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Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde 2002

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Bis Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre war die <strong>Gesellschaft</strong> fast ausschließlich<br />

mit öffentlichen Mitteln finanziert. Das ist ein<br />

heute gar nicht mehr vorstellbarer Befund, <strong>der</strong> Friedensburg<br />

zu verdanken war. Er hatte es verstanden, die <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Erdkunde</strong>, die 1828 von Alexan<strong>der</strong> von Humboldt,<br />

Heinrich Berghaus und Carl Ritter gegründet worden<br />

war, die im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t viele große Expeditionen<br />

und Forschungsreisen organisiert hatte und die über die<br />

Jahrzehnte eine Bibliothek von Weltgeltung aufgebaut<br />

hatte, gegenüber <strong>der</strong> Politik als einen Baustein in <strong>der</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> Natur- und Geisteswissenschaften in Berlin<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts darzustellen. Und es verstand sich fast<br />

von selbst, dass dieses Stück Identität Berlins nicht aufgegeben<br />

werden durfte, dass es erhalten bleiben musste,<br />

schon ganz und gar in einer Zeit, in <strong>der</strong> so viele an <strong>der</strong><br />

Zukunftsfähigkeit <strong>der</strong> Stadt zweifelten. Aber dann kam <strong>der</strong><br />

Umbruch. Ab Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre wurden die Haushalts-,<br />

also die Finanzierungsgespräche mit dem Senat von Jahr zu<br />

Jahr schwieriger. Innerhalb von drei Jahren wurde die<br />

Finanzierung <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> mit öffentlichen Mitteln<br />

ohne große Sentiments eingestellt, total eingestellt. Unter<br />

normalen Umständen wäre dies das Ende <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Erdkunde</strong> zu Berlin gewesen – etwas ruhmlos, wie ich<br />

meine, wenn ich bedenke, dass die Liquidierung <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

gleichzeitig auch den Untergang <strong>der</strong> berühmten<br />

Bibliothek bedeutet hätte. Es war damals <strong>für</strong> uns alle<br />

geradezu eine Schreckensperspektive, dass die Bibliothek<br />

verkauft o<strong>der</strong>, im Ergebnis vielleicht noch zufälliger, versteigert<br />

wird und daß wir auf diese Weise hätten mit<br />

ansehen müssen, wie diese große Bibliothek in alle Welt<br />

verstreut würde. Und das, lieber Herr Biewald, war nun<br />

wirklich Ihre große Stunde. Aus ihrer Sicht damals war<br />

wichtig, dass die <strong>Gesellschaft</strong> erhalten blieb, um auch<br />

weiterhin ihre Aufgabe erfüllen zu können; dass die Bibliothek<br />

nicht angetastet wurde; da<strong>für</strong> musste sie nicht unbedingt<br />

Eigentum <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> bleiben; da<strong>für</strong> sollte sie<br />

aber wenigstens eng mit dem Namen <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

verbunden bleiben; und wichtig aus Ihrer Sicht war vor<br />

allem, dass die Bibliothek in eine konservatorische Obhut<br />

übernommen wurde, die ihrem materiellen Wert und ihrem<br />

ideellen Rang voll entsprach. Das Ergebnis monatelanger<br />

<strong>Verhandlungen</strong> ist schnell erzählt. Die <strong>Gesellschaft</strong> erhielt<br />

6 Mio. DM <strong>für</strong> die Errichtung einer Stiftung, die den<br />

Fortbestand <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> gewährleisten sollte. Da<strong>für</strong><br />

übereignete sie dem Land Berlin ihre Bibliothek. Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Vereinbarung war auch, dass das Land Berlin die<br />

Bibliothek Zug um Zug <strong>der</strong> Staatsbibliothek Stiftung Preußischer<br />

