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Eigenspannungen und Formaenderungen in Schweisskonstruktionen Leseprobe

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1 E<strong>in</strong>führung<br />

1.1 Zielstellung <strong>und</strong> Inhalt<br />

Die Fertigungstechnik des Schweißens ist e<strong>in</strong> wirtschaftliches Verfahren zum Fügen von Bauteilen<br />

aus den verschiedenen Werkstoffen mit großer Anwendungsbreite. Die wirtschaftlichen Vorteile<br />

des Schweißens s<strong>in</strong>d jedoch nur auszuschöpfen, wenn die Wirkungen des Schweißvorganges, die<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Formänderungen, bei der Konstruktion <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Fertigung beherrscht werden.<br />

Der bei der Herstellung e<strong>in</strong>er Schweißnaht stattf<strong>in</strong>dende örtliche Wärmee<strong>in</strong>trag führt zu ungleichmäßigen<br />

Stauchungen im Nahtbereich, wodurch bei Abkühlung <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Formänderungen<br />

unterschiedlicher Größe <strong>und</strong> Verteilung <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> am Bauteil auftreten.<br />

Bild 1-1. Kompetenzmanagement<br />

zum Fügen [1-1].<br />

Um e<strong>in</strong>e rissfreie, sichere <strong>und</strong> maßgenaue Schweißkonstruktion herzustellen, bedarf es gr<strong>und</strong>legender<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> bewährter Verfahrensweisen. Für e<strong>in</strong> erfolgreiches Zusammenwirken bei<br />

der Konstruktion, Fertigungsvorbereitung <strong>und</strong> der Fertigung s<strong>in</strong>d Kompetenz der Beteiligten <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong> zielgerichtetes Management erforderlich. Bild 1-1 gibt dieses Kompetenz-Management zum<br />

Fügen schematisch wieder. Mit der Wahl der Fügetechnologie wird auch maßgeblich über die<br />

Maßgenauigkeit des zu fertigenden Bauteiles entschieden. Darauf ist bereits bei der Konstruktion<br />

e<strong>in</strong>zugehen <strong>und</strong> vom Fertigungsplaner s<strong>in</strong>d entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die dazu erforderlichen<br />

Dokumentationen s<strong>in</strong>d Arbeitsplan, Schweißfolgeplan <strong>und</strong> Zusammenbauplan. Die<br />

Aufstellung dieser Dokumente setzt Fachkenntnisse der thermischen <strong>und</strong> mechanischen Vorgänge<br />

beim Schweißen voraus, <strong>in</strong>sbesondere über die Maßnahmen zur Beherrschung der Auswirkungen<br />

von <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Formänderungen. Fachkompetenz ist dann erwiesen, wenn es gel<strong>in</strong>gt,<br />

durch geeignete Maßnahmen vor <strong>und</strong> während des Schweißprozesses die Qualität des geschweißten<br />

Werkstückes zu sichern. Bild 1-2 zeigt das System, <strong>in</strong> dem die angesprochene Kompetenz<br />

e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en ist.<br />

1


Bild 1-2. Managementsystem des Fügens, Kompetenzfelder <strong>und</strong> handelnde Bereiche [1-1].<br />

Die Zielstellung, die Qualität e<strong>in</strong>schließlich der Maßhaltigkeit nach dem Schweißen zu sichern,<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Formänderungen <strong>in</strong> Schweißkonstruktionen fachlich zu beherrschen, erfordert<br />

Fachkompetenz (siehe Kapitel 2, Kapitel 3 <strong>und</strong> Kapitel 4) <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Wissensmanagement mit<br />

Erfahrungsrückfluss, Bild 1-3. Die Maßnahmen der Unternehmensleitung, der Konstruktion <strong>und</strong><br />

der Fertigungsvorbereitung zur Qualitätssicherung werden im Kapitel 5 übersichtlich dargestellt<br />

<strong>und</strong> an Beispielen erläutert.<br />

Bild 1-3. Wissensmanagement für Formänderungen <strong>und</strong> <strong>Eigenspannungen</strong> beim Schweißen.<br />

Durch M<strong>in</strong>imieren der Form- <strong>und</strong> Maßabweichungen während des Schweißprozesses gel<strong>in</strong>gt es,<br />

den Aufwand für nachträgliches Richten deutlich unter 10 % der Zeit für das vorangegangene<br />

Schweißen zu senken. Nachträgliches Reduzieren der Formänderungen durch Kalt- oder Warmrichten<br />

kann ebenso wie e<strong>in</strong> nachträglicher Abbau der <strong>Eigenspannungen</strong> durch thermische oder<br />

mechanische Verfahren schon aus Kostengründen nicht befriedigen <strong>und</strong> muss auf Ausnahmefälle<br />

beschränkt bleiben.<br />

Die Maßhaltigkeit der Werkstücke nach dem Schweißen ist Bestandteil des Qualitätsmanagements<br />

nach DIN EN ISO 9000 [1-2]. Die Maßhaltigkeit ist auch Bestandteil der Verfahrensprüfung <strong>und</strong><br />

2


<strong>in</strong> der Schweißanweisung des Herstellers nach DIN EN ISO 15609-1 [1-3] auszuweisen. Als<br />

Gr<strong>und</strong>lage können beispielsweise zur Vorausberechnung notwendiger Zugaben an den E<strong>in</strong>zelteilen<br />

die <strong>in</strong> Kapitel 3 angegebenen praktischen Verfahren zur Ermittlung der Schrumpfungen <strong>und</strong> Formänderungen<br />

nach dem Schweißen <strong>und</strong> die zusammenfassend wiedergegebenen Messergebnisse<br />

dienen.<br />

Obwohl das Schweißen als technologisches Verfahren dem Fertigungsprozess zugeordnet ist, greift<br />

es jedoch entscheidend <strong>in</strong> den Entwurfs- <strong>und</strong> Gestaltungsprozess e<strong>in</strong>. Es genügt daher nicht, die<br />

Bemessung <strong>und</strong> Gestaltung e<strong>in</strong>er Konstruktion alle<strong>in</strong> nach den Beanspruchungen aus äußeren Lasten<br />

