zds#13
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lockland<br />
×<br />
15.00 Uhr<br />
Carl-Krohne-Straße, ganz<br />
am Ende<br />
Brauner Rost zieht sich die<br />
türkisfarbene, schwere Eingangspforte<br />
der Jugendvollzugsanstalt<br />
hinab.<br />
Im Fenster nebenan hängt ein Zettel,<br />
der mit Bleistift informiert:<br />
„Der Jugend- und Frauenvollzug<br />
ist geschlossen“.<br />
15.30 Uhr<br />
Links neben der Gefängnismauer<br />
aus rotem Backstein liegt ein<br />
Tümpel, versteckt unter einer<br />
Algenschicht.<br />
15.45 Uhr<br />
Carl-Krohne-Straße<br />
Hinter dem Zaun eines Wohnhauses<br />
erschrecken, auf den Hinterbeinen<br />
stehend, zwei laut bellende Bernhardiner<br />
die wenigen Leute, die sich<br />
hierher verirren.<br />
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monate<br />
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interview<br />
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mir gesagt, er habe ’nen Deal mit dem Staatsanwalt,<br />
und ich bin dann guter Dinge reingegangen.<br />
Als dann die Verurteilung kam, war das<br />
zuerst schon bitter. Ich kann mich noch erinnern,<br />
was der Richter vor seiner Urteilsverkündung<br />
sagte: „Ihnen ist ja wohl klar, dass wir Sie aufgrund<br />
der Tat einsperren müssen. Hätten Sie<br />
sich einen Kiosk gesucht, oder einen ‚Schlecker‘,<br />
hätten wir drüber reden können. Aber zu einer<br />
Bank zu gehen, wo man das meiste holen kann,<br />
dafür gibt es keine Bewährung.“<br />
zds Die meisten Menschen kennen das Leben<br />
im Gefängnis nur aus dem Fernsehen. Da hängen<br />
die Häftlinge den ganzen Tag an den Eisengittern<br />
und es tropft von der Decke. Ist die Realität denn<br />
ganz anders?<br />
FAbian Es ist trocken in den Zellen, aber gemütlich<br />
wird es deshalb noch lange nicht. Ich<br />
habe mich zumindest in der ganzen Zeit nicht<br />
heimisch gefühlt. Manche versuchen das ja. Ich<br />
habe Zellen gesehen, die sahen aus wie das<br />
Jugendzimmer zu Hause – mit Postern an der<br />
Wand und Teppich auf dem Boden und toller<br />
Bettwäsche von Mama. Ich habe alles sehr schlicht<br />
gehalten: Schrank, Bett, Tisch, Stuhl, Regal,<br />
Waschbecken und Toilette. Und das auf acht<br />
Quadratmetern.<br />
zds Wie war die Stimmung?.<br />
fabian Es gab viel Langeweile und Tristesse.<br />
Es passiert ja nie was Neues. Jeder Tag ist wie<br />
der andere. Ich hatte wenigstens die Schule als<br />
Beschäftigung. Da habe ich meinen erweiterten<br />
Hauptschulabschluss nachgeholt und dafür gelernt<br />
oder was gelesen. Und ich habe bei der<br />
Knastzeitung mitgemacht. Sonst habe ich so viel<br />
geschlafen wie in meinem ganzen Leben nicht.<br />
zds Und außerhalb der Zelle wimmelte es von<br />
bösen Jungs?<br />
fabian Es gibt eine große Ansammlung krimineller<br />
Energie. Zum Beispiel hatte ich mit einem<br />
zu tun, der hatte seinen besten Freund kaltgemacht.<br />
Mit bloßen Händen. Im Jugendvollzug<br />
war es wie auf der Straße: Jeder wollte der<br />
Größte sein und sich profilieren. Da musste man<br />
sehen, dass man sich aus manchen Dingen raushält<br />
und sich gleichzeitig nicht unterbuttern lässt.<br />
Als ich für die letzten zwölf Monate in den<br />
Erwachsenenvollzug nach Oslebshausen kam,<br />
wurde es entspannter. Solange man keine<br />
Geschäfte einging und sich an die Vertragsregeln<br />
hielt, war alles gut.<br />
zds Geschäfte? Vertragsregeln?<br />
fabian Na wenn man zum Beispiel eine Telefonkarte<br />
reinschmuggeln lies, musste man<br />
natürlich auch rechtzeitig zahlen. Und man<br />
sollte nicht jeden blöd von der Seite anquatschen,<br />
sonst traf man den plötzlich in einer dunklen<br />
