AUSGABE 01 / 2007 | FEBRUAR / MÄRZ WWW ... - Sailing Journal
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Derweil haben sich die Weißwürste in Wohlgefallen<br />
aufgelöst und alle gehen ihrer Beschäftigung nach. Die<br />
beiden Französinnen wandern Richtung Mastenwickelanlage,<br />
Thadeus und Sven bereiten die Hochzeit vor, die<br />
Montage von Rumpf und Deck. Ich frage mich indes,<br />
wie ich das Ganze bei dem Licht fotografi eren soll. Als<br />
ich mich für einen Kompromiss entschließe, überlege<br />
ich, wie man sich fühlen muss, als Schwabe und Pole<br />
im tiefsten Bayern akzeptiert zu werden. Da gibt man<br />
sich im alpenländischen Vorlande weltoffen. Respekt,<br />
wem Respekt gebührt. Gott ist da nicht kleinlich.<br />
So neu, wie dem Markt dieses Boot auch erscheinen<br />
mag, ist es beileibe nicht. Seit zwölf Jahren fährt das<br />
erste von zwei Vorgängern auf dem Chiemsee. Oben<br />
erwähnter Audi-Chefkonstrukteur ist Besitzer des Einhandbootes.<br />
Herr Hasler segelt immer noch mit dem<br />
Boot. Das andere Boot ist ebenfalls jede Saison auf<br />
dem Chiemsee. Es gehört einem gewissen Herrn Haller,<br />
einem 70-Jährigen, der es noch jeden Tag einhand segelt.<br />
Während ich mir überlege, ob die Vorläufer auch aus<br />
Kohlefaser gebaut wurden, gibt Sven mir ein Beispiel<br />
seines konsequenten Denkens. „Wir mussten das Boot<br />
nach Hallers Vorstellungen realisieren, was nicht immer<br />
einfach war. Ich war selten mit seinen Entscheidungen<br />
einverstanden. Dazu kam, dass ich auf Booten, auf denen<br />
ich segelte, mich oft über unnützes Zeug ärgerte.<br />
Ich dachte mir, irgendwann kannst du Boote nach deinen<br />
Vorstellungen bauen. Der Vorteil an Hallers Boot<br />
war, dass uns nichts vorgegeben wurde. Bei der Rumpfform<br />
konnten wir auf die Erfahrungen der anderen zwei<br />
Boote zurückgreifen. Wir hatten keine Zeichnungen des<br />
Decks. Im Grunde hatten wir nichts außer unseren Vorstellungen.<br />
Wir wollten das Boot so clean wie möglich,<br />
ohne viel Schnörkel. Nachdem die Negativform des<br />
Rumpfes fertig war, haben wir ein positives Deck in diese<br />
Form gebracht. Wir haben den Boden reingezogen,<br />
uns hingesetzt und das Deck eingepasst. Ich denke, das<br />
ist unser Weg. Bei neuen Booten erarbeiten wir zuerst<br />
ein Modell, das ich zusammen mit dem Kunden in die<br />
Hand nehme und erfühlen kann. Das ist besser als jede<br />
Zeichnung. Erst danach beginnen wir mit den Nachrechnungen<br />
des Rumpfes.“<br />
Während der ein oder andere ihn als spleenig bezeichnet,<br />
ist er für andere wahrscheinlich ein Spinner,<br />
der schnell auf dem Boden der Realität landen wird.<br />
Wobei ich spleenig als Kompliment empfi nde, schließlich<br />
waren es seit jeher Querdenker, die die Menschheit<br />
weiterbrachten. Das versteht in der Segelszene nicht<br />
jeder, was auch kein Drama ist. Hauptsache, Sven und<br />
Thadeus glauben an sich. Und ihre Finanziers. Von beiden<br />
bräuchte es mehr in Deutschland. Menschen, die<br />
ihre Träume verwirklichen, und Menschen, die sie unterstützen.<br />
Ohne viel „Shareholder-Sicherheitsbedenken“.<br />
SAILING JOURNAL 1 | <strong>2007</strong><br />
Interview mit Sven Akermann<br />
szene ysa-10<br />
SJ Ein paar Gedanken zum Boot, bitte.<br />
SA Es ist zehn Meter lang und 3,20 Meter breit, da wir es noch diagonal auf dem Trailer<br />