<strong>und</strong> den speziellen Nutzungsbed<strong>in</strong>gungen vorzunehmen. Das Schweißen bee<strong>in</strong>flusst <strong>in</strong> erheblichem<br />

Maße die Dimensionierung, Werkstoffwahl, Formgebung <strong>und</strong> andere konstruktive Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

Die Auswirkungen der <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> der Formänderungen beim Schweißen müssen<br />

daher <strong>in</strong> Maßnahmen zu deren Begrenzung bei der Konstruktion <strong>und</strong> Fertigungsvorbereitung<br />

e<strong>in</strong>münden.<br />

Dem schon lange beherrschten Phänomen Sprödbrüche folgte <strong>in</strong> den letzten 30 Jahren das Phänomen<br />

„Instabilität versteifter Druckgurte“ von Kastenträgern. <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

Formänderungen (Beulen <strong>und</strong> Verwerfungen) waren die Ursache für das Ausknicken ganzer Bauteile<br />

mit Totalverlust. Dies verweist auf die wechselseitige Abhängigkeit von Konstruktion <strong>und</strong><br />

Technologie zur E<strong>in</strong>haltung der festgelegten Form <strong>und</strong> des Nachweises für die Trag- <strong>und</strong><br />

Gebrauchsfähigkeit der durch das Schweißen bee<strong>in</strong>flussten Bauteile.<br />

Zur Schw<strong>in</strong>gfestigkeit geschweißter Verb<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> Bauteile liegen umfangreiche Untersuchungen<br />

<strong>und</strong> neue Richtl<strong>in</strong>ien vor. Letztere unterscheiden sich zum Teil wesentlich von den bisher<br />

angewandten Normen, daher wird auf diese Veränderungen e<strong>in</strong>gegangen. Für die Tragfähigkeit<br />

e<strong>in</strong>er qualitätsgerecht hergestellten Schweißkonstruktion s<strong>in</strong>d die Wirkungen von <strong>Eigenspannungen</strong><br />

<strong>und</strong> von Formänderungen differenziert zu bewerten. Während unter ruhender Zugbelastung die<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> normalerweise ke<strong>in</strong>e Rolle spielen, kann bei tieferer E<strong>in</strong>satztemperatur e<strong>in</strong> gesonderter<br />

Nachweis der Sprödbruchsicherheit erforderlich se<strong>in</strong>. Bei Druckbeanspruchung schlanker<br />

oder dünner Bauteile s<strong>in</strong>d <strong>Eigenspannungen</strong> im Stabilitätsnachweis zu berücksichtigen. Dazu<br />

<strong>und</strong> für charakteristische Fälle unter schw<strong>in</strong>gender Belastung wurde e<strong>in</strong> beschreibendes Verfahren<br />

zur Bewertung des E<strong>in</strong>flusses der <strong>Eigenspannungen</strong> an typischen Bauteilen <strong>in</strong> Kapitel 4 dargestellt.<br />

Bei veränderter Nutzung von Tragwerken ist oft e<strong>in</strong>e Verstärkung notwendig. Zur wirtschaftlichen<br />

Ausführung solcher Verstärkungen wurde das Verfahren zum Nachweis der Zulässigkeit des<br />

„Schweißens unter Last“ angegeben.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage von Erfahrungen, neuerer Erkenntnisse <strong>und</strong> Vorschriften wird dazu mit diesem<br />

für den Praktiker geschriebenem Buch notwendiges Rüstzeug für das Beherrschen der <strong>Eigenspannungen</strong><br />

<strong>und</strong> Formänderungen beim Schweißen vermittelt. Die gedrängte praxisorientierte Darstellung<br />

dieses Buches sei ergänzt durch Verweise auf vertiefende Literatur zu:<br />

– Wärmephysikalischen Gr<strong>und</strong>lagen [1-7],<br />

– Modellierung <strong>und</strong> Berechnung von <strong>Eigenspannungen</strong> [1-4],<br />

– Konstruktive Gestaltung <strong>und</strong> Festigkeit [1-8],<br />

– Fertigungsplanung <strong>in</strong> der Schweißtechnik [1-9].<br />

3


1.2 <strong>Eigenspannungen</strong> beim Schweißen<br />

1.2.1 Entstehen <strong>und</strong> Arten der <strong>Eigenspannungen</strong><br />

<strong>Eigenspannungen</strong> entstehen durch ungleichmäßige plastische Formänderungen (Volumen- <strong>und</strong><br />

Gestaltänderungen) <strong>in</strong>folge Wärmedehnung <strong>und</strong> Abkühlung, Gefügeumwandlung oder Zustandsänderungen<br />

durch das quasistationäre Temperaturfeld, das beim Schweißen entlang der Schweißnaht<br />

über das Bauteil wandert, siehe Bild 1-4. Diese Formänderungen s<strong>in</strong>d örtlich konzentriert <strong>und</strong><br />

werden durch angrenzende, weniger <strong>in</strong>tensiv durchwärmte Querschnittsteile sowohl beim Erwärmen<br />

als auch beim Abkühlen beh<strong>in</strong>dert. So besteht während des gesamten Schweißprozesses e<strong>in</strong><br />

sich ständig änderndes Spannungs- <strong>und</strong> Formänderungssystem, das nach vollständiger Abkühlung<br />

bleibende <strong>in</strong>nere Spannungen (Schweißeigenspannungen) <strong>und</strong> Formänderungen (Schrumpfungen)<br />

zurücklässt.<br />

Bild 1-4. Quasistationäres<br />

Temperaturfeld, das entlang<br />

der Schweißnaht bewegt<br />

wird, nach [1-4].<br />

Während das Temperaturfeld nach dem vollständigen Abkühlen des Bauteils wieder den Ausgangszustand<br />

annimmt, bleiben die durch das Temperaturfeld verursachten <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong><br />

Formänderungen im Bauteil bestehen. Die Wirkungskette von der Wärmequelle mit Temperaturfeld<br />

zu den <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Formänderungen gibt Bild 1-5 schematisch, vere<strong>in</strong>facht wieder.<br />

