06.12.2012 Aufrufe

Danke! - Kirkel

Danke! - Kirkel

Danke! - Kirkel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Unter Kaiser Josef II. (1765 bzw. 1780-1790) erfolgte in den Jahren<br />

1782 bis 1786 der „dritte Schwabenzug“. Wie die Werbung unter<br />

den Interessenten und die Ansiedlung konkret erfolgte, sei am Beispiel<br />

Orczydorf (s. Adam-Petri: Orczydorf S. 17 f.) exemplarisch<br />

aufgezeigt:<br />

1782 erschien in Frankfurt und Mainz ein Werbepatent, auch Ansiedlungspatent<br />

genannt: In ihm verkündete Kaiser Joseph („Wir<br />

Joseph der Andere, von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser,<br />

König in Ungarn…“) die Absicht, in Ungarn „leere und öde Gründe“<br />

mit „Deutschen Reichsgliedern, besonders aus dem Ober-Rheinischen<br />

Kreise, anzusiedeln“. Er warb u.a. mit folgenden Angeboten:<br />

- Religions-Freyheit mit den „benöthigten Geistlichen und Lehrern“<br />

- Für jede Familie Haus und Garten<br />

- Für „Ackersleute den erforderlichen Grund, in guten Aeckern und<br />

Wiesen bestehend, wie auch mit dem benöthigten Zug- und Zucht-<br />

Vieh, dann Feld- und Haus-Geräthschaften“<br />

- Befreiung des ältesten Sohnes von der „Militär-Rekrutirung“<br />

- „Freie Transportierung bis auf Ort und Stelle der<br />

Ansiedlung…Verpflegung solange, bis die Familie imstande ist, sich<br />

selbsten zu ernähren“<br />

- „Zehn Jahre Freyheit von allen Landes- und Herrschafts-Steuern,<br />

Abgaben und Lasten“<br />

Die Errichtung des Dorfes geschah 1784 mit 203 Häusern, die dazugehörigen<br />

Felder wurden1785 ausgemessen.<br />

Der Name Orczydorf wurde 1785 gebräuchlich. Namensgeber war<br />

Ladislaus Baron Orczy, der in dieser Zeit Präsident der Temeschwarer<br />

Kameraladministration (Finanzverwaltung) war, der Behörde,<br />

die die Errichtung neuer Siedlungen vor Ort beriet, um dann<br />

bei der ungarischen Hofkammer das Placet einzuholen. 1792 hatte<br />

Orczydorf 976 Einwohner, 100 Jahre später 2998, 1940 2149.<br />

Das Herkunftsgebiet der Kolonisten erstreckte sich, wie die obigen<br />

Beispiele zeigen, über ganz Süd-, West-, Südwest- und Mitteldeutschland,<br />

aber auch Luxemburg, Lothringen und Elsaß. Die Zunahme<br />

der Bevölkerung in Orczydorf kann auf das Banat insgesamt<br />

(s.o. die Zahlen) übertragen werden, wirtschaftlich ging es eben<br />

kontinuierlich aufwärts: Mitte des 19. Jahrhunderts war das Banat<br />

die Kornkammer des Habsburger Reiches. Diese Erfolgsgeschichte<br />

hatte ihren Preis: Trotz Einsatzes der Siedler bis zur Selbstaufopferung<br />

dauerte es Generationen, bis die Früchte geerntet werden<br />

konnten. Nach allgemeiner Erfahrung galt: Dem Ersten der Tod, dem<br />

Zweiten die Not, dem Dritten das Brot.<br />

Weniger erfreulich verlief die Entwicklung für die Banater (und Siebenbürger)<br />

als Volksgruppe, die immer darauf bedacht war, ihre<br />

deutsche Kultur und Sprache zu erhalten: - So lange das Banat<br />

österreichisches Kronland war, blieb seine Identität unangetastet,<br />

Amtssprache war auch deutsch.<br />

- Unter ungarischer Herrschaft, besonders nach dem Ausgleich 1867,<br />

in dem Ungarn als eigener Staat anerkannt wurde (österreichischungarische<br />

Doppelmonarchie,) wurden die Nationalisierungsbestrebungen<br />

im Schul- und kirchlichen Bereich, in der Verwaltung und<br />

in der Gesellschaft immer drängender, sie waren zu Merkmalen<br />

regionaler Entwicklung geworden. Einzige Unterrichtssprache wurde<br />

z.B. Ungarisch.<br />

- Nach dem 1. Weltkrieg kam es zur Auflösung der Habsburger<br />

Monarchie, Ungarn verlor sieben Zehntel seines Staatsgebietes, Siebenbürgen<br />

und das Banat (zum größten Teil jedenfalls) kamen zu<br />

Rumänien. In der nach Karlsburg (Alba Julia) einberufenen Nationalversammlung<br />

