grun<strong>der</strong>werbsteuer anfällt, <strong>der</strong>en Bemessung sich nach dem Verkehrswert, nicht nach<br />
dem Bilanzwert richtet.<br />
Ein reibungsloses Zusammenspiel aller für den Aufgabenbereich maßgeblichen<br />
Stellen – etwa <strong>der</strong> Liegenschaftsverwaltung, <strong>der</strong> Stadtplanung, des Fachamtes bzw.<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungsgesellschaft – muss gesichert sein. Das gilt für auch für alle<br />
82 So die Formulierung im Gesellschaftsvertrag <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Münster GmbH.<br />
56
sonstigen Koordinierungsansätze bis hin <strong>zur</strong> Erschließung. Wegen <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung für eine Gemeinde ist eine enge Anbindung an das Büro des<br />
Oberbürgermeisters / Bürgermeisters ratsam. 83 Der Chef <strong>der</strong> Verwaltung sollte im<br />
Aufsichtsgremium <strong>der</strong> Gesellschaft o<strong>der</strong> im Fachausschuss persönlich o<strong>der</strong> durch den<br />
zuständigen Dezernenten vertreten sein.<br />
Eine zentrale Anlaufstelle im Rathaus kann kurze Kommunikationswege zwischen<br />
dem Leiter <strong>der</strong> Verwaltung, den zuständigen Stellen seiner Behörde und den<br />
speziellen Einrichtungen <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung gewährleisten und die gebotene<br />
rasche Hilfestellung <strong>zur</strong> Lösung von Problemen bieten. Bei einem an <strong>der</strong> Sache<br />
orientierten Zusammenspiel <strong>der</strong> Beteiligten sind zumindest auf mittelfristige Sicht gute<br />
Impulse <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung von Wirtschaft und Beschäftigung zu erwarten.<br />
11) Sonstige Empfehlungen an die Kommunen<br />
Unter den vorstehenden 10 Ziffern sind eine Reihe von Konsolidierungsansätzen auf<br />
ihre jeweiligen Risiken und Chancen hin beleuchtet worden. Hierzu war eingangs<br />
gesagt worden, dass es sich um eine Auswahl beson<strong>der</strong>s wichtiger Komplexe<br />
handele. Diese Studie kann und will keine erschöpfende Darstellung <strong>der</strong><br />
wichtigsten Lösungsmöglichkeiten anbieten; dafür sind die Aufgabenpalette <strong>der</strong><br />
Kommunen und die Vielfalt ihrer Angebote und Leistungen zu groß und sind die<br />
einzelnen Kommunen zu unterschiedlich strukturiert. In <strong>der</strong> gebotenen Kürze soll<br />
nachstehend versucht werden, exemplarisch einige weitere Impulse für das harte<br />
Brot <strong>der</strong> Bemühungen um eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung zu vermitteln.<br />
Optimierung <strong>der</strong> Gebäudewirtschaft<br />
Die Städte, Gemeinden und Kreise sind <strong>zur</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben in breitem Maße<br />
auf Grundstücke, Gebäude und Räume angewiesen, um die vielfältigen<br />
Dienstleistungen erbringen zu können. Die Bereitstellung und Nutzung von Räumen,<br />
Flächen und Gebäuden bindet laufend enorme Mittel. Diese Erkenntnis ist nicht neu.<br />
Sie hat seit vielen Jahren zu Aktivitäten geführt, die Effektivität <strong>der</strong><br />
Gebäudewirtschaft zu steigern. So hat die KGSt mit einem Grundsatzbericht <strong>zur</strong><br />
„Organisierung <strong>der</strong> Gebäudewirtschaft“ 84 bereits im Jahre 1996 Impulse <strong>zur</strong><br />
83 Vgl. dazu z. B. die neue Einrichtung einer „Koordinierungsstelle Wirtschaft“ im Rathaus Wuppertal.<br />
84 KGSt-Bericht Nr. 4/1996 vom 15.03.1996.<br />
57
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit vermittelt, da seinerzeit „eine die Wirtschaftlichkeit<br />
för<strong>der</strong>nde und das Wirtschaftlichkeitspotential <strong>der</strong> Raum- und Gebäudenutzung<br />
ausnutzende Organisation aller mit Gebäudewirtschaft verbundenen Leistungen“ nicht<br />
üblich war. „Zersplitterung von Leistungen und Verantwortung, Intransparenz <strong>der</strong><br />
Kosten und eine lediglich auf Teilbereiche des gebäudewirtschaftlichen<br />
Leistungsspektrums bezogene Professionalisierung“ seien zu beklagen. Mit jenem<br />
Bericht wurde eine Neuorganisation <strong>der</strong> Gebäudewirtschaft mit folgenden<br />
Grundsätzen und Schwerpunkten vorgeschlagen, <strong>der</strong>en Grundsätze und<br />
Schwerpunkte nach wie vor bedeutsam sind und deswegen hier zitiert werden:<br />
– Zuordnung <strong>der</strong> Ressourcen-Verantwortung zum raumnutzenden Fachbereich bzw.<br />
<strong>zur</strong> raumnutzenden Organisationseinheit im Bedingungsrahmen zentraler Steuerung,<br />
– Einbeziehung <strong>der</strong> kompletten Kosten in das Budget des Nutzers,<br />
– Organisation gebäudewirtschaftlicher Leistungen unter Professionalisierungs- und<br />
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten.<br />
Vor diesem Hintergrund wurden Organisationsvarianten entwickelt, die sich als<br />
„Eigentümer-Modell“ und „Mieter-/Vermieter-Modell“ bezeichnen lassen, zu denen<br />
unterschiedlichste Modellvarianten hinzu kamen.<br />
Die Vorschläge <strong>der</strong> KGSt führten seitdem zu einer Reihe von<br />
Organisationsän<strong>der</strong>ungen, allerdings je nach örtlicher Einschätzung zu oftmals<br />
speziellen Lösungen. Die zunehmenden Kostenprobleme in den Kommunalhaushalten<br />
veranlassten die KGSt im Jahre 2004 zu einem weiteren grundlegenden Bericht mit<br />
dem Titel „Kommunale Gebäudeflächen optimal nutzen“. 85 Als Ansatzpunkte <strong>zur</strong><br />
Erhöhung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit in einer mo<strong>der</strong>nen Gebäudewirtschaft wurden<br />
„Minimierung <strong>der</strong> einzelnen Kostenblöcke und Optimierung <strong>der</strong><br />
Gebäudeflächennutzung“ beson<strong>der</strong>s herausgestellt. Auch diese eingehend<br />
begründeten und detailliert unterlegten Vorschläge fielen vielerorts auf fruchtbaren<br />
Boden.<br />
Nach wie vor können die Ratschläge aus den beiden genannten Fachberichten <strong>zur</strong><br />
praktischen Nutzanwendung empfohlen werden. Das schließt nicht aus, dass man<br />
unter Ausnutzung <strong>der</strong> genannten Vorschläge und mit ergänzenden verfeinerten<br />
Systemvarianten die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten noch besser und<br />
erfolgreicher beeinflussen kann. Das beweisen einzelne Projekte, wie sie in jüngster<br />
Zeit in einer Reihe von Kommunen gelaufen sind. Über Modelle dieser Art berichtet<br />
85 KGSt-Bericht Nr. 10/2004 vom 19.11.2004.<br />
58
die KGSt gelegentlich in ihrem „KGSt-Info“. Diesen Berichten kann man entnehmen,<br />
dass durch intelligente Projekte, die von aufgeschlossenen Mitarbeitern getragen,<br />
vom Personalrat vorurteilslos begleitet und von <strong>der</strong> Verwaltungsleitung<br />
uneingeschränkt unterstützt werden, beachtliche Effekte bewirkt werden können.<br />
Eines dieser Projekte hatte in einer Großstadt unter 200.000 Einwohner ein<br />
Einsparvolumen, das für die folgenden 10 Jahre mehr als 25 Mio. € beträgt. Es lohnt<br />
sich also, den Bereich <strong>der</strong> Gebäudewirtschaft ständig auf weitere<br />
Verbessungsmöglichkeiten hin zu untersuchen. Die Betreuung <strong>der</strong>artiger Projekte<br />
durch erfahrene und in <strong>der</strong> kommunalen Praxis bewährte Beratungsunternehmen<br />
kann dabei vorteilhaft sein; deshalb seien dazu einige Hinweise angebracht.<br />
Inanspruchnahme von Beratungsunternehmen<br />
Eine <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong> Finanznot <strong>der</strong> Kommunen besteht darin, dass diese Situation von<br />
großen und kleinen Beratungsunternehmen sowie Einzelpersonen als chancenreicher<br />
Markt gesehen wird. Die Verwaltungsvorstände in den Rathäusern und<br />
Kreisverwaltungen erhalten ständig Angebote von Externen, die dazu beitragen<br />
wollen, durch Beratung o<strong>der</strong> Projektbegleitung generell die Verwaltungsabläufe zu<br />
mo<strong>der</strong>nisieren o<strong>der</strong> spezielle Verwaltungsbereiche zu optimieren. Trotz <strong>der</strong> gebotenen<br />
Zurückhaltung zu diesem Thema sollen einige zielführende Hinweise gegeben<br />
werden. Grundsätzlich kann externer Rat hilfreich sein, vor allem dann, wenn <strong>der</strong><br />
Berater das Wissen und die Erfahrung aus erfolgreich verlaufenen Projekten in<br />
Städten unterschiedlicher Struktur und Größenordnung mit einbringt, ohne <strong>der</strong>en<br />
Interna offen zu legen. Bei <strong>der</strong> Auswahl von Beratungsunternehmen werden<br />
gelegentlich Fehler gemacht, die man vermeiden sollte. Bei <strong>der</strong> Suche geeigneter<br />
Berater sollte eine gründliche Marktrecherche erfolgen. Die Kompetenz des<br />
Beratungshauses muss hinterfragt werden. Aufgabenstellung und Projektziele müssen<br />
klar definiert werden. Für die Projektdurchführung sollte eine Personenfestschreibung<br />
erfolgen, da es auf den speziellen Berater mit seinen persönlichen Qualitäten und<br />
Erfahrungen ankommt; ein Wechsel in <strong>der</strong> personellen Betreuung hat leicht<br />
gravierende Folgen. Die Bindung an den o<strong>der</strong> die namentlich festgelegten Berater<br />
eines kleineren Unternehmens kann wichtiger sein, als die Auswahl einer Firma mit<br />
einem bekannten Namen o<strong>der</strong> einer äußerlich beeindruckenden Größe.<br />
Entsprechende personenbezogene Reverenzen erleichtern schließlich die<br />
59
Entscheidung, bei <strong>der</strong> es nicht unbedingt auf einen günstig erscheinenden<br />
Stundensatz des Honorars, son<strong>der</strong>n die Abwägung aller vorstehend genannten<br />
Faktoren ankommt. Auf diese Weise lassen sich unabhängig und objektiv urteilende<br />
Berater finden, welche die nötige fachliche und menschliche Eignung besitzen, um<br />
notfalls auch mit den häufig vorkommenden internen Wi<strong>der</strong>ständen fertig zu werden<br />
und ein Projekt zu einem nachhaltigen Erfolg zu führen.<br />
Weniger problematisch als die Suche nach geeigneten Beratern für<br />
Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierungsvorhaben ist die weit verbreitete und im Prinzip bewährte<br />
Praxis, für rechtliche o<strong>der</strong> steuerliche Spezialfragen den Rat von zuverlässigen<br />
Anwälten, Steuerberatern o<strong>der</strong> Wirtschaftsprüfern einzuholen und sich für<br />
bestimmte Einzelfälle Gutachten erstatten zu lassen. Bei <strong>der</strong> heutigen Komplexität von<br />
Rechtsfragen sei die allgemein zu beobachtende verstärkte Einholung von<br />
Gutachten seitens <strong>der</strong> kommunalen Verwaltungen durchaus nachvollziehbar,<br />
sagt sogar <strong>der</strong> Bund <strong>der</strong> Steuerzahler NRW. 86 Es ist grundsätzlich zu empfehlen, bei<br />
komplizierten Sachverhalten Expertenrat von außen einzukaufen. Das ist in aller<br />
Regel wirtschaftlicher, als dafür kontinuierlich eigenes gutbezahltes<br />
Fachpersonal vorzuhalten. Das gilt heute sogar für große Verwaltungen, zumindest<br />
für Großprojekte, die rechtlich und steuerlich in <strong>der</strong> Abwicklung so umfangreich sind,<br />
dass man das mit den verfügbaren Verwaltungsressourcen gar nicht leisten kann. 87<br />
Von diesem Stichwort <strong>der</strong> Nutzung externen Rates ist gedanklich kein weiter Weg <strong>zur</strong><br />
generellen Inanspruchnahme Dritter für wichtige kommunale Aufgaben.<br />
Stärkung des Ehrenamts und Bemühungen um mögliche Sponsoren<br />
Je schwieriger es für die Kommunen wird, ihre Aufgaben mit begrenzten Mitteln und<br />
Kräften zu erfüllen, desto näher liegt es, an eine verstärkte Mitwirkung <strong>der</strong> Bürger<br />
zu denken. Man sollte sie bitten, <strong>zur</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Ziele beizutragen, die dem<br />
öffentlichen Wohl dienen und damit im Interesse eines jeden Mitbürgers liegen. Es ist<br />
in den Städten und Gemeinden gute Tradition, dass in breitem Umfang<br />
ehrenamtliche Leistungen erbracht werden. Echtes bürgerschaftliches Engagement<br />
hat seit jeher zu Aktivitäten geführt, mit denen wichtige Anliegen erfüllt werden. Die<br />
Beispiele für solche ehrenamtlichen Einsätze sind so zahlreich, dass je<strong>der</strong> Versuch<br />
86 Westdeutsche Zeitung, Lokalausgabe Wuppertal, 10.02.2006.<br />
87 Quelle wie vor; <strong>der</strong> Artikel beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Frage, weshalb die Stadt Wuppertal jährlich einen<br />
siebenstelligen Betrag für Gutachten ausgibt.<br />
60
einer Aufzählung solcher Aktivitäten und Dienste Stückwerk bliebe. Es dürfte dennoch<br />
möglich sein, die Bürger zu weiterer ehrenamtlicher Mitarbeit zu motivieren. Eine<br />
wichtige Voraussetzung dafür besteht darin, den Bürgern den Ernst <strong>der</strong> gegebenen<br />
Situation zu erläutern und zugleich nachvollziehbar zu verdeutlichen, welche Folgen<br />
es haben kann, wenn wichtige Aufgaben für die Gesellschaft nur noch un<strong>zur</strong>eichend<br />
o<strong>der</strong> gar nicht erfüllt werden. Anzustreben ist, dass weitere Dienste von<br />
Ehrenamtlichen übernommen werden und <strong>der</strong> Gemeindehaushalt dadurch entlastet<br />
wird.<br />
Die Bemühungen um eine Ausweitung ehrenamtlicher Tätigkeiten lohnen sich<br />
nicht nur finanzwirtschaftlich, son<strong>der</strong>n vielfach auch gesellschaftlich. Ein auf diese<br />
Weise verstärktes bürgerschaftliches Engagement kann mit dazu beitragen, dass sich<br />
mehr Bürger generell für die Belange <strong>der</strong> Allgemeinheit und für ihre Stadt<br />
interessieren. Wenn die Bürger für die Belange ihrer Stadt aufgeschlossen sind,<br />
könnte diese positive Einstellung weitere gute Konsequenzen haben. Wenn mehr<br />
Mitbürger ihrer Heimatgemeinde künftig eine höhere Wertschätzung entgegen bringen<br />
und sich mit ihrer Gemeinde stärker identifizieren, als das <strong>der</strong>zeit oft <strong>der</strong> Fall ist,<br />
kann ein solcher Trend wertvolle Früchte tragen. Er könnte die Bereitschaft wecken<br />
o<strong>der</strong> för<strong>der</strong>n, für die Heimatstadt etwas Gutes zu tun, sei es durch direkte<br />
Spenden o<strong>der</strong> über Stiftungen <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung örtlich wichtiger Zwecke. Auch zu<br />
diesem Sektor gibt es in den deutschen Kommunen eine reiche Tradition, wofür sich<br />
beliebig viele Beispiele anführen ließen. Viele bekannte, auch bedeutende, kulturelle<br />
Institutionen sind vor langer Zeit durch hochherzige Stiftungen ausgelöst und durch<br />
großzügiges Mäzenatentum gesichert worden. Die jüngste Entwicklung ist sehr<br />
erfreulich. Noch nie seit 1945 wurden so viele Stiftungen gegründet wie im Jahre<br />
2005. Der Bundesverband deutscher Stiftungen erklärte dazu, das bürgerschaftliche<br />
Engagement in Deutschland wachse, und auch seine gesellschaftliche Anerkennung<br />
nehme zu. 88<br />
Die Kommunen sollten diesen erfreulichen Trend nutzen und sich verstärkt um<br />
Stifter und Sponsoren bemühen.<br />
88 DIE WELT, 24.02.2006.<br />
61
12) Resümee zu d)<br />
Die intensive Auslotung <strong>der</strong> „Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> kommunalen<br />
Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen“, die sich beispielhaft auf die wichtigsten<br />
Ansatzpunkte erstreckt hat, lässt erkennen, wie mühsam und unerfreulich die Prüfung<br />
und Umsetzung <strong>der</strong> einzelnen Aktivitäten für den jeweiligen Rat wie auch die<br />
Verwaltung ist.<br />
Es ist allzu verständlich, wenn es hierbei zu Frustrationen und u. U. gar zu Lethargie<br />
kommt, und zwar sowohl in <strong>der</strong> Vertretungskörperschaft (Rat, Kreistag) als auch in<br />
den Verwaltungen. Die Sorge, man könne die allzu großen Probleme sowieso<br />
nicht lösen, ist verständlich, darf aber nicht <strong>zur</strong> handlungsbeeinflussenden Maxime<br />
werden.<br />
Bei einer großen Zahl von Städten lässt sich trotz optimistischer Grundannahmen bei<br />
<strong>der</strong> mittelfristigen Finanzplanung auch nicht annähernd absehen, wann überhaupt<br />
wie<strong>der</strong> ein Haushaltsausgleich erreichbar sein könnte, selbst wenn Altverluste nicht<br />
dargestellt werden. Ob und wann ein Abtragen <strong>der</strong> seit Jahren aufgestapelten und<br />
immer weiter übertragenen Altverluste erwartet werden kann, steht dann erst recht in<br />
den Sternen. In Einzelfällen wurde <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde sogar eine langfristige<br />
„Finanzplanung“ vorgelegt, mit <strong>der</strong> ein Haushaltsausgleich für den fernen Zeitpunkt<br />
in etwa 20 Jahren aufgezeigt wurde. Die große Mehrzahl <strong>der</strong> betroffenen Kommunen<br />
verzichtet mit Recht auf eine <strong>der</strong>artige abenteuerliche „Prognose-Berechnung“, da<br />
maßgebliche Grundkoordinaten – etwa die steuergesetzlichen und konjunkturellen<br />
Rahmenbedingungen – nach aller bisherigen Erfahrung von niemandem vorausgesagt<br />
werden können.<br />
Viele <strong>der</strong> Kommunen haben längst ihre finanzielle Handlungsfähigkeit eingebüßt,<br />
obwohl sie seit Jahren unter <strong>der</strong> Aufsicht und den Auflagen <strong>der</strong> Kommunalaufsicht<br />
strenge Ausgabendisziplin betrieben haben und vielfältig die Einnahmeseite durch<br />
Veräußerung von Vermögenswerten aufgebessert und auf diese Weise von <strong>der</strong><br />
Substanz gelebt haben.<br />
Bei diesem Befund lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass die Krise <strong>der</strong><br />
Kommunen in NRW offenbar nicht von vorübergehen<strong>der</strong> Natur ist. Die Erwartung,<br />
62
dass die betroffenen Kommunen aus eigener Kraft und in absehbarer Zeit wie<strong>der</strong> zu<br />
geordneten finanzwirtschaftlichen Verhältnissen kommen könnten, geht völlig an <strong>der</strong><br />
Realität vorbei. Tatsache ist, dass eine große Zahl von Städten trotz <strong>der</strong> Auflagen <strong>der</strong><br />
Kommunalaufsicht und streng begrenzter Haushaltführung fortlaufend Defizite<br />
aufgestapelt haben und von einem Haushaltsausgleich weit entfernt sind. Sie sind<br />
mit <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> in Anspruch genommenen Kassenkredite längst tief in die<br />
Schuldenfalle hineingeraten.<br />
Das erschütternde Fazit lautet: Eine erschreckend hohe Zahl <strong>der</strong> Städte und<br />
Gemeinden in NRW ist an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> finanzwirtschaftlichen<br />
Handlungsfähigkeit angelangt bzw. hat diese überschritten.<br />
Diese Feststellung löst eine bedeutsame Frage aus: Wer hat für die Verbindlichkeiten<br />
<strong>der</strong> Kommunen letztlich einzutreten?<br />
e) Wer haftet letztlich für die Verbindlichkeiten <strong>der</strong> Kommunen?<br />
Die Problematik einer möglichen Zahlungsunfähigkeit von Gemeinden ist in <strong>der</strong><br />
staats- und finanzrechtlichen Literatur <strong>der</strong> letzten Jahre ausführlich diskutiert worden.<br />
Sie ist mit <strong>der</strong> Umsetzung von „Basel II“ eng verknüpft.<br />
1) „Basel II“ und die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> deutschen Kommunen<br />
Basel II ist eine Fortführung <strong>der</strong> ursprünglichen Basler Eigenkapitalverordnung von<br />
1988 (Basel I). Ziel ist vor allem die Sicherung einer angemessenen<br />
Eigenkapitalausstattung <strong>der</strong> Banken und die Schaffung einheitlicher internationaler<br />
Wettbewerbsvoraussetzungen für Vergabe und Handel von Krediten. Wichtigstes<br />
Element ist die genauere Berücksichtigung <strong>der</strong> Risiken einer Bank bei <strong>der</strong> Bemessung<br />
ihrer Eigenkapitalausstattung. Das Kreditrisiko ist durch internes o<strong>der</strong> externes<br />
Rating zu bestimmen. Dabei gilt generell, dass höhere Risiken höhere Zinsen<br />
bewirken, damit das Eigenkapital entsprechend höher finanziert werden kann. Nach<br />
dem Europaparlament einigten sich im Oktober 2005 die EU-Finanzminister<br />
grundsätzlich auf dieses Konzept. Die Konsequenzen ergeben sich demnächst aus<br />
EU-Richtlinien und <strong>der</strong> nationalen Umsetzung. In Deutschland sollen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Kreditinstitute an die Kommunen von <strong>der</strong> Anwendung eines internen Ratings<br />
freigestellt werden. Grundsätzlich soll bei Kommunen eine „Null-Gewichtung“<br />
63
möglich sein. Weitergehende bankenaufsichtliche Vorgaben sind offenbar nicht<br />
geplant. Das schließt gleichwohl interne Regelungen <strong>der</strong> Banken nicht aus. Aus <strong>der</strong><br />
kommunalen Praxis ist zu hören, dass es hier und da eine gewisse Zurückhaltung <strong>der</strong><br />
Banken bei <strong>der</strong> Gewährung hoher Kassenkredite gibt. In Einzelfällen begrenzen<br />
Banken die Höhe von Kassenkrediten auf denjenigen Betrag, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> zuletzt<br />
veröffentlichten Haushaltsgenehmigung genannt ist. Unabhängig von <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Regelung und <strong>der</strong> Handhabung <strong>der</strong> Bankenaufsicht können sich also durchaus<br />
negative Konsequenzen für die Kreditaufnahmen <strong>der</strong> Kommunen ergeben,<br />
beson<strong>der</strong>s natürlich bei kritischer Haushaltslage. Solche Folgen werden sich auch<br />
durch den Hinweis auf die verfassungsrechtliche Absicherung <strong>der</strong> deutschen<br />
Kommunen nicht ohne weiteres ausschließen lassen, obwohl diese nach allgemeiner<br />
Rechtsauffassung sehr stabil ist.<br />
2) Die verfassungsrechtlich gesicherte Position <strong>der</strong> Kommunen:<br />
Einstandspflicht des Landes für faktische Insolvenz von Kommunen<br />
Mit <strong>der</strong> durch Artikel 28, Abs. 2 GG geprägten Rechtsstellung <strong>der</strong> Gemeinden als<br />
allzuständige und eigenverantwortliche Selbstverwaltungskörperschaften ist ein<br />
Insolvenzverfahren mit <strong>der</strong> Folge einer Existenzgefährdung und des Wegfalls<br />
kommunaler Daseinsvorsorge nicht vereinbar. Die Gemeinden sind deshalb gemäß<br />
den Vorschriften <strong>der</strong> Insolvenzordnung und <strong>der</strong> Gemeindeordnung NRW nicht<br />
insolvenzfähig (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 125 Abs. 2 GO NRW).<br />
Diese Erkenntnis hilft indes bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Konsequenz einer faktischen<br />
Zahlungsunfähigkeit <strong>der</strong> Gemeinden nicht weiter, da <strong>der</strong> Ausschluss eines förmlichen<br />
Verfahrens mit dem Ziel <strong>der</strong> Zerschlagung o<strong>der</strong> Sanierung eines Rechtssubjekts für<br />
sich die Frage nach <strong>der</strong> Konsequenz einer faktischen Zahlungsunfähigkeit nicht<br />
beantwortet. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet das Selbstverwaltungsrecht <strong>der</strong><br />
Gemeinden. Ob hieraus eine unmittelbare o<strong>der</strong> mittelbare Einstandspflicht des Bundes<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für nicht erfüllte o<strong>der</strong> nicht erfüllbare Verbindlichkeiten <strong>der</strong><br />
Gemeinden resultiert, ist zumindest fraglich.<br />