Bild 1-5. Schema zum Entstehen<br />

von <strong>Eigenspannungen</strong><br />

<strong>und</strong> Formänderungen beim<br />

Schweißen.<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> werden beim Schweißen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch die beh<strong>in</strong>derte Ausdehnung des<br />

Werkstoffs <strong>in</strong>folge des <strong>in</strong>stationären ungleichförmigen Temperaturfeldes verursacht. Die beh<strong>in</strong>derte<br />

Dehnung <strong>und</strong> die Plastifizierung <strong>in</strong>folge der Erwärmung führen zu e<strong>in</strong>er Stauchung im Werkstoff,<br />

die beim Abkühlen nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden kann, da die<br />

Schrumpfung des Werkstoffs durch die umgebenden kalt gebliebenen Bauteilbereiche neben der<br />

Schweißnaht beh<strong>in</strong>dert wird. Diese Ausdehnung/Stauchung der Werkstoffbereiche <strong>in</strong> unmittelbarer<br />

Umgebung der Wärmequelle <strong>und</strong> die nachfolgende Schrumpfung bei Abkühlung führen zu den<br />

4


<strong>Eigenspannungen</strong>. Die bereits <strong>in</strong> den Halbzeugen oder Blechen vom Walzen oder e<strong>in</strong>er Kaltumformung<br />

bestehenden <strong>Eigenspannungen</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> besonderen Fällen zu berücksichtigen. Schweißeigenspannungen<br />

<strong>und</strong> Formänderungen treten im Bauteil immer im Zusammenhang auf.<br />

Geometrie, Steifigkeit des Bauteils <strong>und</strong> Schweißfolge entscheiden darüber, ob durch das Schweißen<br />

höhere <strong>Eigenspannungen</strong> oder größere Formänderungen (Schrumpfung, Verzug oder Beulung<br />

<strong>und</strong> Verwerfung) im Bauteil auftreten. In e<strong>in</strong>em steifen, dickwandigen Bauteil werden die <strong>Eigenspannungen</strong><br />

meist höher se<strong>in</strong> als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dünnen Bauteil mit ger<strong>in</strong>gerer Eigensteifigkeit.<br />

<strong>Eigenspannungen</strong>, die sich im Gefüge über makroskopische Bereiche erstrecken, werden im Unterschied<br />

zu den nachfolgenden als <strong>Eigenspannungen</strong> der 1. Art (Makroeigenspannungen) bezeichnet.<br />

Für den Praktiker s<strong>in</strong>d nur diese <strong>Eigenspannungen</strong> 1. Art von Bedeutung. Die Mikroeigenspannungen<br />

<strong>in</strong> Kristallit-Teilbereichen (von 1 bis 10 –2 mm Größe), die <strong>Eigenspannungen</strong> 2. Art zwischen<br />

benachbarten Kristallen, sowie die <strong>in</strong> submikroskopischen atomaren Bereichen von 10 –2 bis<br />

10 –6 mm Größe an Kristallbaufehlern (Leerstellen, Versetzungen) wirkenden <strong>Eigenspannungen</strong><br />

3. Art, bleiben für die Praxis außer Betracht.<br />

1.2.2 Unterscheidung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>teilung der <strong>Eigenspannungen</strong><br />

Die <strong>Eigenspannungen</strong> s<strong>in</strong>d zu unterscheiden nach der Ursache des Entstehens, der Dauer des Bestehens,<br />

der Richtung <strong>und</strong> dem Vorzeichen sowie abhängig von der E<strong>in</strong>spannung im Bauteil.<br />

Tabelle 1-1. Übersicht der Bezeichnungen für unterschiedliche <strong>Eigenspannungen</strong>.<br />

Unterscheidung<br />

Bezeichnung<br />

a) nach der Ursache des Entstehens – <strong>Eigenspannungen</strong> (aus elastisch-plastischen Volumenänderungen)<br />

– Umwandlungs-<strong>Eigenspannungen</strong> (aus Gefügeänderungen)<br />

b) nach der Dauer des Bestehens – transiente <strong>Eigenspannungen</strong> (zeitabhängig – beim Schweißen)<br />

– <strong>Eigenspannungen</strong> (bleibend – nach Abkühlung auf Raumtemperatur)<br />

c) nach Richtung <strong>und</strong> Vorzeichen – Längs-, Quer- <strong>und</strong> Dicken-<strong>Eigenspannungen</strong><br />

– Zug- <strong>und</strong> Druck-<strong>Eigenspannungen</strong><br />

d) mit/ohne E<strong>in</strong>spannung – Zwängungsspannungen (im Nahtbereich – bei freier Dehnung der<br />

Bauteile)<br />

– Reaktionsspannungen (<strong>in</strong>folge von E<strong>in</strong>spannungen)<br />

Zu a): Im Folgenden beziehen sich die Angaben allgeme<strong>in</strong> auf die <strong>Eigenspannungen</strong>, die aus elastisch-plastischen<br />

Volumen- oder Längenänderungen beim Schmelzschweißen an unlegierten<br />

Baustählen entstehen. An Werkstoffen mit erheblichen martensitischen Anteilen kann es <strong>in</strong>folge<br />

der Volumenvergrößerung des Martensits zu Umwandlungs-<strong>Eigenspannungen</strong> kommen.<br />

Zu b): Die während des Schweißens <strong>und</strong> während der Abkühlzeit zu messenden <strong>Eigenspannungen</strong><br />

werden als zeitabhängig <strong>und</strong> „transient“ angesehen. Die nach dem Schweißen bestehen<br />

bleibenden <strong>Eigenspannungen</strong> s<strong>in</strong>d nachfolgend zu behandeln.<br />

Zu c): Diese <strong>Eigenspannungen</strong> werden weiter nach der auf die Naht bezogenen Richtung <strong>und</strong> nach<br />

dem Vorzeichen <strong>in</strong> Zug- <strong>und</strong> Druck-<strong>Eigenspannungen</strong> unterschieden, Bild 1-6.<br />

– Spannungen <strong>in</strong> Nahtlängsrichtung (Längs-<strong>Eigenspannungen</strong>),<br />