Ecke wieder …<br />
zds Klingt nicht so wirklich entspannt.<br />
fabian Es war auch oft sehr humorig, selbst<br />
an diesem Ort. Jeder hatte seine individuelle Lebensgeschichte,<br />
die einen auch schon mal zum<br />
Lachen brachte.<br />
zds Alles in allem, findest du, war es im<br />
Erwachsenenvollzug besser als im Jugendvollzug?<br />
fabian Ja, mir hat es besser gefallen. Im Jugendvollzug<br />
gab es diesen pädagogischen Schwerpunkt,<br />
mit dem ich nicht klar kam. Die wollten einem<br />
ständig erzählen, wie man ein besserer Mensch<br />
wird. Außerdem durfte man im Erwachsenenvollzug<br />
auch ’ne Playstation haben und im Jugendvollzug<br />
nicht. Da gab’s nur Fernseher und Radio.<br />
zds Wer ist der beste Kumpel im Knast?<br />
fabian Echte Freundschaften gibt es unter<br />
Häftlingen nicht. Das ist mehr eine Zweckgemeinschaft,<br />
wie bei der Bundeswehr. Ein zusammengewürfelter<br />
Haufen und man muss sich damit<br />
arrangieren. Klar versteht man sich mal mit<br />
jemandem gut und redet auch mal etwas<br />
privater, aber ein Großteil ist Geplänkel.<br />
zds Wer hat draußen auf dich gewartet?<br />
fabian Anfangs meine Frau. Ich war zu dem<br />
Zeitpunkt noch verheiratet und mein einziges<br />
Ziel war es, die Monate abzusitzen, um wieder<br />
bei ihr zu sein. Die Haft war schwierig für uns<br />
beide – sie draußen und ich auf der anderen<br />
Seite der Mauer. Man sagt immer: „Die beste<br />
Beziehung im Knast ist, keine zu haben.“<br />
zds Durfte deine Frau dich besuchen?<br />
fabian Ja, aber erst nach sechs Monaten. Sie<br />
saß auf meinen Schoß, wir haben uns angestarrt<br />
und geschwiegen. Einfach nur im Arm gehalten<br />
und das war’s. Kurz darauf bekam ich das erste<br />
Mal Freigang und konnte ein Wochenende zu ihr.<br />
Als sie mich dann später verlassen hat, habe ich<br />
meine Fenster zugehängt und bin 14 Tage nicht<br />
aus meiner Zelle gekommen.<br />
z ds Hast du mit einem Mithäftling darüber<br />
reden können?<br />
fabian Emotionen sind belastend und das weiß<br />
auch jeder. Man spricht im Knast nicht über<br />
seine Gefühle, sondern zieht seinen Tag durch<br />
und dann kommt auch schon der nächste. Wenn<br />
sich alle da ständig auslassen würden, würde man<br />
verrückt werden. Die Probleme der anderen<br />
erinnern einen nur an die eigenen.<br />
zds Wird man im Knast so härter im Nehmen?<br />
fabian Nee. Ich glaube, diese Härte, die von<br />
Häftlingen widergespiegelt wird, ist ganz oft<br />
aufgesetzt. Die sind äußerlich hart: Haare bis<br />
zum Arsch, tätowiert, immer einen coolen Spruch<br />
auf Lager. Das können sie ja alle. Aber wenn man<br />
mit denen mal tiefer ins Gespräch kommt, merkt<br />
man, da ist noch mehr.<br />
zds Was?<br />
fabian Viele von denen haben Frau und Kinder<br />
und wären lieber der Familienpapa, als sich im<br />
Knast gefrustet die Köpfe einzuschlagen.<br />
zds Wie ist das, wenn man Freigang bekommt<br />
und plötzlich wieder raus darf für kurze Zeit?<br />
fabian Wirklich seltsam. Ich saß dann bei<br />
alten Bekannten, die so alt waren wie ich, hatte<br />
aber keinen Plan mehr von ihrem Leben. Habe<br />
mir dann meistens einen gelötet, richtig gesoffen.<br />
Und dann wieder zurück zum Knast. Naja,<br />
manchmal ging das gut, manchmal nicht. In<br />
der Zeit im Blockland bin ich einige Male einfach<br />
nicht zurückgegangen bzw. erst einen Tag später<br />
und habe noch eine Nacht mit meiner Frau<br />
oder später halt in der Kneipe verbracht.<br />
zds Warum bist du nicht ganz ausgerissen?<br />
fabian Ohne Papiere? Ohne Geld? Noch mal<br />
eine Bank auszurauben, hätte ein paar Jahre mehr<br />
Knast bedeutet.<br />
