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20<br />

Über-setzen<br />

… Novalis – Übersetzer zwischen den Welten<br />

die menschliche Bestimmung.“ Dies galt für ihn<br />

äußerlich, aber auch innerlich. Der Mensch müsse,<br />

so Fichte, sein Ich ergreifen, er müsse 'ichen'. Das Ich<br />

wird nur durch die Tätigkeit greifbar. Ein weiterer<br />

zentraler Punkt Fichtes war der Zugang zur geistigen<br />

Welt. Er sah den Menschen auch schon im irdischen<br />

Leben als Teil der geistigen Welt: „Ich bin und ich bin<br />

mit all meinen Zielen nur in der geistigen Welt. *<br />

Wolle sein, was du sein sollst, was du sein kannst<br />

und eben darum sein willst.“ Der Tod ist damit nur<br />

für den irdischen Leib und für die auf der Erde<br />

zurückbleibenden von Bedeutung. Das Ich des<br />

Menschen wird „(…) in einem höheren Leben wiedergeboren.“<br />

Das Leben in der geistigen Welt gehört für<br />

Fichte zum Menschsein, in ihm liegt und aus ihm<br />

empfängt der Mensch seine Bestimmung. Mit Hilfe<br />

des Denkens kann er in sich die Anlage zum Geistesauge<br />

erwecken und damit das Geistige sehen.<br />

Diese Ideen Fichtes wurden auch für das Denken<br />

Hardenbergs von großer Bedeutung. Zentrale Gedanken,<br />

die er von Fichte übernahm, waren die<br />

Konsequenz im Denken und Handeln, das Ziel der<br />

ästhetischen Schönheit und das Streben nach<br />

Wissenschaft. Von Fichte übernahm er auch das dialektische<br />

Denken, das Denken der Gegensätze und<br />

der Einheit: „Gott. Notwendig. Natur. Wirklich. Ich.<br />

Möglich.“ Er sucht nach der Universalität des Ichs<br />

und beurteilt seine eigenen Auseinandersetzung mit<br />

Fichte: „Spinoza stieg bis zur Natur – Fichte bis zum<br />

Ich, ich bis zur These Gott.“ Hier zeigt sich Hardenbergs<br />

Bestreben über Fichte hinaus zu gehen und<br />

sein Denken mit der Idee Gottes zu verbinden.<br />

Diese Fichte-Studien gehen einher mit der wichtigsten<br />

Schicksalsbegegnung Friedrich von Hardenbergs.<br />

Am 17. November 1794 lernte er die noch<br />

nicht dreizehnjährige Sophie von Kühn kennen. Die<br />

erste Viertelstunde ihrer Begegnung bestimmte sie<br />

beide für den Rest ihres Lebens. Sie verlieben sich<br />

ineinander und verloben sich wenig später. Für den<br />

Dichter Novalis wird Sophie die Inspiration seines<br />

weiteren Schaffens, sie erweckt den Dichter ihn ihm.<br />

Nachdem er schon seit seiner Jugend immer wieder<br />

eigene Gedichte geschrieben hatte, entstand nun<br />

sein eigener, nicht mehr durch seine großen<br />

Vorbilder geprägter Stil. Dem Paar war jedoch nur<br />

eine kurze gemeinsame Zeit auf der Erde vergönnt:<br />

Sophie von Kühn erkrankte schwer und starb kurz<br />

nach ihrem fünfzehnten Geburtstag.<br />

Die folgenden Monate und Jahre seines Lebens<br />

waren für Friedrich von Hardenberg ein Einweihungsprozess<br />

und ermöglichten ihm erst seine großen<br />

dichterischen und philosophischen Werke. Dies<br />

wird unter anderem an der Schilderung des ersten<br />

Besuchs am Grab der Sophie deutlich, welche er später<br />

in den „Hymnen an die Nacht“ verarbeitet:<br />

„Wie ich da nach Hülfe umherschaute, vorwärts nicht<br />

konnte und rückwärts nicht, und am fliehenden, verlöschenden<br />

Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: –<br />

da kam aus blauen Fernen – von den Höhen meiner<br />

alten Seligkeit ein Dämmerungsschauer – und mit<br />

einem Male riss das Band der Geburt – des Lichtes<br />

Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine<br />

Trauer mit ihr – zusammenfloss die Wehmut in eine<br />

neue, unergründliche Welt – du Nachtbegeisterung,<br />

Schlummer des Himmels kamst über mich – die<br />

Gegend hob sich sacht empor; über der Gegend<br />

schwebte mein entbundner, neugeborener Geist. Zur<br />

Staubwolke wurde der Hügel – durch die Wolke sah<br />

ich die verklärten Züge der Geliebten. In ihren Augen<br />

ruhte die Ewigkeit – ich fasste Ihre Hände, und die<br />

Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band.<br />

Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie<br />

Ungewitter. (…) und erst seitdem fühl' ich ewigen,<br />

unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht<br />

und sein Licht, die Geliebte.“

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