Band 15 - 20 Jahre Schwules Netzwerk NRW
2011 - 20 Jahre schwule Selbstorganisation in NRW
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<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Schwules</strong> <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V | <strong>15</strong><br />
5. Schwule Familie /<br />
Homo-Ehe<br />
Wie wichtig ist Schwulen und Lesben der<br />
Freundeskreis? Ersetzen sie als schwule<br />
und lesbische Wahlfamilien bereits die<br />
biologische Familie? Heute erscheint es<br />
fast so, als wenn eine ganze Generation<br />
von Schwulen und Lesben, die früher<br />
die Abschaffung der Familie forderten<br />
und alternative Wohnmodelle gründeten,<br />
nun doch Ganz normal mit Kindern<br />
in Doppelhaushälften wohnen möchte.<br />
Auch in der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft<br />
gab es in den vergangenen<br />
<strong>Jahre</strong>n ein massives Umdenken. Dies<br />
wurde zum Beispiel durch das <strong>20</strong>01<br />
eingeführte Lebenspartnerschaftsgesetz<br />
sichtbar.<br />
1. Kongress Schwule Familie,<br />
1997<br />
Mit dem Thema schwule und lesbische<br />
Familien beschäftigte sich das Schwule<br />
<strong>Netzwerk</strong> erstmals, als es gemeinsam<br />
mit der AIDS-Hilfe <strong>NRW</strong> und mit<br />
Unterstützung der Rosa Strippe am 11.<br />
Oktober 1997 den Kongress „Schwule<br />
Familie“ in Bochum organisierte. Als<br />
Zielgruppe wählte man Schwule aus<br />
Regionen, in denen es keine Gruppen<br />
oder Szenetreffs gab, um schwule Infrastruktur<br />
in strukturschwachen Regionen<br />
zu unterstützen. Prominente wie Jürgen<br />
Domian, Stephan Runge und Georg<br />
Uecker konnten als Moderatoren gewonnen<br />
werden. Die Werbung erfolgte<br />
nicht nur über Zeitungen und Anzeigen,<br />
sondern auch über Jürgen Domians<br />
Fernsehsendung. An dem Kongress<br />
nahmen 54 Personen teil. Ergebnisse<br />
flossen in die Publikation Lesbische<br />
und schwule Familien. Ergebnisse einer<br />
Befragung unter Lesben und Schwulen in<br />
<strong>NRW</strong> ein.<br />
2. Familienkampagne 1998-<strong>20</strong>01<br />
Im Jahr 1998 bildeten Initiierung, Planung<br />
und Durchführung der über mehrere<br />
<strong>Jahre</strong> angelegten Kampagne Lesbische<br />
und schwule Familien einen Schwerpunkt<br />
der Arbeit des <strong>Netzwerk</strong>s. Ein Ergebnis<br />
der ersten vier überregionalen Diskussionsveranstaltungen<br />
im Zeitraum März/<br />
April 1998 war, dass der Begriff Lesbische<br />
und schwule Familien einerseits<br />
die Ebene des direkten persönlichen<br />
Umfeldes als ganz persönliche Wahlfamilie<br />
beinhaltet, andererseits aber auch<br />
die Ebene der lesbischen und schwulen<br />
Familie als Community. Diese und andere<br />
Gedanken wurden im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung<br />
der Kampagne am 1.<br />
Juli 1998 in Köln vertieft.<br />
Parallel zur Diskussion innerhalb der<br />
Schwulen- und Lesbenbewegung entstand<br />
aufgrund der sich verändernden<br />
gesellschaftlichen Einstellung auch beim<br />
Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />
(DPWV) ein Diskussionsprozess<br />
über eine Neudefinition des Familienbegriffs.<br />
In diese Diskussion wurde das<br />
Schwule <strong>Netzwerk</strong> einbezogen und so<br />
war die <strong>Netzwerk</strong>-Kampagne bei einer<br />
DPWV-Tagung am 9. Dezember 1998<br />
auch Thema.<br />
Um auf verlässlicherer Grundlage arbeiten<br />
zu können, hat der Trägerkreis der Kampagne<br />
zu den schwulen und lesbischen<br />
Beziehungs- und Lebensentwürfen<br />
1998 eine Befragung durchgeführt. Die<br />
Ergebnisse wurden in der Broschüre<br />
Lesbische und schwule Familien festgehalten,<br />
die im Februar 1999 im Rahmen<br />
einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt wurde. Im Frühjahr 1999<br />
diskutierte das Schwule <strong>Netzwerk</strong> zudem<br />
in mehreren Veranstaltungen das geplante<br />
Lebenspartnerschaftsgesetz der<br />
Bundesregierung, um die Diskussionsergebnisse<br />
in den Gesetzgebungsprozess<br />
mit einzubringen. Obwohl noch kein<br />
konkreter Gesetzentwurf vorlag, wurden<br />
mit Politikern aller großen Parteien mehrere<br />
Veranstaltungen durchgeführt. Auf<br />
der Mitgliederversammlung im August<br />
1999 sprachen sich die Mitglieder des<br />
Schwulen <strong>Netzwerk</strong>s dafür aus, die Familienkampagne<br />
fortzusetzen.<br />
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen<br />
wurde im Jahr <strong>20</strong>00 auf die Fragen<br />
des Umgangs verschiedener schwuler<br />
Generationen miteinander ein zentrales<br />
Augenmerk gerichtet. So wurde die<br />
Kampagne Die Szene bist du maßgeblich<br />
vom Schwulen <strong>Netzwerk</strong> initiiert. Mit der<br />
öffentlichen Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz<br />
verengte sich die<br />
Diskussion um die schwul-lesbischen<br />
Familien spürbar. Am 1. August <strong>20</strong>01 trat<br />
das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft,<br />
dessen Rechtsfolgen allerdings bei weitem<br />
keine Gleichbehandlung darstellen.<br />
Alltagswelten – Expertenwelten <strong>Band</strong> <strong>15</strong> | www.schwules-netzwerk.de