– Spannungen quer zur Naht (Quer-<strong>Eigenspannungen</strong>),<br />

– Spannungen <strong>in</strong> Richtung der Blech- oder Nahtdicke.<br />

5


Bild 1-6. Bezeichnung der <strong>Eigenspannungen</strong> nach<br />

der Richtung zur Naht.<br />

Zu d): Abhängig davon, ob die Schweißverb<strong>in</strong>dung im Bauteil frei schrumpfen kann, ist zu unterscheiden<br />

<strong>in</strong> Zwängungsspannungen aus dem Schweißen der Verb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> den Reaktionsspannungen<br />

aus der E<strong>in</strong>spannung im Bauteil oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorrichtung.<br />

Für die Bewertung der Tragfähigkeit geschweißter Bauteile ist immer die Summe der Zwängungs<strong>und</strong><br />

der Reaktionsspannungen bestimmend; dagegen ist die Unterscheidung für die Ableitung von<br />

Maßnahmen zur Fertigung e<strong>in</strong>er spannungsarmen <strong>und</strong> maßgenauen Schweißkonstruktion wichtig.<br />

Ferner ist die Veränderung der Höhe der <strong>Eigenspannungen</strong> durch Prüf- oder Nutzlasten bei örtlich<br />

begrenzter Überschreitung der Streckgrenze zu berücksichtigen. Die bei schw<strong>in</strong>gender Last im<br />

Zeitfestigkeitsbereich durch Abbau <strong>und</strong> Umlagerung verr<strong>in</strong>gerten <strong>Eigenspannungen</strong> werden als<br />

Restspannungen bezeichnet, siehe Abschnitt 4.3.<br />

1.2.3 Beispiele typischer Eigenspannungsverteilungen<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> s<strong>in</strong>d im Bauteil ohne äußere Beanspruchung vorhanden <strong>und</strong> stehen <strong>in</strong> jedem beliebigen<br />

Querschnitt im Gleichgewicht:<br />

∑ F = 0 <strong>und</strong> ∑ M = 0.<br />

Die Verteilung der Längseigenspannungen im Querschnitt e<strong>in</strong>er Schweißverb<strong>in</strong>dung an unlegiertem<br />

Baustahl zeigt Bild 1-7 a. Die zuletzt erkalteten Stellen des Werkstoffs weisen Zugeigenspannungen<br />

auf, während sich <strong>in</strong> ihrer Umgebung Druckeigenspannungen <strong>in</strong> der Weise ausbilden, dass<br />

das Gleichgewicht der Kräfte <strong>und</strong> Momente hergestellt wird. Da bei Schweißverb<strong>in</strong>dungen die<br />

erwärmten <strong>und</strong> damit zuletzt abgekühlten Zonen verhältnismäßig kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, entstehen <strong>in</strong> der<br />

Schweißnaht <strong>und</strong> deren Umgebung hohe Zug-Längsspannungen, die oft die Fließgrenze erreichen,<br />

während sich die Druck-Längsspannungen auf größere Querschnittsteile erstrecken <strong>und</strong> demzufolge<br />

wesentlich niedriger s<strong>in</strong>d. An niedrig legierten Werkstoffen können <strong>in</strong>folge von Gefügeumwandlungen<br />

bei Abkühlung Druck-<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> der Naht <strong>und</strong> Zug-<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> der<br />

Übergangszone entstehen, Bild 1-7 b.<br />

E<strong>in</strong>e typische Verteilung der Längs- <strong>und</strong> der Querspannungen an der Stumpfnaht e<strong>in</strong>es dünnen<br />

Bleches aus Baustahl wird <strong>in</strong> Bild 1-8 wiedergegeben.<br />

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Bild 1-7. Längs-<strong>Eigenspannungen</strong> an der Schweißnaht;<br />

a) bei unlegiertem oder austenitischem Stahl,<br />

b) an niedrig legiertem Stahl mit Gefügeumwandlung,<br />

nach [1-4].<br />

Bild 1-8. Längs- <strong>und</strong> Quer-<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Stumpfnaht;<br />

a) Längsspannungen <strong>in</strong> Nahtrichtung σ E x,<br />

b) Querspannungen quer zur Naht σ E y [1-5].<br />

Längseigenspannungen können ab e<strong>in</strong>er Länge der Schweißnaht von etwa 300 mm den Betrag der<br />

Streckgrenze des geschweißten Werkstoffes, die deutlich über der des Gr<strong>und</strong>werkstoffs liegen<br />

kann, erreichen. Quereigenspannungen <strong>und</strong> die <strong>in</strong> Richtung der Dicke liegenden <strong>Eigenspannungen</strong><br />

s<strong>in</strong>d meist deutlich niedriger. Die <strong>Eigenspannungen</strong> verhalten sich wie<br />

σ E x zu σ E y zu σ E z ≈ 1·R e zu 0,5·R e zu 0,1·R e.<br />

Die Verteilung der Quereigenspannungen wird wesentlich von der Länge der Naht <strong>und</strong> der<br />

Schweißgeschw<strong>in</strong>digkeit bee<strong>in</strong>flusst, Bild 1-9.<br />

Bild 1-9. Quer-<strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechteckplatte; a) lange Naht – schnell geschweißt, b) kurze Naht<br />

– schnell geschweißt, c) lange Naht – langsam geschweißt, nach [1-4].<br />

7


Am Flachstab nach Bild 1-10 wird die Überlagerung der aus dem Schweißen der Längsnaht (ohne<br />