Kulturbesitz als Dauerleihgabe überlässt und dass<br />

sie dort unter ihrem alten Namen geführt wird. Damit war<br />

eine höchsten Ansprüchen genügende Betreuung und Pflege<br />

<strong>der</strong> Bibliothek gewährleistet. Ein geradezu begeisterndes<br />

Ergebnis, weil es dabei nicht einen einzigen Verlierer<br />

gab. Alle konnten sich statt dessen als Gewinner fühlen,<br />

und zwar mit Recht. Dieses Ergebnis sieht auf den ersten<br />

<strong>Verhandlungen</strong> <strong>2002</strong> 21<br />

Blick sehr einfach aus. Aber um dort hinzukommen, bedurfte<br />

es gewaltiger Anstrengungen. Und hier liegt mir sehr<br />

daran, am heutigen Tag deutlich zu machen, dass dieses<br />

Ergebnis – ich würde schon sagen – fast allein Herrn<br />

Biewald zu verdanken ist, dass kein an<strong>der</strong>er dieses Ergebnis,<br />

jedenfalls in dieser Form, hätte einstellen können. Es<br />

bedurfte Ihrer Unermüdlichkeit, Ihrer Zähigkeit, Ihrer buchstäblich<br />

in Jahrzehnten gewachsenen politischen Verbindungen<br />

zu allen, die an <strong>der</strong> endgültigen Entscheidung<br />

beteiligt waren (und das waren viele, sehr viele, zu viele!),<br />

und bedurfte Ihrer Affinität zu allem, was mit dem Buch<br />

zusammenhängt, und Ihrer Kompetenz auf dem Gebiet des<br />

Bibliothekswesens. Seither ist die Finanzierung <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

nicht mehr ein jährlich wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> Alptraum,<br />

nicht mehr Jahr <strong>für</strong> Jahr eine Existenzfrage <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>.<br />

Wer kann das heute schon von sich behaupten!<br />

Zugegeben, die Mittel sind knapp bemessen, aber <strong>für</strong> die<br />

<strong>Gesellschaft</strong> alles in allem ein ausreichen<strong>der</strong> Rahmen, um<br />

ihren Aufgaben nachzugehen:<br />

– <strong>der</strong> Aufgabe, eng mit allen geowissenschaftlichen Disziplinen<br />

zusammenzuarbeiten, beson<strong>der</strong>s intensiv hier in<br />

Berlin, aber natürlich auch weit über die Grenzen Berlins<br />

und Deutschlands hinaus, ohne jede Einschränkung weltweit,<br />

wie es zum Ausdruck kommt in <strong>der</strong> von <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

im 133. Jahr herausgegebenen Zeitschrift DIE ERDE,<br />

– dann <strong>der</strong> Aufgabe, möglichst enge Kontakte zur Schulgeographie<br />

zu pflegen, um dort zu helfen, wo immer dies<br />

unter den heute gegebenen Schwierigkeiten <strong>der</strong> Schulen<br />

möglich ist. Das ist eine beson<strong>der</strong>s dringliche Aufgabe<br />

gerade in Berlin,<br />

– schließlich ganz allgemein <strong>der</strong> Aufgabe, beharrlich und<br />

eindringlich <strong>für</strong> den Bildungswert <strong>der</strong> Geographie als Fach<br />

und <strong>für</strong> die Verbreitung geographischer Kenntnisse zu<br />

werben, nicht zuletzt als wichtigem Element je<strong>der</strong> politischer<br />

Bildung. Das geschieht durch Fachvorträge, Colloquien<br />

und Symposien.<br />

Ich bewun<strong>der</strong>e immer wie<strong>der</strong>, wie Sie auf dieses Programm<br />

Einfluss nehmen, zwar mit leichter, kaum sichtbarer Hand,<br />

aber klaren eigenen Vorstellungen. Es gibt Gebiete Ihres<br />

beson<strong>der</strong>en Interesses, ich denke natürlich an „Ihre“ Korallen,<br />

aber auch an die Meeresforschung, den weltweiten<br />

Klimawandel, die Auswirkungen des Klimawandels auf<br />

Gebirge und Gletscher, die Verfügbarkeit von Wasser auf<br />

<strong>der</strong> Erde, die Megastädte und in diesen verschiedenen Zusammenhängen<br />

dann überhaupt an die Frage <strong>der</strong> Tragfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Erde – schon auf den ersten Blick Themen von<br />

atemberauben<strong>der</strong> Aktualität, die nicht erst in einer fernen<br />

Zukunft über das Schicksal <strong>der</strong> Menschheit entscheiden<br />

werden. Bei alledem sind Sie von <strong>der</strong> unbedingten Notwendigkeit<br />

einer aktiven, um nicht zu sagen, einer offensiven

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