Die Gewährleistung <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung bedingt auf den ersten Blick<br />
nur die Gewährleistung <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> Gemeinden als Institution. In <strong>der</strong> zu dieser<br />
Thematik geführten Diskussion wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass<br />
aus <strong>der</strong> verfassungsrechtlichen Garantie <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />
64
zumindest mittelbar eine staatliche Ausfallhaftung abzuleiten sei. Im Falle <strong>der</strong><br />
faktischen Insolvenz bestehe eine staatliche Einstandspflicht. Dieser Anspruch<br />
richte sich gegen das Land. 89 Die These einer mittelbaren staatlichen Haftung könnte<br />
als mutig bewertet werden. Eine intensive verfassungsrechtliche Prüfung erscheint<br />
daher angezeigt.<br />
Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG umfasst indes mit <strong>der</strong> Gewährleistung <strong>der</strong> Selbstverwaltung<br />
auch die Grundlagen <strong>der</strong> finanziellen Eigenverantwortung. Die Eigenverantwortung<br />
beinhaltet nicht nur das Recht auf eigenverantwortliche Administration <strong>der</strong> Einnahmen<br />
und Ausgaben. Die Verfassungsnorm bezeichnet gerade die Grundlagen <strong>der</strong><br />
kommunalen Finanzhoheit als einen Aspekt des Selbstverwaltungsrechts und bezieht<br />
damit auch das Recht <strong>der</strong> Gemeinden und Gemeindeverbände auf angemessene<br />
Finanzausstattung in ihren Schutzbereich ein. Die hieraus resultierende<br />
Verantwortung trifft in einem zweigliedrigen Bundesstaat in erster Linie die Län<strong>der</strong>,<br />
während <strong>der</strong> Bund seiner Gewährleistungspflicht vornehmlich durch die Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> grundgesetzlichen Finanzverfassung genügt 90 .<br />
Im Jahre 1999 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Gesetz<br />
über den Finanzausgleich zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n vom 23.06.1993 konkrete<br />
Maßnahmen enthalten muss, um einen angemessenen Finanzausgleich zu<br />
garantieren 91 . Diese Entscheidung bezieht sich zwar auf das Verhältnis zwischen<br />
Bund und Län<strong>der</strong>n. Da aber die Gemeinden ebenso wie die Län<strong>der</strong> ein<br />
verfassungsrechtlich garantierter Bestandteil des Staatsgebildes Bundesrepublik<br />
Deutschland sind, kann für das Verhältnis <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zu den Gemeinden nichts<br />
an<strong>der</strong>es gelten.<br />
Das Ausgleichsverhältnis zwischen Län<strong>der</strong>n und Gemeinden ist in den jeweiligen<br />
Finanzausgleichsgesetzen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> geregelt. 92<br />
Teilweise beauftragen die Landesverfassungen die Län<strong>der</strong> ausdrücklich damit, die<br />
Erfüllung gemeindlicher Aufgaben und damit auch die Aufgaben <strong>der</strong> gemeindlichen<br />
Selbstverwaltung durch entsprechende Finanzzuweisungen und<br />
89<br />
Vgl. dazu a) Faber, Angela, Insolvenzfähigkeit für Kommunen?, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.)<br />
2005, S. 933 ff, mit umfangreichen Literaturhinweisen. b) Schwarz, Kyrill-Alexan<strong>der</strong>, Staatsgarantie für<br />
kommunale Verbindlichkeiten bei „faktischem Konkurs von Kommunen“?, Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden, 1998; c) Engelsing, Felix, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und an<strong>der</strong>en juristischen<br />
Personen des öffentlichen Rechts. Richard Boorberg Verlag, 1999.<br />
90<br />
Dreier, Grundgesetz Band II 1998, Art. 28 Rn 146; Thüringer VerfGH, Urteil vom 21.05.2005 VerfGH<br />
28/03.<br />
91<br />
BVerfG Urteil vom 11.11.1999, 2 BvF 1/99.<br />
92<br />
Z. B. Gemeindefinanzierungsgesetz NRW (GFG).<br />
65
Steuererhebungsrechte zu gewährleisten 93 . Diese Pflicht wird allerdings teilweise<br />
durch das Anknüpfen an die Leistungsfähigkeit des Landes relativiert. 94 Sofern den<br />
Kommunen durch die Übertragung staatlicher Aufgaben Mehrbelastungen entstehen,<br />
sehen die Landesverfassungen darüber hinaus mehrheitlich eine explizite Pflicht <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> <strong>zur</strong> Kompensation <strong>der</strong> Mehrbelastungen vor. 95 Aus dem Zusammenspiel<br />
dieser Normen ergibt sich, dass sich die verfassungsrechtliche Garantie einer<br />
ausreichenden Finanzausstattung nicht darauf beschränkt, den Gemeinden die<br />
Erfüllung <strong>der</strong> ihnen übertragenen staatlichen Aufgaben zu ermöglichen. Vielmehr liegt<br />
die Konsequenz dieser Garantie darin, die Gemeinden finanziell so auszustatten,<br />
dass sie darüber hinaus in einem Mindestmaß ihre Selbstverwaltungsaufgaben<br />
wahrnehmen können, indem ihnen ein auch finanziell gesicherter<br />
Entscheidungsspielraum über das Ob und Wie einer Regelung <strong>der</strong> örtlichen<br />
Gemeinschaft verbleibt. Dies gilt auch für diejenigen Län<strong>der</strong>, in denen die Verfassung<br />
eine Mindestausstattungspflicht für die Wahrnehmung <strong>der</strong> Selbstverwaltungsaufgaben<br />
nicht ausdrücklich regelt. Würde man den Gemeinden nämlich lediglich die für die<br />
Erfüllung <strong>der</strong> übertragenen Aufgaben erfor<strong>der</strong>lichen Mittel zugestehen, würden die<br />
Gemeinden sonst zu bloßen staatlichen Verwaltungsfilialen degradiert. Damit<br />
wäre jedoch die vom Grundgesetz gefor<strong>der</strong>te kommunale Selbstverwaltung<br />
ausgehöhlt.<br />
Somit ist <strong>der</strong> unantastbare Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts<br />
verletzt, wenn die vom Land gewährte finanzielle Ausstattung <strong>der</strong> Gemeinden nur die<br />
Wahrnehmung ihrer fremdbestimmten Aufgaben abdeckt, ohne ihnen einen Bereich<br />
eigenbestimmter Mittelverwendung zu belassen 96 .<br />
In <strong>der</strong> Konsequenz bedeutet dies, dass auch in Zeiten zunehmen<strong>der</strong> Verschuldung<br />
<strong>der</strong> gemeindlichen Haushalte ein Anspruch auf ausreichende Finanzzuweisungen <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> besteht, soweit dies <strong>zur</strong> Gewährleistung <strong>der</strong> Finanzierung sowohl <strong>der</strong><br />
übertragenen als auch <strong>der</strong> notwendigen Selbstverwaltungsaufgaben erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />
Sofern die Ausgaben nur noch durch wachsende Kreditaufnahmen<br />
gewährleistet werden können, geht <strong>der</strong> Anspruch auch auf Ausstattung mit den<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Mitteln <strong>zur</strong> Bedienung <strong>der</strong> Kredite.<br />
93<br />
Z. B. Art. 93 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf; Art 58 Nds. Verf.<br />
94<br />
Z. B. Art. 58 Nds Verf.<br />
95<br />
Art. 49 Abs. 5 und 6 RhPfVerf; Art. 93 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf.; Art. 78 Abs. 3 Satz 2 Verf NRW.<br />
96<br />
BayVerfGH, BayVBl. 1996, 462, 463; NdsStGH, DVBl. 1998, 185, 187; Thüringer VerfGH a.a.O. S.<br />
39.<br />
66
Diese zum Kernbereich <strong>der</strong> gemeindlichen Selbstverwaltung gehörende finanzielle<br />
Mindestausstattung ist als absolute Untergrenze nicht relativierbar, etwa durch<br />
an<strong>der</strong>weitige öffentliche Belange des Landes. Sie ist auch unabhängig von <strong>der</strong><br />
Leistungskraft des Landes. Fehlt den Län<strong>der</strong>n die erfor<strong>der</strong>liche Leistungskraft,<br />
haben die Län<strong>der</strong> die Kommunen entwe<strong>der</strong> von bereits auferlegten Aufgaben zu<br />
entlasten und auf die Erledigung neuer Aufgaben zu verzichten o<strong>der</strong> den Kommunen<br />
neue Einnahmequellen zu eröffnen 97 . Sofern bestimmte Leistungen <strong>der</strong> Gemeinde<br />
durch Bundesgesetze begründet sind, haben die Län<strong>der</strong> über ihre Vertretungen im<br />
Bundesrat die Möglichkeit und ggf. auch die Pflicht, entsprechenden Einfluss<br />
auszuüben.<br />
Soweit es darüber hinaus um Zuweisungen für Aufgaben oberhalb <strong>der</strong> unbedingten<br />
Mindestausstattung für eigene Angelegenheiten als Kernbereich geht, sind die Län<strong>der</strong><br />
gehalten, für eine angemessene Finanzausstattung Sorge zu tragen. Diese richtet sich<br />
einerseits nach <strong>der</strong> Finanzkraft <strong>der</strong> Kommunen, an<strong>der</strong>erseits aber auch nach <strong>der</strong><br />
Finanzkraft des Landes und wird vom Gebot <strong>der</strong> Verteilungssymmetrie bestimmt,<br />
welches besagt, dass die Aufgaben <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Gemeinden gleichwertig<br />
nebeneinan<strong>der</strong> stehen. Danach sind die verfügbaren Finanzmittel oberhalb <strong>der</strong><br />
vorstehend dargestellten Mindestausstattung vertikal zwischen Kommunen und Land<br />
aufgabengerecht zu verteilen. Dies gilt sowohl bei schlechter als auch bei besserer<br />
Finanzlage 98 .<br />
Die Zuweisungen von Finanzmitteln nach den Finanzausgleichsgesetzen <strong>der</strong><br />
Bundeslän<strong>der</strong> erfolgen indes nicht einzelfallbezogen, son<strong>der</strong>n pauschaliert anhand<br />
von durchschnittlich zu ermittelnden Positionen für bestimmte Ausgaben <strong>der</strong><br />
Gemeinden.<br />
Hierdurch werden beson<strong>der</strong>s sparsam haushaltende Kommunen bevorzugt, da die<br />
Zuweisungen für übertragene Aufgaben den tatsächlichen Bedarf gegebenenfalls<br />
sogar übersteigen können. An<strong>der</strong>erseits geht dies auch zu Lasten <strong>der</strong>jenigen<br />
Kommunen, die entwe<strong>der</strong> überdurchschnittlich hohe notwendige Aufwendungen<br />
haben o<strong>der</strong> ineffizient und unwirtschaftlich haushalten. Dies kann allerdings auch <strong>zur</strong><br />
Konsequenz haben, dass Gemeinden, die über ihre Verhältnisse wirtschaften, z. B.<br />
durch leichtfertige Investitionen in teure Prestigeobjekte, keinen Anspruch auf<br />
Zuweisungen von Finanzmitteln haben, welche die Bedienung auch <strong>der</strong> hierdurch<br />
verursachten Verbindlichkeiten abdecken.<br />
97 RhPfVerfGH, DVBl. 2000, 992, 995.<br />
67
Die Ausgabenseite <strong>der</strong> Kommunen ist naturgemäß ständigen Schwankungen<br />
unterworfen, etwa durch steigende Personalkosten und sich verän<strong>der</strong>nde<br />
Steuereinnahmen. Aus diesem Grunde hat <strong>der</strong> Gesetzgeber eine Beobachtungs- und<br />
Anpassungspflicht im Hinblick auf die Zuweisungen nach den kommunalen<br />
Finanzausgleichsgesetzen 99 .<br />
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich eine unmittelbare Ausfallhaftung <strong>der</strong><br />
Bundeslän<strong>der</strong> für die Verbindlichkeiten <strong>der</strong> Gemeinden we<strong>der</strong> aus dem Grundgesetz<br />
noch aus den Landesverfassungen ergibt. Durch die Rechtsprechung des<br />
Bundesverfassungsgerichts, <strong>der</strong> Landesverfassungsgerichte und die neueren<br />
gesetzlichen Regegelungen ist die erfor<strong>der</strong>liche Mindestfinanzkraft <strong>der</strong> Gemeinden<br />
allerdings hinreichend sichergestellt.<br />
3) Konsequenzen für das Land und Vorschläge für das Haushaltssicherungs-<br />
verfahren<br />
Die aus <strong>der</strong> Verfassungslage abgeleitete „Lösung“ <strong>der</strong> Problematik durch Hinweis auf<br />
die Einstandspflicht des Landes kann für die Verantwortlichen in den Rathäusern kein<br />
Trost sein. Für das Land dürfte die wirkliche Verinnerlichung dieses<br />
verfassungsrechtlichen Befunds elektrisierend wirken. Ob die nicht abschätzbaren<br />
Folgen, die sich aus <strong>der</strong> Haftung des Landes für „insolvente“ Kommunen ergeben<br />
können, den verantwortlichen Organen des Landes – Landtag und Landesregierung –<br />
in vollem Umfang bewusst sind, erscheint unklar. Jedenfalls fällt auf, dass die<br />
Kommunalaufsicht das Haushaltssicherungsverfahren bislang noch relativ<br />
<strong>zur</strong>ückhaltend betreibt und von denkbaren harten Auflagen weitgehend absieht. Das<br />
gilt sowohl für den Bereich <strong>der</strong> Regierungspräsidenten als auch für den <strong>der</strong> Landräte<br />
als jeweils zuständige Organe für das Verfahren, wobei HSK-Auflagen recht<br />
unterschiedlich ausfallen. Angesichts <strong>der</strong> erschreckend großen Zahl <strong>der</strong><br />
Fehlbetragsgemeinden und <strong>der</strong> quantitativen Tragweite <strong>der</strong> Probleme sollte die neue<br />
Landesregierung das Verhalten aller Stellen <strong>der</strong> Kommunalaufsicht überprüfen und im<br />
Einvernehmen mit den Kommunen nach Wegen einer zielgerichteten Optimierung<br />
suchen. In intensivem und vertrauensvollem Zusammenwirken mit den kommunalen<br />
Spitzenverbänden sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, das<br />
98 ThürVerfGH a.a.O. S. 41.<br />
68
Haushaltssicherungsverfahren stärker am Ziel einer wirkungsvollen<br />
Haushaltskonsolidierung zu orientieren. Dabei muss u. a. die seit langem zu<br />
beklagende wi<strong>der</strong>sprüchliche Problematik gelöst werden, dass staatliche Aufgaben<br />
ohne Einschränkung durchgeführt werden sollen, Selbstverwaltungsaufgaben<br />
jedoch – entgegen <strong>der</strong> grundgesetzlichen Garantie – mehr und mehr zum Erliegen<br />
kommen.<br />
Auch sollte geprüft werden, den Fehlbetragsgemeinden einen Anreiz für<br />
nachweisbare Konsolidierungserfolge zu bieten. Durch ein geeignetes Controlling-<br />
Verfahren könnte z. B. die Erfüllung von Vorgaben aus <strong>der</strong> Haushaltssicherung<br />
quartalsmäßig erfasst und von <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde auf Plausibilität geprüft werden;<br />
bei Einhaltung <strong>der</strong> Zielvorgaben könnte <strong>der</strong> Gemeinde ein größerer Spielraum <strong>zur</strong><br />
Verwirklichung wichtiger eigener Vorhaben eingeräumt werden. Ein solches System<br />
könnte zudem generell die Motivation in den HSK-Gemeinden stärken und frische<br />
Energie <strong>zur</strong> Fortsetzung <strong>der</strong> mühevollen Arbeit generieren.<br />
f) Fazit zu Teil 1: Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden zum gemeinsamen Kampf gegen die<br />
Krise verpflichtet<br />
Sowohl die Verantwortlichen des Landes als auch die Vertreter <strong>der</strong> Kommunen stehen<br />
in <strong>der</strong> Verantwortung, alles zu unternehmen, um einem endgültigen Kollaps vieler<br />
Gemeinden entgegenzuwirken. Da auch <strong>der</strong> Bund existentielle Interessen am<br />
Funktionieren <strong>der</strong> untersten staatlichen Ebene haben muss, steht er in <strong>der</strong><br />
Mitverantwortung für die Bewältigung dieser Herausfor<strong>der</strong>ung. Nur im<br />
Zusammenwirken aller Kräfte kann es gelingen, die Voraussetzungen dafür zu<br />
schaffen, dass die Kommunalhaushalte wie<strong>der</strong> ins Lot kommen. Bund, Län<strong>der</strong> und<br />
Gemeinden sind angesichts <strong>der</strong> exorbitant hohen staatlichen Gesamtverschuldung<br />
ohnehin in <strong>der</strong> Pflicht, die Spirale aus rasant steigen<strong>der</strong> Neuverschuldung mit einem<br />
stark wachsenden Gesamtschuldenstand zu durchbrechen. Die Grundbotschaft an<br />
die Verantwortlichen in Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden lautet: die Haushalte<br />
konsolidieren, und zwar durch echtes Sparen, d. h. durch Einschränkung <strong>der</strong><br />
Ausgaben. Die sechs führenden Wirtschaftsinstitute haben in ihrem Herbstgutachten<br />
übereinstimmend empfohlen, trotz flauer Konjunktur einen scharfen Sparkurs zu<br />
fahren und Reformen fortzusetzen. Erwartet wird eine spürbare Kürzung <strong>der</strong><br />
99 VerfGHNW, OVGE 38, 301, 311.<br />
69
Staatsausgaben bei gleichzeitiger Ausweisung wachstumsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Investitionen<br />
sowie das Streichen von Subventionen. Es müssten alle Staatsausgaben auf den<br />
Prüfstand gestellt werden. Auch bei <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit wird erhebliches<br />
Sparpotential gesehen, und zwar sogar in Höhe eines zweistelligen<br />
Milliardenbetrages. 100<br />
Wenn die neue Berliner Regierung ankündigt, den Bundeshaushalt durch<br />
„Einsparungen“ zu verbessern, ist das insoweit Etikettenschwindel, als das<br />
„Sparen“ z. B. durch eine Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer erfolgen soll. Es ist zu<br />
bequem, bei je<strong>der</strong> sich bietenden Gelegenheit das Heil in weiteren Steuererhöhungen<br />
zu suchen, wie es sich Mitte April 2006 wie<strong>der</strong> abzeichnete. Aus <strong>der</strong> großen Koalition<br />
wurde die Idee geäußert, im Zuge <strong>der</strong> Gesundheitsreform die Steuern nochmals<br />
deutlich zu erhöhen. 101 In <strong>der</strong> Wirtschaftspresse und Tageszeitungen gab es dazu<br />
sehr kritische Kommentare. So wurde z. B. bemängelt, dass manche Politiker bei<br />
Steuererhöhungen an große Sprünge dächten, während bei den notwendigen<br />
Reformen nur Trippelschritte zu erkennen seien. Ein zukunftsfähiges Deutschland<br />
sehe an<strong>der</strong>s aus. 102 Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)<br />
verwies darauf, dass z. B. die deutschen Unternehmen schon heute die zweithöchsten<br />
Steuern innerhalb <strong>der</strong> EU zu zahlen hätten, wodurch starke Anreize <strong>zur</strong> Verlagerung<br />
von Unternehmen o<strong>der</strong> Gewinnen gesetzt würden. Statt dessen mahnen die Experten<br />
vom ZEW Reformen an. 103<br />
Es rächt sich, dass man im Glauben an einen starken Staat seit Jahrzehnten<br />
staatliche Leistungen angeboten, aufgestockt und ergänzt hat, dass aber die<br />
Ausgabenseite kaum wesentlich geprüft o<strong>der</strong> gar durchforstet worden ist. Sehr<br />
problematisch sind die Pläne, Aktien o<strong>der</strong> Pensionsfor<strong>der</strong>ungen aus dem Vermögen<br />
des Bundes zu veräußern, da dann daraus keine Dividenden und Zinsen mehr fließen.<br />
Der Bundesrechnungshof hat <strong>der</strong>artige Vorhaben schon in früheren Jahren scharf<br />
kritisiert. Die finanzwirtschaftliche Realität <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland gebietet<br />
es, dass rigoros die Ausgaben gekürzt werden, anstatt einen Ausweg über zusätzliche<br />
Einnahmen zu suchen. Voraussetzung dafür ist <strong>der</strong> Rückbau des Staates und die<br />
Einleitung <strong>der</strong> drängenden Strukturreformen. Die Befolgung <strong>der</strong> Empfehlungen <strong>der</strong><br />
Sachverständigen würde auch dazu führen, dass die unterste staatliche Ebene in<br />
100 Interview mit dem IFO-Präsidenten Sinn im Wirtschaftsmagazin Capital 24/2005.<br />
101 Vgl. Welt am Sonntag, 16.04.2006, Leitartikel,S. 1.<br />
102 Vgl. z. B. DIE WELT, 18.04.2006, Leitkommentar „Die Abkassierer“ von Stefan von Borstel.<br />
103 DIE WELT, 19.04.2006, S. 11.<br />
70
erheblichem Umfang entlastet würde, sodass die Kommunen <strong>der</strong> notwendigen<br />
Handlungsfähigkeit wie<strong>der</strong> ein gutes Stück näher kommen würden.<br />
Angesichts des Umfangs <strong>der</strong> vorstehend erläuterten gewaltigen Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
bedarf es – in Ergänzung <strong>der</strong> bereits beschriebenen Handlungsoptionen – so bald wie<br />
möglich <strong>der</strong> Prüfung aller sonst geeignet erscheinenden Möglichkeiten <strong>zur</strong> Lösung <strong>der</strong><br />
Finanzprobleme <strong>der</strong> Kommunen – auch jener in NRW.<br />
71
Teil 2: Strategisches Zusammenwirken von Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden <strong>zur</strong><br />
Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> kommunalen Handlungsfähigkeit<br />
Da Bund und Län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Mitverantwortung für die finanzielle Handlungsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Gemeinden stehen, können sie die Kommunen nicht sich selbst überlassen. Allerdings<br />
haben auch die beiden höheren staatlichen Ebenen selbst ganz erhebliche<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen. Die Haushalte des Bundes wie des Landes NRW<br />
sind durch die bisherige Ausgabepolitik sowie die Folgen <strong>der</strong> schleppenden<br />
Binnennachfrage und <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit völlig überfrachtet. Der Bund und<br />
die Län<strong>der</strong> können den Kommunen jedoch auch ohne Finanztransfers<br />
beachtliche Hilfen zukommen lassen.<br />
Durch planmäßiges und zielgerichtetes Zusammenwirken <strong>der</strong> drei staatlichen<br />
Ebenen lassen sich ferner erhebliche weitere Verbesserungen <strong>der</strong> staatlichen wie<br />
<strong>der</strong> kommunalen Finanzausstattung erreichen. Deshalb wird nachfolgend ganz<br />
bewusst nicht getrennt nach den drei Stufen <strong>der</strong> öffentlichen Hand vorgegangen,<br />
zumal schon beim Gesetzgebungsverfahren <strong>der</strong> Bund und die Län<strong>der</strong> teilweise<br />
zusammenwirken und sich <strong>der</strong> Vollzug <strong>der</strong> Gesetze über alle Ebenen hinweg<br />
erstreckt. Einige Maßnahmen können sogar beträchtliche Hilfen für die Kommunen<br />
bewirken, ohne dass die höheren Ebenen Finanzmittel „nach unten durchreichen“<br />
müssen.<br />
Die Ausschöpfung aller dieser Möglichkeiten wird jedoch nicht ausreichen, die<br />
kommunalen Haushalte zu sanieren. Ergänzend ist deshalb eine<br />
Gemeindefinanzreform unabdingbar, bei <strong>der</strong> die Gemeinden ihrem staatlichen<br />
Auftrag gemäß mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten sind, damit sie nicht<br />
weiterhin zu sehr am Tropf staatlicher Zuweisungen hängen. Die Voraussetzungen für<br />
eine solche Reform <strong>der</strong> gemeindlichen Finanzverfassung werden für Bund und Län<strong>der</strong><br />
um so leichter zu schaffen sein, wenn <strong>der</strong>en eigenen Etatprobleme lösbar erscheinen.<br />
Die nachfolgenden Vorschläge und Denkmodelle sind zwar teilweise nicht neu,<br />
haben aber die bisher nicht weit verbreitete Zielsetzung im Sinn, eine respektable<br />
Verbesserung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte insgesamt zu bewirken.<br />
72
a) Strikte Einhaltung des Grundsatzes <strong>der</strong> „Konnexität“<br />
Eine <strong>der</strong> Hauptursachen für die latente Unterfinanzierung <strong>der</strong> Kommunen im<br />
Verhältnis zu den staatlichen Ebenen liegt in <strong>der</strong> Tatsache, dass sie laufend „von<br />
oben“ Aufgaben übertragen bekamen, die mit gewaltigen Kostenfolgen<br />
verbunden sind. Deshalb muss endlich Schluss damit sein, dass man den Gemeinden<br />
staatliche Aufgaben <strong>zur</strong> Durchführung auferlegt, ohne dafür einen vollen<br />
Kostenausgleich zu gewähren. Mit dem schlichten Erfahrungssatz „Wer bestellt,<br />
bezahlt!“ hat schon <strong>der</strong> frühere Bundespräsident Roman Herzog, <strong>der</strong> vor seiner<br />
Amtszeit als höchstes Staatsorgan u. a. Präsident des Bundesverfassungsgerichts<br />
gewesen ist, auf den Grundsatz <strong>der</strong> Konnexität hingewiesen, gegen den Bund und<br />