E<strong>in</strong>spannung des Stabes) sich ergebenden Zwängungseigenspannungen mit den Reaktionsspannungen,<br />

die sich aus dem Beh<strong>in</strong>dern der Verkürzung <strong>und</strong> der Krümmung durch die äußere E<strong>in</strong>spannung<br />

ergeben, veranschaulicht. Die Zwängungsspannungen entstehen <strong>in</strong> jedem Fall, sowohl <strong>in</strong> der<br />

frei beweglichen als auch <strong>in</strong> der festgespannten Lage.<br />

8<br />

Bild 1-10. Längs-<strong>Eigenspannungen</strong> vom<br />

Schweißen e<strong>in</strong>er Längsnaht;<br />

a) e<strong>in</strong>gespannter Flachstab mit Schweißnaht<br />

auf der Kante,<br />

b) Querschnitt mit Naht,<br />

c) Spannungsdiagramme:<br />

(1) Zwängungsspannungen bei freier<br />

Dehnung,<br />

(2) Reaktionsspannungen durch die<br />

E<strong>in</strong>spannung,<br />

(3) resultierende Eigenspannung.<br />

Reaktionsspannungen entstehen durch <strong>in</strong>nere (beim Zusammenfügen mehrerer E<strong>in</strong>zelteile) oder<br />

durch äußere E<strong>in</strong>spannung. Äußere E<strong>in</strong>spannung besteht beispielsweise, wenn die E<strong>in</strong>zelteile während<br />

des Schweißens <strong>in</strong> Vorrichtungen fest e<strong>in</strong>gespannt s<strong>in</strong>d. Zusätzliche Reaktionseigenspannungen<br />

ergeben sich auch bei Montageschweißungen oder Instandsetzungsarbeiten, wenn die<br />

Schweißkonstruktion äußerlich statisch unbestimmt gestützt wird [1-5, 1-6]. In den meisten praktischen<br />

Fällen ist e<strong>in</strong>e klare Trennung der auftretenden <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> Zwängungs- <strong>und</strong> Reaktionseigenspannungen<br />

nicht möglich. Dies hängt von der Schnittführung zur Betrachtung des <strong>in</strong>neren<br />

Gleichgewichts ab.<br />

Die eigenspannungs- <strong>und</strong> formänderungsfreie Schweißkonstruktion ist technisch <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

nicht real. Aus der Kenntnis der Größe, Verteilung <strong>und</strong> Wirkung der <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>und</strong> Verformungen<br />

s<strong>in</strong>d die Maßnahmen zur Herstellung e<strong>in</strong>er den Sicherheits- <strong>und</strong> Qualitätsansprüchen<br />

gerecht werdenden Schweißkonstruktion abzuleiten.<br />

1.2.4 Wirkung der <strong>Eigenspannungen</strong><br />

Das Verhalten des verwendeten Werkstoffs (Schweißeignung) <strong>und</strong> die Fähigkeit der Konstruktion,<br />

die beim Schweißvorgang entstandenen Eigenschaftsänderungen unter den geforderten Betriebsbed<strong>in</strong>gungen<br />

zu ertragen (Schweißsicherheit), s<strong>in</strong>d für die Wirkung der <strong>Eigenspannungen</strong> maßgebend.<br />

Zum Komplex der Schweißsicherheit gehört die Gewährleistung der Rissfreiheit. <strong>Eigenspannungen</strong><br />

können die Schweißsicherheit wesentlich bee<strong>in</strong>flussen. Auf die konstruktiv <strong>und</strong> fertigungsbed<strong>in</strong>gte<br />

Schweißsicherheit wirken aber außerdem noch E<strong>in</strong>flüsse der äußeren Belastung, der konstruktiven<br />

Gestaltung <strong>und</strong> der E<strong>in</strong>satztemperatur sowie der schweißtechnologischen Bed<strong>in</strong>gungen,<br />

wie Schweißnahtgeometrie, Schweißfolge, Schweißverfahren, Schweißzusatzwerkstoff <strong>und</strong> Wärmebehandlung.<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der <strong>Eigenspannungen</strong> auf die Schweißsicherheit e<strong>in</strong>er Konstruktion ist<br />

daher immer im Zusammenhang mit diesen Bed<strong>in</strong>gungen differenziert zu betrachten [1-5].


Bild 1-11. Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit Energiebilanz<br />

[1-5]:<br />

1 = durch Eigenspannung verbrauchte Energie,<br />

2 = <strong>in</strong> Eigenspannung gespeicherte elastische Energie,<br />

ε e,pl = plastische Dehnung,<br />

ε e.el = elastische Dehnung,<br />

ε e,ges = ε e,pl + ε e,el = Gesamtdehnung.<br />

Der elastische Charakter der <strong>Eigenspannungen</strong> br<strong>in</strong>gt die Speicherung von elastischer potentieller<br />

Energie mit sich. Im Fall von e<strong>in</strong>achsigem Zug stellt die schraffierte Fläche 1 <strong>in</strong> Bild 1-11 den Teil<br />

der Energie dar, der bis zum Erreichen der Eigenspannung σ e verbraucht wurde, <strong>und</strong> die Fläche 2<br />

(gebildet durch das Dreieck e – ε e,pl – ε e,ges ) die gespeicherte potentielle Energie. Zwängungsspannungen<br />

treten im Volumen örtlich begrenzt auf. Daher ist der Beitrag der gespeicherten Energie<br />

kle<strong>in</strong>. Beim Vorhandense<strong>in</strong> von Reaktionsspannungen erstreckt sich die gespeicherte elastische<br />

Energie auf e<strong>in</strong> größeres Volumen. S<strong>in</strong>d Risse oder andere Fehler vorhanden, so wirkt die gesamte<br />

gespeicherte Energie auf diese schwachen Stellen <strong>und</strong> kann den Bruch herbeiführen. Große Bauwerke<br />

können große Energiemengen <strong>in</strong> Form von Reaktionsspannungen speichern. Es ist daher<br />

erforderlich, beim Zusammenbau günstige Verhältnisse zum Ausgleich dieser Spannungen zu<br />

schaffen. Wenn sehr starre E<strong>in</strong>spannungen während des Schweißens vorhanden waren <strong>und</strong> die <strong>Eigenspannungen</strong><br />

nicht abgebaut wurden, besteht die Gefahr der plötzlichen Entladung der gespeicherten<br />