proklamierten die Rumänen „die volle nationale<br />

Freiheit für alle mitwohnenden Völker“ (Waldner: Perjamosch S.<br />

40). In der Folgezeit war das Hauptziel der volksdeutschen Politiker<br />

die gesetzliche Verankerung der Karlsburger Versprechungen, was<br />

allerdings nicht gelang.<br />

- Enttäuscht ging der Blick dorthin, wo die Betonung des Völkischen<br />

zur Programmatik rechter Parteien gehörte, insbesondere die<br />

NSDAP war die Partei des Völkischen. Als in den 30er Jahren diese<br />

Partei an die Macht kam, wurden die Verbindungen führender Vertreter<br />

der Volksdeutschen zu ihrem Herkunftsland immer enger, der<br />

Virus des NS-Nationalismus breitete sich auch bei den Deutschen<br />

in Rumänien aus mit Folgen, die wir bereits kennen.<br />

b. Die Besiedlung Siebenbürgens durch die Sachsen.<br />

1910 lebten, wie erwähnt, 250.000 Sachsen in Siebenbürgen, 2007<br />

waren es noch knapp 15.000, damit endete eine fast 800jährige Tradition.<br />

Der Begriff Sachsen (Saxones in der lateinischen Kanzleisprache<br />

der ungarischen Könige) ist ein Sammelbegriff für alle Deutschen,<br />

ähnlich dem der Schwaben (s.o.für die Banater) und dem<br />

Französischen Allemands (Allemannen).<br />

1143 kamen im Zuge der deutschen Ostsiedlungen die ersten deutschen<br />

Siedler in die Region. König Geisa II. von Ungarn hatte Mitte<br />

des 12.Jahrhunderts seinen Einflussbereich über ganz Siebenbürgen<br />

bis in die Karpaten ausgeweitet und ließ das sehr dünn besiedelte<br />

Gebiet von den deutschen Siedlern urbar machen. Er verlieh<br />

den Kolonisten Sonderrechte: Territorialautonomie und weitgehende<br />

Steuerfreiheit. Im Goldenen Freiheitsbrief 1224 unter Andreas II.<br />

wurden diese und andere Privilegien kodifiziert: Neben der Nutzung<br />

von Gewässern und Wäldern und Zollfreiheit für die deutschen<br />

Händler waren die Kolonisten weder der Kirche noch dem Adel untertan,<br />

also freie Bürger.<br />

Die Herkunftsgebiete der Kolonisten lagen größtenteils im heutigen<br />

Luxemburg, Lothringen, Elsaß und im Raum Köln. Im 14. und<br />

15. Jahrhundert prosperierte das Land, Grundlage war der Bergbau<br />

(Gold, Silber und Salz) und der Handel bis zur Ostsee im Nor-<br />

den, im Westen bis Wien, im Osten bis Konstantinopel. Mit dem<br />

Fall Konstantinopels durch die osmanischen Türken wurde die miltärische<br />

Bedrohung allgegenwärtig. Zur Abwehr bauten die Siebenbürger<br />

die Kirchen in den Dörfern zu Wehrbauten aus, die Dörfer<br />

und Städte wurden ebenfalls schwer befestigt. Nach 1529, nach der<br />

Belagerung Wiens, geriet Ungarn unter türkische Herrschaft. Siebenbürgen<br />

blieb ein selbständiges Fürstentum unter osmanischer<br />

Oberhoheit, war aber tributpflichtig.<br />

Im 16. Jahrhundert hielt in Siebenbürgen die Reformation Einzug:<br />

Johannes Honterus, ein Kronstädter Gelehrter „hat, nach einem<br />

zeitgenössischen Bericht, die Lehre des heiligen Evangelii und den<br />

rechten Gottesdienst allhier eingericht und die Schule reformiert<br />

zu Nutz der Jugend..“ (s. Rumänien zwischen Bleiben und Gehen,<br />

VDA, S.26), was, in Fakten ausgedrückt, heißt: Johannes Honterus<br />

veröffentlichte 1543 sein Reformationsbüchlein, das, so der Erlaß<br />

der „Universität“ (=oberste Behörde), Grundlage „einer verbindlichen<br />

Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen“ (Heinrich<br />

Zillich: Siebenbürgen, 1982, S.45) sei. 1547 erschien die von ihm<br />

entworfene „Kirchenordnung aller Deutschen in Sybenbürgen“, die<br />

in allen sächsischen Gemeinden Gültigkeit erlangte<br />

1683 scheiterte die Belagerung Wiens durch die Türken. Es kam zur<br />

Gegenoffensive, in deren Verlauf 1687 kaiserliche Truppen in Siebenbürgen<br />

einmarschierten. 1688 unterstellte der siebenbürgische<br />

Landtag das Land dem Habsburger Kaiser Leopold I. Während die<br />

Habsburger in ihren österreichischen Erblanden die evangelische Lehre<br />

verboten, gestanden se den Siebenbürgern Religionsfreiheit zu.<br />

In den Jahren 1734-1736 und 1752-1756 sind deswegen die evangelischen<br />

„Landler“ aus Österreich (Landl) ausgewiesen worden; die<br />

erste Welle kam aus dem Salzkammergut, die zweite Welle aus Oberund<br />

Innerösterreich (Kärnten und Steiermark). Zuzugsgemeinden<br />

waren Großau, Großpold und Neppendorf (alle nahe Hermannstadt).<br />

Ihr Dialekt hat sich übrigens bis in die jüngste Gegenwart in diesen<br />

Gemeinden erhalten.<br />

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass bereits 1722 die allgemeine<br />

