76 Derweil haben sich die Weißwürste in Wohlgefallen aufgelöst und alle gehen ihrer Beschäftigung nach. Die beiden Französinnen wandern Richtung Mastenwickelanlage, Thadeus und Sven bereiten die Hochzeit vor, die Montage von Rumpf und Deck. Ich frage mich indes, wie ich das Ganze bei dem Licht fotografi eren soll. Als ich mich für einen Kompromiss entschließe, überlege ich, wie man sich fühlen muss, als Schwabe und Pole im tiefsten Bayern akzeptiert zu werden. Da gibt man sich im alpenländischen Vorlande weltoffen. Respekt, wem Respekt gebührt. Gott ist da nicht kleinlich. So neu, wie dem Markt dieses Boot auch erscheinen mag, ist es beileibe nicht. Seit zwölf Jahren fährt das erste von zwei Vorgängern auf dem Chiemsee. Oben erwähnter Audi-Chefkonstrukteur ist Besitzer des Einhandbootes. Herr Hasler segelt immer noch mit dem Boot. Das andere Boot ist ebenfalls jede Saison auf dem Chiemsee. Es gehört einem gewissen Herrn Haller, einem 70-Jährigen, der es noch jeden Tag einhand segelt. Während ich mir überlege, ob die Vorläufer auch aus Kohlefaser gebaut wurden, gibt Sven mir ein Beispiel seines konsequenten Denkens. „Wir mussten das Boot nach Hallers Vorstellungen realisieren, was nicht immer einfach war. Ich war selten mit seinen Entscheidungen einverstanden. Dazu kam, dass ich auf Booten, auf denen ich segelte, mich oft über unnützes Zeug ärgerte. Ich dachte mir, irgendwann kannst du Boote nach deinen Vorstellungen bauen. Der Vorteil an Hallers Boot war, dass uns nichts vorgegeben wurde. Bei der Rumpfform konnten wir auf die Erfahrungen der anderen zwei Boote zurückgreifen. Wir hatten keine Zeichnungen des Decks. Im Grunde hatten wir nichts außer unseren Vorstellungen. Wir wollten das Boot so clean wie möglich, ohne viel Schnörkel. Nachdem die Negativform des Rumpfes fertig war, haben wir ein positives Deck in diese Form gebracht. Wir haben den Boden reingezogen, uns hingesetzt und das Deck eingepasst. Ich denke, das ist unser Weg. Bei neuen Booten erarbeiten wir zuerst ein Modell, das ich zusammen mit dem Kunden in die Hand nehme und erfühlen kann. Das ist besser als jede Zeichnung. Erst danach beginnen wir mit den Nachrechnungen des Rumpfes.“ Während der ein oder andere ihn als spleenig bezeichnet, ist er für andere wahrscheinlich ein Spinner, der schnell auf dem Boden der Realität landen wird. Wobei ich spleenig als Kompliment empfi nde, schließlich waren es seit jeher Querdenker, die die Menschheit weiterbrachten. Das versteht in der Segelszene nicht jeder, was auch kein Drama ist. Hauptsache, Sven und Thadeus glauben an sich. Und ihre Finanziers. Von beiden bräuchte es mehr in Deutschland. Menschen, die ihre Träume verwirklichen, und Menschen, die sie unterstützen. Ohne viel „Shareholder-Sicherheitsbedenken“. SAILING JOURNAL 1 | <strong>2007</strong> Interview mit Sven Akermann szene ysa-10 SJ Ein paar Gedanken zum Boot, bitte. SA Es ist zehn Meter lang und 3,20 Meter breit, da wir es noch diagonal auf dem Trailer transportieren wollten. Entscheidend bei den technischen Daten war für mich, dass das Boot noch einhand zu segeln sein sollte. Daher haben wir die Segelfl ächen auch nicht zu extrem gewählt. Das Boot passt auf einen Trailer ohne Sondergenehmigung, wobei ich eine 100er Zulassung habe. Wir haben beim Prototyp noch einen Tiefgang von drei Metern, das wird bei der Serie durch eine Hydraulik auf 1,80 Meter reduziert. SJ Wurden deine Vorstellungen bestätigt? SA Ich hätte nie gedacht, dass ein so kleines Boot ein so riesiges Potential haben könnte. Wir gewannen dieses Jahr einige Regatten gegen alte Cupper, die auf dem Bodensee segeln, wir haben gegen die schnellsten, modernsten Boote (Xarus 40, mittlerweile 42) gewonnen und wir gewannen die „Zweihand Rundum“ auf dem Bodensee. Das kann sich sehen lassen. Auf einer Regatta segeln wir mit vier Leuten, genauso gut könnten es aber auch nur zwei sein. Das Schöne an diesem Boot ist, dass es einen immens großen Anwendungsbereich hat: Ich kann Regatten segeln, mit meiner Freundin alleine segeln oder einen kurzen Urlaub damit machen, mit Zelt oder abends geht‘s ab in ein Hotel oder Appartement. Für mich persönlich war es wichtig, dass es ein schönes, ein stylisches Schiff ist. Daher haben wir auch das Teakdeck eingebaut, kein optisches Teakdeck, sondern ein 8-mm-Deck. Das Boot, das wir momentan bauen, ist die Regattaversion ohne Teak. Es wird noch einmal 250 Kilo leichter. SJ Wie lange seid ihr mit dem Boot „auf dem Markt?“ SA Wir waren Mitte Juni 2006 das erste Mal im Wasser, danach fi ngen wir an, Regatten zu segeln. SJ Wie sieht die Zielgruppe aus? SA Ich habe in diesem Jahr gemerkt, dass die Zielgruppe sehr groß ist. Es sind zum einen sehr viele Regattasegler, die vom Speed überzeugt sind. Es sind aber auch ältere Herren, die sagen – das sieht toll aus, das ist mal etwas anderes. Dann merkte ich, dass das Boot auch bei Frauen gut ankommt, optisch zumindest. Auf der Messe in Hamburg blieben viele Frauen stehen und schauten sich das Boot an, während die Männer weitergingen, weil sie wohl an den Preis dachten. Wir sprechen die Leute an, die an einem See wohnen und mal auf einem anderen See segeln möchten und sich dazu ein Appartement mieten; nicht so sehr die Leute, die auf einem Boot schlafen möchten. Ich bin der Ansicht, dass heutzutage ein „Sportboot“ keine Küche haben sollte, da darf kein Kühlschrank oder kein Bett rein. Schließlich soll es ein Sportgerät sein und kein Wohnmobil. Autorennen fahre ich ja auch mit einem Rennwagen. Im Grunde ist das die Überlegung hinter dieser Geschichte: ein konsequentes Boot. Wenn ich einen Tag mit meinen Freunden segeln gehe, nehme ich eine Kühlbox mit. Die trage ich morgens rauf und abends wieder runter. Da brauche ich keinen Kühlschrank, der die ganze Zeit an der Steckdose hängt und sehr schwer ist. Ich dachte, dass sich hauptsächlich eine junge Käuferschicht dafür interessiert. Aber es kristallisierte sich heraus, dass es den Älteren ebenso gut gefällt. „Für mich gibt es nichts Schrecklicheres, als jede Clubregatta mitsegeln zu müssen. Es macht überhaupt keinen Sinn, dort gegen eine ‚Sprinta Sport’ anzutreten.“
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