Län<strong>der</strong> seit Jahrzehnten immer wie<strong>der</strong> markant verstoßen haben. Folgerichtig müssen<br />
<strong>der</strong>artige staatliche Aufgaben aus früherer Zeit demnächst ganz o<strong>der</strong> teilweise wie<strong>der</strong><br />
„eingesammelt“ o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> gebotenen Kostenregelung versehen werden.<br />
Für NRW ist das Konnexitätsprinzip seit Juli 2004 in <strong>der</strong> Landesverfassung<br />
verankert, was als Erfolg für die Kommunen zu werten ist. Bei <strong>der</strong> Übertragung<br />
öffentlicher Aufgaben auf die Gemeinden und Gemeindeverbände muss seitdem<br />
gleichzeitig die Deckung <strong>der</strong> Kosten geregelt werden. Demgemäss ist bei einer<br />
Aufgabenübertragung o<strong>der</strong> -verän<strong>der</strong>ung eine „Kostenfolgeabschätzung“<br />
vorzunehmen, damit <strong>der</strong> entsprechende finanzielle Ausgleich geschaffen werden<br />
kann. Die Kommunen werden über ihre Spitzenverbände am Gesetzgebungsverfahren<br />
formell beteiligt, damit die kostenmäßigen Auswirkungen angemessen erfasst werden<br />
können (Neuregelung in Art. 78, Abs. 3 Landesverfassung NRW).<br />
Die Einführung des Konnexitätsprinzips auf Landesebene sollte – wie <strong>der</strong>zeit<br />
vorgesehen – vom Bund zum Vorbild für eine eigene Regelung genommen werden,<br />
da Entscheidungen des Bundes häufig ganz erhebliche finanzielle Auswirkungen auf<br />
die kommunale Ebene haben. Leistungsgesetze tragen nicht selten den Namen des<br />
Bundes in ihrem Titel o<strong>der</strong> als „Absen<strong>der</strong>“, als ob <strong>der</strong> Bund <strong>der</strong> Urheber <strong>der</strong> jeweiligen<br />
finanziellen Zuwendung wäre, wohingegen die Kommunen ganz o<strong>der</strong> teilweise für die<br />
Kosten aufzukommen haben. Wichtige Anwendungsgebiete dieser Art sind das<br />
„Bundessozialgesetz“ (neuerdings SGB XII), das Grundsicherungsgesetz (ebenfalls<br />
jetzt SGB XII), aber auch „Hartz IV“ und das Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz (jetzt SGB<br />
VIII).<br />
73
Da auch Entscheidungen <strong>der</strong> Europäischen Union verstärkt auf die kommunale<br />
Ebene durchschlagen, ist dafür dasselbe angezeigt.<br />
Diese sachlich gebotenen und idealerweise verfassungsmäßig abzusichernden<br />
Regelungen würden die Regierungen und Parlamente „oberhalb des Landes“<br />
wesentlich stärker als bisher dazu veranlassen, die kostenmäßigen Auswirkungen in<br />
ihre Überlegungen einzubeziehen, bevor zu Lasten <strong>der</strong> Kommunen politische<br />
Vorstellungen verwirklicht o<strong>der</strong> neue Wohltaten initiiert werden.<br />
Das diesbezügliche Anliegen <strong>der</strong> Kommunen ist eng verbunden mit dem Thema <strong>der</strong><br />
Fö<strong>der</strong>alismusreform.<br />
b) Baldige Umsetzung und erhebliche Ausweitung <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
Es ist zu begrüßen, dass sich die Große Koalition in Berlin auf die Umsetzung <strong>der</strong><br />
Vorschläge <strong>der</strong> Arbeitsgruppe <strong>zur</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform verständigt hat (vgl.<br />
Koalitionsvertrag B V Ziffer 1.). Mit <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform soll mit Recht vorrangig<br />
eine klarere und effektive Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n<br />
erfolgen. Sie ist inzwischen auf den Weg gebracht worden. In einem mühsamen<br />
Einigungsprozess ist es gelungen, die Interessen von Bund und Län<strong>der</strong>n<br />
auszutarieren. Es wurde vereinbart, die Zahl <strong>der</strong> Gesetze, denen <strong>der</strong> Bundesrat<br />
zuzustimmen hat, auf etwa 35 bis 40 % zu senken und auf diese Weise die<br />
verfahrenstechnischen Blockademöglichkeiten <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zu verringern. Als<br />
Gegenleistung erhielten die Län<strong>der</strong> eine Reihe zusätzlicher Kompetenzen. 104 Kurze<br />
Zeit nach Beginn <strong>der</strong> parlamentarischen Beratungen über die Fö<strong>der</strong>alismusreform im<br />
März 2006 begann ein heftiger Streit unter den Bundeslän<strong>der</strong>n wie auch innerhalb <strong>der</strong><br />
beiden Regierungsfraktionen über Einzelpunkte, vor allem aus dem Bildungsbereich<br />
und <strong>der</strong> Umweltpolitik. Es bleibt zu wünschen, dass die Beteiligten das große Ziel<br />
einer erheblichen Entzerrung des bundesstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht<br />
aus dem Auge verlieren und eine umgehende Lösung herbeiführen.<br />
Bei diesen Debatten kommt eine für die fö<strong>der</strong>ale Wirklichkeit in Deutschland wichtige<br />
Facette viel zu kurz: Eine echte Reform des fö<strong>der</strong>alen Bundesstaates muss auch die<br />
Gemeinden als unterste staatliche Ebene mit einbeziehen. Ziel muss es sein, ein<br />
effektiveres Zusammenwirken von Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden bei den<br />
Dienstleistungen für die Bürger zu erreichen. An den künftigen Beratungen sollten<br />
104 Vgl. Süddeutsche Zeitung, „Die Reform haut uns die Beine weg.“, 18./ 19.03.2006.<br />
74
deshalb kompetente Vertreter <strong>der</strong> Kommunen beteiligt werden, da die Städte wegen<br />
ihrer Praxisnähe über beste Kenntnisse und Erfahrungen im Gesetzesvollzug<br />
verfügen. Bürgerfreundliche und unbürokratische Gesetze sind nur möglich, wenn <strong>der</strong><br />
kommunale Sachverstand im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig berücksichtigt wird.<br />
Die Städte sollten deshalb bessere Mitwirkungsrechte an <strong>der</strong> Gesetzgebung des<br />
Bundes erhalten und in Art. 28 GG ein Anhörungsrecht eingeräumt bekommen. 105<br />
Die Vorschläge <strong>zur</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform enthalten <strong>der</strong>zeit den Grundsatz, dass durch<br />
Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen<br />
werden dürfen. Bundesgesetze mit Kostenfolgen für die Kommunen sollen nur<br />
mit Zustimmung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> erlassen werden. Diesen Grundsatz sollte man<br />
dahingehend erweitern, dass bei jedem Gesetz mit kostenmäßigen Auswirkungen auf<br />
die kommunale Ebene zugleich die Kostenregelung nach dem Konnexitätsprinzip<br />
vorzusehen ist. Konsequent wäre es, auch eine entsprechende Regelung für<br />
„Altfälle“ vorzusehen, in denen die Kommunen bereits Aufgabenträger sind, falls<br />
finanzwirksame Verän<strong>der</strong>ungen seitens des Bundes vorgenommen werden o<strong>der</strong> ein<br />
Rückzug des Bundes aus dem bisherigen Leistungssystem stattfindet. 106<br />
c) Effektiver Bürokratieabbau<br />
Auch <strong>der</strong> seit einiger Zeit diskutierte Bürokratieabbau zählt zu den wichtigen Schritten<br />
einer Strukturreform des Bundesstaates; denn die mit Recht kritisierte Regelungswut<br />
bindet beträchtliche Personal- und Sachmittel – auch und beson<strong>der</strong>s – <strong>der</strong><br />
Kommunen. Es gibt in Deutschland zu viele Gesetze, Verordnungen und Erlasse, die<br />
ein hohes Niveau vorgeben, welches längst nicht mehr zu finanzieren und sachlich<br />
teilweise überflüssig ist. Nach Auffassung des Deutschen Industrie- und<br />
Handelskammertags – DIHK – belaufen sich die Bürokratielasten für die heimische<br />
Wirtschaft auf 46 Mrd. € im Jahr; das entspricht rund zwei Prozent des<br />
Bruttoinlandprodukts. 107 Vertreter <strong>der</strong> Koalition <strong>der</strong> Bundesregierung schließen nicht<br />
aus, dass die Kosten unter Berücksichtigung von Erfahrungen, die man in den<br />
105 For<strong>der</strong>ung des Präsidiums des DST vom 20.09.2005 an die neue Bundesregierung.<br />
106 So die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände vom 29. Juni 2005.<br />
107 DIE WELT, 17.03.2006: „Ein Gesetz gegen die Gesetzesflut?“<br />
75
Nie<strong>der</strong>landen gemacht hat, evtl. sogar bis zu 80 Mrd. € betragen könnten, von denen<br />
man ein Viertel einsparen könne. 108<br />
Bürokratieabbau ist ein mühseliges Geschäft. So wird berichtet, dass <strong>der</strong> „Masterplan<br />
Bürokratieabbau“ des früheren Ministers Wolfgang Clement weitgehend innerhalb<br />
<strong>der</strong> Ministerialbürokratie zerrieben worden sei. 109<br />
Der von <strong>der</strong> Politik so oft beschworene „mündige Bürger“ braucht die ins Kraut<br />
geschossene Reglementierung nicht, auch Wirtschaft und Wissenschaft würden<br />
arbeitsmäßig und finanziell erheblich entlastet. Nach Auffassung des deutschen<br />
Spitzenforschers Theodor Hänsch, Träger des Physik-Nobelpreises 2005, wäre die<br />
Forschung in Deutschland ohne die überbordende Wissenschaftsbürokratie und mit<br />
mehr Mut <strong>zur</strong> Elite viel erfolgreicher. 110 In einem umfassenden Bürokratieabbau liegt<br />
ein enormes Einsparpotential, welches zu Gunsten aller Ebenen <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
sowie <strong>der</strong> Bürger und <strong>der</strong> gesamten Volkswirtschaft ausgeschöpft werden sollte.<br />
Erschreckende Beispiele für die tatsächliche Lage in Deutschland hat <strong>der</strong> frühere<br />
Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof Jürgen Gehb in einem Zeitungsbeitrag<br />
angeführt. 111 Danach dauern Planungsverfahren für Großprojekte in Deutschland<br />
mittlerweile fast schon Jahrzehnte:<br />
– Das behördliche Verfahren für den Berliner Großflughafen nahm fast 8 Jahre in<br />
Anspruch; allein <strong>der</strong> „Planfeststellungsbeschluss“ hatte einen Umfang von 1.171<br />
Seiten zuzüglich 27 Aktenordnern als Anlage. Das Bundesverwaltungsgericht will nun<br />
innerhalb von 2 Jahren das gerichtliche Verfahren zum Abschluss bringen und hat<br />
dazu mit mehr als 2.000 Ordnern nur den wichtigsten Teil des behördlichen Vorgangs<br />
beigezogen.<br />
– 34 Jahre wurden für die Planung des Rie<strong>der</strong>waldtunnels bei Frankfurt am Main<br />
benötigt; allein 11 Mio. € wurden für eine Streckenlänge von einem einzigen Kilometer<br />
an Verwaltungskosten ausgegeben.<br />
– Ein Landesrechnungshof hat nach Recherchen von Gehb festgestellt, dass die<br />
Planungsphase im Bereich von Bundesstraßen durchschnittlich 20 Jahre und bei<br />
Landesstraßen 15 Jahre beträgt.<br />
108 DIE WELT, 07.04.2006, S. 2.<br />
109 Quelle wie Fußnote 90.<br />
110 Interview in DIE WELT, 10.12.2005.<br />
111 „Diktatur des Verfahrens“, Gastkommentar zum Deutschen Planungsrecht, DIE WELT, 16.03.2006.<br />
76
Die im Koalitionsvertrag <strong>der</strong> neuen Bundesregierung erklärte Absicht, Bürger und<br />
Wirtschaft von Bürokratiekosten zu entlasten und dazu Sofortmaßnahmen<br />
einzuleiten 112 , geht in die richtige Richtung. Anfang April 2006 haben die Fraktionen<br />
<strong>der</strong> Berliner Koalition einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem ein<br />
„Nationaler Normenkontrollrat“ angestrebt wird, um Gesetzentwürfe und<br />
bestehende Gesetze auf ihre Bürokratiekosten zu prüfen. 113<br />
In diese Richtung zielt auch die These des NRW-Ministerpräsidenten, die<br />
Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft erfor<strong>der</strong>e den Abbau bürokratischer<br />
Strukturen, was zugleich Arbeit schaffe 114 . Die „Düsseldorfer Entfesselungsimpulse<br />
2006“ benennen die dauerhafte Beschneidung <strong>der</strong> Bürokratie als eine <strong>der</strong><br />
„Kernfor<strong>der</strong>ungen <strong>zur</strong> Entfesselung von Wachstum und Beschäftigung“ 115 und<br />
beklagen zutreffend, es sei „bislang nicht gelungen, öffentlich überzeugend zu<br />
vermitteln, in welch unvertretbarem Ausmaß Bürokratie auf allen Stufen<br />
Wertschöpfungspotentiale nicht nur hemmt, son<strong>der</strong>n vernichtet“. 116<br />
Umso wichtiger ist es, dass nicht nur ab und zu einzelne Maßnahmen initiiert werden;<br />
vielmehr sind „die ausgeuferte und kräftelähmende Bürokratie und Regelungsdichte<br />
vorrangig und an allen Stellen von Politik und Verwaltung anzugehen“. 117 Das gilt für<br />
alle staatlichen Ebenen in Deutschland bis hin <strong>zur</strong> EU, die nicht selten als<br />
„Bürokratiemoloch“ bezeichnet wird. Wie sehr die gegenwärtige Struktur <strong>der</strong> EU „die<br />
Bürokratie zementiert“, weist ein im März 2006 erschienenes Buch des<br />
Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim überzeugend nach. 118 Speziell <strong>zur</strong><br />
Thematik <strong>der</strong> Bürokratiemaschinerie <strong>der</strong> EU-Institutionen ist eine grundlegende<br />
Reform unausweichlich. Sie hätte auch für Deutschland ganz erhebliche Effekte, nicht<br />
nur finanzwirtschaftlicher Art. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass sich <strong>der</strong><br />
gegenwärtige EU-Ratspräsident Wolfgang Schüssel dieses Anliegens kürzlich<br />
angenommen hat. Er erklärte, „bis 2010 könnten 10 Mill. zusätzliche Arbeitsplätze<br />
entstehen, wenn die Mitgliedsstaaten bereit wären, Reformen umzusetzen, den<br />
Mittelstand stärker zu för<strong>der</strong>n und Entbürokratisierung voranzutreiben.“ 119<br />
112<br />
Koalitionsvertrag B I Ziff. 9.<br />
113<br />
DIE WELT, 07.04.2006, S. 2, und Süddeutsche Zeitung, 07.04.2006, S. 5.<br />
114<br />
Regierungserklärung von Ministerpräsident J. Rüttgers vom 13. Juli 2005, Ziff. XI.<br />
115<br />
Düsseldorfer Entfesselungsimpulse, S. 13 ff.<br />
116<br />
Quelle wie vor, S. 9.<br />
117<br />
Quelle wie vor, Vorwort (S. 5).<br />
118<br />
„Das Europa-Komplott: Wie EU-Funktionäre unsere Demokratie verscherbeln“; vgl. Vorabdruck in<br />
DIE WELT vom 25.02.2006: „Tatort Europa“.<br />
119 DIE WELT, 18.03.2006.<br />
77
Umso bedauerlicher wäre es, wenn <strong>der</strong> von Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
wie<strong>der</strong>holt angekündigte Bürokratieabbau auf die lange Bank geschoben würde, weil<br />
es hierzu sogar zwischen dem Kanzleramt und <strong>der</strong> Bundestagsfraktion <strong>der</strong> CDU zu<br />
erheblichen Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Das dringende Anliegen<br />
einer Bereinigung <strong>der</strong> Rechts- und Verfahrenswege in Deutschland darf nicht durch<br />
kleinkarierte Diskussionen belastet werden. Vielmehr sollte man sich an dem<br />
Vorbild <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande orientieren: dort sollen durch pragmatisches Handeln die<br />
Bürokratiekosten für Unternehmen um etwa ein Viertel gesenkt worden sein. 120<br />
d) Rückführung gesetzlicher Standards auf das notwendige Maß<br />
Zur Eindämmung <strong>der</strong> Kostenfolge von Gesetzen zählt die Begrenzung von<br />
Standards bei Leistungsgesetzen. Bei <strong>der</strong> Regelung und Bemessung von<br />
Leistungsansprüchen haben sich in früheren Jahrzehnten wegen <strong>der</strong> damals<br />
bestehenden sehr viel günstigeren finanziellen Rahmenbedingungen großzügige<br />
Maßstäbe herausgebildet, die so bald wie möglich den inzwischen erheblich<br />
verschlechterten Umständen angepasst werden müssen. Die<br />
Koalitionsvereinbarung <strong>der</strong> neuen Bundesregierung von November 2005 enthält<br />
erste Ansätze in diese Richtung und stellt zutreffend fest: „Seit Jahrzehnten wird<br />
kontinuierlich die Illusion geschürt, <strong>der</strong> Staat könne immer neue und<br />
umfassen<strong>der</strong>e Leistungswünsche befriedigen“; diese Aufgaben- und<br />
Ausgabendynamik habe eine Verschuldungsspirale in Gang gesetzt, die durchbrochen<br />
werden müsse, wenn man <strong>der</strong> nachfolgenden Generation tragfähige Staatsfinanzen<br />
übergeben wolle. 121 Diese unbestreitbare Wahrheit hält eine Reihe von<br />
Interessenvertretern und unterschiedlichsten Gruppen und Verbänden gleichwohl nicht<br />
davon ab, den „Nie<strong>der</strong>gang des Sozialstaats“ zu befürchten. Wer aber auf Dauer<br />
garantieren will, dass jedenfalls die wirklich Bedürftigen von <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
abgesichert werden können, muss die Gemeinschaft dazu erst einmal wie<strong>der</strong><br />
leistungsfähig machen, – sie ist es längst nur noch dem Schein nach, nämlich „auf<br />
Pump“. Ohne Rücksicht auf Kritik müssen alle geeigneten Pläne <strong>zur</strong> Anpassung <strong>der</strong><br />
120 DIE WELT, 17.03.2006: „Kaum Fortschritte beim Bürokratieabbau“, und Essay „Triumph über die<br />
Bürokratie“ von Robin Linschoten, dem Vorsitzenden des Normenkontrollrats Actal in Den Haag.<br />
Wirtschaftsmagazin Capital 8/2006, S. 38 f.<br />
121 Koalitionsvertrag B II, Ziff. 1.<br />
78
Standards an die Wirklichkeit zukunftsorientiert umgesetzt werden, und zwar weit über<br />
die bisherigen einzelnen Absichtserklärungen <strong>der</strong> neuen Bundesregierung hinaus.<br />
e) Strengere Maßstäbe für Ermessensentscheidungen bei <strong>der</strong> Prüfung von<br />
gesetzlichen Ansprüchen<br />
Die in den Gesetzen geregelten Standards lassen meist einen breiten<br />
Ermessensspielraum, das gilt auch bei Leistungsgesetzen. Speziell die Kommunen<br />
müssen sich selbstkritisch fragen, ob und in welchem Umfang die bei den jeweiligen<br />
Standards bestehenden Ermessensspielräume zu lax und zu generös angewandt<br />
werden. Aus Nachlässigkeit und falsch verstandener Großzügigkeit addieren sich<br />
schnell namhafte Beträge. Hauptanwendungsgebiet ist hier natürlich <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />
Sozialhilfe; aber auch an<strong>der</strong>e Fälle <strong>der</strong> Leistungsverwaltung gehören dazu.<br />
Die Verantwortlichen in den Kommunen sollten ihre oft durch Massengeschäft<br />
überfor<strong>der</strong>ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dieser Problematik nicht allein<br />
lassen, son<strong>der</strong>n sie durch entsprechende Schulungsangebote unterstützen. Selbst<br />
eine bessere Personalausstattung kann sich neben einer Optimierung <strong>der</strong><br />
Arbeitsabläufe rechnerisch sehr positiv auswirken. Schließlich dürfte eine<br />
Personalrotation dazu beitragen, eingeschliffene falsche Gewohnheiten im<br />
Ermessensprozess abzubauen.<br />
f) Optimierung <strong>der</strong> Einnahmemöglichkeiten <strong>der</strong> öffentlichen Hand durch effizienten<br />
Steuervollzug und kompromisslose Bekämpfung von Schattenwirtschaft und<br />
Steuerhinterziehung<br />
Durch Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung sowie durch un<strong>zur</strong>eichenden<br />
Steuervollzug gehen dem Fiskus, und damit zugleich allen 3 staatlichen Ebenen,<br />
jährlich Einnahmen in einer dreistelligen Milliardenhöhe verloren. Das ist die<br />
Überzeugung von Experten, <strong>der</strong>en Thesen man trotz <strong>der</strong> Unsicherheit <strong>der</strong>artiger<br />
Schätzungen kaum als unseriös abtun kann.<br />
Die Schwarzarbeit hat in Deutschland nach Auffassung des Bundesministers <strong>der</strong><br />
Finanzen inzwischen ein alarmierendes Ausmaß erreicht. Sie schädigt nicht nur<br />
gesetzestreue Unternehmer und Arbeitnehmer sowie den Wettbewerb, son<strong>der</strong>n<br />
79
verursacht enorme Einnahmeausfälle beim Fiskus und bei den Sozialkassen. 122<br />
Theoretisch würden jährliche Mehreinnahmen in zweistelliger o<strong>der</strong> gar dreistelliger<br />
Milliardenhöhe zu erwarten sein, wenn illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit in<br />
reguläre Arbeit umgewandelt würden. 123 Das ist zwar Fiktion, aber jede durchgreifende<br />
Besserung <strong>der</strong> Missstände hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmen<br />
von Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden sowie <strong>der</strong> Sozialkassen. Fachleute klagen<br />
darüber, dass 5 bis 6 Millionen Menschen am Fiskus vorbei wirtschaften. Das<br />
Stundenvolumen an Schwarzarbeit soll 1,3 Millionen Vollzeitstellen entsprechen; ohne<br />
diese Missstände würden rund 500.000 neue Stellen in <strong>der</strong> Wirtschaft entstehen. 124<br />
Daher muss versucht werden, wenigstens einen namhaften Teil <strong>der</strong> Schwarzarbeit in<br />
legale Arbeitsverhältnisse umzulenken, was zugleich <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit dienen würde.<br />
Die kommunale Seite wird durch Schwarzarbeit zusätzlich tangiert, wenn Bezieher<br />
von Sozialleistungen, beson<strong>der</strong>s von Arbeitslosengeld, eine illegale Beschäftigung<br />
aufnehmen, ohne das dem zuständigen Leistungsträger mitzuteilen. Die Kommunen<br />
haben also allen Grund, sich an <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> Schwarzarbeit intensiv zu<br />
beteiligen. Für die Bekämpfung <strong>der</strong> Schwarzarbeit ist seit Anfang 2004 die<br />
Bundeszollverwaltung gemeinsam mit den Kommunen zuständig, wobei sich die<br />
Kompetenz <strong>der</strong> kommunalen Stellen auf die Verfolgung von Verstößen gegen die<br />
Handwerksordnung und die Gewerbeordnung erstreckt. In NRW sind dafür die<br />
Ordnungsbehörden <strong>der</strong> kreisfreien Städte, <strong>der</strong> großen kreisangehörigen Städte sowie<br />
<strong>der</strong> Kreise zuständig. Schwarzarbeit steht oft in einem direkten Zusammenhang mit<br />
an<strong>der</strong>en Rechtsverletzungen, wie z. B. Steuerhinterziehung, Missbrauch von<br />
Sozialleistungen o<strong>der</strong> Verstoß gegen Vorschriften des Arbeitsrechts, sodass<br />
unterschiedliche Behörden zuständig sind. Der Gesetzgeber hat deshalb die in<br />
Betracht kommenden Behörden zu kooperativem Vorgehen verpflichtet.<br />
Die Bundeszollverwaltung hat in den letzten Jahren ihre Maßnahmen <strong>zur</strong> gezielten<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Schwarzarbeit erheblich intensiviert, das gilt auch für viele<br />
kommunale Ämter. Es ist dringend zu hoffen und zu wünschen, dass die sich<br />
inzwischen abzeichnenden Erfolge entscheidend verstärkt werden können. Dafür wäre<br />
vor allem eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> weit verbreiteten Auffassung hilfreich, wonach es sich<br />
122<br />
Nach einer Studie, über die das „Handelsblatt“ Anfang 2004 berichtete, ist es denkbar, dass die<br />
Schattenwirtschaft 17% des Bruttoinlandprodukts ausmacht, was etwa 370 Mrd. € entsprechen würde.<br />
123<br />
Vgl. dazu „Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit“, Friedrich Schnei<strong>der</strong> / Dominik Enste. Oldenbourg-<br />
Verlag, Januar 2000.<br />
124<br />
Studie des Instituts <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln von Dezember 2005.<br />
80
ei Schwarzarbeit um ein Kavaliersdelikt handelt. Es scheint weithin noch<br />
unbekannt zu sein, dass bestimmte Formen <strong>der</strong> Schattenwirtschaft empfindlich<br />
geahndet werden können, wobei das Strafmaß bis zu mehrjähriger Haft reicht und<br />
Ordnungswidrigkeiten mit sehr hohen Geldbußen belegt werden können. Die<br />
zuständigen Stellen <strong>der</strong> öffentlichen Hand sollten sich alle Mühe geben, <strong>zur</strong><br />
Bewusstseinsän<strong>der</strong>ung beizutragen und überzeugend klar zu machen, dass es sich<br />
bei Schwarzarbeit um „handfeste Wirtschaftkriminalität“ handelt, „die dem<br />
