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Das vergessene Gebot - Ev. Grunewald-Gemeinde

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Es gibt unter den zehn <strong>Gebot</strong>en<br />

eines, das es nicht gibt, bzw. das<br />

sehr umstritten ist. In der jüdischen<br />

und calvinistischen Tradition ist es<br />

ziemlich wichtig und steht an der<br />

dritten Stelle, in der katholischen<br />

und lutherischen Tradition kommt<br />

es eigentlich nicht vor, obwohl,<br />

darüber kann kein Zweifel sein, es<br />

in der Sache durchaus respektiert<br />

wird. Es ist das Bilderverbot. Zu<br />

finden ist es in der Bibel im 2. Buch<br />

Mose, Kap, 20, 4f und im 5. Buch<br />

Mose, Kap. 5, 8f.<br />

Es heißt: »Du sollst dir<br />

kein Bildnis noch irgendein<br />

Gleichnis machen, weder des,<br />

das oben im Himmel, noch<br />

des, das unten auf Erden,<br />

oder des, das im Wasser unter<br />

der Erde ist. Bete sie nicht an<br />

und diene ihnen nicht. Denn<br />

ich, der HERR, dein Gott, bin<br />

ein eifriger Gott, der da heimsucht<br />

der Väter Missetat an<br />

den Kindern bis in das dritte<br />

und vierte Glied, die mich<br />

hassen; und tue Barmherzigkeit<br />

an vielen Tausenden, die<br />

mich liebhaben und meine <strong>Gebot</strong>e<br />

halten« (Ex 20, 3-6).<br />

Nun entsteht die Frage: Haben<br />

die Recht, die es hinschreiben in<br />

den Katalog der <strong>Gebot</strong>e oder jene,<br />

die das nicht tun? Wir werden das<br />

hier nicht beantworten können, wir<br />

wollen nur ein wenig das Für und<br />

Wider bedenken.<br />

Geschrieben ist es in einer Zeit, in<br />

der die Welt voller Götterbilder war,<br />

angefüllt von hölzernen, steinernen,<br />

silbernen und goldenen, von<br />

solchen in Menschen- und anderen<br />

in Tiergestalt, von Fabelwesen und<br />

zu finden in Hainen und Quellen,<br />

in Wein und anderem Rauschtrank,<br />

in Tänzen und Orgien und was man<br />

sich sonst noch so denken kann.<br />

<strong>Das</strong>s sich die Empfänger dieser<br />

<strong>Gebot</strong>e eigentlich auch nach so<br />

etwas sehnten, zeigt die Schaffung<br />

des sogenannten »Goldenen Kalbes«,<br />

das fälschlicherweise immer<br />

als Ausdruck der Geldgier verstan-<br />

Titel<br />

<strong>Das</strong> <strong>vergessene</strong> <strong>Gebot</strong><br />

Von Dr. Hartwig Grubel<br />

den wird. Im Gegenteil hatten alle<br />

alles an Wertsachen abgegeben,<br />

damit dieses Kalb, dieser Jungstier,<br />

geschaffen werden konnte. Und niemand<br />

hatte etwas davon außer dem<br />

Anblick eines Götzenbildes, wie<br />

es alle hatten, und der Inhalt war<br />

nicht das Gold, sondern das Bild<br />

des Stiergottes. Und über alle die<br />

Narren, die dem falschen, selbstgemachten<br />

Götzen gefolgt sind, ergeht<br />

ein schreckliches Strafgericht.<br />

Es ist eine Zumutung für das<br />

fromme Gemüt, das sich danach<br />

sehnt, anzuschauen, um anbeten<br />

zu können, nichts weiter zu haben,<br />

als einen Gedanken, eine Idee, einen<br />

unsichtbaren Gott, der nichts<br />

anderes verlangt als Recht und<br />

Gerechtigkeit. Es handelte sich<br />

nämlich um ein Nomadenvolk und<br />

nicht um ein Benediktinerkloster,<br />

es waren Leute, die nicht so sehr<br />

das Denken geübt hatten als die<br />

Viehzucht. Es dauerte lange, aber<br />

es ist dennoch die Religion des Buches<br />

daraus geworden, der Glaube<br />

an die Wirkungskraft des Wortes.<br />

Und sie hat auch das Christentum<br />

hervorgebracht.<br />

Die frühe Kirche hatte mit den<br />

Bildern eigentlich keine großen<br />

Probleme, es gab Christusbilder,<br />

Heiligenbilder, sogar an der Trinität<br />

hat man sich vergeblich versucht<br />

– das muss jetzt genügen. Später<br />

dann gab es Auseinandersetzungen<br />

darum, vor allem im oströmischen<br />

Reich sogar Bürgerkriege, man<br />

nennt das den Bilderstreit. <strong>Das</strong> war<br />

im achten Jahrhundert. Der Westteil<br />

der Kirche hielt sich heraus,<br />

man war ein bisschen dafür und<br />

zugleich ein bisschen dagegen und<br />

zwar im Blick auf alles. Die Lösung<br />

war, dass man Bilder haben, sie<br />

aber nicht anbeten durfte. Damit<br />

kann jeder leben, bis auf den<br />

heutigen Tag. Bis es in der<br />

Reformationszeit wieder zu<br />

Konflikten kam. Und wie<br />

die Junggenossen der chinesischen<br />

Kulturrevolution zogen<br />

die Bilderstürmer los und<br />

zerschlugen alles, was sie an<br />

Bildwerken in den Kirchen<br />

finden konnten. <strong>Das</strong> brachte<br />

sogar Luther dazu, von der<br />

Wartburg nach Wittenberg zu<br />

eilen und eine ganze Woche<br />

lang gegen die Bilderstürmerei<br />

anzupredigen, bis wieder<br />

Ruhe im Land war und die<br />

Bilder gerettet blieben und der<br />

Anführer, Karlstadt, erst einmal<br />

ruhiggestellt war. In Utrecht ist<br />

es nicht so gut gegangen, da kann<br />

man heute noch die zerschlagenen<br />

Plastiken im Dom anschauen. Der<br />

Calvinismus hat das Bilderverbot<br />

wieder wörtlich genommen.<br />

Was machen wir also mit diesem<br />

<strong>vergessene</strong>n <strong>Gebot</strong>? Mir scheint die<br />

Erkenntnis am klügsten zu sein:<br />

Nicht alles so verbissen sehen. Ein<br />

Bild ist ein Bild und weiter nichts.<br />

Bilder sind ein Ausdruck und ein<br />

Anhaltspunkt des religiösen Lebens,<br />

sie sind nicht zum Anbeten<br />

da, aber zur Andacht mögen sie<br />

wohl dienlich sein. Allzu sehr Recht<br />

haben wollen, wirkt auf die Dauer<br />

ein wenig verschwitzt. An diesem<br />

<strong>Gebot</strong> hängt, scheint es, das Heil<br />

der Welt nicht. Und deswegen soll<br />

es bleiben, wo es ist und was es ist:<br />

Eine Warnung, die nicht unbedingt<br />

in den Katechismus gehört.<br />

November 2010 3

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