07.12.2012 Aufrufe

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde 2002

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde 2002

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde 2002

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Prof. Jürgen Hövermann bei seinem Festvortrag<br />

zum 70. Geburtstag des Vorsitzers<br />

Dr. Dieter Biewald<br />

sein war also keineswegs ein goldener Becher <strong>der</strong><br />

Erkenntnis zu heben; und dieser Becher lag auch<br />

nicht, was den Forschungen an den Tiefsee-Bohrkernen<br />

einen eigentümlichen Charme im öffentlichen<br />

Bewusstsein verleiht, auf des Meeres tiefunterstem<br />

Grunde, son<strong>der</strong>n in jenen Bereichen des<br />

Schelfs, die infolge <strong>der</strong> glazial-eustatischen Meeresspiegel-Schwankungen<br />

eiszeitlich trockengefallen<br />

und im Zuge des Abschmelzens <strong>der</strong> Inlandeismassen<br />

wie<strong>der</strong> überflutet worden waren.<br />

Der zu gewinnende Preis – wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

auf einem Gebiet, <strong>für</strong> das kein son<strong>der</strong>liches<br />

Interesse vorhanden war – stand in keinem<br />

vernünftigen Verhältnis zu den Risiken des Scheiterns.<br />

Denn obwohl gute Atlaskarten ziemlich<br />

deutlich zeigten, dass die Ansatztiefe <strong>der</strong> Korallenriffe<br />

in den Weltmeeren durchaus unterschiedlich<br />

ist und dass eine gewisse Regelhaftigkeit in<br />

<strong>der</strong> geographischen Verteilung <strong>der</strong> Ansatztiefen<br />

vorliegen könnte, aus <strong>der</strong> Saum- und Wallriffe<br />

aufragen, so war doch die Frage offen, ob das<br />

vorhandene bzw. zugängliche Seekartenmaterial<br />

ausreichen würde, diese Ansatztiefen weltweit mit<br />

hinreichen<strong>der</strong> Genauigkeit und in hinreichen<strong>der</strong><br />

Zahl zu erfassen, um aus ihnen die eiszeitlichen<br />

Refugien und die nacheiszeitliche Ausbreitung <strong>der</strong> riffbildenden<br />

tropischen Korallen zu bestimmen. Mut war erfor<strong>der</strong>lich,<br />

um ein solches Werk zu beginnen, Zähigkeit und<br />

Ausdauer und auch Geschick in <strong>der</strong> Beschaffung des Materials,<br />

um es zum glücklichen Ende zu führen.<br />

Mehr als zehntausend Profilzeichnungen durch Saumriffe,<br />

Wallriffe und Atolle waren nötig, um einige hun<strong>der</strong>t eindeutig<br />

aussagekräftige Daten zu gewinnen. Aus dem so<br />

gewonnenen Punktschwarm <strong>der</strong> Tiefe, aus <strong>der</strong> die heutigen<br />

Riffe aufragen, ließ sich zunächst das eiszeitliche Refugium<br />

<strong>der</strong> Korallen, umschlossen durch die 100m-Isobathe,<br />

entsprechend <strong>der</strong> eiszeitlichen Meeresspiegelabsenkung,<br />

umgrenzen. Mit <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> 80m-Isobathe und <strong>der</strong><br />

60m-Isobathe wurden hermatypische Korallenriffe im Zuge<br />

<strong>der</strong> spät- und nacheiszeitlichen Erwärmung und Hebung<br />

des Meeresspiegels sichtbar. Die heutige Riffverbreitung<br />

gibt das Maß <strong>für</strong> die klimatischen Grenzwerte an, die in <strong>der</strong><br />

Gegenwart maßgeblich sind. Die riffbildenden tropischen<br />

Korallen finden regelhaft o<strong>der</strong> sogar gesetzmäßig die Grenze<br />

ihrer Lebensfähigkeit ziemlich genau an <strong>der</strong> 18°-Isotherme<br />

des kältesten Monats, die überdies einigermaßen gut<br />

<strong>Verhandlungen</strong> <strong>2002</strong> 23<br />

übereinstimmt mit <strong>der</strong> 20°-Isotherme des Jahresmittels <strong>der</strong><br />

Oberflächentemperatur des Meerwassers.<br />

Unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass sich die Existenzbedingungen<br />

<strong>der</strong> Korallen nicht grundlegend verän<strong>der</strong>t haben, lässt<br />

sich die Differenz zwischen den heutigen Temperaturen<br />

des kältesten Monats- bzw. <strong>der</strong> Jahresmitteltemperatur und<br />

<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> 100 m-Isobathe (gleich <strong>der</strong> eiszeitlichen 18°-<br />

Isotherme des kältesten Monats) bestimmen. Sie gibt die<br />

eiszeitliche Temperaturdepression im kältesten Monat und,<br />

weniger genau, auch einen Anhalt <strong>für</strong> die eiszeitliche<br />

Jahresmitteltemperatur an <strong>der</strong> Grenze des Korallenrefugiums.<br />

Damit ist erstmalig ein Messwert <strong>für</strong> das Maß <strong>der</strong><br />

eiszeitlichen Klimaän<strong>der</strong>ung in den inneren Tropen gewonnen<br />

worden, <strong>der</strong> nicht von <strong>der</strong> Annahme abhängig ist,<br />

dass die Temperaturabnahme mit <strong>der</strong> Höhe prinzipiell<br />

nicht von <strong>der</strong> heutigen verschieden war. Denn aus den sehr<br />

vereinzelten Möglichkeiten <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> eiszeitlichen<br />

Schneegrenzdepression in den Tropen ließen sich nur<br />

dann allgemeine Schlüsse ziehen, wenn man voraussetzt,<br />

dass die Tropen, an<strong>der</strong>s als die gemäßigten Zonen, undifferenziert<br />

vom Eiszeitklima betroffen waren.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!