Energie durch e<strong>in</strong>en Bruch, der sich über große Querschnittsbereiche erstreckt, wie es bei<br />

den Schäden an Schiffen <strong>und</strong> Brücken beobachtet wurde.<br />

Bild 1-12. Charakteristik von Zwängungs-<br />

<strong>und</strong> Reaktionsspannungen, Modell<br />

nach [1-5];<br />

a) Rahmen mit im Schnitt I – I e<strong>in</strong>gespanntem<br />

Flachstahl <strong>und</strong> Längsnaht,<br />

b) <strong>Eigenspannungen</strong> aus der Summe der<br />

Zwängungs- <strong>und</strong> Reaktionsspannungen<br />

σ E R vor Auftrennen im Schnitt<br />

I – I,<br />

c) <strong>Eigenspannungen</strong> als Zwängungsspannungen<br />

σ E Z nach Auftrennen im<br />

Schnitt I – I.<br />

Am Beispiel des im starren Rahmen e<strong>in</strong>gespannten Stabes mit e<strong>in</strong>er Längsnaht nach Bild 1-12 wird<br />

die Umverteilung nach dem Freisetzen dieser gespeicherten potentiellen Energie gezeigt. Wird der<br />

mit Reaktionsspannungen behaftete Stab bei I – I bis zu e<strong>in</strong>er bestimmten Tiefe angeschnitten, so<br />

wird die gesamte potentielle Energie im Augenblick des Bruches frei <strong>und</strong> durch e<strong>in</strong>en Knall hörbar.<br />

9


Die <strong>in</strong> <strong>Eigenspannungen</strong> gespeicherte Energie bleibt über lange Zeit h<strong>in</strong>weg bestehen <strong>und</strong> wird erst<br />

im Gebrauchszustand der Konstruktion im Zusammenwirken mit der Nutzlast <strong>und</strong> anderen E<strong>in</strong>flüssen<br />

(Temperaturänderung, Schlagbeanspruchung, Ermüdungsbeanspruchung, Korrosion oder Verformung)<br />

frei. Dies wird entweder <strong>in</strong> Rissbildung oder <strong>in</strong> örtlicher Verformung erfolgen. Dieser<br />

Gefahr muss man durch entsprechende Maßnahmen vor der Inbetriebnahme der Konstruktion begegnen.<br />

Da aber Maßnahmen zur Spannungsreduzierung, wie thermisches oder mechanisches Entspannen,<br />

sehr aufwendig s<strong>in</strong>d, muss die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Ger<strong>in</strong>ghalten <strong>in</strong>sbesondere<br />

der Reaktionsspannungen durch technologische Maßnahmen während der Herstellung der<br />

Schweißkonstruktion gerichtet werden. Für bestimmte Schweißkonstruktionen ist die Bemessung<br />

so vorzunehmen, dass die <strong>Eigenspannungen</strong> <strong>in</strong> den Tragfähigkeitsnachweis e<strong>in</strong>geschlossen werden;<br />

zum Beispiel s<strong>in</strong>d beim Stabilitätsnachweis von Druckstäben die Druckeigenspannungen im Zusammenwirken<br />

mit weiteren Imperfektionen maßgebend, siehe Abschnitt 4.2. Es gibt aber auch<br />

Fälle, <strong>in</strong> denen <strong>Eigenspannungen</strong> e<strong>in</strong>en günstigen Effekt im Zusammenwirken mit Lastspannungen<br />

bewirken. Zum Beispiel können durch technologische Maßnahmen stabile Druckeigenspannungen<br />

erzeugt <strong>und</strong> damit örtlich begrenzte Querschnittsteile mit örtlich hohen Zuglastspannungen entlastet<br />

werden <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>er Rissgefahr vorgebeugt werden.<br />

<strong>Eigenspannungen</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jeder Konstruktion vorhanden, sofern sie nicht durch e<strong>in</strong>e besondere Behandlung<br />

(zum Beispiel Spannungsarmglühen, mechanisches Entspannen oder Vibrationsentspannen)<br />

m<strong>in</strong>imiert s<strong>in</strong>d. Der Konstruktionswerkstoff Stahl <strong>und</strong> <strong>in</strong> gleicher Weise auch die Leichtmetall-<br />

oder Titanlegierungen haben genügend Verformungsreserve, so dass sie <strong>Eigenspannungen</strong> im<br />

Regelfall schadlos ertragen können. Bei örtlicher Überschreitung der Streckgrenze im Schweißnahtbereich<br />

<strong>in</strong>folge des Aufbr<strong>in</strong>gens von Lastspannungen werden Spannungen umgelagert, beim<br />

Entlasten werden auch die <strong>Eigenspannungen</strong> mit abgebaut. Insofern s<strong>in</strong>d <strong>Eigenspannungen</strong> nur von<br />

Bedeutung für die Tragfähigkeit, wenn diese beispielsweise an steifen Bauteilen e<strong>in</strong>e Ursache für<br />

Rissbildung se<strong>in</strong> können. Bei Dauerschw<strong>in</strong>gbeanspruchung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere an Kerben die Wirkungen<br />

der <strong>Eigenspannungen</strong> für die Bemessung der Konstruktion zu beachten, siehe Abschnitt<br />

4.4.<br />

1.3 Formänderungen, Bezeichnungen, Arten <strong>und</strong> Wirkungen<br />

Die während des Schweißens verursachten Verformungen s<strong>in</strong>d örtlich konzentriert <strong>und</strong> werden<br />

durch angrenzende, weniger <strong>in</strong>tensiv durchwärmte Querschnittsteile sowohl beim Erwärmen als<br />

auch beim Abkühlen beh<strong>in</strong>dert, was zu plastischen Formänderungen führt. Diese Formänderungen<br />

können je nach Konstruktionsform, Geometrie <strong>und</strong> Anordnung der Schweißnaht an dem Bauteil <strong>in</strong><br />

Form von Schrumpfungen (Maßverkürzungen), Verzug (Krümmungen, Knickung, Biegung) oder<br />

als Beulen (Verwerfungen aus der Konstruktionsebene) auftreten. Dem Nahtbereich <strong>und</strong> der bee<strong>in</strong>flussten<br />

Bauteilform s<strong>in</strong>d die verschiedenen Arten der Formänderung zuzuordnen. Dies wurde als<br />

Übersicht <strong>in</strong> Tabelle 1-2 dargestellt.<br />

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Tabelle 1-2. Übersicht der Bezeichnungen <strong>und</strong> Arten der Formänderungen beim Schweißen.<br />

(1) e<strong>in</strong>zelne/mehrere Quernähte Knick/Krümmung der Stabachse<br />

(2) durchgehende Längsnähte stetige Krümmung der Stabachse<br />

1.3.1 Schrumpfungen<br />

Schrumpfung tritt generell <strong>in</strong> allen drei Achsenrichtungen – wenn auch <strong>in</strong> unterschiedlicher Größe<br />

