28 Zwischen diesen beiden Zeitpunkten segeln die Boote an den herrlichsten Landschaften vorbei und durch die schönsten Meeresgefi lde dieser Welt. Entlang der Küste von New South Wales ziehen sie an einer Kette leuchtender Strände, Küstenstädtchen und kleiner Fischerdörfer entlang, auch wenn die Boote weiter südlich meist zwischen zehn und 40 Seemeilen von der Küste entfernt segeln. Während des Rennens sind viele Boote in Sichtweite zueinander und für die Crews sind die Informationen aus den regelmäßig von der Regattaleitung gesendeten Positionsmeldungen sehr wichtig. Die Wasserstraße Bass Strait trägt den Spitznamen „der Ausreitplatz“ und hat etwas Gefährliches an sich. Dort kann absolute Windstille herrschen oder großartige Bedingungen. Das Wasser ist relativ fl ach und in Kombination mit den oft starken Winden beschert die Bass Strait den Yachten oft eine steile Welle und schwierige See. Der dritte Abschnitt nach dem „Paddock“, wenn es die Ostküste Tasmaniens hinunter geht, führt die Teilnehmer entlang kleiner Ferienorte und Fischerhäfen, hinter denen sich hohe Berge auftürmen. Nahe der Insel Tasman Island tauchen riesige Klippen auf, die manchmal von Nebel verhüllt sind. Der Wind ist oft unstet, dreht innerhalb weniger Meilen und bläst in unterschiedlicher Stärke. Das Segeln erfordert hier eine gute Taktik. Wenn sie hinter Tasman Island „rechts abbiegen“, wähnen sich die meisten Segler fast schon am Ziel, aber dann liegen tatsächlich noch vierzig harte Seemeilen vor ihnen. Wer nicht aufpasst, geht im „Irrgarten“ der Strömungen und Windlöcher verloren. SAILING JOURNAL 1 | <strong>2007</strong> Auch vom Iron Pot aus, einem winzigen Inselchen, das früher von den Walfängern genutzt wurde, sind es noch elf Seemeilen die breite Flussmündung des Derwent Rivers hinauf bis zur Ziellinie vor dem historischen Battery Point in Hobart, der tasmanischen Hauptstadt mit ihrem Hausberg Mount Wellington im Hintergrund. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit die erste Yacht die Ziellinie queren mag, wird sie dabei in jedem Fall von Offi ziellen sowie Zuschauer- und Pressebooten würdig eskortiert. Hunderte „Sehleute“ werden die Uferlinie der Bucht Sullivan’s Cove säumen, um die Yachten und ihre Besatzung bei der Ankunft zu begrüßen. Die Tasmanier sind bei dieser Gelegenheit vorzügliche Gastgeber, zumal Hobart seinen Besuchern zu dieser Zeit immer die Gaumenfreuden des „Taste of Tasmania and Summer Festivals“ bieten kann. Ehrenamtliche Mitarbeiter des Royal Yacht Club of Tasmania nehmen die abgekämpften Crews mit offenen Armen und tasmanischer Gastfreundschaft in Empfang. Auch wenn nicht jeder das Rolex Sydney Hobart Yacht Race als Sieger beenden kann, so ist die Regatta für jeden, der mitsegelt, ein Gewinn. Wie schon der Gouverneur von Tasmanien, Sir Guy Green, bei der Preisverleihung des Rennens 20<strong>01</strong> anmerkte, ist diese Regatta in der Tat ein Event für jedermann. Sie steht nicht nur Yachten von 30 Fuß (neun Meter) bis 99 Fuß (30 Meter) offen, sondern es segeln neben den Wochenendcrews auch bekannte America’s Cup- und Volvo-Ocean-Race-Größen. Das Rolex Sydney Hobart Yacht Race 2006 ist ein klassisches Langstreckenhochseerennen für jeden, der eine für diese Herausforderung zugelassene Yacht besitzt, die alle Sicherheitsvorschriften nach Kategorie 1 erfüllt. In den Anfangsjahren des Sydney Hobart Races waren die Boote ausnahmslos aus Holz; schwere Kutter, Slups, Schoner und Ketschen, die eigentlich eher für das Fahrtensegeln ausgelegt waren als für den Regattasport. Als das Rennen nach Hobart jedoch immer mehr Teilnehmer anzog, kamen damit auch neue Designs und Innovationen in Bootsbau, Besegelung und Rigg hinzu. Dacron-Segel und Aluminiummasten lösten in den frühen fünfziger Jahren Segeltuch und Holz ab, dann die ersten Boote aus GFK, besser bekannt als Fiberglas. Dann folgten Aluminium, Stahl und sogar eine Maxiyacht aus Stahlbeton. Innovative australische Yachtdesigner wie die Halvorsen-Brüder Trygve und Magnus und die verstorbenen Allan Payne und Bob Miller (Ben Lexcen) bauten schnellere Yachten. Seither gibt es die Unterscheidung zwischen Gewinnern nach gesegelter und nach berechneter Zeit. Der Neuseeländer Bruce Farr begründete schließlich den Trend zu leichten Yachten und hat damit als bei weitem erfolgreichster Designer Siegerboote in unterschiedlichen internationalen Handicapsystemen in das Sydney Hobart Yacht Race geschickt; zunächst IOR (International Offshore Rule) und dann IMS (International Measurement System), das mittlerweile von der immer beliebteren IRC (International Rule Club 2000) abgelöst wurde. Die Raumfahrtära hat dann auch den Yachtsport entscheidend beeinfl usst, zuerst im America‘s Cup, danach in Design und Konstruktion von Hochseerennyachten. Durch sie hielten Kompositkonstruktionen Einzug, bei denen die Bootsrümpfe aus Kevlar und anderen Kunstfasern in Hightech-Autoklaven (Öfen) geformt wurden. Seit einigen Jahren wird Kohlefaser sowohl für Rümpfe, Masten und Bäume benutzt als auch in der Konstruktion der gebräuchlichen Segel wie Großsegel, Genua oder Fock. Fast alle teilnehmenden Yachten im Rolex Sydney Hobart Yacht Race sind Slup-getakelt (Großsegel und ein Vorsegel, Genua oder Fock). Lediglich einige Maxis mit einem großen Dreieck zwischen Vorstag, Deck und Mast nutzen auf Halbwindkursen zwei Vorsegel, was sie theoretisch zu Kuttern macht. Ein besonderes Kennzeichen des Rennens 2006 ist die überwältigende Resonanz von klassischen Booten mit den drei ehemaligen Gesamtsiegern KOOMOOLOO (1968), LOVE & WAR (1974 und 1978), ILLUSION (1988) sowie einem ehemals schnellsten Schiff nach gesegelter Zeit, der FIDELIS (1966). Mehrere Skipper, die das Rennen schon einmal gewonnen haben, werden wieder dabei sein, um ihr Glück erneut zu versuchen. Dazu gehört auch der zweimalige Gesamtsieger Lou Abrahams aus Australien. Er bereitet sich auf sein 44. Rennen in Folge vor. Wenn er es erfolgreich absolviert, egalisiert der 79-Jährige aus Victoria den Rekord von John Bennetto (†) aus Tasmanien.
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