Aus der Vergangenheit lernen – die Zukunft neu erfinden
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24 Volker Bauer & Frank von <strong>der</strong> Reith: Einführung von teilautonomen Arbeitsgruppen<br />
„Wir sind konstruktiv geworden. Auch durch jüngere Leute, <strong>die</strong> ein ganz an<strong>der</strong>es<br />
Verständnis haben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> alte Hierarchie nicht so drauf haben.“ (Gericht)<br />
Teilautonome Gruppenarbeit scheint einen Rahmen für <strong>die</strong> Entwicklung einer Gesprächs-<br />
und Verantwortungskultur zu eröffnen, <strong>die</strong> so in beiden Organisationen<br />
nicht vorhanden war. Gleichzeitig geht <strong>die</strong>ser Kulturwandel aber nicht schnell vonstatten,<br />
son<strong>der</strong>n muss sich auf längere individuelle und kollektive Lernprozesse abstützen.<br />
3.1.4 Wie gelingt <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong> Einzelprämie zur Gruppenprämie?<br />
Die Verantwortungsdrift auf Gruppensprecher und Gruppen wird positiv verstärkt,<br />
wenn sie sich strukturell im Modell <strong>der</strong> Lohnfindung spiegelt, wenn also <strong>die</strong> gemeinsamen<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Gruppe o<strong>der</strong> <strong>die</strong> gemeinsame Zielerreichung finanziell<br />
spürbar werden. Der Übergang zu einem <strong>neu</strong>en Entgeltsystem stellt sich jedoch<br />
häufig als schwierige Hürde im Einführungsprozess dar. Die klassische industrielle<br />
Organisation ist nach tayloristischem Muster auf arbeitsteilig organisierte Einzelarbeitsplätze<br />
ausgerichtet. Das ist bis heute beson<strong>der</strong>s deutlich in Fertigungsbereichen<br />
zu beobachten, während Montagebereiche sich eher zur Gruppenarbeit eignen, weil<br />
sie eher produktorientiert verstanden werden können. Beson<strong>der</strong>s in Fertigungsbereichen<br />
fokussieren sich Optimierungsbemühungen zunächst auf Vorbereitung,<br />
Bearbeitung und Nachbereitung an <strong>der</strong> einzelnen Maschine. Das Lohnsystem ist<br />
auf scharfe Durchlaufzeiten an den kritischen zentralen Fertigungsmaschinen ausgerichtet.<br />
Der Einzelakkord vollzieht <strong>die</strong>se Fokussierung nach, indem er <strong>die</strong> Leistung<br />
an <strong>der</strong> teuersten Maschine am höchsten bewertet und dort <strong>die</strong> Minimierung<br />
<strong>der</strong> Durchlaufzeiten prämiert. Vor- und nachgelagerte Spann- und Richttätigkeiten<br />
sowie einfache manuelle Nachbearbeitung haben geringeren Wert und werden häufig<br />
nicht prämiert, son<strong>der</strong>n im Zeitlohn bezahlt. In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Industrie entsteht<br />
durch <strong>die</strong> Zunahme NC-gesteuerter Maschinen nicht selten <strong>die</strong> paradoxe Situation,<br />
dass <strong>die</strong> entscheidenden Rationalisierungspotenziale in den niedrig bewerteten Prozessschritten<br />
zu finden sind, und dort <strong>die</strong> höchsten Leistungslöhne bezahlt werden,<br />
wo <strong>der</strong> geringste Einfluss auf <strong>die</strong> Optimierung des Fertigungsprozesses besteht.<br />
Mit Einführung <strong>der</strong> Gruppenarbeit steht <strong>die</strong>ses in Frage. Jetzt wird das Ergebnis<br />
<strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit interessant. Nicht mehr <strong>die</strong> <strong>Aus</strong>lastung <strong>der</strong> einzelnen Maschine<br />
ist das dominante Bewertungskriterium <strong>der</strong> Arbeit, son<strong>der</strong>n das von <strong>der</strong><br />
Gruppe gemeinsam gefertigte Produkt. Die Abstimmung zwischen dem - bisherigen<br />
<strong>–</strong> „Akkordadel“ und den statusniedrigeren Vorbereitern, Nachbearbeitern und<br />
den nachgeordneten Hand- und Spanntätigkeiten wird zum Erfolgskriterium <strong>der</strong><br />
kollektiven Leistung. Nicht selten kolli<strong>die</strong>ren zwei gänzlich unterschiedliche Entgeltsysteme,<br />
<strong>der</strong> relativ statusniedrige Zeitlöhner arbeitet an demselben Produkt wie<br />
<strong>der</strong> statushohe Akkordlöhner, unterschiedlich wertige Tätigkeiten sind gleichermaßen<br />
notwendig für <strong>die</strong> Erstellung des gemeinsamen Ergebnisses. Bisher sind <strong>die</strong>s<br />
lange geübte und verbriefte Rechte, <strong>die</strong> außerordentlich schwer verän<strong>der</strong>bar sind,<br />
ohne dass <strong>der</strong> Betriebsfrieden, <strong>der</strong> ja nicht zuletzt „Entlohnungsfrieden“ ist, erheblich<br />
gestört wird.