Gemeinwesen schweren Schaden zufügt“ (Bundesminister <strong>der</strong> Finanzen). Den<br />
Schaden haben letztlich auch jene Bürger, die unter den Folgen <strong>der</strong> Finanzmisere<br />
ihrer Heimatgemeinde leiden.<br />
Von ähnlicher Bedeutung ist die Steuerhinterziehung. Auch sie gilt in weiten<br />
Kreisen <strong>der</strong> Gesellschaft als Kavaliersdelikt, obwohl es sich um eine Straftat handelt,<br />
die in schweren Fällen mit bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.<br />
Das mangelnde Unrechtsbewusstsein vieler Steuerpflichtiger sollte den<br />
Steuergesetzgeber aus mehreren Gründen nachdenklich machen. Dieses fehlende<br />
Bewusstsein dürfte nicht zuletzt eine Folge dessen sein, dass das deutsche<br />
Steuerrecht mit den in <strong>der</strong> Öffentlichkeit häufig diskutierten legalen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten vom „normalen Steuerzahler“ als zu kompliziert und<br />
ungerecht empfunden wird. Auch das Fehlverhalten einzelner führen<strong>der</strong> Vertreter<br />
von Politik und Wirtschaft auf dem Steuersektor kann dazu beitragen, dass die<br />
„Steuermoral“ sehr lax gehandhabt wird. Schließlich vermitteln Steueramnestien mit<br />
<strong>der</strong> rückwirkenden Legalisierung gravieren<strong>der</strong> Rechtsverletzungen den<br />
Eindruck, dass selbst <strong>der</strong> Gesetzgeber schwerwiegende Verstöße gegen das<br />
Steuerrecht bagatellisiert. Solche Erfahrungen führen leicht zu <strong>der</strong> Überzeugung,<br />
dass „<strong>der</strong> Ehrliche immer <strong>der</strong> Dumme“ ist. Die Regierungen wie auch die Parlamente<br />
im Bund und in den Län<strong>der</strong>n sollten diese naheliegenden Zusammenhänge bei <strong>der</strong><br />
Steuergesetzgebung gebührend berücksichtigen; in Erkenntnis dieser<br />
problematischen Ursachen und Folgen sollten sie sich um mehr Praktikabilität und<br />
Transparenz, Redlichkeit und Gerechtigkeit im Steuerrecht bemühen. Das<br />
Steuermodell des früheren Bundesverfassungsrichters und anerkannten<br />
Steuerrechtslehrers Prof. Paul Kirchhof 125 trägt diesen Zusammenhängen<br />
Rechnung und zielt daher in die richtige Richtung. Entsprechende Schritte würden<br />
81
nicht nur <strong>der</strong> allgemeinen Steuergerechtigkeit dienen, son<strong>der</strong>n zudem die<br />
Einnahmemöglichkeiten <strong>der</strong> öffentlichen Hand grundlegend optimieren. Man kann<br />
davon ausgehen, dass es sich auch im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung um<br />
eine Größenordnung von zig Milliarden handelt. Experten schätzen allein den<br />
Einnahmeausfall aufgrund von Umsatzsteuerhinterziehung auf einen<br />
zweistelligen Milliardenbetrag. 126<br />
Unabhängig von <strong>der</strong> Gestaltung des Steuerrechts lassen sich bereits durch eine<br />
Strukturverbesserung des Steuervollzugs, z. B. durch Intensivierung <strong>der</strong> Prüfung<br />
von Steuererklärungen und die Verstärkung <strong>der</strong> Betriebsprüfungen, erhebliche<br />
Einnahmeverbesserungen erzielen. „Vorhandene Steuerquellen müssen besser<br />
ausgeschöpft und Besteuerungsrechte entschlossen durchgesetzt werden“ – so<br />
heißt es im Koalitionsvertrag <strong>der</strong> neuen Bundesregierung, die sich „gemeinsam mit<br />
den Län<strong>der</strong>n um einen effektiven und effizienteren Steuervollzug bemühen“ will<br />
(Koalitionsvertrag B II 2.3). Zu diesem Zweck sollte Personal, welches bei Behörden<br />
des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> infolge aufgabenkritisch bewirkter Stelleneinsparungen<br />
disponibel wird, Verwendung finden.<br />
Sowohl aus Gründen <strong>der</strong> Steuergerechtigkeit als auch unter fiskalpolitischem Aspekt<br />
kommen daneben alle Ansätze zum Schließen von Steuerschlupflöchern und <strong>der</strong><br />
Verhin<strong>der</strong>ung von Missbräuchen und Umgehungen steuerrechtlicher<br />
Tatbestände in Betracht, wie sie inzwischen teilweise ins Verfahren gekommen<br />
sind. 127<br />
Zusammenfassend ist zu den angesprochenen Problembereichen festzustellen, dass<br />
durch eine ernst gemeinte und kompromisslose Bekämpfung von Schattenwirtschaft<br />
und Steuerhinterziehung, aber auch durch einen effizienteren Steuervollzug,<br />
Einnahmepotentiale erschlossen werden können, die von gewaltiger Bedeutung<br />
sind, wobei zusätzlich positive Auswirkungen in gesellschaftlicher Hinsicht zu<br />
erreichen sind.<br />
125<br />
Vgl. Hinweise auf <strong>der</strong> Website des Lehrstuhls Prof. Kirchhof an <strong>der</strong> Universität Heidelberg:<br />
„http://www.kirchhof.uni-hd.de/“.<br />
126<br />
Nach Schätzungen des Münchener Ifo-Instituts gehen dem Staat durch Umsatzsteuerbetrug jährlich<br />
15 Mrd. € verloren.<br />
82
g) Vermeidung von Schäden durch korruptive Machenschaften<br />
Ähnlich wichtig wie die Optimierung <strong>der</strong> Einnahmequellen ist die Vermeidung<br />
größerer Schäden. Solche drohen nicht nur durch Fehler <strong>der</strong> für den Staat<br />
Handelnden, son<strong>der</strong>n in herausragen<strong>der</strong> Weise durch die vielfältigen Formen<br />
kurruptiver Machenschaften. Korruption hat es immer und unter allen Staatsformen<br />
gegeben. In den vergangenen Jahren hat die Zahl <strong>der</strong> Korruptionsskandale in<br />
Deutschland stark zugenommen und das Vertrauen <strong>der</strong> Bürger in die Integrität <strong>der</strong><br />
staatlichen und kommunalen Organisationen erschüttert. Das Problem <strong>der</strong><br />
Bekämpfung korruptiven Handelns liegt darin begründet, dass es bei den direkt<br />
Beteiligten keine Opfer gibt. Leidtragen<strong>der</strong> von Bestechungen und an<strong>der</strong>en Formen<br />
unzulässiger Absprachen ist in <strong>der</strong> Regel die Allgemeinheit, sind die Steuerzahler. Da<br />
durch Aufdeckung von Fällen zumeist nur die Spitze des Eisbergs sichtbar wird, muss<br />
man davon ausgehen, dass die Allgemeinheit jährlich um einen zweistelligen<br />
Milliardenbetrag geschädigt wird. Korruption muss daher im Interesse <strong>der</strong><br />
Allgemeinheit durch Prävention und Kontrolle möglichst wirksam eingedämmt werden.<br />
Bund und Län<strong>der</strong> bemühen sich mit Präventionsprogrammen, bei denen die<br />
Erfahrungen des Bundeskriminalamtes (BKA) und <strong>der</strong> Landeskriminalämter sowie <strong>der</strong><br />
Rechnungshöfe verwertet werden. Die Gremien des Deutschen Städtetages haben<br />
sich in den Jahren 1995 / 96 auf <strong>der</strong> Grundlage eines umfassenden<br />
Forschungsprojekts und Gutachtens des BKA intensiv mit dem Thema <strong>der</strong><br />
Korruptionsprävention befasst. In jener Untersuchung des BKA war festgehalten<br />
worden, dass grundsätzlich keine Sparte <strong>der</strong> Verwaltung von ihrer Aufgabenstellung<br />
her per se als „korruptionsuntauglich“ gelten kann. Allerdings sind einige<br />
Aufgabenbereiche als beson<strong>der</strong>s anfällig und gefährdet zu bewerten. Dazu zählen vor<br />
allem Dienststellen, die öffentliche Aufträge erteilen, Genehmigungen und Erlaubnisse<br />
ausstellen und Mittel vergeben.<br />
In den letzten Jahren haben viele Kommunen ihre Bemühungen <strong>zur</strong> Eindämmung<br />
des Missbrauchs von Amtsfunktionen verstärkt und Anti-Korruptions-Konzepte<br />
erstellt. Unter spezieller Berücksichtigung <strong>der</strong> typischen Schwachstellen wurden<br />
Maßnahmenkataloge <strong>zur</strong> Korruptionsprävention entwickelt, <strong>der</strong>en Schwerpunkte in<br />
127 Vgl. dazu das mit <strong>der</strong> Bundestagsmehrheit Mitte März 2006 beschlossene Gesetz zum „Aus für<br />
weitere Steuervergünstigungen“, das dem Bundesrat im April 2006 <strong>zur</strong> Beratung vorlag. DIE WELT,<br />
18.03.2006, S. 11.<br />
83
den Städten und Gemeinden eine ähnliche Zielsetzung haben. Beson<strong>der</strong>s<br />
erfolgversprechend für solche Bemühungen sind u. a. folgende Ansätze:<br />
– Einrichtung von Anti-Korruptionsstellen bzw. entsprechenden Beauftragten o<strong>der</strong><br />
Arbeitskreisen <strong>zur</strong> Korruptionsprävention,<br />
– gezielte Umstrukturierung des Vergabewesens mit Verstärkung <strong>der</strong> Kontrollen und<br />
<strong>der</strong> Einrichtung von Firmen- und Bieter-Dateien sowie „schwarzen Listen“, evt.<br />
Schaffung einer zentralen Vergabestelle mit speziellem Vergabemanagement,<br />
– Stärkung <strong>der</strong> Innenrevision sowie Einrichtung von mobilen Prüfgruppen, vor allem<br />
beim Rechnungsprüfungsamt,<br />
– verpflichtende Mitzeichnung des Rechnungsprüfungsamts bei Rechtsgeschäften mit<br />
höheren Werten sowie Grundstücksgeschäften,<br />
– Personalrotation und Mehraugen-Prinzip,<br />
– Verstärkung <strong>der</strong> Dienst- und Fachaufsicht in Verbindung mit EDV-gestütztem Prüf-<br />
und Kontrollwesen,<br />
– eindeutige Regelungen für die Annahme von Belohnungen und Geschenken.<br />
Wichtig sind daneben regelmäßige Informationen und die Sensibilisierung <strong>der</strong><br />
Beschäftigten. Es darf nicht übersehen werden, dass auch die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
kommunalen Vertretungskörperschaften zu Beteiligten korruptiver Machenschaften<br />
werden können, da auch sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Zu <strong>der</strong> Frage, ob sie<br />
Amtsträger im Sinne des Strafrechts sein können, hat es im Frühjahr 2006<br />
unterschiedliche Gerichtsentscheidungen gegeben.<br />
Die menschliche Erfahrung lehrt, dass <strong>der</strong> Missbrauch von Amtsfunktionen selbst<br />
durch die intelligentesten Sicherheitssysteme nicht ausgeschlossen werden kann. Es<br />
muss jedoch das Ziel <strong>der</strong> Korruptionspräventionsstrategie sein, möglichst viel<br />
Transparenz zu schaffen und denkbare Verstöße zu erschweren sowie das Risiko,<br />
entdeckt zu werden, maßgeblich zu erhöhen. Diese Zielsetzung ist nicht nur deshalb<br />
wichtig, weil durch Korruption erhebliche Schäden verursacht werden, <strong>der</strong>en<br />
wirksame Reduzierung die öffentlichen Kassen spürbar entlastet. Neben den<br />
materiellen Folgen entsteht ein großer immaterieller Schaden dadurch, dass das<br />
Vertrauen <strong>der</strong> Bürger in den Rechtsstaat leidet und die Politikverdrossenheit<br />
geför<strong>der</strong>t wird. Auch deshalb liegt es im Interesse aller staatlichen und kommunalen<br />
Stellen, in dem Bemühen um eine wirksame Korruptionsprävention nicht nachzulassen<br />
und die Beschäftigten sowie die Vertreter <strong>der</strong> Entscheidungsorgane regelmäßig zu<br />
84
sensibilisieren. Hierbei kann die Aufstellung von Ethikregeln eine ergänzende Hilfe<br />
sein.<br />
h) Fazit zu Teil 2: Durchgreifende Erfolge nicht kurzfristig zu erwarten<br />
In Teil 2 wurden vorrangig Vorschläge entworfen, zu <strong>der</strong>en Umsetzung es <strong>der</strong><br />
Mitwirkung mehrerer staatlicher Ebenen bedarf. Ein solches Zusammenwirken<br />
nimmt wegen <strong>der</strong> komplexen Beratungs- und Entscheidungswege erfahrungsgemäß<br />
sehr viel Zeit in Anspruch. Die Willensbildung im Bundestag – wie in den Landtagen<br />
– setzt jeweils Mehrheiten voraus, die um so schwieriger zu erreichen sind, je<br />
unpopulärer die einzelnen Vorhaben sind. Das gilt selbst dann, wenn die<br />
Verantwortlichen guten Willens sind und die richtigen Erkenntnisse gewonnen haben.<br />
In den letzten Jahren o<strong>der</strong> gar Jahrzehnten haben sich notwendige Diskussionen<br />
teilweise aus den Parlamenten in öffentliche Talkshows verlagert, bei denen sich auch<br />
Politiker gern selbst darstellen. Die Entscheidungsfreudigkeit wird dadurch nicht<br />
unbedingt geför<strong>der</strong>t. Für eine Mehrheitsbildung im Bundesrat ist die<br />
Regierungswirklichkeit in den Bundeslän<strong>der</strong>n von nachhaltiger Bedeutung. Die<br />
Regierungen haben in den Län<strong>der</strong>n teilweise unterschiedliche politische Strukturen.<br />
Aus allen diesen Gründen ziehen sich Meinungsbildungen und<br />
Entscheidungsfindungen zu wichtigen Reformthemen häufig über viele Jahre hinweg.<br />
Das lässt sich exemplarisch belegen durch Reizworte wie Steuer-, Renten- o<strong>der</strong><br />
Gesundheitsreform; es gilt in ähnlicher Weise für die Fö<strong>der</strong>alismusreform.<br />
Durchgreifende Erfolge auf dem Wege <strong>zur</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen<br />
in Deutschland sind daher nicht kurzfristig zu erreichen. Diese Perspektive verlangt<br />
nach ergänzenden Denkmodellen und Vorschlägen.<br />
85
Teil 3: Ergänzende Denkmodelle und Vorschläge<br />
In Teil 1 wurden Vorschläge entwickelt, die sich von Fall zu Fall aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong><br />
kommunalen Finanzsituation ergeben. Darüber hinaus wurde aufgezeigt, was die<br />
Kommunen selbst bereits an Anstrengungen unternehmen und in Zukunft noch<br />
zusätzlich leisten können, um einen finanzwirtschaftlichen Kollaps möglichst zu<br />
verhin<strong>der</strong>n. In Teil 2 wurden Möglichkeiten untersucht, die durch ein strategisches<br />
Zusammenwirken von Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden genutzt werden sollten. In<br />
diesem Teil 3 sollen Denkmodelle und Vorschläge erläutert werden, die sich gezielt<br />
entwe<strong>der</strong> an den Bund o<strong>der</strong> an das Land richten und im Einzelfall auch die Ebene<br />
<strong>der</strong> EU betreffen.<br />
a) For<strong>der</strong>ungen an Bundestag und Bundesrat<br />
1) Nachhaltige finanzielle Absicherung <strong>der</strong> Kommunen durch eine gerechte<br />
Gemeindefinanzreform<br />
Seit Jahren haben maßgebliche Vertreter von Bundestag, Bundesregierung und<br />
Bundesrat die Notwendigkeit einer grundlegenden Gemeindefinanzreform bestätigt. Im<br />
Mai 2002 trat in Berlin die Kommission <strong>zur</strong> Reform <strong>der</strong> Gemeindefinanzen zu ihrer<br />
konstituierenden Sitzung zusammen. Aus unterschiedlichsten Gründen ist die<br />
mehrfach angekündigte, schließlich für 2004 geplante Reform des kommunalen<br />
Finanzsystems bis heute ausgeblieben. Das ist umso verhängnisvoller, als die<br />
finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit vieler Kommunen immer mehr unter Druck<br />
geraten ist. Die Notwendigkeit zu einem raschen und nachhaltig wirksamen Handeln<br />
braucht nicht weiter begründet zu werden. Es ist auch müßig, den Ursachen für das<br />
Scheitern <strong>der</strong> bisher oft gut gemeinten Reformansätze nachzugehen. An die Stelle<br />
<strong>der</strong> bisherigen „Kleinreparaturen“ bei einzelnen Steuerarten muss dringend eine<br />
Reform aus einem Guss treten, die dem Auftrag des Grundgesetzes entspricht.<br />
Nach Art. 28, Abs. 2 GG muss den Gemeinden gewährleistet sein, alle<br />
Angelegenheiten <strong>der</strong> örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung und mit dem<br />
Recht <strong>der</strong> Selbstverwaltung zu regeln, wozu auch eine entsprechende finanzielle<br />
Basis garantiert sein muss. Bereits in <strong>der</strong> Einleitung zu dieser Studie ist <strong>der</strong><br />
86
Anspruch <strong>der</strong> Kommunen auf adäquate Finanzausstattung näher begründet<br />
worden.<br />
Die kommunalen Spitzenverbände haben wie<strong>der</strong>holt an den Bundestag und die<br />
Bundesregierung und inzwischen auch an die neue Bundesregierung appelliert, die<br />
Gemeindefinanzverfassung grundlegend zu überarbeiten und dabei die seit langem<br />
bekannten Missstände des bisherigen Systems zu beseitigen. Hierbei geht es nicht<br />
nur allgemein um eine größere Finanzmasse. Vielmehr gilt es u. a., an die Stelle des<br />
gewohnten konjunkturbedingten erheblichen Auf und Ab <strong>der</strong> bedeutsamen<br />
Gewerbesteuereinnahmen einen stetigeren Einnahmefluss zu setzen. Sodann ist<br />
es erfor<strong>der</strong>lich, die Steuerkraft strukturschwacher Städte erheblich zu stärken.<br />
Schließlich geht es generell um eine gerechtere Verteilung entsprechend <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Aufgabenstellung <strong>der</strong> Beteiligten. Eines <strong>der</strong> Kernprobleme des<br />
bisherigen Finanzsystems besteht darin, dass <strong>der</strong> gebotene Finanzausgleich<br />
zwischen größeren Städten und den kleineren Umlandgemeinden nicht<br />
funktioniert und auch durch die Finanzausgleichsgesetze <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> nicht<br />
gewährleistet wird. Bekanntlich produzieren und transferieren größere Städte als<br />
Zentren <strong>der</strong> Administration, <strong>der</strong> Bildung und Kultur bedeutende Leistungen auch für<br />
und in das Umland und übernehmen sie – nicht unbedingt gewollt – als<br />
Sammelbecken für soziale Problemgruppen eine gewisse Mitversorgung <strong>der</strong><br />
Umlandgemeinden, ohne für diese Leistungen und Angebote von den<br />
Nachbargemeinden ausreichende Beiträge erlangen zu können. Seit Jahrzehnten ist<br />
zu beobachten, dass diese Stadt-Umland-Problematik durch Abwan<strong>der</strong>ung aus<br />
den größeren Gemeinden verstärkt wird. Diese und an<strong>der</strong>e Probleme sind in <strong>der</strong><br />
Gemeindefinanzkommission ausgiebig diskutiert worden, wobei sich gezeigt hat, dass<br />
es unverzichtbar ist, vor <strong>der</strong> Umsetzung von Än<strong>der</strong>ungsvorschlägen <strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen in Modellrechnungen abzuprüfen.<br />
Deshalb ist <strong>der</strong> Auffassung des Präsidiums des Deutschen Städtetages (Beschluss<br />
vom 20. September 2005) zuzustimmen. Danach müssen sich aus Sicht <strong>der</strong> Städte<br />
alle Vorschläge <strong>zur</strong> Än<strong>der</strong>ung des Gemeindesteuersystems an folgenden Zielen<br />
orientieren:<br />
– eine deutlich stetigere Entwicklung <strong>der</strong> städtischen Steuereinnahmen,<br />
– eine erhebliche Stärkung <strong>der</strong> Steuerkraft strukturschwacher Städte,<br />
– die ungeschmälerte Erhaltung des finanziellen Bindegliedes zwischen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
und ihren Hauptstandorten, den Städten,<br />
87
– die uneingeschränkte Gewährleistung unverzichtbarer finanzieller<br />
Handlungsspielräume durch das Hebesatzrecht bei <strong>der</strong> wirtschaftsbezogenen<br />
Gemeindesteuer.<br />
Än<strong>der</strong>ungsvorschläge müssen ferner den Anfor<strong>der</strong>ungen des Art. 28, Abs. 2 GG<br />
gerecht werden. Solange für die Reform <strong>der</strong> Gemeindefinanzverfassung kein<br />
Vorschlag in Sicht ist, <strong>der</strong> den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Städte gerecht wird, erwartet die<br />
Bundesvereinigung <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände ein Festhalten an <strong>der</strong><br />
Gewerbesteuer. Unabhängig von <strong>der</strong> Frage, ob die Gewerbesteuer im Rahmen einer<br />
Gemeindefinanzreform auf den Prüfstand kommt, müssen so bald wie möglich die<br />
Missstände behoben werden, zu denen es durch mehrere Än<strong>der</strong>ungsschritte <strong>der</strong><br />
vergangenen Jahre gekommen ist. Vor allem durch die Anhebung von Freibeträgen<br />
hat sich die Gewerbesteuer immer mehr in die Richtung einer<br />
Großbetriebssteuer entwickelt.<br />
– So verzeichnet das Stadtsteueramt in Essen bei etwa 42.000 aktuell gemeldeten<br />
Gewerbebetrieben nur etwa 6.300 Gewerbesteuerzahler, also nur 15 %.<br />
– In Wuppertal beträgt dieser Anteil 16 %; die 10 größten Steuerzahler <strong>der</strong><br />
Bergischen Metropole entrichten 41 % des Vorauszahlungssolls.<br />
– Selbst in <strong>der</strong> strukturell erheblich günstiger ausgerichteten Stadt Düsseldorf zahlen<br />
von 30.335 angemeldeten Gewerbebetrieben nur 8.985 (29,6 %) diese Steuer, <strong>der</strong><br />
große „Rest“ von mehr als 21.000 Betrieben liegt unter den Freigrenzen. In <strong>der</strong><br />
Landeshauptstadt erbringen übrigens die 10 größten Steuerzahler mehr als 28 % des<br />
Aufkommens und die 50 größten Steuerzahlen leisten rund 50 %.<br />
Unter Berücksichtigung dieser Fakten bedarf es dringlich einer Verbreiterung <strong>der</strong><br />
Bemessungsgrundlage und einer Ausweitung des Kreises <strong>der</strong> Steuerpflichtigen,<br />
um eine Verstetigung des Aufkommens zu erreichen und zugleich mehr<br />
Steuergerechtigkeit zu erzielen.<br />
Aus allen diesen Gründen kann man den folgenden Formulierungen des<br />
Koalitionsvertrages <strong>der</strong> neuen Bundesregierung grundsätzlich zustimmen:<br />
„Die Kommunalfinanzen müssen auch zukünftig auf einer soliden Basis stehen.<br />
Die Fortentwicklung <strong>der</strong> Gewerbesteuer ist im zeitlichen und sachlichen<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Fortentwicklung <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung zu<br />
entscheiden. Unser Ziel ist eine wirtschaftsbezogene kommunale<br />
Unternehmensbesteuerung mit Hebesatzrecht, die administrativ handhabbar ist, den<br />
88
Kommunen insgesamt ein stetiges Aufkommen sichert, die interkommunale<br />
Gerechtigkeit wahrt und keine Verschiebung <strong>der</strong> Finanzierung zu Lasten <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer vorsieht. Wir werden die Gewerbesteuer nur ersetzen, wenn für eine<br />
Alternative hinreichend genaue Kenntnisse über die Verteilungsfolgen vorliegen.“<br />
(Koalitionsvertrag CDU, CSU, SPD – 11.11.2005, B II 2.2)<br />
2) Än<strong>der</strong>ung des Solidarpakts: Angemessene Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Strukturschwäche westdeutscher Kommunen<br />
In den bevorstehenden Beratungen <strong>zur</strong> Gemeindefinanzreform muss ein weiterer<br />
Missstand kritisch geprüft und beseitigt werden, <strong>der</strong> sich zunehmend bei den<br />
Leistungen <strong>der</strong> westdeutschen Kommunen für den Solidarpakt zeigt. Seit 1991<br />
müssen die Kommunen des alten Bundesgebiets die erheblichen Transferleistungen<br />
an die fünf neuen Bundeslän<strong>der</strong> und Berlin mittragen. Die Leistungspflicht <strong>der</strong><br />
Kommunen bemisst sich nach <strong>der</strong> Gewerbesteuer und den Schlüsselzuweisungen.<br />
Der Umfang <strong>der</strong> Belastung sei mit folgenden Beispielen verdeutlicht:<br />
Im Haushaltsplan <strong>der</strong> Stadt Wuppertal sind unter „Fonds Deutsche Einheit“ für das<br />
Jahr 2006 als „Anteil Gewerbesteuerumlage“ rund 14,5 Mio. € und als „Anteil<br />
Schlüsselzuweisungen“ 1 Mio. €, zusammen also 24,5 Mio. € vorgesehen, obwohl die<br />
Stadt für das Jahr 2005 einen Fehlbetrag von rund 520 Mio. € ausgewiesen hat,<br />
wovon 343 Mio. als Altfehlbetrag und fast 177 Mio. als jahresbezogenes strukturelles<br />
Defizit zu werten sind.<br />
– Vgl. Anlage 8: „Entwicklung <strong>der</strong> strukturellen Fehlbeträge 1992 bis 2010“ <strong>der</strong> Stadt<br />
Wuppertal –<br />
Die Stadt Essen hat sich von 1991 bis 2005 mit insgesamt mehr als 420 Mio. € an<br />
den Kosten <strong>der</strong> deutschen Einheit beteiligt, was mittelbar massiv zum Ansteigen des<br />
Kassenkredits beigetragen hat. 128<br />
Basis für die aufgrund des Einigungsvertrages von 1990 beschlossenen gewaltigen<br />