– auf. Die Verkürzung des Bauteiles <strong>in</strong> Längsrichtung wird als Längsschrumpfung bezeichnet.<br />

Ab e<strong>in</strong>er gewissen Nahtlänge- <strong>und</strong> dicke ist diese nahezu proportional zur Länge <strong>und</strong> beträgt etwa<br />

0,5 bis 1 mm/m. Ihren Maximalwert erreicht die Längsschrumpfung am Ort der Schweißnaht <strong>und</strong><br />

nimmt zu den Bauteilrändern h<strong>in</strong> ab. Die Längs-, Quer-, <strong>und</strong> die W<strong>in</strong>kelschrumpfung (W<strong>in</strong>kelverzug)<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Bild 1-13 wiedergegeben.<br />

Bild 1-13. Längs- <strong>und</strong> Querschrumpfung, W<strong>in</strong>kelschrumpfung<br />

(W<strong>in</strong>kelverzug) <strong>und</strong> Biegeverzug durch<br />

e<strong>in</strong>seitige V-Naht an e<strong>in</strong>er Rechteckplatte, nach<br />

[1-4].<br />

11


Die Querschrumpfung ist weniger e<strong>in</strong>e Funktion der Bauteillänge als vielmehr der Schweißnahtform,<br />

der Spaltbreite, des Schweißverfahrens oder der Wärmee<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung. Daher kann die Querschrumpfung<br />

<strong>in</strong> Abhängigkeit von den genannten E<strong>in</strong>flussgrößen sehr unterschiedliche Werte von<br />

0,001 mm beim Präzisionsschweißen mit dem Laser- oder Elektronenstrahl bis h<strong>in</strong> zu 10 mm oder<br />

mehr beim Elektroschlackeschweißen aufweisen. E<strong>in</strong>e spezielle Form der Querschrumpfung ist die<br />

W<strong>in</strong>kelschrumpfung, die an unsymmetrischen Schweißnahtformen (V-, Y- oder U-Naht) <strong>und</strong> an<br />

Kehlnähten auftritt.<br />

1.3.2 Verzug <strong>und</strong> Krümmung (Biegeverzug)<br />

Als Folge der auftretenden Quer- <strong>und</strong> Längsschrumpfungen ergibt sich an den Bauteilen, abhängig<br />

von der<br />

– Größe <strong>und</strong> Lage der Schweißnähte,<br />

– Querschnittsform <strong>und</strong> Gestaltung der Bauteile sowie<br />

– schweißtechnologischen Ausführung<br />

der Schweißverzug. Axiale Verkürzungen der Bauteile <strong>in</strong>folge Quer- <strong>und</strong> Längsschrumpfungen<br />

ergeben sich nur bei zentrisch wirkenden Schrumpfkräften. Weit häufiger ist aber die Abweichung<br />

der Wirkungsl<strong>in</strong>ien der Schrumpfkräfte von den Bauteilachsen oder -ebenen (außermittige<br />

Schrumpfwirkungen). Zu Schweißverzug kann es nicht nur <strong>in</strong>folge von Längsnähten <strong>in</strong> plattenförmigen<br />

Bauteilen kommen, sondern auch unsymmetrisch angeordnete Quernähte an trägerartigen<br />

Bauteilen rufen <strong>in</strong>folge des auftretenden Schrumpfmomentes Trägerkrümmungen hervor. Dann<br />

kommen zu den axialen Verkürzungen noch Biegeformänderungen h<strong>in</strong>zu, siehe Bild 1-14. Die<br />

außermittigen Schrumpfkräfte erzeugen <strong>in</strong>nere Schrumpfmomente <strong>und</strong> führen zu Durchbiegungen,<br />

e<strong>in</strong>er Krümmung der Stab- oder Trägerachse. Ursachen für Krümmungen (Biegeverzug) s<strong>in</strong>d:<br />

– außermittige Längsschrumpfung von Längsnähten, die e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Krümmung der Bauteilachse<br />

oder Mittelfläche erzeugt,<br />

– außermittige Querschrumpfung, die e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>keländerung der die Schweißnaht e<strong>in</strong>schließenden<br />

Schweißteilflanken erzeugt <strong>und</strong> zur Knickbildung längs der Schweißnaht führt.<br />

Bild 1-14. Trägerkrümmung durch unsymmetrisch<br />

angeordnete Nähte [1-4];<br />

a) Halskehlnähte am T-Träger,<br />

b) Quernähte am Doppel-T-Walzprofil.<br />

Bei unsymmetrischer Nahtanordnung auf dem Bauteil kommt es stets zu e<strong>in</strong>em Schrumpfmoment,<br />

e<strong>in</strong>em Biegemoment aus der <strong>in</strong> der Nahtachse wirkenden Schrumpfkraft <strong>und</strong> dem Abstand zwischen<br />

Nahtachse <strong>und</strong> neutraler Faser des Bauteils. Das ruft zusätzlichen Verzug <strong>in</strong> Form von Bauteilkrümmungen<br />

oder auch Beulung mit Formänderungen senkrecht zur Plattenebene hervor.<br />

12


Durch die außermittige Schweißschrumpfung <strong>und</strong> Längsverkürzung im Nahtbereich kommt es auch<br />

<strong>in</strong> zweiachsig ausgesteiften Paneelen zum Schweißverzug <strong>in</strong> beiden Achsen, Bild 1-15. Sofern es<br />

nicht gel<strong>in</strong>gt, durch entsprechende Maßnahmen (Vorkrümmen <strong>in</strong> Vorrichtungen oder durch Gegenspannen)<br />

den Verzug <strong>in</strong>nerhalb der Toleranzen zu halten, s<strong>in</strong>d vor der weiteren Montage von ausgesteiften<br />

Paneelen zu Blöcken bereits vor der Endmontage Richtarbeiten durchzuführen. Durch<br />

die Krümmung kommt es zu weiteren Maßveränderungen <strong>in</strong> der Länge „L – ∆L“ <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Breite<br />