transportieren wollten. Entscheidend bei den technischen Daten war für mich, dass das<br />
Boot noch einhand zu segeln sein sollte. Daher haben wir die Segelfl ächen auch nicht<br />
zu extrem gewählt. Das Boot passt auf einen Trailer ohne Sondergenehmigung, wobei<br />
ich eine 100er Zulassung habe. Wir haben beim Prototyp noch einen Tiefgang von drei<br />
Metern, das wird bei der Serie durch eine Hydraulik auf 1,80 Meter reduziert.<br />
SJ Wurden deine Vorstellungen bestätigt?<br />
SA Ich hätte nie gedacht, dass ein so kleines Boot ein so riesiges Potential haben könnte.<br />
Wir gewannen dieses Jahr einige Regatten gegen alte Cupper, die auf dem Bodensee<br />
segeln, wir haben gegen die schnellsten, modernsten Boote (Xarus 40, mittlerweile 42)<br />
gewonnen und wir gewannen die „Zweihand Rundum“ auf dem Bodensee. Das kann sich<br />
sehen lassen. Auf einer Regatta segeln wir mit vier Leuten, genauso gut könnten es aber<br />
auch nur zwei sein. Das Schöne an diesem Boot ist, dass es einen immens großen Anwendungsbereich<br />
hat: Ich kann Regatten segeln, mit meiner Freundin alleine segeln oder<br />
einen kurzen Urlaub damit machen, mit Zelt oder abends geht‘s ab in ein Hotel oder Appartement.<br />
Für mich persönlich war es wichtig, dass es ein schönes, ein stylisches Schiff<br />
ist. Daher haben wir auch das Teakdeck eingebaut, kein optisches Teakdeck, sondern ein<br />
8-mm-Deck. Das Boot, das wir momentan bauen, ist die Regattaversion ohne Teak. Es<br />
wird noch einmal 250 Kilo leichter.<br />
SJ Wie lange seid ihr mit dem Boot „auf dem Markt?“<br />
SA Wir waren Mitte Juni 2006 das erste Mal im Wasser, danach fi ngen wir an, Regatten<br />
zu segeln.<br />
SJ Wie sieht die Zielgruppe aus?<br />
SA Ich habe in diesem Jahr gemerkt, dass die Zielgruppe sehr groß ist. Es sind zum<br />
einen sehr viele Regattasegler, die vom Speed überzeugt sind. Es sind aber auch ältere<br />
Herren, die sagen – das sieht toll aus, das ist mal etwas anderes. Dann merkte ich,<br />
dass das Boot auch bei Frauen gut ankommt, optisch zumindest. Auf der Messe in Hamburg<br />
blieben viele Frauen stehen und schauten sich das Boot an, während die Männer<br />
weitergingen, weil sie wohl an den Preis dachten. Wir sprechen die Leute an, die an<br />
einem See wohnen und mal auf einem anderen See segeln möchten und sich dazu ein<br />
Appartement mieten; nicht so sehr die Leute, die auf einem Boot schlafen möchten.<br />
Ich bin der Ansicht, dass heutzutage ein „Sportboot“ keine Küche haben sollte, da darf<br />
kein Kühlschrank oder kein Bett rein. Schließlich soll es ein Sportgerät sein und kein<br />
Wohnmobil. Autorennen fahre ich ja auch mit einem Rennwagen. Im Grunde ist das die<br />
Überlegung hinter dieser Geschichte: ein konsequentes Boot. Wenn ich einen Tag mit<br />
meinen Freunden segeln gehe, nehme ich eine Kühlbox mit. Die trage ich morgens rauf<br />
und abends wieder runter. Da brauche ich keinen Kühlschrank, der die ganze Zeit an<br />
der Steckdose hängt und sehr schwer ist. Ich dachte, dass sich hauptsächlich eine junge<br />
Käuferschicht dafür interessiert. Aber es kristallisierte sich heraus, dass es den Älteren<br />
ebenso gut gefällt.<br />
„Für mich gibt es nichts<br />
Schrecklicheres, als jede<br />
Clubregatta mitsegeln zu<br />
müssen. Es macht überhaupt<br />
keinen Sinn, dort gegen eine<br />
‚Sprinta Sport’ anzutreten.“