Transferleistungen an die Län<strong>der</strong> im Osten Deutschlands waren die damalige<br />
Situation mit den teilungsbedingten Son<strong>der</strong>lasten aus dem starken infrastrukturellen<br />
Nachholbedarf sowie die eklatanten Finanzkraftunterschiede <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und<br />
128 Haushaltsrede 2005 des Stadtkämmerers Nieland vom 27.04.2005.<br />
89
Kommunen in West und Ost. Die Ausgangslage hat sich seitdem erheblich verän<strong>der</strong>t.<br />
Inzwischen sind die Kommunen im Osten nicht mehr generell finanziell<br />
schlechter strukturiert als die Kommunen im Westen. Dem Fraktionsvorsitzenden<br />
<strong>der</strong> CDU im Düsseldorfer Landtag Helmut Stahl ist in <strong>der</strong> Wertung zuzustimmen, dass<br />
es bei den Lebensverhältnissen in Deutschland nicht mehr vorrangig ein West-Ost-<br />
Gefälle, son<strong>der</strong>n ein Süd-Nord-Gefälle gebe. Deshalb seien Än<strong>der</strong>ungen am<br />
Solidarpakt vorzunehmen, die Mittel müssten „so verteilt werden, dass sie dort<br />
ankommen, wo die Not am größten ist“. 129 Mehrere Finanzdezernenten <strong>der</strong> Städte<br />
haben sich in ähnlicher Weise geäußert, insbeson<strong>der</strong>e nachdem sich die Stadt<br />
Dresden durch den Verkauf ihres Wohnungsbestandes aller Schulden entledigt hatte.<br />
Der Stuttgarter Stadtkämmerer Michael Föll hatte geäußert, dass die Grenzlinie<br />
zwischen Arm und Reich längst nicht mehr entlang <strong>der</strong> einstigen innerdeutschen<br />
Grenze zu ziehen sei; „wenn ein Frem<strong>der</strong> zunächst Dresden und dann Gelsenkirchen<br />
besucht, ohne zu wissen, wo er ist, <strong>der</strong> hält doch Gelsenkirchen für die DDR“. 130 Der<br />
Dortmun<strong>der</strong> Stadtkämmerer Pehlke for<strong>der</strong>te ein Nachdenken über die gegenwärtigen<br />
För<strong>der</strong>strukturen in Deutschland. Es könne nicht angehen, dass wirtschaftlich<br />
schwächere Städte zahlen müssen, die stärkeren aber kassierten. 131<br />
In den anstehenden Beratungen <strong>zur</strong> Gemeindefinanzreform müssen die aktuellen<br />
Gegebenheiten, aber auch die abzusehenden Entwicklungen beachtet werden. Ein<br />
markantes Indiz für das starke Süd-Nord-Gefälle ist die Sozialhilfequote <strong>der</strong> Kreise<br />
und kreisfreien Städte in Deutschland, wie sie <strong>der</strong> Studie „Sozialhilfe regional 2004“<br />
des Statistischen Bundesamts zu entnehmen ist. 132 Das dieser Studie beigefügte<br />
Kartenmaterial zeigt nicht nur für größere Teile <strong>der</strong> neuen Bundeslän<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n<br />
auch für Hamburg, Bremen, Nie<strong>der</strong>sachsen und NRW größere Gebiete mit mehr als 4<br />
% „Sozialhilfequote“, während solche Regionen in Bayern, Baden-Württemberg und<br />
Rheinland-Pfalz und sogar für Sachsen und Thüringen in den Hintergrund treten. 133<br />
Ein bedeutendes Indiz für die in den einzelnen kreisfreien Städten und Kreisen <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung ist in den Prognosen<br />
zum demographischen Wandel zu sehen. Hierzu ist vor allem an den von <strong>der</strong><br />
Bertelsmann Stiftung im Februar 2006 vorgelegten und eingehend begründeten<br />
129<br />
Westdeutsche Zeitung, 08.04.2006, S. 4.<br />
130<br />
Süddeutsche Zeitung, 30.03.06, S. 10.<br />
131<br />
Quelle wie vor.<br />
132<br />
DIE WELT, 24.03.2006, S. 4.<br />
133<br />
Als „Sozialhilfequote“ in diesem Sinne wird <strong>der</strong> „Anteil <strong>der</strong> Empfänger laufen<strong>der</strong> Hilfe zum<br />
Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen an <strong>der</strong> Bevölkerung verstanden“.<br />
90
„Wegweiser demographischer Wandel“ sowie die im März herausgebrachte Studie des<br />
Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung „Die demographische Lage <strong>der</strong><br />
Nation“ zu erinnern; vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen in Teil 1 d) 9.<br />
Die maßgeblichen Verantwortlichen in Bundestag und Bundesrat sollten sich den<br />
vorstehend geschil<strong>der</strong>ten Fakten und Perspektiven nicht entziehen, son<strong>der</strong>n sich<br />
aufgefor<strong>der</strong>t sehen und verantwortlich fühlen, die entsprechenden Konsequenzen für<br />
die notwendigen Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gemeindefinanzverfassung zu ziehen.<br />
3) Reduzierung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
Die Große Koalition in Berlin hat die seltene Chance, auch Gesetzesvorhaben<br />
anzupacken, zu <strong>der</strong>en erfolgreichem Zustandekommen beson<strong>der</strong>s qualifizierte<br />
Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat gegeben sein müssen. Die strukturelle<br />
Neuordnung des Bundesgebietes mit dem Ziel einer deutlichen Reduzierung <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> bedarf einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern (Art. 79 GG). Sie<br />
ist seit Jahrzehnten immer wie<strong>der</strong> mit guten Gründen gefor<strong>der</strong>t worden.<br />
Das Grundgesetz enthielt ursprünglich einen Passus, nach dem das Bundesgebiet<br />
neu zu glie<strong>der</strong>n „ist“. Daraus wurde „aus politischen Gründen“ eine Kann-Bestimmung.<br />
Art. 29 GG enthält inzwischen hohe Hürden für eine Umsetzung des früheren<br />
Verfassungsauftrags. Notwendig ist danach ein Volksentscheid in den betroffenen<br />
Län<strong>der</strong>n mit komplizierten und hohen Quoren. Wegen dieser Problematik wurde im<br />
Jahre 1994 das Grundgesetz für die angestrebte Fusion von Berlin und Brandenburg<br />
ergänzt, wodurch das Verfahren erleichtert werden sollte (Art. 118 a GG). Die geplante<br />
Län<strong>der</strong>ehe von Berlin und Brandenburg kam dennoch nicht zustande. Seitdem wird<br />
eine fö<strong>der</strong>ale Neuordnung vor allem mit Blick auf die bevölkerungsschwachen und<br />
finanziell stark belasteten neuen Län<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> diskutiert. Das Grundgesetz<br />
legt nach wie vor fest, dass zu gewährleisten sei, „dass die Län<strong>der</strong> nach Größe und<br />
Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.“ Ferner<br />
sollen landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen<br />
Zusammenhänge, aber auch die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit berücksichtigt<br />
werden.<br />
Zumindest beim ehrlichen Blick auf das Wort <strong>der</strong> notwendigen<br />
„Leistungsfähigkeit“ <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> müsste jede Debatte verstummen. Ohne die<br />
übliche ganz massive Umverteilung im Län<strong>der</strong>finanzausgleich wären neben den<br />
91
neuen Bundeslän<strong>der</strong>n die Län<strong>der</strong> Bremen und Saarland längst am Ende aller<br />
Möglichkeiten angekommen. Das belegt u. a. ein Gutachten von 2005, welches <strong>der</strong><br />
Stadtstaat Bremen zum Thema <strong>der</strong> Sanierungsmöglichkeiten für das Land in Auftrag<br />
gegeben hatte. Eine <strong>der</strong> Kernthesen des Gutachtens lautete dahin, dass das Land<br />
Bremen möglicherweise „nur als Teilglied eines größeren Staatengebildes“ <strong>der</strong><br />
andauernden Haushaltskrise entkommen könne. 134<br />
Die vielen schwachen Län<strong>der</strong>, die ständig als Kostgänger <strong>der</strong> finanzstärkeren<br />
Län<strong>der</strong> überleben, blockieren seit Jahrzehnten jeden vernünftigen Reformansatz.<br />
Umso erstaunlicher ist es, dass Bundesverkehrsminister Tiefensee, <strong>der</strong> zugleich für<br />
den „Aufbau Ost“ zuständig ist, im Dezember 2005 die drei Ostlän<strong>der</strong> Sachsen-<br />
Anhalt, Sachsen und Thüringen als „Fehlkonstruktion“ bezeichnete, die<br />
„irrsinnig viel Geld kostet“. 135 Ähnlich überraschend und erfreulich ist es, wenn sich<br />
<strong>der</strong> SPD-Spitzenpolitiker von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, dafür einsetzt,<br />
dass es künftig statt 16 nur noch 9 Bundeslän<strong>der</strong> geben soll. 136 Schützenhilfe<br />
bekam Bullerjahn vom Hamburger Bürgermeister Ole von Beust.<br />
– Vgl. dazu die Karte zum Plan einer Neuordnung <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> in Anlage 9 –<br />
Wichtige Argumente für eine starke Reduzierung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> seien<br />
genannt:<br />
– Die Unterschiede <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> nach Einwohnerzahl und Fläche sind teilweise<br />
extrem groß. Gemessen am Land Bremen (663.000 Einwohner) mit etwa 2/3 <strong>der</strong><br />
Einwohner <strong>der</strong> Stadt Köln o<strong>der</strong> mit dem Blick auf das Saarland (1.052.000 Ew.) könnte<br />
es beispielsweise in NRW eine ganz erkleckliche Zahl von Bundeslän<strong>der</strong>n geben.<br />
Selbst unter Berücksichtigung <strong>der</strong> historischen und landsmannschaftlichen<br />
Verbundenheit wären es mindestens die „zwei Län<strong>der</strong>“ Rheinland und Westfalen, evtl.<br />
dazu noch das „Land Lippe“.<br />
– Die Stimmenverteilung im Bundesrat ist im Verhältnis zu den vertretenen<br />
Einwohnern höchst unausgewogen, – ja beinahe als absurd zu bezeichnen. So<br />
haben z. B. die fünf neuen Län<strong>der</strong> im Bundesrat gemeinsam 19 Stimmen, dagegen<br />
verfügt NRW mit mehr Einwohnern lediglich über 6 Stimmen.<br />
134 Vgl. Bericht in DIE WELT, 06.12.2005: „Neues Deutschland. Die deutsche Kleinstaaterei ist teuer<br />
und ineffizient ...“.<br />
135 Quelle wie vor.<br />
136 Quelle wie vor.<br />
92
– Es sind gewaltige Synergieeffekte zu erwarten. Die Einsparungen sollen nach<br />
Expertenmeinung in einem nennenswerten zweistelligen Mrd.-Euro-Bereich liegen.<br />
– Das Funktionieren des Bundesstaates dürfte erheblich vereinfacht werden.<br />
– Die gesamtstaatliche Finanzverfassung ließe sich effektiver gestalten.<br />
– Schließlich würden deutlich weniger Landtagswahlen durchzuführen sein, <strong>der</strong>en<br />
bisherige Häufigkeit von Vertretern <strong>der</strong> Politik aus unterschiedlichsten Gründen oft<br />
kritisiert wird.<br />
Die sachlichen Argumente haben im Laufe <strong>der</strong> Zeit an Gewicht gewonnen. Im Übrigen<br />
ist die in 16 Bundeslän<strong>der</strong>n verkörperte „Kleinstaaterei“ von <strong>der</strong> Geschichte längst<br />
überholt. Der oft mit Recht kritisierte Bildungswirrwarr, die unnötig potenzierten<br />
Sicherheitsrisiken und vor allem die überflüssigen gewaltigen Bürokratiekosten<br />
erschweren die Zukunftsfähigkeit Deutschlands im Zeitalter von Europäisierung und<br />
Globalisierung enorm.<br />
Die kritisierte These vom „Durchregieren“ sollte umgemünzt werden in das Ziel einer<br />
harmonischen Bewältigung dieser großen Herausfor<strong>der</strong>ung, die sich auf die Dauer<br />
nicht nur im Blick auf die weitere innere Stabilisierung Europas sehr positiv für<br />
Deutschland auswirken dürfte.<br />
4) Verlängerung <strong>der</strong> Wahlperiode für den Bundestag auf 5 Jahre und Bündelung<br />
<strong>der</strong> Landtagswahltermine<br />
Eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, die angesichts <strong>der</strong><br />
gegenwärtigen politischen Konstellation in Berlin erreichbar erscheint, ist auch für die<br />
Verlängerung <strong>der</strong> Wahlperiode für den Bundestag auf 5 Jahre erfor<strong>der</strong>lich. Eine<br />
solche Verlängerung <strong>der</strong> Legislaturperiode ist seit einigen Monaten wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Diskussion. So haben <strong>der</strong> Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wie auch die<br />
Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) sich dafür ausgesprochen, ab<br />
2009 alle 5 Jahre zu wählen. 137 Dem Bundestagspräsidenten ist zuzustimmen, wenn<br />
er darauf hinweist, dass sich die bisherige Praxis insbeson<strong>der</strong>e für komplexe<br />
Gesetzesvorlagen als zu kurz erweise, zumal „die Wahlkämpfe ja schon ein Jahr ihre<br />
Schatten vorauswerfen“. 13 <strong>der</strong> 16 Bundeslän<strong>der</strong>, aber auch Frankreich, Italien und<br />
das EU-Parlament hätten gute Erfahrungen mit fünfjährigen Wahlperioden gemacht. 138<br />
137 DIE WELT, 03.12.2005, „Vorstoß für Verlängerung <strong>der</strong> Wahlperiode kommt gut an“.<br />
138 Quelle wie vor.<br />
93
In seinem Kommentar „Gesetzgebung statt Wahlkampf“ analysiert Konrad Adam 139 die<br />
bisherigen Erfahrungen zutreffend mit <strong>der</strong> Beschreibung, es seien tatsächlich ja nicht<br />
4, son<strong>der</strong>n allenfalls 2 bis 3 Jahre, die dem Parlament für seine Hauptaufgabe, die<br />
Gesetzgebung, <strong>zur</strong> Verfügung stünden; <strong>der</strong> Rest gehe für die Vorbereitung des<br />
nächsten Wahlkampfes und die Erholung von den Wunden drauf, die <strong>der</strong> letzte<br />
geschlagen habe. Der Bundestag könne daher nur gewinnen, wenn es ihm möglich<br />
wäre, durch eine Ausweitung <strong>der</strong> wahlkampffreien Zone Zeit zu gewinnen, die er<br />
am besten dazu nutzen würde, nicht mehr, son<strong>der</strong>n bessere Gesetze zu machen.<br />
Obwohl es bei Landtagswahlen von <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache her nicht um Bundespolitik<br />
geht, wirken sich die Wahlkämpfe häufig ganz erheblich auf die Berliner Szene aus.<br />
Eine terminliche Bündelung <strong>der</strong> – <strong>der</strong>zeit noch – 16 Landtagswahlen auf 3 o<strong>der</strong> 4<br />
Wahltage innerhalb <strong>der</strong> Legislaturperiode des Bundestages würde ebenfalls zu<br />
einer gewissen Entkrampfung <strong>der</strong> Bundespolitik beitragen und die häufig<br />
mehrmonatigen und lähmenden Dauerwahlkampfzeiten beträchtlich eingrenzen.<br />
Die Große Koalition wäre gut beraten, diese Chancen zu nutzen. Die Belohnung läge<br />
in einer versachlichten Gesetzgebungstätigkeit und einer effizienteren<br />
Regierungsarbeit und dadurch bedingt vermutlich auch in einer nicht unbedeutenden<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Kosten des staatlichen Handelns. Zugleich würde man <strong>der</strong><br />
allgemeinen Politikverdrossenheit entgegenwirken.<br />
5) Begrenzung <strong>der</strong> Zahlungsverpflichtungen gegenüber <strong>der</strong> EU<br />
Die innerstaatliche Finanzmasse in Deutschland wird durch die<br />
Zahlungsverpflichtungen <strong>der</strong> Bundesrepublik gegenüber <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
(EU) maßgeblich beeinflusst. Falls eine spürbare Entlastung gelänge, würden<br />
dadurch dem deutschen Fiskus viel erspart bleiben und die finanzwirtschaftliche<br />
Konsolidierung <strong>der</strong> drei staatlichen Ebenen erheblich erleichtert. Deshalb ist ein Blick<br />
hinter die Kulissen <strong>der</strong> politischen Gremien <strong>der</strong> EU lohnenswert. Der deutsche<br />
Finanzierungsanteil am EU-Haushalt 140 lag im Jahr 2003 bei 23 %. Mit den jüngsten<br />
Beschlüssen <strong>zur</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinschaft konnte endlich die seit langem<br />
gebotene Entlastung Deutschlands eingeleitet werden, indem <strong>der</strong> bisherige lediglich<br />
139 DIE WELT; 02.12.2005.<br />
140 Die für die EU genannten Zahlen sind Pressemitteilungen <strong>der</strong> EU entnommen und in <strong>der</strong> offiziellen<br />
EU-Statistik – „Eurostat“ – zu finden.<br />
94
politisch begründete Rabatt für Großbritannien (GB) modifiziert wurde. Die<br />
Haushaltsbeiträge Deutschlands betrugen für 2005 immer noch rund 21,3 Mrd. €.<br />
Deutschland bleibt überdies mit weitem Abstand <strong>der</strong> größte Nettozahler <strong>der</strong> EU,<br />
obwohl die Konjunktur in <strong>der</strong> größten Volkswirtschaft <strong>der</strong> Gemeinschaft – im<br />
Gegensatz zu einigen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n – seit langem lahmt. Irland dagegen, das<br />
<strong>der</strong>zeit über eine prosperierende Wirtschaft verfügt, erhält nach wie vor massive<br />
Netto-Zuweisungen aus Brüssel. Im Jahr 2004 flossen per Saldo fast 1,6 Mrd. € auf<br />
die grüne Insel, während <strong>der</strong> deutsche Fiskus netto rund 7,1 Mrd. € nach Brüssel<br />
abführte.<br />
Die Bemessung <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge richtet sich nach mehreren Kriterien, die zumeist<br />
eine längere Geschichte aufweisen und für sich gesehen auch heute noch<br />
nachvollziehbar sind. Zu hinterfragen sind jedoch die hohen Agrarsubventionen, die z.<br />
B. die Netto-Leistungen Frankreichs erheblich begrenzen, und <strong>der</strong> verbleibende GB-<br />
Rabatt. Die Verteilungssystematik ist deshalb stark anzuzweifeln. Die<br />
Bundesregierung kann auf gewichtige Gründe verweisen und sollte sich auch in<br />
Zukunft mit allen Mitteln für eine gerechtere Lastenverteilung innerhalb <strong>der</strong> weiter<br />
wachsenden Gemeinschaft einsetzen. Bei diesen Bemühungen ist ein Blick in die<br />
Realität <strong>der</strong> einzelnen Volkswirtschaften sehr hilfreich. Gemessen am<br />
Bruttoinlandsprodukt (BIP) zählt z. B. das Nehmerland Irland weltweit zu den<br />
reichsten Län<strong>der</strong>n. Im Jahr 2004 lag das BIP pro Kopf in Irland, beziffert in<br />
Kaufkraftstandards, innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong> 25 EU-Län<strong>der</strong> hinter dem<br />
Ausnahmefall Luxemburg an zweiter Stelle und um 38 % über dem Durchschnitt,<br />
wohingegen <strong>der</strong> „Hauptsponsor“ Deutschland den Durchschnitt lediglich um 9 %<br />
überragte. Großbritannien lag um 17 % über dem Durchschnitt, hatte aber 2004<br />
lediglich 2,8 Mrd. € netto aufzubringen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> aktuellen Ausdehnung <strong>der</strong> EU mit dem Beitritt von Län<strong>der</strong>n, die<br />
überwiegend einen erheblichen Nachholbedarf geltend machen, kommt es auf die<br />
richtige Weichenstellung, vor allem für die För<strong>der</strong>ung von Investitionen in jenen<br />
Län<strong>der</strong>n an. So ist insbeson<strong>der</strong>e zu fragen, ob es richtig und gegenüber den<br />
Nettozahlern verantwortbar ist, dass in <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Privatinvestoren in<br />
den neuen Mitgliedslän<strong>der</strong>n massive Zahlungen für Investitionen erhalten, die<br />
auch ohne diese Zulagen durchgeführt würden und sogar bereits wurden, weil z.<br />
B. die Lohnkostendifferenz so eminent hoch ist, dass diese Differenz allein schon die<br />
Investition lohnend macht.<br />
95
Diese Zahlen und Fakten zeigen Missverhältnisse auf, die es – durchaus im Sinne<br />
<strong>der</strong> großen Gemeinschaft – zu beheben gilt. Auch in an<strong>der</strong>er Weise nimmt die EU<br />
zunehmend Einfluss auf das Gebaren aller staatlichen Ebenen in Deutschland, auch<br />
auf jene <strong>der</strong> Kommunen. Schon <strong>der</strong> „Gemeindefinanzbericht 2000“ des Deutschen<br />
Städtetags, jene wichtigste Veröffentlichung des Jahres des größten deutschen<br />
kommunalen Spitzenverbandes, widmete sich aus gewichtigen Gründen dieser<br />
Thematik. Der Titel jenes Berichtes lautete vor 5 Jahren „Städtische Finanzen im<br />
Griff von EU, Bund und Län<strong>der</strong>n“. Der Leitartikel trug übrigens die Überschrift „Die<br />
Reform <strong>der</strong> Gemeindefinanzen ist überfällig!“ Damals beklagte man „die<br />
Wettbewerbspolitik <strong>der</strong> EU, mit ihren erheblichen finanziellen Auswirkungen, die umso<br />
dramatischer sind, wenn <strong>der</strong> deutsche Gesetzgeber – wie bei <strong>der</strong> Liberalisierung des<br />
Strommarktes – bei <strong>der</strong> Umsetzung in nationales Recht Optionen des EU-Rechts nicht<br />
zu Gunsten <strong>der</strong> Städte nutzt. Die Liberalisierung im öffentlichen Personennahverkehr<br />
und bei <strong>der</strong> Gasversorgung, Eingriffe in den Rechtsrahmen <strong>der</strong> Sparkassen werden<br />
die Haushalte <strong>der</strong> Städte zusätzlich belasten“. Diese Befürchtungen haben sich<br />
weitgehend bewahrheitet. Die Entwicklung wird vermutlich – nur schwer beeinflussbar<br />
– in ähnlicher Weise weitergehen. Um so mehr sind die Verantwortlichen im Bund<br />
dazu aufgerufen, die berechtigten deutschen Interessen innerhalb <strong>der</strong> EU<br />
geltend zu machen.<br />
b) Sonstige Empfehlungen an Landtag und Landesregierung in NRW<br />
Die Aufgabenfülle <strong>der</strong> Kommunen als allzuständiger Körperschaften lässt sich<br />
naturgemäß nicht abschließend beschreiben. Ebenso wenig erhebt diese Studie den<br />
Anspruch, auch nur annähernd eine umfassende Darstellung von Denkansätzen<br />
anzubieten, die dem Leitthema dienen. Eine kurze Übersicht soll zeigen, dass es viele<br />
sonstige Wunschvorstellungen gibt, die gegenüber den Organen des Landes<br />
geäußert werden könnten und die sich hinreichend begründen ließen.<br />
96
1) Baldige und umfassende Umsetzung <strong>der</strong> Vorschläge aus dem Gutachten <strong>der</strong><br />
Expertenkommission<br />
Dem Land ist vor allem zu wünschen, dass es sich selbst von den größten Problemen<br />
befreien kann, was mittelbar auch den Kommunen dauerhaft zugute kommen würde.<br />
An dieser Stelle soll einer <strong>der</strong> dazu geeigneten Schritte akzentuiert benannt werden.<br />
An mehreren Stellen dieser Studie, u. a. in <strong>der</strong> Einleitung 141 , ist die von<br />
Ministerpräsident Rüttgers berufene Expertenkommission angesprochen worden, die<br />
in ihrem Abschlussbericht von November 2005 die Haushaltssituation des Landes<br />
intensiv analysiert und die bisherige Haushalts- und Finanzpolitik als „völlig<br />
inakzeptabel“ bewertet hat. Sie hat konkrete Sanierungsmöglichkeiten in<br />
eindrucksvoller Größenordnung aufgezeigt, die nach ihrer Überzeugung in einer<br />
gemeinsamen Kraftanstrengung von Landtag und Regierung innerhalb von 5 Jahren<br />
realisiert werden können. Die Erwartung <strong>der</strong> Experten, das Land solle unmittelbar<br />
die Umsetzung <strong>der</strong> vorgeschlagenen Maßnahmen einleiten, ist mit allem<br />
Nachdruck zu unterstreichen. Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Lösungsansätze liegt beim<br />
Personalabbau; hier sollte das Land das Beispiel <strong>der</strong> Kommunen im Auge haben, die<br />
seit vielen Jahren auf diesem Sektor trotz aller damit verbundenen Probleme<br />
nachhaltige Kosteneffekte erzielt haben (vgl. dazu beson<strong>der</strong>s oben S. 11, 12).<br />
-Vgl. dazu Anlage 10 „Kommunaler Personalabbau in Ost und West“ (1992 bis 2003)-<br />
2) Grundlegende Reform <strong>der</strong> Struktur des Gemeindefinanzausgleichs<br />
Bei <strong>der</strong> Untersuchung mehrerer Problembereiche hat sich herausgestellt, dass die<br />
finanzielle Situation <strong>der</strong> Kommunen unterschiedlich dramatisch ist. Unter an<strong>der</strong>em im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Übersicht über die Notwendigkeit von<br />
Haushaltssicherungskonzepten wurde deutlich, dass die gravierenden Probleme vor<br />
allem die großen Städte belasten und sich von den 23 kreisfreien Städten 20 in <strong>der</strong><br />