Schulpflicht per Gesetz eingeführt war – früher als in allen deutschen<br />

Landen.<br />

Durch den österreichisch- ungarischen Ausgleich (s.o.) fiel Siebenbürgen<br />

1867 Ungarn zu. In diesem neuen Königreich Ungarn betrug<br />

der Anteil der Magyaren 40%. Sie hatten somit die relative,<br />

jedoch nicht die absolute Mehrheit. Die stärksten Minderheiten bildeten<br />

die Rumänen, Slowaken, Deutschen, Kroaten und Serben. In<br />

diesem Vielvölkergemisch sahen die Ungarn eine Gefahr für „ihren“<br />

Staat, daher der Versuch der erwähnten rigorosen Magyarisierung,<br />

die z.B. darin bestand, den Minderheiten die ungarische<br />

Sprache aufzudrängen.<br />

Solange Siebenbürgen Kronland war, konnte es seine Jahrhunderte<br />

alte Autonomie (basierend auf dem Goldener Freiheitsbrief) aufrechterhalten.<br />

Der Magyarisierung fiel auch diese zum Opfer: Seit<br />

1876 war sie per Gesetz aufgehoben, allein die Kirche blieb voll intakt<br />

und das von ihr getragene Schulwesen wurde planmäßig ausgebaut.<br />

Die Ecclesia Dei nationis Saxonicae, die Kirche Gottes sächsischer<br />

Nation wurde alleiniges Symbol der Einheit der Siebenbürger<br />

Sachsen Nach 1918 löste sich der habsburgische Vielvölkerstaat<br />

auf. Siebenbürgen kam unter rumänische Herrschaft. Trotz der Karlsburger<br />

Versprechungen (s.o.) wurde der Rumänisierungsdruck<br />

immer stärker. Auch das Schulwesen geriet in Gefahr, der Kirche<br />

entwunden zu werden. Als in den 30er Jahr im Herkunftsland die<br />

Volkstumspolitik einen nie dagewesenen Stellenwert erhielt (s.o.),<br />

sympathisierten die Siebenbürger Sachsen (und Banater Schwaben)<br />

mit Berlin mit den Folgen, die wir kennengelernt haben.<br />

Sie haben sich bis nach Limbach, wo es zur Errichtung der Gruppensiedlung<br />

„Bliesbergerhof“ kam, ausgewirkt – nicht zum Schaden<br />

unseres Ortes.<br />

VII. Quellen<br />

a. Tonbandaufnahmen mit Maria Klima (28.12.2000 und<br />

7.3.2008), Veronika Schmidt (9.2.1996), Johanna Untch<br />

(7.3.2008) und Hermann Steitz , Abteilungsleiter Landwirtschaft<br />

im Wirtschaftsministerium des Saarlandes (4.3.2008)<br />

b. Gespräche mit Franz Grauvogel ( in den Tagen der ersten<br />

Märzhälfte), mit Veronika Schmidt am 7.2.2008 und mit fast<br />

allen anderen Familien (teils persönlich, teils per Telefon)<br />

c. Benutzte Literatur:<br />

1. Das Banat und die Banater, Band 2, 1990<br />

2. Festschrift Landsmannschaft der Banter Schwaben. 40 Jahre<br />

Landsmannschaft 1949/50 -1989/90, 1990<br />

3. Jahrmarkter Heimatblätter. Deportation 1945, 1995<br />

4. Gertrude Adam-Anton P. Petri: Orczydorf. Banat 1983<br />

5. Hellmut Klima: Tagebücher, Bd.1 1930-1945 (19999) Bd.2<br />

1946-1990 (2001)<br />

6. Karl. F. Waldner: An der Saar daheim. Eingliederung der<br />

Donaudeutschen, 1980<br />

7. Karl F. Waldner: Perjamosch, 1977<br />

8. Ernst Wagner: Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Ein<br />

Überblick, 1982<br />

Heinrich Zillich: Siebenbürgen. Ein abendländisches Schicksal.<br />

Blaue Bücher, 1982<br />

www www.kirkel.de<br />

www .kirkel.de<br />

KIRKELER NACHRICHTEN NR. 19/2008 Seite 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!