zds Welche Konsequenzen hatte es, wenn du<br />
zu spät zurückkamst?<br />
fabian Ich hatte dann die nächsten drei bis<br />
sechs Monate keinen Freigang mehr. Und hätte<br />
ich mich am Riemen gerissen, hätte ich schon<br />
nach 18 Monaten auf Bewährung rauskommen<br />
können. So aber haben sie mich erst nach<br />
22 Monaten rausgelassen.<br />
zds Die Freilassung …<br />
fabian Ich bin mit meinem Köfferchen da raus<br />
und wusste: „Das war’s – hier komme ich nicht<br />
wieder her.“ Umgedreht habe ich mich nicht mehr.<br />
Einfach raus!<br />
zds Und dann?<br />
fabian Ich hatte mir ein Taxi bestellt, habe<br />
meine Klamotten zu meinen Eltern gebracht,<br />
geduscht und bin zum Friseur gegangen. Drei<br />
Jahre später kam dann der Brief vom Richter:<br />
Strafmakel ist getilgt. Das heißt, dass der Eintrag<br />
aus dem Führungszeugnis entfernt wurde.<br />
zds Ist damit auch für dich alles gegessen oder<br />
ist da noch Reue?<br />
fabian Die Tat an sich bereue ich gar nicht.<br />
Hätte es geklappt, würde ich mich ja auch nicht<br />
beschweren, sondern mit der Kohle irgendwo in<br />
der Sonne sitzen. Aber man denkt manchmal so:<br />
„Oh, hättest du die Frau nicht kennengelernt,<br />
hättest du den einen Job damals einfach weitergemacht<br />
– dann hättest du vielleicht andere<br />
Lösungswege für deine Probleme gefunden, als<br />
eine Bank zu überfallen.“<br />
zds Hat es dir nie leid getan, der Überfall?<br />
fabian Soll ich jeden Tag vor dem Einschlafen<br />
denken: „Oh, der arme Bankangestellte!“? Er hat<br />
seinen Job gemacht, ich meinen. Und ich saß<br />
dafür im Knast. Meine Sozialarbeiterin wollte,<br />
dass ich einen Täter-Opfer-Ausgleich mache und<br />
einen Blumenstrauß zur Bank schicke. Ich fragte<br />
sie, ob sie bescheuert ist: „Ich habe andere<br />
Sorgen, außerdem sitze ich hier schon dafür. Da<br />
schicke ich nicht noch Blumen!“<br />
zds Bist du jetzt ein anderer als vor dem Knast?<br />
fabian Zuerst dachte ich: nein. Was war schon<br />
passiert? Im Knast konnte ich nicht rausgehen<br />
und mich nicht treffen, mit wem ich wollte, aber<br />
ich hatte ein Dach über dem Kopf und was zu<br />
essen. Dann kam ich raus und hatte keinen Plan,<br />
was ich mit meinem Leben anfangen sollte und<br />
mit meiner Freiheit. Und plötzlich war es so<br />
ähnlich wie im Knast: Ich hatte Essen und eine<br />
Wohnung, aber ich fühlte mich trotzdem eingesperrt<br />
und von der Gesellschaft entfernt. Ich<br />
habe schwere Zeiten in Einsamkeit draußen<br />
erlebt. Da haben auch Schnaps und Drogen nicht<br />
mehr geholfen, den Kummer wegzustecken. Das<br />
war wirklich hart.<br />
zds Wann ist es besser geworden?<br />
fabian Das hat gedauert. Ich habe vier, fünf<br />
Jahre gar nichts gemacht. Ich hatte das Gefühl,<br />
ich müsste die zwei Jahre auf Teufel komm raus<br />
nachholen und alles, was ich mir da verkneifen<br />
musste: Disco, Partymachen, Frauen. Aber es<br />
ging nicht. Man kann die Zeit nicht einholen.<br />
zds Und wie ist es jetzt?<br />
fabian Ich arbeite im Projekt „Knastgewächse“.<br />
Wir möbeln die alte Gärtnerei des Blockland-Knasts<br />
wieder auf. Morgens um sechs<br />
klingelt der Wecker, dann geh ich zur Arbeit, und<br />
wenn ich nachmittags zu Hause bin, völlig<br />
erledigt, schaue ich noch ’ne Runde Fernsehen.<br />
Drogen und Alkohol habe ich seit anderthalb<br />
Jahren nicht angefasst. Ich bin eigentlich gerade<br />
da, wovor ich die ganzen letzten Jahre weggelaufen<br />
bin – ich habe ein ganz stinknormales<br />
Leben und irgendwie erfüllt es mich auch. So wie<br />
es ist, könnte es weitergehen. Nur ob ich immer<br />
gärtnern muss, das weiß ich noch nicht.