Haushaltssicherung befinden. In jenem Zusammenhang wurde festgestellt, dass <strong>der</strong><br />
Trend zu gewaltigen Haushaltsproblemen überwiegend mit <strong>der</strong> Einwohnerzahl <strong>der</strong><br />
141 Dort S. 4; vgl. ferner die Ausführungen auf den Seiten 11 ff und 20.<br />
97
Städte steigt, was als sehr auffälliges Indiz für Strukturfehler in den<br />
Gemeindefinanzierungsgesetzen gewertet werden kann.<br />
Die bekannteste Ausnahme von <strong>der</strong> angesprochenen Regel ist Düsseldorf, wofür es<br />
gute Gründe gibt: Landeshauptstadt mit einer entsprechenden Fülle von Institutionen<br />
und Betrieben sowie Arbeitsplätzen im tertiären Bereich, darunter 176 Instituten und<br />
Repräsentanzen in- und ausländischer Kreditinstitute 142 ; bekannter Gewerbestandort<br />
<strong>der</strong> Rhein-Schiene; wirtschaftlicher Schwerpunkt mit optimaler Infrastruktur und<br />
internationaler Ausrichtung; Steuerkraftstärke über Jahrzehnte hinweg und dadurch<br />
weniger Kreditbedarf. Oberbürgermeister Erwin bezeichnete in seiner Etatrede zum<br />
Haushalt 2006 die Stadt Düsseldorf als „die produktivste und wachstumsstärkste<br />
Großstadt Deutschlands“ und „Deutschlands Wirtschaftsmetropole Nummer Eins.“ 143<br />
Beson<strong>der</strong>heiten galten o<strong>der</strong> gelten für einzelne an<strong>der</strong>e Städte wie Leverkusen mit dem<br />
Hauptsitz eines großen Chemie-Konzerns, Münster mit einer traditionell günstigen<br />
Struktur o<strong>der</strong> Bonn mit dem Spezifikum als früherer Bundeshauptstadt und jetziger<br />
Bundesstadt, was auch in Son<strong>der</strong>zuweisungen zum Ausdruck kam und noch kommt.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite stehen äußerst struktur- und steuerschwache Städte mit<br />
den bekannten Problemen, die sich u. a. aus dem andauernden industriellen<br />
Umbruch, <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und dem Bevölkerungsschwund ergeben; diese<br />
Nachteile werden offenbar auch durch den kommunalen Finanzausgleich nicht<br />
annähernd egalisiert. Das wurde bereits bei <strong>der</strong> kritischen Überprüfung <strong>der</strong><br />
gegenwärtigen Struktur des Solidarpakts angesprochen; auf jene Ausführungen (vgl.<br />
Teil 3 a) 2) darf deshalb verwiesen werden.<br />
Der Landesregierung ist dringend zu raten, das gegenwärtige System des<br />
Finanzausgleichs vom Grunde her zu überprüfen und sich dazu des Rates von<br />
Experten zu bedienen. Bei diesen Reformüberlegungen sollten auch die seit kurzem<br />
vorliegenden Gutachten zum demographischen Wandel sowie <strong>zur</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Entwicklung, wie sie in Teil 1 d) 9) behandelt worden sind, gebührend<br />
Berücksichtigung finden. Hierzu gelten im Übrigen die Kriterien und Empfehlungen,<br />
wie sie zum Themenbereich <strong>der</strong> „Gemeindefinanzreform auf Bundesebene“ mit<br />
eingehen<strong>der</strong> Begründung aufgelistet worden sind (vgl. Teil 3 a) 1), in entsprechen<strong>der</strong><br />
Weise.<br />
142 Gemeinsame Stellungnahme <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände und <strong>der</strong> beiden Sparkassen- und<br />
Giroverbände <strong>zur</strong> Reform des Sparkassenrechts in NRW vom 18.01.2006.<br />
143 Rede <strong>zur</strong> Vorlage des Haushaltsplanentwurfs 2006 vom 01.09.2005.<br />
98
3) Keine Begrenzung <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>zur</strong> wirtschaftlichen Betätigung <strong>der</strong><br />
Kommunen<br />
Das Land sollte den Kommunen die möglichen und nötigen Hilfen <strong>zur</strong> Selbsthilfe<br />
gewähren und deshalb davon ablassen, durch politisch o<strong>der</strong> ideologisch begründete<br />
Reformansätze eingespielte und erfolgreiche Verwaltungspraktiken zu erschweren. Zu<br />
den bewährten Arten <strong>der</strong> Aufgabenerfüllung zählt seit Jahrzehnten die ausdrücklich<br />
von <strong>der</strong> Gemeindeordnung zugelassene Form <strong>der</strong> wirtschaftlichen Betätigung.<br />
Die Landesregierung plant offenbar eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> maßgeblichen Vorschrift – §<br />
107 GO NRW – in dem Sinne, dass sich Kommunen <strong>zur</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben nur<br />
noch dann wirtschaftlich betätigen dürfen, wenn ein „dringen<strong>der</strong> öffentlicher Zweck die<br />
Betätigung erfor<strong>der</strong>t und <strong>der</strong> öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht<br />
ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann. Diese Verschärfung würde<br />
bedeuten, dass sich die Städte im Gegensatz zu heute nur noch dann wirtschaftlich<br />
betätigen dürfen, wenn kein privater Dritter tätig werden kann o<strong>der</strong> will“, wie es <strong>der</strong><br />
Bonner Stadtkämmerer Ludger San<strong>der</strong> in seiner Etatrede zum Entwurf des<br />
Doppelhaushalts 2006 / 2007 am 02. Februar 2006 zutreffend herausgestellt hat; er<br />
verwies insbeson<strong>der</strong>e darauf, dass das Grundgesetz we<strong>der</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
noch den Privaten den Vorzug gibt. 144 Sollte es bei einer solchen Zielsetzung des<br />
Landesgesetzgebers bleiben, so könnte das erhebliche Konsequenzen für die<br />
Kommunen haben, die sich seit Jahrzehnten in großem Umfang und sehr<br />
erfolgreich <strong>der</strong> Möglichkeiten bedienen, die mit einer „Teilnahme am<br />
Wirtschaftsleben“ verbunden sind. Soweit es darum geht, dass die Kommunen mit<br />
unrentablen Regiebetrieben dem Mittelstand Konkurrenz machen, ist <strong>der</strong> politisch<br />
begründete Reformansatz nachvollziehbar. Was aber die städtischen Unternehmen<br />
<strong>der</strong> Wohnungswirtschaft, <strong>der</strong> Versorgung, des Verkehrs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Energie angeht, wird<br />
das sogar von berufenen Repräsentanten des Mittelstands an<strong>der</strong>s gesehen. Unter<br />
dem Absen<strong>der</strong> „Handwerk aktiv – Offizielles Forum <strong>der</strong> Kreishandwerkerschaft Köln,<br />
Unternehmensverband KölnHandwerk“ hat sich <strong>der</strong> Kölner Kreishandwerksmeister<br />
Bonjean in einem offenen Brief an die Landesregierung NRW gewandt und<br />
ausgeführt, die stadtnahen Konzerne für Wohnung, Verkehr, Energie und<br />
Telekommunikation seien „ein unverzichtbares Element, sich vor an <strong>der</strong> Region<br />
144 Der Bonner Stadtkämmerer Prof. Dr. Ludger San<strong>der</strong> ist zugleich Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Vereinigung <strong>der</strong><br />
Finanzdezernenten kreisfreier Städte <strong>der</strong> Rheinprovinz“.<br />
99
nicht interessierten Monopolisten zu schützen“. Man solle deshalb die Pläne über<br />
eine Neudefinition von § 107 GO aufgeben, weil das die Großkonzerne stärke und<br />
Markt sowie Mittelstand zum Nachteil <strong>der</strong> Verbraucher vernichte. Aus allen diesen<br />
Gründen muss das Land die kommunalen Spitzenverbände rechtzeitig in den<br />
Abwägungsprozess einbinden, falls man überhaupt an dem Reformansatz festhalten<br />
will.<br />
4) Verwaltungsstrukturreform des Landes NRW mit den Kommunen, nicht gegen<br />
sie<br />
Die neue Landesregierung hat sich mit einer tiefgreifenden Verwaltungsstrukturreform<br />
viel vorgenommen. Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP ist die Richtung dazu<br />
vorgegeben. Ziel ist es danach, „die Verwaltung des Landes zu verschlanken, bisher<br />
unübersichtliche Kompetenzen zu entflechten, Transparenz und<br />
Ergebnisverantwortung im Verwaltungshandeln zu erhöhen.“ Konsequent soll<br />
überprüft werden, „welche Aufgaben <strong>der</strong> Staat weiterhin wahrnehmen muss, welche<br />
entfallen, welche privatisiert und vor allem welche Aufgaben unter Wahrung des<br />
Konnexitätsprinzips kommunalisiert werden können.“ 145 Durch den bevorstehenden<br />
Än<strong>der</strong>ungsprozess werden die Kommunen somit ausdrücklich tangiert, sie sind<br />
deshalb am Verfahren vorrangig zu beteiligen.<br />
Die grundsätzliche Absicht einer wirkungsvollen Reform <strong>der</strong> Landesverwaltung ist<br />
auch aus Sicht <strong>der</strong> Kommunen sehr zu begrüßen. Zu erwarten sind enorme<br />
Verbesserungen <strong>der</strong> Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns.<br />
Daraus resultieren wünschenswerte Vorteile für die Bürger, die nach<br />
jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem als „geldgierig“ bewerteten Staat diesem nicht<br />
mehr so viel Geld anvertrauen wollen. Die Entlastung des Landeshaushalts kann<br />
zudem den gewohnten finanziellen Druck des Landes auf die kommunale Ebene<br />
abmil<strong>der</strong>n. Die in Jahrzehnten gewachsene unübersichtliche Kompetenzbreite mit<br />
einer Fülle von Landesbehörden und Einrichtungen ist radikal in Frage zu stellen.<br />
Eine grundlegende Neuorganisation und Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Landesverwaltung sollte<br />
sich an den Grundsätzen <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung und <strong>der</strong> Regierungserklärung<br />
des Ministerpräsidenten orientieren; danach verpflichtet sich die neue Regierung u. a.<br />
100<br />
dem Grundsatz <strong>der</strong> Subsidiarität und <strong>zur</strong> Stärkung <strong>der</strong> kommunalen
Selbstverwaltung. 146 Innenminister Dr. Ingo Wolf hat Anfang April 2006 die geplante<br />
„Privatisierung staatlicher Aufgaben“ wie folgt begründet: „Der Staat muss sich auf<br />
seine Kernaufgaben konzentrieren. Nordrhein-Westfalen kann sich bei einer<br />
Schuldenlast von über 112 Mrd. € einen Staatsapparat mit über 400.000<br />
Beschäftigten in über 800 Behörden und Einrichtungen nicht mehr leisten.“ 147<br />
Die genannten Zahlen <strong>der</strong> Beschäftigten sowie <strong>der</strong> Behörden und Einrichtungen<br />
lassen den Umfang und die Umsetzungsprobleme <strong>der</strong> bevorstehenden Maßnahmen<br />
erahnen. Es geht dabei nicht nur um den parlamentarischen Entscheidungsprozeß,<br />
son<strong>der</strong>n vorab u. a. um die notwendige Bestandserhebung, die Entwicklung und<br />
Prüfung von Lösungsalternativen, die Beteiligung <strong>der</strong> Betroffenen, darunter die<br />
Abstimmung mit kommunalen Institutionen, die <strong>zur</strong> Übernahme von Aufgaben in<br />
Betracht kommen.<br />
Es wäre vermessen, im Rahmen einer Studie <strong>zur</strong> kommunalen Finanzkrise zugleich<br />
ein Lösungskonzept für ein <strong>der</strong>art anspruchsvolles Vorhaben zu entwickeln. Das<br />
könnte nur in einem umfassenden speziellen Gutachten geschehen, im Rahmen<br />
dessen die große Zahl <strong>der</strong> betroffenen Institutionen und Personalkörper angemessen<br />
angehört und die Positionen <strong>der</strong> zu prüfenden Landeseinrichtungen einerseits und <strong>der</strong><br />
denkbaren neuen Aufgabenträger an<strong>der</strong>erseits abgeprüft werden müssten. Überdies<br />
ist die Sammlung <strong>der</strong> <strong>zur</strong> Frage <strong>der</strong> Verwaltungsstrukturreform in den letzten Jahren<br />
ergangenen Gutachten beachtlich und umfangreich. Zu verweisen ist ferner auf<br />
Vorschläge für einzelne Aufgabenbereiche.<br />
Eine <strong>der</strong> aktuellsten Ausarbeitungen ist <strong>der</strong> „Strukturvorschlag <strong>der</strong> Region<br />
Ostwestfalen-Lippe (OWL) für die Umweltverwaltung in NRW“ vom 06. März 2006.<br />
Dieses Gutachten ist eine Gemeinschaftsleistung <strong>der</strong> Bezirksregierung, <strong>der</strong> kreisfreien<br />
Städte und Kreise, <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammern, <strong>der</strong> zuständigen<br />
Handwerkskammer sowie <strong>der</strong> OWL Marketing GmbH. Die Region OWL hat sich darin<br />
auf einen Vorschlag verständigt, <strong>der</strong> sich zunächst auf die Umweltverwaltung<br />
konzentriert, und diesen als „tragfähige und vor allem effiziente Lösung“ bezeichnet,<br />
die für das ganze Land Geltung finden könne. Mit diesem Strukturvorschlag werden<br />
insbeson<strong>der</strong>e die zersplitterten Zuständigkeiten zwischen den Kreisen und kreisfreien<br />
Städten, den Staatlichen Umweltämtern und <strong>der</strong> jeweiligen Bezirksregierung sowie<br />
145<br />
Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP vom 16.06.2005, Teil I., Abschnitt „Weniger Staat – mehr<br />
Selbstbestimmung“.<br />
146<br />
Quelle wie vor; vgl. auch Regierungserklärung von Ministerpräsident Rüttgers vom 13.07.2005,<br />
Abschnitt II.<br />
147<br />
Mitteilung des Innenministeriums <strong>zur</strong> Sitzung des Landeskabinetts vom 04. April 2006.<br />
101
den sonstigen Dienststellen des Landes beseitigt. Im Ergebnis sind danach<br />
unterhalb des Ministeriums nur noch zwei Ebenen umfassend zuständig: die<br />
staatliche Mittelebene und die Kreise bzw. kreisfreien Städte. Die operativen Aufgaben<br />
aus den Bereichen <strong>der</strong> Staatlichen Umweltämter und <strong>der</strong> Bezirksregierungen als<br />
Obere Wasserbehörden, im Abfallrecht, im Bodenschutzrecht und als Höhere<br />
Landschaftsbehörden sollen grundsätzlich den Kreisen bzw. den kreisfreien Städten<br />
zugeordnet werden.<br />
In die gleiche Richtung zielt ein Positionspapier des Landkreistages NRW zum<br />
Thema „Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Umweltverwaltung des Landes NRW“ vom 14.<br />
Februar 2006.<br />
Diese beiden Empfehlungen wurden zwar für ein spezielles Aufgabengebiet<br />
entwickelt; sie zeigen exemplarisch auf, wie wichtig eine „Flurbereinigung“ <strong>der</strong><br />
zersplitterten Kompetenzen ist. Vor allem das OWL-Modell stellt Lösungsansätze<br />
vor, die sich im Prinzip auf an<strong>der</strong>e Aufgabenbereiche übertragen lassen und für das<br />
ganze Land fortentwickelt werden sollten.<br />
Mit Blick auf die vorliegenden Gutachten <strong>zur</strong> Reform <strong>der</strong> staatlichen und kommunalen<br />
Kompetenzen sind die nachfolgenden Hinweise lediglich als eine kaum gewichtete<br />
Auswahl von Anmerkungen, Überlegungen und Fragestellungen zu verstehen.<br />
Die kommunalen Spitzenverbände haben sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit wie<strong>der</strong>holt zum<br />
Komplex <strong>der</strong> „Privatisierung und Kommunalisierung staatlicher Aufgaben“ geäußert.<br />
Stellvertretend sei eine beson<strong>der</strong>s bedeutsame Stellungnahme in Erinnerung gerufen:<br />
Bereits im Jahre 1999 hat <strong>der</strong> Städtetag NRW das Land aufgefor<strong>der</strong>t, „die eigene<br />
Verwaltung durchgreifend zu mo<strong>der</strong>nisieren und zu verschlanken und damit <strong>der</strong>en<br />
Effizienz spürbar zu erhöhen.“ 148 Bei dieser Gelegenheit hat <strong>der</strong> Städtetag dem Land<br />
völlig zu Recht empfohlen, sich bei <strong>der</strong> angemahnten Verwaltungsreform die<br />
vielfältigen Impulse und Erfahrungen <strong>der</strong> Städte in dem bei ihnen seit vielen Jahren<br />
betriebenen Reformprozess zunutze zu machen. Zugleich hat <strong>der</strong> Landesvorstand des<br />
Städtetages NRW damals „Leitlinien <strong>zur</strong> Verwaltungsstrukturreform“ beschlossen,<br />
an die auszugsweise erinnert werden soll, da sie nach wie vor überzeugende<br />
Hinweise enthalten und darüber hinaus auch inhaltlich im bei<strong>der</strong>seitigen Interesse von<br />
Land und Kommunen liegen:<br />
148 Erklärung des Landesvorstands des ST NRW vom 20.01.1999.<br />
102
– Die staatlichen Mittelbehörden, also die Bezirksregierungen, sollten auf ihre originär<br />
staatlichen Aufgaben begrenzt werden. Ihre Bündelungsfunktionen sollten durch<br />
Abbau und Einglie<strong>der</strong>ung von staatlichen Son<strong>der</strong>verwaltungen gestärkt werden.<br />
– Die Landesober-, Landesunter- und Son<strong>der</strong>behörden sollten aufgelöst und in den<br />
übrigen Behördenkörper des Landes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />
eingeglie<strong>der</strong>t werden. Das gelte z. B. für die staatlichen Umweltämter.<br />
– Auf neue staatliche Son<strong>der</strong>behörden sollte verzichtet werden.<br />
– Eine regionale Wahrnehmung von überwiegend kommunal geprägten Aufgaben<br />
durch das Land solle entfallen.<br />
– Bei Aufgabenverlagerungen auf die kommunale Ebene müsse das Prinzip <strong>der</strong><br />
Konnexität von Aufgaben- und Finanzzuweisung beachtet werden.<br />
– Bei <strong>der</strong> Neuzuweisung von Aufgaben sollten die beiden Landschaftsverbände<br />
berücksichtigt werden, da sie eine für die Städte wichtige Bündelungs- und<br />
Ausgleichsfunktion <strong>zur</strong> Erfüllung überörtlicher kommunaler Aufgaben wahrnähmen<br />
und zugleich eine größere Professionalität bei <strong>der</strong> Aufgabenerfüllung sicherten und<br />
eine gerechte Lastenverteilung unter den Städten und Gemeinden im Land<br />
ermöglichten.<br />
Die Kernaussagen in den Erklärungen <strong>der</strong> neuen Landesregierung einerseits und<br />
<strong>der</strong> zitierten Position <strong>der</strong> Städte und Gemeinden von 1999 sind in vielen Teilen<br />
deckungsgleich. Das lässt darauf hoffen, dass die Reformbemühungen gute<br />
Ergebnisse zeitigen können; es schließt dennoch erhebliche Divergenzen im Detail<br />
nicht aus. Unabhängig davon stellen sich aus aktuellem Anlass viele Fragen, was an<br />
einzelnen Beispielen verdeutlicht werden soll:<br />
– Ist die politische Festlegung auf „drei Regionalpräsidien für das Rheinland, das<br />
Ruhrgebiet und Westfalen“ sachgerecht und zukunftsweisend?<br />
Diese Aussage suggeriert, als gebe es die „drei Landesteile Rheinland, Westfalen und<br />
Ruhrgebiet“, wohingegen das Ruhrgebiet etwa je <strong>zur</strong> Hälfte zu einem <strong>der</strong> beiden<br />
Landesteile zählt. Eine korrekte Formulierung hätte lauten sollen: Ruhrgebiet, Rest-<br />
Rheinland, Rest-Westfalen.<br />
Der Verwaltungsrechtsexperte Professor Janbernd Oebbecke hat sich in einem<br />
Grundsatzreferat 149 zu dem Plan, das Ruhrgebiet zu einer Verwaltungsregion<br />
zusammenzufassen, sehr kritisch geäußert. Er hat darauf verwiesen, es würden<br />
103<br />
zwar Schnittstellen verschoben, aber nicht abgeschafft. „Ob die neue
Verwaltungsgrenze zwischen den Städten Düsseldorf und Duisburg o<strong>der</strong> die alte<br />
zwischen Essen und Gelsenkirchen o<strong>der</strong> Bochum problematischer ist, muss man sich<br />
sorgfältig überlegen.“ Gerade die Verzahnung des Ruhrgebietes mit dem übrigen Land<br />
in den drei Bezirken Arnsberg, Düsseldorf und Münster und in den beiden<br />
Landschaftsverbänden habe seit Jahrzehnten dazu beigetragen, dass es nicht zu<br />
scharfen regionalen Gegensätzen im Lande gekommen sei. Im übrigen erinnerte er<br />
daran, dass die heutige Struktur <strong>der</strong> mittleren Verwaltungsebene in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts entstanden sei. Damals seien Informationen per Postkutsche<br />
und im schnellsten Fall zu Pferde transportiert worden. Die Preußen hätten die<br />
damaligen Kreise „so zugeschnitten, dass <strong>der</strong> Landrat an einem Tag jeden Ort<br />
erreichen konnte und noch wie<strong>der</strong> nach Hause kam.“ Da die Staatsregierung in Berlin<br />
gesessen habe, habe man damals „entscheidungsfähige Statthalter in <strong>der</strong> Fläche“<br />
benötigt. Heute stelle sich die Frage, ob man überhaupt noch Mittelinstanzen<br />
brauche.<br />
– Ist die Orientierung auf das Ruhrgebiet, dessen ursprüngliche wirtschaftlich große<br />
Bedeutung auf den reichen Steinkohlevorräten beruhte, nach <strong>der</strong> weitgehenden<br />
Beendigung des Abbaus und <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> heimischen Kohle <strong>der</strong> sachgerechte<br />
Anknüpfungspunkt für eine in die Zukunft gerichtete Verwaltungsglie<strong>der</strong>ung? Ist es<br />
sachdienlich, Xanten o<strong>der</strong> Hamminkeln einerseits und Fröndenberg am Tor zum<br />
Sauerland an<strong>der</strong>erseits dem „Revier“ als früherer Industrieregion von Kohle und Stahl<br />
zuzuordnen? Wie ist dann die Region Remscheid / Solingen zu beurteilen, in <strong>der</strong><br />
heute mehr Stahl verarbeitet wird als in vielen Ruhrgebietsstädten? Wenn <strong>der</strong><br />
industrielle Strukturwandel als Kriterium gesehen wird, wie ist es dann z. B. mit dem<br />
industriellen Strukturwandel im bergischen Städtedreieck o<strong>der</strong> im Raum Krefeld /<br />
Mönchengladbach?<br />
– Zu den Gebietsgrenzen des Ruhrgebiets vgl. die Karte des Regionalverbands Ruhr;<br />
Anlage 11 –<br />
– Würde die „Dreierlösung“ zu einem sachlich nicht vertretbaren starken<br />
Ungleichgewicht <strong>der</strong> Wirtschaftskraft in den neuen Regierungsbezirken führen,<br />
wie das <strong>der</strong> Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow befürchtet?<br />
149 Vortrag auf <strong>der</strong> Personalversammlung <strong>der</strong> Bezirksregierung Düsseldorf am 04.12.2003 „Zum Stand<br />
<strong>der</strong> Diskussion über die Verwaltungsreform in NRW“.<br />
104
Büssow hatte erklärt, dass Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Ruhrgebiets mit etwa 118<br />
Mrd. € betrage knapp 26 % des Landes, das BIP in dem vorgeschlagenen Bezirk<br />
Rheinland würde dagegen mit etwa 218 Mrd. € fast 48 % des Landes betragen. 150<br />
– Ist die traditionelle Bindung <strong>der</strong> Menschen als Rheinlän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Westfalen an<br />
diese historisch gewachsenen Landesteile weniger von Bedeutung als die fast<br />
abgeschlossene Periode von „Kohle und Stahl“ im Ruhrgebiet?<br />
– Müssen die mit ihren Wurzeln weit ins 19. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>zur</strong>ückreichenden<br />
Landschaftsverbände in ihrer traditionellen räumlichen Zuordnung von ihrem<br />
gebietsmäßigen Zuschnitt her in Frage gestellt o<strong>der</strong> nicht eher vom Grunde her<br />
gestärkt werden?<br />
Die beiden Landschaftsverbände haben in speziellen Erklärungen <strong>zur</strong><br />
Verwaltungsstrukturreform ausführlich Stellung genommen, <strong>der</strong>en Notwendigkeit<br />
ausdrücklich und nachhaltig bestätigt und sich <strong>zur</strong> kooperativen Mitwirkung am<br />
Reformprozess angeboten.<br />
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat in einem „Standpunktepapier“ <strong>zur</strong><br />
Verwaltungsstrukturreform in Lande überzeugend darauf hingewiesen, dass es auf <strong>der</strong><br />
kommunalen Ebene keine Mehrstufigkeit gebe, während die staatliche Ebene recht<br />
kompliziert dreistufig organisiert sei. Die kreisangehörigen Gemeinden, die Kreise, die<br />
kreisfreien Städte und die Landschaftsverbände erfüllten ihre kommunalen Aufgaben<br />
in jeweiliger Zuständigkeit, wobei es kein Unter- und Überordnungsverhältnis gebe.<br />
Die beiden Landschaftsverbände übernähmen für ihre Mitgliedskörperschaften<br />
wichtige Bündelungs- und Ausgleichsfunktionen bei <strong>der</strong> Erfüllung überörtlicher<br />
Aufgaben, die von diesen sinnvollerweise nicht selbst erbracht würden, weil es <strong>der</strong>en<br />
