Bologna - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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ZuKT ohne Zagen<br />
»Tanzmarathon 06« der Hochschule <strong>für</strong><br />
Musik und Darstellende Kunst Frankfurt<br />
Von Melanie Suchy<br />
Die Abkürzung ZuKT steht zwar <strong>für</strong> »Zeitgenössischen und Klassischen<br />
Tanz« und den so benannten Ausbildungsbereich in der<br />
Frankfurter Hochschule. Aber ihr fehlt auch nicht viel zur »Zukunft».<br />
Auch <strong>für</strong> den zukünftigen Tanz muss man ausbilden. Und<br />
so sind die Frankfurter jetzt schon dabei, die Diplom-Ausbildung<br />
umzuwandeln in Richtung Bachelor-Studiengang. Im Herbst<br />
2006 soll es losgehen. Das Leitungsteam der Abteilung um Prof.<br />
Dieter Heitkamp begreift die vom <strong>Bologna</strong>-Prozess angestoßene<br />
Umstellung als Chance, die Struktur und die Inhalte der vierjährigen<br />
Ausbildung zu verbessern. So wird man unter anderem<br />
den Studierenden mehr Theorie und Wissenschaft vermitteln,<br />
und sie werden sich im dritten Ausbildungsjahr spezialisieren<br />
können auf »klassisch« oder mehr »zeitgenössisch« mit entsprechenden<br />
zusätzlichen Lehrangeboten von Technik-Labs bis Stimmbildung.<br />
Dass sich schon die bisherige Ausbildung sehen lassen kann,<br />
zeigte wieder der sommerliche »Tanzmarathon« in der Hochschule,<br />
eines von drei jährlichen ZuKT-Aufführungsprogrammen. Schon<br />
die Zweitsemester liefen mit beim Marathon, und die Achtsemester,<br />
kurz vor ihrem Abschluss, zeigten sich bereit und fähig <strong>für</strong> ihre<br />
eigene Zukunft im Tanz. In einigen Stücken mischten sich die<br />
Jahrgänge oder kamen gar, beim von Prof. Susanne Noodt choreographierten,<br />
diesmal spanisch inspirierten Folklore-Tanz, alle<br />
zusammen. Das zeigt eine innere Durchlässigkeit, die Begabungen<br />
fördert und die bei der großen Spannbreite zwischen<br />
K und Z in der relativ kleinen Hochschule auch nahe liegt.<br />
Kristalline Formen, elegante Girlanden und kecke Knicke aus<br />
Balanchine-Choreographien, neoklassisch auch das Duo von<br />
Prof. Marc Spradling, ein humorvoller<br />
erster Satz aus Jirˇí Kyliáns<br />
»Stamping Ground«, der die Tänzer<br />
aussehen lässt wie eine Mischung<br />
aus Schlagzeuger, Trommel<br />
und dem sprechenden Abstand<br />
zwischen den Tönen; ein fröhliches<br />
Gewusel mit multifunktionalen Plastiksäcken,<br />
synchron getanzten<br />
New-Dance-Einlagen und choreographiertenContact-Improvisations-Begegnungen<br />
in »Bagages«<br />
von Dieter Heitkamp, einem der<br />
Stücke, an der auch die Studierenden<br />
ihren kreativen Anteil hatten.<br />
Der ehemalige Forsythe-Tänzer<br />
Alan Barnes steuerte ein etwas<br />
prätentiöses »4Tease« bei, wo sich<br />
in einer schwülen Atmosphäre etwas<br />
anzustauen scheint, das sich<br />
nie entlädt. Auch Marguerite Donlon,<br />
wiederholt zu Gast in Frankfurt,<br />
will es in »EROS REMIX« und<br />
»Chocolate – bitter sweet« erotisch<br />
prickeln lassen, bei ihr ziehen die<br />
Glieder aus dem Körper, biegt sich<br />
die Hüfte weit aus der Mitte und<br />
Hände berühren Haut, klatschen, gleiten, streicheln. Die Choreographien<br />
und sogar ihre Teile sind unterschiedlicher Qualität,<br />
aber sie stehen ja auch als Werke nicht im Mittelpunkt des<br />
Abends.<br />
In den drei Mal vier Stücken des imposanten Programms gibt<br />
es immer wieder Bilder, Szenen, in denen die Tänzer auf besondere<br />
Weise sichtbar werden und über die Form hinaus in einen<br />
weiteren Raum zu weisen scheinen. Das tänzerische Können<br />
wird dann »unsichtbar», und der Ausdruck kann atmen. Etwa bei<br />
Katharina Wiedenhofer, die in Balanchines »Concerto Barocco«<br />
mit ihrem Solo wie eine Königin, sehr erwachsen und kraftvoll,<br />
den Raum füllt, und Ekaterina Cheraneva, die als Zweitsemester<br />
schon den richtigen Forsythe-Ton, »nichts hält mich auf», trifft. Nur<br />
die Erotik oder etwas wie ein saftiges Körpergefühl vermisst man<br />
bei einigen, die so gut und souverän in allen Stilen geworden<br />
sind, darunter Adam Dembczynski, Xianghui Zeng, Li Tan. Bei<br />
Carla Pulvermacher und Monica Moranelli sieht man, dass so<br />
etwas nicht schmalzig ist, sondern wie ein feines furchtloses Lächeln.<br />
Und Norbert Pape zeigt, nicht nur in seinem eigenen Solo<br />
vom Mai dieses Jahres, sondern auch in Paarkombinationen, mit<br />
Frau oder Mann, wie dringlich, vielseitig und letztlich unbeantwortet<br />
die erotische Frage auf der Bühne ist.<br />
Irritation im besten Sinne brachten auch zwei dunkle Stücke.<br />
Eines von Forsythe, aus »Enemy in the Figure« von 1989, wo<br />
man unsichtbare Dämonen als Gegner ahnt und ein fast asiatischer<br />
Kampfgeist aus Lockerheit und konzentrierter Anspannung<br />
tausend Richtungswechsel ermöglicht. Das andere, »aller simple«<br />
von Toula Limnaios aus Berlin, erzählt mit philosophischer<br />
Gelassenheit von der Brüchigkeit des Seins und des gesellschaftlichen<br />
Miteinanders – in tausend Arten des Zu-Boden-Gehens.<br />
Darunter diese: Männer sitzen und halten je eine stehende Frau<br />
am Knöchel. Sie kippt langsam und gerade zur Seite, landet<br />
gebremst. Nur eine einzige fällt ohne Halt, einsam, hart auf den<br />
Boden. Dass das geht, immer wieder fallen und aufstehen, das<br />
beweist so wunderbar der Tanz. ■<br />
links:.Katarina.Wiedenhofer.in.»Enemy.Variations«.,.Choreographie:.William.Forsythe<br />
rechts:.Friederike.Mauß.und.Ekaterina.Cheraneva.in.»Bagages«.,.Choreographie:.Dieter.Heitkamp<br />
. (Fotos:.Dietmar.Janeck)<br />
Ballett Intern 4/2006 13