„B – ∆B“.<br />

1.3.3 Beulung <strong>und</strong> Verwerfung<br />

Bild 1-15. Paneel mit Durchbiegung<br />

<strong>in</strong> Längs- <strong>und</strong> Querrichtung bei zweiachsiger<br />

Plattenkrümmung.<br />

Während Schrumpfung, Krümmung <strong>und</strong> Verzug durch konstruktive <strong>und</strong> technologische Maßnahmen<br />

verr<strong>in</strong>gert <strong>und</strong> auch relativ gut abgeschätzt werden können, s<strong>in</strong>d Beulen <strong>und</strong> Verwerfungen<br />

weitaus schwieriger vorauszuberechnen <strong>und</strong> auch ungleich aufwändiger zu beseitigen. Sie können<br />

mit erheblichen Abweichungen senkrecht zur Plattenebene verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> <strong>und</strong> ihr Vorzeichen von<br />

Plattenfeld zu Plattenfeld verändern.<br />

Bild 1-16. Verschiedene Formänderungen;<br />

a) W<strong>in</strong>kelschrumpfung,<br />

b) Schnitt durch ausgesteifte Platte,<br />

c) Verwerfungen durch Stumpfnähte<br />

an Platten,<br />

d) Beulen an Platten mit Aussteifung<br />

<strong>und</strong> Randverformung.<br />

13


Bild 1-16 zeigt die Auswirkungen von Längs-, Quer- <strong>und</strong> W<strong>in</strong>kelschrumpfungen an nicht ausgesteiften<br />

Platten <strong>und</strong> an ausgesteiften Plattenfeldern. An den Plattenenden kommt es zu Aufwölbungen/Verwerfungen.<br />

Die Beulen <strong>in</strong> den Plattenfeldern können sowohl e<strong>in</strong>e positive als auch e<strong>in</strong>e<br />

negative Krümmung aufweisen. Die W<strong>in</strong>kelschrumpfung (Bild 1-16 a) überlagert die Druckspannungen<br />

<strong>in</strong> den Platten zwischen den Aussteifungen (Bild 1-16 d); dadurch entstehen <strong>in</strong>sbesondere<br />

an dünnen Blechen oft Feldbeulen, die schwierig durch Richtprozesse zu beseitigen s<strong>in</strong>d.<br />

Bild 1-17. Längs- <strong>und</strong> Querverbände<br />

e<strong>in</strong>er Stahlkonstruktion.<br />

Bild 1-18. Formänderungen an Blechen nach dem Brennschnitt.<br />

Um Formänderungen an der fertig geschweißten Konstruktionen zu m<strong>in</strong>imieren, s<strong>in</strong>d bereits bei<br />

der Teilefertigung, beim Zuschnitt der E<strong>in</strong>zelteile beg<strong>in</strong>nend, aus dem Herstellungsprozess (Walzen,<br />

ungleichmäßiges Abkühlen) herrührenden <strong>Eigenspannungen</strong> zu beachten, Bild 1-17. Diese<br />

können auch durch die lokale Wärmee<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung des Brennschnittes verstärkt werden. Dies kann<br />

zu deutlichen Formänderungen an plattenförmigen Bauteilen führen, Bild 1-18. Um diese möglichst<br />

ger<strong>in</strong>g zu halten <strong>und</strong> auf der Brennschneidmasch<strong>in</strong>e Kollisionen zwischen dem Brenner <strong>und</strong><br />

den verformten Blechteilen zu vermeiden, sollten die E<strong>in</strong>zelteile durch Stege verb<strong>und</strong>en bleiben.<br />

Diese als E<strong>in</strong>spannung wirkenden s<strong>in</strong>d dann zuletzt von Hand zu trennen.<br />

Jeder weitere Fertigungsschritt kann zu neuen Deformationen <strong>und</strong>/oder <strong>Eigenspannungen</strong> führen.<br />

Das gilt sowohl für den Transport großflächiger E<strong>in</strong>zelteile ger<strong>in</strong>ger Eigensteifigkeit über Rollengänge<br />

oder beim Transport mit dem Kran, aber <strong>in</strong> weitaus größerem Maß durch das Schweißen <strong>und</strong><br />

Montieren der Bauteile.<br />

Die nachfolgenden Bilder zeigen e<strong>in</strong>ige Beispiele mit Formänderungen (Deformationen), die beim<br />

Schweißen e<strong>in</strong>es Stumpfstoßes mit sogenannter Sattelbildung, Bild 1-19 <strong>und</strong> Bild 1-20 oder an<br />

ausgesteiften Paneelen mit Feld- oder Randbeulen auftreten können, Bild 1-21 <strong>und</strong> Bild 1-22.<br />

Beim Zusammenwirken mit den W<strong>in</strong>kelschrumpfungen durch Kehlnähte an den Aussteifungselementen<br />

s<strong>in</strong>d die dabei auftretenden Maßabweichungen zu berücksichtigen. Zur Berechnung s<strong>in</strong>d<br />

Maßzugaben beim Zuschnitt erforderlich, siehe Kapitel 3.<br />

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Bild 1-19. Sattelbildung am Stumpfstoß.<br />

Bild 1-20. Sattelbildung am Stumpfstoß unmittelbar<br />

neben e<strong>in</strong>er Steife.<br />

Bild 1-21. Randbeulen.<br />

Bild 1-22. Randbeule, verursacht durch thermischen<br />

Brennschnitt zwischen den Rahmenträgern im Mittelfeld.<br />

Insbesondere im Sichtbereich e<strong>in</strong>er Schweißkonstruktion müssen Beulen vermieden werden. In der<br />

Mitte des Plattenfeldes können Beulen (so genannte Feldbeulen) auftreten, wenn dort erhebliche<br />

Druckspannungen vorliegen, die als Reaktion aus den Zugeigenspannungen der Schweißnähte, zum<br />

Beispiel an Aussteifungen, resultieren. Das Bild 1-23 zeigt derartige Beulen am Deck e<strong>in</strong>es Fährschiffs.<br />

Bild 1-23. Feldbeulen im Deckbereich e<strong>in</strong>es Fährschiffes<br />

(Beulung zwischen Quer- <strong>und</strong> Längsaussteifungen).<br />

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