Verwaltungskraft übersteigen würde. Sie könnten eine hohe Professionalität bei <strong>der</strong><br />
Aufgabenerfüllung zusichern und einen Interessen- und Finanzausgleich zwischen<br />
den Mitgliedskörperschaften gewährleisten. Die kommunale Selbstverwaltung bleibe<br />
auf jeden Fall gewahrt, die demokratische Legitimation sei vorhanden.<br />
Obwohl es sich bei diesen Ausführungen um eine Art Selbsteinschätzung handelt,<br />
lässt sich <strong>der</strong>en Richtigkeit aufgrund jahrzehntelanger Erfahrungen im Prinzip<br />
bestätigen. Das gilt ebenso für die deutlichen Hinweise des Schwesterverbandes in<br />
Münster.<br />
150 Westdeutsche Zeitung, 04.04.2006.<br />
105
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat sich in einer Resolution bei<br />
<strong>der</strong> neuen Landesregierung zu Wort gemeldet. 151 Er erwartet, „dass durch die<br />
dringend notwendige Reform <strong>der</strong> Verwaltungsstrukturen die Einheit Westfalens nicht<br />
zerschlagen wird. Das westfälische Ruhrgebiet gehört zu Westfalen. Aus Westfalen<br />
darf kein Restfalen werden. Der LWL ist Klammer und Interessenvertreter für<br />
Westfalen. Er stiftet Identität und Zusammengehörigkeit für einen historisch<br />
gewachsenen Raum, <strong>der</strong> sich über gemeinsame Kultur, Sprache, Lebensart und<br />
Brauchtum definiert.“<br />
Es ist zu hoffen, dass in den kommenden Beratungs- und Entscheidungsprozessen<br />
die Repräsentanten <strong>der</strong> Städte und Kreise sowie <strong>der</strong> Landschaftsverbände Gehör<br />
finden und im sachlichen Miteinan<strong>der</strong> von Land und Kommunen zukunftsträchtige<br />
Lösungen gefunden werden. Auf keinen Fall dürfen ohne Beteiligung <strong>der</strong> betroffenen<br />
Körperschaften unumkehrbare Präjudizien für die kommunale Ebene geschaffen<br />
werden, was insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Landschaftsverband Rheinland anmahnt. Gerade die<br />
Gemeinden, Städte und Gemeindeverbände müssten selbst entscheiden<br />
können, wie sie ihre örtlichen, regionalen und überörtlichen Aufgaben<br />
organisieren und mit demokratischer Legitimation ausgestalten wollen. Dieses Recht<br />
stehe ihnen aufgrund <strong>der</strong> verfassungsmäßig zugesicherten Selbstverwaltungsgarantie<br />
zu. 152<br />
Während bei allen genannten kommunalen Gebietskörperschaften die Zuständigkeiten<br />
und vor allem die Kompetenzen <strong>der</strong> Selbstverwaltung transparent sind, sind die<br />
allermeisten Behörden und Einrichtungen des Landes „weit weg“ von je<strong>der</strong><br />
parlamentarischen Kontrolle. Auch diese Tatsache sollten sich die Vertreter <strong>der</strong><br />
Landesregierung zu Herzen nehmen, zumal sie sich sowohl im Koalitionsvertrag als<br />
auch in <strong>der</strong> Regierungserklärung ausdrücklich auf mehr Selbstbestimmung und das<br />
Prinzip <strong>der</strong> Selbstverwaltung festgelegt haben. Zumindest in ähnlicher Weise gilt das<br />
für den Landtag, <strong>der</strong> in seiner Kontrollfunktion gegenüber einer unübersehbaren<br />
Zahl von Landeseinrichtungen aller Art völlig überfor<strong>der</strong>t ist.<br />
Erste Umsetzungsschritte auf dem Weg zu einer mo<strong>der</strong>nisierten Landesverwaltung<br />
sind inzwischen erkennbar. In einer Rede anlässlich des Politischen Forums Ruhr am<br />
151 Einstimmiger Beschluss <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des LWL-Landschaftsausschusses vom 03.11.2005.<br />
106
07. Februar 2006 in Essen hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wörtlich erklärt:<br />
„Wir mo<strong>der</strong>nisieren die öffentliche Verwaltung. Unsere Bilanz nach 7 Monaten: jeden<br />
Monat eine Behörde weniger.“<br />
Diese „Erfolgsmeldung“ ist am Ausgangspunkt zu messen, das sind etwa 700<br />
Behörden. Das Innenministerium geht intern von 687 Landesbehörden (Stand Anfang<br />
März 2006) aus. Der Innenminister nannte öffentlich mehrfach „800 Behörden und<br />
Einrichtungen“. Eine wenig übersichtliche und kaum nachprüfbare Zahl von<br />
Beteiligungen kommt hinzu. 153 Wenn von rund 700 Landesbehörden innerhalb von<br />
7 Monaten 7 Behörden weggefallen sind, stößt das Land damit vom Promille-<br />
Bereich in den Prozent-Bereich vor. Und wenn es mit dem Effekt von einer Behörde<br />
je Monat so weitergehen sollte, würde es bei gleichbleibendem „Tempo“ rund 30<br />
Jahre dauern, um die als allzu groß bezeichnete Zahl lediglich zu halbieren.<br />
Es bleibt also noch viel zu tun. Alle Beteiligten sollten diese große und für das Land,<br />
die Kommunen und vor allem für die Bürger wichtige Aufgabe gemeinsam angehen<br />
– unter Beachtung sachlicher Kriterien und unter Zurückhaltung mit ideologischen<br />
Festlegungen. Das Land sollte die beabsichtigte Verwaltungsstrukturreform zügig und<br />
energisch betreiben und die Kommunen rechtzeitig und angemessen an <strong>der</strong><br />
Neuzuordnung <strong>der</strong> Aufgaben beteiligen.<br />
c) Verwertung „mittelbaren Vermögens“ <strong>der</strong> Kommunen: Veräußerung von<br />
Sparkassen und Provinzial Versicherungen zugunsten <strong>der</strong> Kommunen ermöglichen?<br />
Die Finanznot <strong>der</strong> Kommunen führt schließlich dazu, beim Nachsinnen über<br />
Hilfsmöglichkeiten noch mehr Tabus in Frage zu stellen. Wenn alles auf den Prüfstand<br />
zu stellen ist, fällt <strong>der</strong> kritische Blick auch auf Vermögenswerte, die wegen <strong>der</strong><br />
historischen Zusammenhänge zumindest gedanklich den Kommunen zugeordnet<br />
werden können – die Stadt- und Kreissparkassen einschließlich ihrer Beteiligungen an<br />
den beiden Provinzial Versicherungen.<br />
Es ist nicht zu bestreiten, dass die Sparkassen beträchtliche Vermögenswerte<br />
darstellen. Bei einer Bewertung sind schließlich auch die mittelbaren Anteile <strong>der</strong><br />
Sparkassen mit zu beachten: Die beiden Sparkassen- und Giroverbände in NRW,<br />
152 Quelle: o. g. „Standpunktepapier“.<br />
153 Vgl. dazu den „Beteiligungsbericht <strong>der</strong> Landesregierung Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2003“,<br />
erstellt mit Redaktionsschluss von April 2005.<br />
107
<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> die Sparkassen sind, halten u. a. namhafte Anteile an <strong>der</strong> WestLB<br />
und den beiden Provinzial Versicherungen.<br />
Der Rheinische Sparkassen- und Giroverband (RSGV) und <strong>der</strong> Westfälisch-Lippische<br />
Sparkassen- und Giroverband (WLSGV) sind mit je 25,475 % Anteilseigner und damit<br />
zusammen Mehrheitseigentümer <strong>der</strong> WestLB AG. Ähnlich stark sind diese beiden<br />
Verbände an den Provinzial Versicherungen beteiligt. Während die Provinzial<br />
Rheinland (Sitz Düsseldorf) Regionalanbieter für den rheinischen Teil des Landes<br />
sowie die Regierungsbezirke Tier und Koblenz ist, hat sich die bisherige Westfälische<br />
Provinzial (Sitz Münster) über ihr bisheriges Geschäftsgebiet Westfalen-Lippe hinaus<br />
nach Norddeutschland orientiert; sie fusionierte zum 01.01. 2005 mit <strong>der</strong> Provinzial<br />
Nord (Sitz Kiel) <strong>zur</strong> neuen „Provinzial NordWest“. Gewährträger <strong>der</strong> Provinzial<br />
Rheinland Holding ist <strong>der</strong> RSGV mit 34 %. Eigentümer <strong>der</strong> Provinzial NordWest<br />
Holding ist <strong>der</strong> WLSGV mit 40 %.<br />
Angesichts dieser Fakten lässt sich ausmalen, dass die Sparkassen in NRW<br />
einschließlich ihrer mittelbaren Anteile an <strong>der</strong> WestLB AG und den Provinzial<br />
Versicherungen einen Vermögenswert von etlichen Milliarden € ausmachen.<br />
Auf den ersten Blick ist es daher verständlich, dass sich u. a. einige<br />
Oberbürgermeister im Lande mit <strong>der</strong> Frage beschäftigen, wie ein Weg gefunden<br />
werden kann, um diese „mittelbaren Werte <strong>der</strong> Kommunen zugunsten des städtischen<br />
Haushalts zu realisieren“.<br />
Bei <strong>der</strong> weitaus überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Sparkassen handelt es sich um<br />
Einrichtungen von Kommunen, vornehmlich also von Städten und Kreisen; sie sind<br />
rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Sparkassengesetz NRW,<br />
nachfolgend: SpkG NW). Daneben bestehen eine Reihe freier Sparkassen, die keine<br />
Bindung an eine Kommune haben und in an<strong>der</strong>er Rechtsform organisiert sind wie die<br />
als Aktiengesellschaft geführten Sparkassen in den Hansestädten Hamburg, Bremen<br />
und Lübeck sowie in Frankfurt am Main. Diese Unterschiede resultieren aus <strong>der</strong><br />
historischen Entwicklung <strong>der</strong> Institute.<br />
Bei <strong>der</strong> Frage nach einer „Privatisierung“ öffentlich-rechtlicher Sparkassen sind<br />
die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> kommunal angebundenen Institute zu klären.<br />
Sparkassen haben in <strong>der</strong> Regel im gesamten Verlauf ihrer Entwicklung von ihren<br />
Trägern kein Stammkapital erhalten, wohl aber im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte aus den<br />
Gewinnen Eigenkapital gebildet. Ein Verkauf durch Veräußerung von Stammkapital<br />
108
scheidet deshalb aus. Zudem können die Städte und Landkreise nach <strong>der</strong><br />
gegenwärtigen Rechtslage in NRW nicht über „ihre“ Sparkassen frei verfügen; die<br />
rechtliche Situation ist in den an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n zu diesem Punkt weitgehend<br />
identisch. Die Kommunen waren bis Juli 2005 „Gewährträger“ ihrer Sparkassen; das<br />
ist jedoch nicht gleichbedeutend mit <strong>der</strong> Position von Eigentümern. Die Beantwortung<br />
<strong>der</strong> Rechtsfrage, wem z. B. eine Stadtsparkasse gehöre, ist im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte<br />
nicht einheitlich beantwortet worden. In den Sparkassengesetzen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> ist<br />
diese Frage gesetzlich nicht ausdrücklich geklärt. Man wird die Auffassung vertreten<br />
können, die Gemeinden seien „de facto“ Eigentümer <strong>der</strong> örtlichen Sparkasse. Dafür<br />
sprechen Indizien in den Sparkassengesetzen, auch im Sparkassengesetz NRW, in<br />
dem die Gemeinden bzw. Gemeindeverbände durchgehend als „Träger“ <strong>der</strong> öffentlich-<br />
rechtlichen Sparkassen bezeichnet werden und nach welchem für den Fall <strong>der</strong><br />
Auflösung einer Sparkasse geregelt ist, dass das am Ende verbleibende freie<br />
Vermögen diesem Träger zuzuführen ist (§ 35 SpkG NW).<br />
Bestimmte wichtige Verän<strong>der</strong>ungen bei Sparkassen bedürfen nach dem<br />
Sparkassengesetz NW <strong>der</strong> Mitwirkung <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde, ggf. zusätzlich des<br />
Einvernehmens mit dem Innenminister. Die Veräußerung einer Sparkasse ist im<br />
Gesetz nicht aufgeführt; ohne eine entsprechende Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist eine<br />
Veräußerung deshalb nicht möglich. Die entscheidende Frage lautet deshalb, ob<br />
eine solche Gesetzesän<strong>der</strong>ung sinnvoll und für die Kommunen erstrebenswert wäre.<br />
Diese Frage wird seit einiger Zeit intensiv diskutiert, nicht nur in NRW.<br />
Bundesweit gibt es in Deutschland lebhafte Aktivitäten zum Thema <strong>der</strong> öffentlich-<br />
rechtlichen Finanzinstitute; zumeist handelt es sich um eine Folge <strong>der</strong> seitens <strong>der</strong><br />
EU ausgelösten Strukturän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sparkassen. Die Brüsseler<br />
Wettbewerbswächter hatten an <strong>der</strong> speziellen Haftungsstruktur <strong>der</strong> öffentlich-<br />
rechtlichen Kreditinstitute – Gewährträgerhaftung und Anstaltslast – Anstoß<br />
genommen. 154 Unter „Anstaltslast“ wird die Verpflichtung des Trägers eines öffentlich-<br />
rechtlichen Kreditinstituts verstanden, das Institut mit dem notwendigen Eigenkapital<br />
auszustatten. Die „Gewährträgerhaftung“ verpflichtet den Träger öffentlich-rechtlicher<br />
Kreditinstitute, für Verbindlichkeiten des Instituts zu haften. Einen solchen Haftungsfall<br />
hat es jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben, da im Ausnahmefall eingetretene Krisen<br />
einzelner Sparkassen jeweils durch Maßnahmen <strong>der</strong> Anstaltslast o<strong>der</strong> vornehmlich<br />
durch einen Sicherungsfonds bewältigt wurden, den die Sparkassen-Gruppe vor<br />
154 Vgl. zu dieser Thematik Gemeindefinanzbericht 2005 des DST, S. 74 ff.<br />
109
Jahrzehnten im Rahmen eines Haftungsverbunds eingerichtet hat. Trotz dieser Fakten<br />
hatte die Europäische Wettbewerbsdirektion <strong>der</strong> Bundesregierung mitgeteilt, dass<br />
sie die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung <strong>der</strong> Kommunen für ihre<br />
Sparkassen als Beihilfen ansehe, die als solche nicht mit dem gemeinsamen Markt<br />
vereinbar seien. Im Sommer 2001 kam es zu einer Vereinbarung zwischen <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik und <strong>der</strong> Europäischen Kommission, dem „Brüsseler Kompromiss“.<br />
Danach entfällt ab 19. Juli 2005 die Gewährträgerhaftung und wird die<br />
Anstaltslast durch eine „normale wirtschaftliche Beziehung“ ersetzt. Zur<br />
Umsetzung des Brüsseler Kompromisses wurde in den einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n eine<br />
entsprechende Reform des Sparkassenrechts durchgeführt. Die Sparkassen blieben<br />
danach weiterhin selbständige Unternehmen in kommunaler Trägerschaft, die für ihr<br />
Geschäftsgebiet flächendeckend die angemessene und ausreichende Versorgung,<br />
insbeson<strong>der</strong>e des Mittelstandes und <strong>der</strong> wirtschaftlich schwächeren<br />
Bevölkerungskreise, mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherstellen. 155<br />
Ende 2003 hat die Sparkassen-Finanzgruppe im Konsens mit den Kommunen eine<br />
Weiterentwicklung des Haftungsverbundes beschlossen, zu dem u. a. ein erheblich<br />
erhöhtes Haftungsvolumen <strong>der</strong> Sicherungsfonds gehört.<br />
Danach könnte es in Deutschland bei <strong>der</strong> traditionellen „Drei-Säulen-Struktur“<br />
bleiben, welche aus den Sparkassen und Landesbanken, den<br />
Genossenschaftsbanken sowie den privaten Geschäftsbanken besteht. Die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Sparkassen kommen in ihren drei Grundprinzipien zum Ausdruck,<br />
dem öffentlichen Auftrag, <strong>der</strong> öffentlichen Trägerschaft und dem Regionalprinzip.<br />
Hierzu hat sich die Sparkassenorganisation mit ihrer „Berliner Erklärung“ von<br />
November 2005 mit Nachdruck bekannt und sich zugleich gegen die Bildung von<br />
Stammkapital sowie vertikale Fusionen und Holdingmodelle ausgesprochen.<br />
Aus Kreisen <strong>der</strong> privaten Banken wird das System <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Institute nach wie vor hinterfragt. Man ist an dem Geschäftsfeld <strong>der</strong> aus den<br />
Sparkassen und Landesbanken bestehenden „Sparkassen-Gruppe“ interessiert. Das<br />
ist verständlich. Sparkassen und Landesbanken sind heute – zusammen betrachtet<br />
– die größte Kreditinstitutsgruppe <strong>der</strong> Welt. 156 Die zusammengefasste<br />
Bilanzsumme <strong>der</strong> 463 Sparkassen in Deutschland mit einem dichten Netz von mehr<br />
155 Gemeindefinanzbericht 2005 des DST, S. 76.<br />
156 Mitteilung <strong>der</strong> „S-Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband“ vom 07. November 2005;<br />
„Berliner Erklärung“.<br />
110
als 16.000 Geschäftsstellen beläuft sich auf mehr als eine Billion, nämlich 1.014 Mrd.<br />
Euro (Stand: Ende 2005). 157<br />
Nach einer Untersuchung <strong>der</strong> Kreditanstalt für Wie<strong>der</strong>aufbau von Juli 2005 ist die<br />
„Ertragslage <strong>der</strong> Sparkassen deutlich besser, die Aufwands-Ertrags-Relation<br />
erheblich günstiger und die Eigenkapitalrentabilität, ob vor o<strong>der</strong> nach<br />
Bewertungsergebnis, eindeutig höher als jene <strong>der</strong> Kreditbanken“ – stellte <strong>der</strong><br />
Staatsminister <strong>der</strong> Finanzen von Rheinland-Pfalz, Gernot Mittler, in seinem<br />
Grundsatzreferat anlässlich <strong>der</strong> Verbandsversammlung des Sparkassen- und<br />
Giroverbandes Rheinland-Pfalz am 09. Dezember 2005 in Mainz fest. Nach seiner<br />
Auffassung hat vor allem diese Tatsache „<strong>zur</strong> Folge, dass die Kreditbanken ihr<br />
Begehren, das Drei-Säulen-System aufzubrechen und die Möglichkeit <strong>zur</strong><br />
Privatisierung <strong>der</strong> Sparkassen zu eröffnen, verstärken werden.“<br />
Zwischen den geschäftspolitischen Strategien <strong>der</strong> drei Gruppen des deutschen<br />
Finanzmarkts bestehen grundlegende Unterschiede: Die privaten Großbanken<br />
(Kreditbanken), die rund 28 % <strong>der</strong> Bilanzsumme deutscher Kreditinstitute abdecken,<br />
sind vorrangig gewinnorientiert ausgerichtet. Die genossenschaftlichen Banken sind –<br />
<strong>der</strong> Rechtsform gemäß – vor allem mitglie<strong>der</strong>orientiert und decken etwa 12 % des<br />
Volumens innerhalb <strong>der</strong> deutschen Kreditwirtschaft ab. Demgegenüber sind die<br />
öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aufgabenorientiert angelegt. Die Aufgabenstellung<br />
ergibt sich aus dem öffentlichen Auftrag, <strong>der</strong> sich seit Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
entwickelt hat. Auf die Sparkassen-Gruppe entfallen immerhin 36 % des<br />
Geschäftsvolumens <strong>der</strong> deutschen Kreditwirtschaft. 158<br />
Die Sparkassenstruktur ist weiterhin in <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion. In dieser<br />
Debatte wird oft auf Vorgänge verwiesen, die in den letzten Jahren Aufsehen erregt<br />
haben und für manchen Diskussionspartner eine Art von „Modellcharakter“ haben<br />
sollen. Zu diesen bemerkenswerten Vorfällen zählen vornehmlich folgende Aktivitäten:<br />
– Die Bürgerschaft <strong>der</strong> Stadt Stralsund hatte im September 2003 beschlossen, die<br />
Veräußerung <strong>der</strong> Sparkasse Hansestadt Stralsund zu prüfen. Es sollte ein<br />
Bieterverfahren <strong>zur</strong> Einholung von Angeboten möglicher Erwerber eröffnet werden.<br />
Man wollte einen Preis erzielen, <strong>der</strong> oberhalb des Eigenkapitals <strong>der</strong> Sparkasse von –<br />
nur – 22 Mio. € liegen sollte. 159 Finanzministerium und Innenministerium Mecklenburg-<br />
Vorpommerns, die den Vorgang als Sparkassen- und Kommunalaufsicht begleiteten,<br />
157 Nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes von Frühjahr 2006.<br />
158 Gemeindefinanzbericht 2005 des DST, S. 74.<br />
159 FAZ, 12.12.2003.<br />
111
hielten den Verkauf einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse an private Investoren für<br />
rechtlich unzulässig. Auch Unternehmerverbände lehnten eine Privatisierung von<br />
Sparkassen ab, weil sie um die Kreditversorgung fürchteten. Eine<br />
Unterschriftensammlung für einen Bürgerentscheid gegen den Verkauf <strong>der</strong><br />
Sparkasse fand großen Anklang. Wegen <strong>der</strong> zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen<br />
Verschärfung des Sparkassengesetzes in Mecklenburg-Vorpommern wurden die<br />
ursprünglichen Pläne schließlich nicht weiter verfolgt. 160<br />
– Son<strong>der</strong>fälle sind mit <strong>der</strong> vertikalen Integration bzw. Fusion von Sparkassen mit<br />
Landesbanken angesprochen. Im Juli 2005 erwarb die Landesbank Hessen-<br />
Thüringen durch einen Aktien-Kaufvertrag mit <strong>der</strong> Stadt Frankfurt a. M. die<br />
Frankfurter Sparkasse von 1822 zu einem Kaufpreis von 725 Mio. € (Presse-<br />
Information <strong>der</strong> Helaba vom 21.07.2005).<br />
Die Frankfurter Sparkasse („Fraspa“) war als freie Sparkasse nur außerordentliches<br />
Mitglied <strong>der</strong> Sparkassenorganisation. Sie war nach <strong>der</strong> Bilanzsumme die sechstgrößte<br />
Sparkasse bundesweit; sie hatte sich offenbar in <strong>der</strong> Kreditvergabe „verhoben“. Der<br />
öffentlich-rechtliche Regionalverband tolerierte die Verbindung mit <strong>der</strong> Helaba trotz<br />
größter Bedenken, weil die „Fraspa“ sonst an eine private Bank verkauft worden wäre<br />
(Handelsblatt, 14.11.2005). Immerhin blieb die „Fraspa“ ein rechtlich selbständiges<br />
Institut innerhalb des Helaba-Konzerns und „dauerhaft in die Sparkassenfamilie<br />
eingebunden“ (Mitteilung <strong>der</strong> Helaba vom 12.09.2005).<br />
– Eine ähnliche vertikale Integration gab es in Baden-Württemberg. Die ehemalige<br />
Südwest LB – Vorgängerin <strong>der</strong> Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) – hatte<br />
1999 das Massengeschäft <strong>der</strong> Stadtsparkasse Stuttgart 161 integriert. Der<br />
Vorstandsvorsitzende <strong>der</strong> LBBW hat in einem Interview mit <strong>der</strong> Börsen-Zeitung<br />
(11.10.2005) davor gewarnt, in einem solchen Verbundmodell ein Heilmittel <strong>zur</strong><br />
Lösung struktureller Probleme zu sehen.<br />
Die beiden geschil<strong>der</strong>ten Fälle vertikaler Integration bzw. Fusion haben nach diesen<br />
Erfahrungen keinen nachahmenswerten Modellcharakter.<br />
Das Sparkassenrecht ist Landesangelegenheit. In den Bundeslän<strong>der</strong>n werden<br />
unterschiedliche Lösungsansätze für die anstehende Neuordnung des<br />
Sparkassenwesens verfolgt, wie einige Beispiele beleuchten:<br />
160 FAZ, 03.03.2004.<br />
161 Die Stuttgarter Sparkasse firmierte nicht unter dem Namen „Sparkasse“, son<strong>der</strong>n hieß aus<br />
historischen Gründen „Landesgirokasse“, obwohl sie nur örtlich tätig war.<br />
112
– Die Hessische Landesregierung plant, die Bildung von Stammkapital zu<br />
ermöglichen. Die Anteile würden eventuell handelbar, was als erster Schritt für einen<br />
möglichen Verkauf von Sparkassen bewertet werden kann. Jedoch soll die Möglichkeit<br />
zum Kauf auf einen kleinen öffentlich-rechtlichen Käuferkreis begrenzt bleiben. 162<br />
Bemerkenswert ist, dass etwa 80 % <strong>der</strong> Bürger in Hessen den Verkauf einer<br />
Sparkasse an private Banken ablehnen. Auch die Kommunen <strong>der</strong> Region sind<br />
gegen eine solche Reform. 163 Schließlich ist zu bedenken, dass die Organe <strong>der</strong> EU<br />
aus wettbewerbsrechtlichen Gründen Vorbehalte gegen eine solche Einschränkung<br />
haben könnten, was letztlich sogar zu einer freien Fungibilität <strong>der</strong> Anteile an den<br />
öffentlich-rechtlichen Instituten führen könnte.<br />
– Bisher erlaubte nur das schon 1999 geän<strong>der</strong>te Sparkassengesetz von Rheinland-<br />
Pfalz kommunalen Trägern, Stammkapital zu bilden und zu veräußern. Allerdings ist<br />
diese Option auf kommunale Träger begrenzt. 164<br />
– Im Saarland sollen Sparkassen nicht privatisiert werden können. Die stille<br />
Beteiligung von Mitarbeitern und Kunden <strong>der</strong> Sparkassen soll jedoch ermöglicht<br />
werden. Neben Städten und Landkreisen sollen allerdings auch Stiftungen öffentlichen<br />
Rechts Träger sein können. 165<br />
– Nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung benötigen die<br />
Sparkassen in NRW nach Ansicht <strong>der</strong> neuen Landesregierung „ein überzeugendes<br />
Geschäftsmodell, um ihre beson<strong>der</strong>en Stärken, nämlich Bürgernähe und<br />
Mittelstandsför<strong>der</strong>ung, zu erhalten“ (Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP,<br />
vorgelegt am 16. Juni 2005, Teil „Haushalt und Finanzen“). Man werde durch eine<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung des Sparkassenrechts hierfür die gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen schaffen. Das betreffe insbeson<strong>der</strong>e die Möglichkeit von<br />
Ausschüttungen.<br />
Eine theoretische Alternative wäre eine Privatisierung <strong>der</strong> Sparkassen. Der<br />
Landtag könnte z. B. durch entsprechendes Gesetz die bisherigen Gewährträger zu<br />
Eigentümern machen, eine Stammkapitalbildung zulassen und die Möglichkeit<br />
eröffnen, durch Veräußerung des Stammkapitals die Institute zu verwerten, um den<br />
Kommunen beträchtliche Einnahmen zukommen zu lassen. In <strong>der</strong> Tat wird bundesweit<br />
verschiedentlich das „Patentrezept“ verkündet, „den Kommunen könnte doch aus ihrer<br />
162 Handelsblatt, 14.11.2005, und DIE WELT, 08.02.2006 und 30.03.2006.<br />
163 DIE WELT, 08.02.2006.<br />
164 Handelsblatt, 14.11.2005.<br />
165 FAZ, 30.05.2005.<br />
113
Finanzkrise herausgeholfen werden, wenn man sie nur endlich in die Lage versetzte,<br />
ihre Sparkassen zu versilbern.“ In einem Grundsatzreferat <strong>zur</strong> Thematik „Was die<br />
Kommunen von ihren Sparkassen erwarten“ kommentierte <strong>der</strong> Städtetagspräsident<br />
OB Ude, München, diese Versuchung, vor <strong>der</strong> mancher seiner Kollegen steht. Nach<br />
Udes Überzeugung sind Sparkassen unverzichtbar. Sie sind „Teil <strong>der</strong> dezentralen<br />
Problemlösungskompetenz <strong>der</strong> Kommunen vor Ort. Sie tragen nicht nur <strong>zur</strong><br />
wirtschaftlichen Leistungskraft, son<strong>der</strong>n auch <strong>zur</strong> gesellschaftlichen Stabilität bei und<br />
sind damit ein wichtiger Standortvorteil in den Regionen“, formulierte Ude in seinem<br />
Vortrag anlässlich <strong>der</strong> Strategietagung des DSGV am 07. November 2005 in Berlin.<br />
Natürlich könne manche Aufgabe auch von privaten Geschäftsbanken erfüllt werden,<br />
die Sparkassen unterschieden sich jedoch von diesen Wettbewerbern durch das<br />
Regionalprinzip und durch die Gemeinwohlorientierung. Diese Überzeugung, die von<br />
maßgeblichen Vertretern <strong>der</strong> Kommunen weitestgehend geteilt wird, begründete er<br />
ausführlich. Eine Reihe <strong>der</strong> Argumente kehrt in den nachstehenden Überlegungen<br />
wie<strong>der</strong>.<br />
Bei einer Debatte über die Möglichkeiten <strong>zur</strong> „Privatisierung“ einer Sparkasse sollten<br />
insbeson<strong>der</strong>e folgende Fakten berücksichtigt werden:<br />
– In <strong>der</strong> Regel zählen die Sparkassen zu den örtlich bedeutenden Arbeitgebern.<br />
In den Sparkassen sind mehr als 260.000 Mitarbeiter tätig 166 ; damit stellen sie einen<br />
<strong>der</strong> größten gewerblichen Arbeitgeber in Deutschland dar. Einige Beispiele aus<br />
NRW belegen das. Die Sparkassen in Düsseldorf und Aachen haben je etwa 2.200<br />
Beschäftigte, die Sparkassen in Dortmund 167 , Essen, Krefeld und Münsterland Ost<br />
zwischen 1.800 und 2.000 und die Sparkassen Duisburg, Bonn, Wuppertal,<br />
Bielefeld, Neuss sowie die Sparkasse Vest Recklinghausen jeweils mehr als 1.400.<br />
Bei den Rheinischen Sparkassen ist die Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten mit 35.200<br />
gegenüber 36.500 vor 15 Jahren nahezu unverän<strong>der</strong>t geblieben, obwohl in dieser Zeit<br />
<strong>der</strong> horizontale Fusionsprozess zu einer Verringerung <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Sparkassen von<br />
60 auf 36 geführt hat. 168 Diese Feststellung ist angesichts <strong>der</strong> bereits erwähnten<br />
stabilen Ertragslage <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Finanzinstitute gegenüber jener <strong>der</strong><br />
Banken sehr bemerkenswert. Bei einer Übernahme einer Sparkasse durch eine<br />
166 Nach Angaben des DSGV.<br />
167 Die Sparkasse Dortmund verfügt über einen Bestand von etwa 300.000 Privatkunden.<br />
168 Gemeinsame Stellungnahme <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände und <strong>der</strong> beiden Sparkassen- und<br />
Giroverbände <strong>zur</strong> Reform des Sparkassenrechts in NRW vom 18.01.2006.<br />
114
Privatbank ist angesichts <strong>der</strong> Erfahrungen <strong>der</strong> letzten Jahre damit zu rechnen, dass<br />
ein erheblicher Personalabbau erfolgen würde. Die vier Geschäftsbanken haben von<br />
2001 bis 2004 die Anzahl ihrer beschäftigten im Inland um insgesamt 42.100 reduziert,<br />
was einem Abbau von 28 Prozent entspricht, wie <strong>der</strong> Finanzminister von Rheinland-<br />
Pfalz in seiner schon erwähnten Rede ausführte. Spitzenreiter war danach die<br />
Deutsche Bank mit 38 Prozent.<br />
– Die Sparkassen gehören in vielen Städten zu den besten und zuverlässigsten<br />
Gewerbesteuerzahlern. Wie es um die Steuererwartungen <strong>der</strong> Kommunen nach<br />
einer Privatisierung des örtlichen Finanzinstituts aussähe, kann man sich leicht<br />
ausmalen. Zur Ertragslage <strong>der</strong> Sparkassen ist oben bereits ein neutraler Beobachter<br />
genannt worden.<br />
– Im Ausland sind erschreckende Folgen <strong>der</strong> Privatisierung von Sparkassen<br />
festzustellen. Mangeln<strong>der</strong> Wettbewerb führt zu problematischen kreditwirtschaftlichen<br />
Leistungen und hohen Preisen. In Großbritannien wurden insbeson<strong>der</strong>e in<br />
strukturschwachen Gebieten Bankdienstleistungen beträchtlich verschlechtert und<br />
besitzt je<strong>der</strong> fünfte Erwachsene kein Girokonto mehr. In Italien müssen die Kunden im<br />
Durchschnitt fünfmal so hohe Bankgebühren zahlen wie in Deutschland. 169<br />
– Seit Jahrzehnten för<strong>der</strong>n die Sparkassen – wie die Landesbanken – vielfältige<br />
Maßnahmen auf sozialem, kulturellem, sportlichem und wissenschaftlichem<br />
Feld und unterstützen sie weitere gemeinnützige und wohltätige Zwecke; diese<br />
För<strong>der</strong>politik wird ergänzt durch sparkasseneigene Stiftungen, die es in einer Zahl<br />
von mehr als 500 gibt.<br />
– Die Sparkassen haben aus dem jeweiligen Jahresüberschuss einen in den<br />
Sparkassengesetzen geregelten Teil an die Gewährträger abzuführen, sofern die<br />
Sicherheitsrücklage mehr als sieben Prozent <strong>der</strong> gemäß Kreditwesengesetz ( §10<br />
Abs. 1) ermittelten und gewichteten Risikoaktiva abdeckt. Die Mittel sind für<br />
gemeinnützige Zwecke zu verwenden; das gilt auch dann, wenn <strong>der</strong> Träger auf eine<br />
Zuführung verzichtet, mit <strong>der</strong> Folge, dass <strong>der</strong> Verwaltungsrat den Betrag unmittelbar<br />
Dritten zuführen kann.<br />
Bei einer kritischen Würdigung <strong>der</strong> vorstehend aufgeführten Aspekte überwiegen die<br />
Argumente, die gegen eine Verwertung von Sparkassen zugunsten ihrer Träger<br />
sprechen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht einerseits und unter kommunalpolitischem<br />
Aspekt <strong>der</strong> örtlichen Träger an<strong>der</strong>erseits liegt <strong>der</strong> Verzicht auf ein örtlich o<strong>der</strong> regional<br />
169 Finanzminister Mittler in seinem oben erwähnten Referat vom 09.12.2005.<br />
115
agierendes öffentlich-rechtliches Finanzinstitut nicht im wohlverstandenen Interesse<br />
<strong>der</strong> Städte, Gemeinde und Kreise.<br />
Der Verkauf von kommunalem Vermögen bewirkt finanzwirtschaftlich zwar<br />
kurzfristige Einmaleffekte, könnte jedoch die notwendigen strukturellen Maßnahmen<br />
<strong>zur</strong> Behebung <strong>der</strong> kommunalen Finanznöte verzögern o<strong>der</strong> gar verhin<strong>der</strong>n. Diese<br />
These wurde bereits im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage eines Verkaufs von<br />
städtischem „Tafelsilber“ eingehend begründet; an die Ausführungen in Teil 1 d) 4) sei<br />
deshalb erinnert.<br />
Zu Recht verwies <strong>der</strong> Städtetagspräsident in seiner zitierten Rede darauf, dass<br />
„Verkaufserlöse nur einmal zum Stopfen von Haushaltslöchern herangezogen werden<br />
können, während <strong>der</strong> Verlust von wirtschafts- und regionalpolitischen<br />
Handlungsmöglichkeiten, <strong>der</strong> Verlust von Arbeitsplätzen und Serviceangeboten, <strong>der</strong><br />
Verlust von sozialen und kulturellen Engagements und <strong>der</strong> Verlust von<br />
Steuereinnahmen jedes Jahr aufs Neue leidvoll zu spüren wäre.“ Das sei keine<br />
nachhaltige Politik.<br />
Allerdings sollte die nachhaltige Wirkung zugunsten <strong>der</strong> Kommunen geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Spielräume für Ausschüttungen an die Träger sollten zu diesem Zweck erhöht<br />
werden, zumal viele Institute wegen <strong>der</strong> vom Sparkassenrecht vorgegebenen Grenze,<br />
bis zu <strong>der</strong> zunächst die Sicherheitsrücklage aufgefüllt werden muss, seit Jahren keine<br />
Zuführungen an die Träger vornehmen. Im Prinzip haben die Kommunen einen<br />
Anspruch auf eine angemessene, also marktgerechte Verzinsung des in den<br />
Sparkassen gebundenen Eigenkapitals. Diese For<strong>der</strong>ung haben die kommunalen<br />
Spitzenverbände des Landes in ihrer Stellungnahme von Januar 2006 <strong>zur</strong> Reform des<br />
Sparkassenrechts in NRW erhoben. Diesem Ziel könnte dadurch gedient werden,<br />
dass im Rahmen <strong>der</strong> bevorstehenden Novellierung des Sparkassenrechts die<br />
Eigentümerposition <strong>der</strong> Kommunen verdeutlicht wird. Neben einer begrifflichen<br />
Klärung könnte <strong>der</strong> Ausweis von Trägerkapital geregelt werden, wobei die freie<br />
Verfügbarkeit dieses Eigenkapitals <strong>der</strong> Kommunen ausgeschlossen werden sollte. Auf<br />
diese Weise würde eine entsprechende Verbesserung <strong>der</strong><br />
Ausschüttungsmöglichkeiten erleichtert, sodass eine angemessene Verzinsung des<br />
Trägerkapitals im Sinne <strong>der</strong> Wirtschaftsgrundsätze <strong>der</strong> Gemeindeordnung (§ 109 GO<br />
NW) erreichbar ist, die durch eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausschüttungsregelung in § 28 SpkG<br />
NW ergänzt werden müsste.<br />
116
Bei diesen Überlegungen sollte schließlich die Frage geprüft werden, ob die auf das<br />
Eigenkapital in Zukunft zu leistenden Zinsbeträge bzw. die entsprechende<br />
„Ausschüttung“ auch weiterhin noch auf gemeinnützige Zwecke beschränkt bleiben<br />
müssen.<br />
d) Fazit zu Teil 3: Überwindung <strong>der</strong> Finanzkrise in Deutschland durch konzertierte<br />
Aktionen <strong>der</strong> drei staatlichen Ebenen erreichbar<br />
In Teil 3 wurden Handlungsempfehlungen und Denkmodelle erörtert, die sich an den<br />
Bund o<strong>der</strong> das Land richten und im Einzelfall auch die EU betreffen. Diese Ausweitung<br />
<strong>der</strong> denkbaren Prüfungsfel<strong>der</strong> war bereits durch das Ergebnis <strong>der</strong> Untersuchungen in<br />
Teil 1 ausgelöst worden; dessen Resümee lautete, dass alle drei staatlichen<br />
Ebenen in <strong>der</strong> Pflicht stehen, ihre instabilen Haushalte zu sanieren, und dass dazu<br />
das Zusammenspiel aller Kräfte erfor<strong>der</strong>lich ist. Zu Teil 2 war ergänzend festgehalten<br />
worden, dass die Umsetzung <strong>der</strong> dort entwickelten weiteren Vorschläge sehr viel<br />
Zeit benötigt, da es dabei <strong>der</strong> formalen Abstimmung mehrerer staatlicher Ebenen<br />
bedarf. Die in Teil 3 entwickelten Vorschläge sind geeignet, bemerkenswerte<br />
zusätzliche Wirkungen zu entfalten. Mehrere Vorschläge würden den Kommunen<br />
eine erhebliche direkte Entlastung bringen, u. a. durch die überfällige<br />
Gemeindefinanzreform des Bundes und die Reform des<br />
Gemeindefinanzierungsgesetzes des Landes. An<strong>der</strong>e Vorschläge würden dem Bund<br />
und dem Land die Chance bieten, zu beachtlichen Effizienzverbesserungen zu<br />
gelangen, u. a. durch Organisationsän<strong>der</strong>ungen und Strukturreformen, aber auch<br />
durch eine ohnehin gebotene Begrenzung <strong>der</strong> Finanzierungslast gegenüber <strong>der</strong> EU.<br />
Die Realisierung <strong>der</strong> in allen Teilen dieser Studie entworfenen Maßnahmen würde das<br />
angestrebte Ziel <strong>der</strong> Sanierung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte nicht nur <strong>der</strong> Verwirklichung<br />
näher bringen. Die Überwindung <strong>der</strong> Finanzkrise in Deutschland kann durch<br />
konzertierte Aktionen <strong>der</strong> drei staatlichen Ebenen erreicht werden. Die eingehend<br />
beschriebene höchst kritische Situation <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen in Deutschland<br />
verlangt jedoch ein intensiveres und rascheres Vorgehen, als es bisher zu<br />
beobachten ist. „Trippelschritte“ auf dem für richtig erkannten Wege reichen nicht aus,<br />
das Marschtempo muss entscheidend erhöht werden.<br />
117
Es wird gelegentlich als „typisch deutsche Art“ bezeichnet, dass sich Pessimismus<br />
o<strong>der</strong> gar Fatalismus ausbreiten. Im April 2006 erschien das lesenswerte Buch von<br />
Notker Wolf mit dem bezeichnenden Titel „Worauf warten wir?“ 170 Darin beschreibt er<br />
die in Deutschland weit verbreitete Mentalität, alles zu vermeiden, was nach<br />
Zuversicht aussehen könnte. Man wisse zwar, dass es so nicht mehr weiter geht, aber<br />
man hoffe, dass sich nur gar nichts än<strong>der</strong>n werde. Er analysiert die wi<strong>der</strong>sprüchliche<br />
Gesellschaft, prangert die Besitzstandswahrer an und for<strong>der</strong>t Zukunftsoptimismus,<br />
Selbstvertrauen und Einsatzfreude sowie die persönliche Freiheit, um wie<strong>der</strong> eine<br />
zukunftsfähige Gemeinschaft zu werden. Seinem Plädoyer für einen mutigen Aufbruch<br />
sollte man sich anschließen. Nur so wird es gelingen können, die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Gegenwart zu meistern, um die kommenden Generationen nicht noch mehr zu<br />
belasten, als das durch folgenschwere ungedeckte Schecks in die Zukunft längst<br />
passiert ist.<br />
170 Abtprimas Notker Wolf. Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland. Rowohlt<br />
Taschenbuch Verlag. Reinbek bei Hamburg, April 2006.<br />
118
Epilog des Verfassers<br />
Das ursprüngliche Ziel dieser Studie war es, ausschließlich o<strong>der</strong> vorrangig den<br />
Kommunen in NRW Wege aus dem Dilemma aufzuzeigen, in das sie durch die<br />
besorgniserregende Entwicklung ihrer Finanzen geraten sind. Nach einer intensiven<br />
Analyse wurden Möglichkeiten und Grenzen von Maßnahmen geprüft, mit denen die<br />
Städte, Kreise, Gemeinden und Gemeindeverbände aus eigener Kraft ihre<br />
Etatsituation verbessern könnten. Dabei ergab sich bald die Erkenntnis, dass die<br />
Kommunen auf absehbare Zeit nicht in <strong>der</strong> Lage sind, die massive Krise allein zu<br />
bewältigen. Es bedarf vielmehr einer konzertierten Aktion <strong>der</strong> drei staatlichen<br />
Ebenen. Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden müssen gemeinsam und gezielt vorgehen,<br />
zumal auch die staatlichen Haushalte strukturell überfrachtet sind. Für den Weg einer<br />
Überwindung <strong>der</strong> Krise <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte durch ein Zusammenwirken<br />
aller staatlichen Ebenen wurden zahlreiche Empfehlungen entwickelt und begründet,<br />
bei <strong>der</strong>en Befolgung das angestrebte Ziel erreichbar erscheint.<br />
Von großer Bedeutung für den Erfolg – die Sanierung <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen – ist<br />
es, dass die jeweils höhere staatliche Ebene die Konsolidierung ihres Etats nicht zu<br />
Lasten <strong>der</strong> nachgeordneten Einheit zu bewirken versucht. In diesem Sinne hat <strong>der</strong><br />
Städtetag NRW im Frühjahr 2006 das Land aufgefor<strong>der</strong>t, die unumgängliche<br />
Konsolidierung des Landeshaushalts nicht auf dem Rücken <strong>der</strong> Kommunen zu<br />
betreiben. „In einem fairen fö<strong>der</strong>alen System sollte es selbstverständlich sein, dass die<br />
Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Etats jeweils im eigenen Kompetenzbereich <strong>der</strong><br />
verschiedenen Ebenen stattfindet. Ein bloßes Überwälzen von Aufgaben und<br />
Ausgaben hilft nicht weiter“, erklärte <strong>der</strong> Vorsitzende des Städtetages NRW, <strong>der</strong><br />
Dortmun<strong>der</strong> Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer. 171 Völlig zu Recht wies<br />
er darauf hin, dass die Lösung <strong>der</strong> Struktur- und Finanzprobleme in NRW mittel-<br />
und langfristig nur mit starken Städten gelingen könne. Deshalb müsse das Land<br />
die finanziellen Handlungsspielräume <strong>der</strong> Kommunen stärken und nicht schwächen.<br />
Diese Erkenntnis gilt <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache nach auch in Richtung auf den Bund.<br />
Diese Studie erhebt nicht den Anspruch, die komplexe Thematik erschöpfend zu<br />
behandeln. Ebenso wenig ist sie als „pädagogischer Zeigefinger“ gemeint. Die<br />
119<br />
maßgeblichen Repräsentanten von Politik und Verwaltung kennen ihre
Verantwortung wie auch ihre praktischen Möglichkeiten; sie bemühen sich nach<br />
Kräften um die Lösung <strong>der</strong> gewaltigen Probleme. Dazu sollen die Hinweise dieser<br />
Studie Bestärkung und Motivation verleihen und eine nützliche Handreichung<br />
sein.<br />
Sowohl zum Analyseteil als auch bei <strong>der</strong> Auslotung von Risiken und Chancen<br />
denkbarer Lösungsansätze waren umfangreiche Recherchen notwendig, was durch<br />
einige Beispiele verdeutlicht werden soll: Mehr als 2 Dutzend Etatreden von<br />
(Ober)Bürgermeistern und Finanzdezernenten aller betroffenen Bereiche und<br />
umfangreiches Material <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbände wie vom Innenministerium<br />
wurden ausgewertet. Hilfreich waren Kontakte zu Vertretern von Politik und<br />
Verwaltung nicht nur <strong>der</strong> Städte, Gemeinden / Gemeindeverbände selbst, son<strong>der</strong>n<br />
auch zu Führungsorganen kommunaler Unternehmen <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft, <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung sowie <strong>zur</strong> Sparkassen-Finanzgruppe bis hin <strong>zur</strong> neuen „ARGE“.<br />
Der Verfasser ist den Gesprächspartnern für ihre Bereitschaft <strong>zur</strong> intensiven<br />
Erörterung diverser Problembereiche und Lösungsmöglichkeiten sehr dankbar. In<br />
vielen dieser Gespräche hat sich bestätigt, dass ein beson<strong>der</strong>es Problem in <strong>der</strong><br />
Umsetzung von Maßnahmen besteht, die an sich für notwendig gehalten werden, bei<br />
denen aber die „öffentlichen Auswirkungen“ als Hürde o<strong>der</strong> gar als Hin<strong>der</strong>nis<br />
angesehen werden. Umso wichtiger ist es, über die betroffenen Verwaltungseinheiten<br />
hinaus die Allgemeinheit davon zu überzeugen, dass in großem Umfang<br />
unpopuläre Entscheidungen unabwendbar sind; nur so wird man auf Dauer wie<strong>der</strong><br />
zu vertretbaren Verhältnissen bei <strong>der</strong> öffentlichen Hand gelangen können, was letztlich<br />
im Sinne <strong>der</strong> Bürger liegt. Auch <strong>zur</strong> Erfüllung dieser Aufgabe soll die Studie Hilfen<br />
anbieten. Möge es gelingen, bei den Beteiligten, aber auch bei <strong>der</strong> Öffentlichkeit, das<br />
erfor<strong>der</strong>liche Problembewusstsein und die notwendige Umsetzungsbereitschaft zu<br />
stärken.<br />
Ein vorsorglicher Hinweis zu den Formulierungen: Die jeweils benutzten Begriffe<br />
werden <strong>der</strong> besseren Lesbarkeit wegen nur in dem gebräuchlichen Genus verwandt,<br />
<strong>der</strong> Verzicht auf weitere – z. B. weibliche – Formen enthält keine Wertung.<br />
Zur besseren Abwicklung des Projektes hat die Hypothekenbank in Essen AG dem<br />
Verfasser ein Diskussionsgremium angeboten; Mitglie<strong>der</strong> waren <strong>der</strong><br />
Vorstandsvorsitzende <strong>der</strong> Bank, Herr Hubert Schulte-Kemper, sowie die Herren<br />
171 Erklärung anlässlich <strong>der</strong> Landtagsanhörung zum Haushaltsstrukturgesetz 2006; Mitteilung des<br />
120
Dr. Gregor Stricker (Leiter des Unternehmensbereichs Corporate Management<br />
Center), Raimund Bitter (Deputy Head of Treasury, Vice President) und Klaus<br />
Weidner (Leiter <strong>der</strong> Rechtsabteilung). Der Verfasser bedankt sich sehr für Hinweise,<br />
Anregungen und die kreativen internen Diskussionen.<br />
Wuppertal, den 02. Mai 2006<br />
Elmar Schulze<br />
Städtetags NW vom 23.03.2006.<br />
121
Verzeichnis <strong>der</strong> Anlagen<br />
Anlage 1: Verfall <strong>der</strong> Investitionen<br />
Anlage 2: Anstieg <strong>der</strong> Sozialausgaben<br />
Anlage 3: Defizitäre städtische Verwaltungshaushalte<br />
Anlage 4: Rückgang <strong>der</strong> kommunalen Sachinvestitionen (Kommunen in NRW)<br />
Anlage 5: Pro-Kopf-Verschuldung <strong>der</strong> kreisfreien Städte in NRW<br />
Anlage 6: Defizite größerer Städte in NRW<br />
Anlage 7: Verschiebung <strong>der</strong> Altersgruppen innerhalb <strong>der</strong> Bevölkerung in NRW im<br />
längerfristigen Zeitablauf<br />
Anlage 8: Entwicklung <strong>der</strong> strukturellen Fehlbeträge 1992 bis 2010 <strong>der</strong> Stadt<br />
Wuppertal<br />
Anlage 9: Karte zum Plan eines neugeordneten Bundesgebietes<br />
Anlage 10: Kommunaler Personalabbau in Ost und West (1992 bis 2003)<br />
Anlage 11: Gebietskarte des Regionalverbands Ruhr<br />
122
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4<br />
Kommunalfinanzbericht November 2005 des Innenministeriums NRW
Anlage 5
Anlage 6
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
20<br />
Anlage 7<br />
Kin<strong>der</strong> auf 1000 Einwohner in NRW<br />
10<br />
18<br />
10 10<br />
1940 1945 1965 1973 1998 2004<br />
Menschen über 60 Jahre auf 100 Erwerbstätige in NRW<br />
32<br />
43<br />
1960 2004 2020 2030<br />
Menschen ab 60 Jahre auf 100 Einwohner unter 60<br />
Jahren in NRW<br />
24<br />
45<br />
1950 2004 2017 2040<br />
56<br />
50<br />
75<br />
65<br />
9
Stadt Wuppertal<br />
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10<br />
Gemeindefinanzbericht 2004 des Deutschen Städtetages
Anlage 11
Impressum:<br />
Herausgeber: Hypothekenbank in Essen AG<br />
Verfasser: Stadtkämmerer a. D. Dr. Elmar Schulze<br />
1. Auflage: 1.000 Exemplare<br />
Druckerei: Pietrowsky Druck GmbH, Bottrop<br />
Gestaltung des Umschlages: vE&K, Werbeagentur GmbH & Co. KG, Essen<br />
Foto Umschlagrückseite: Tilo Karl, Essen
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