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KWA Mitarbeiter.<br />
Titelthema.<br />
Die 1975 in Bamberg geborene<br />
Melanie Huml ist approbierte<br />
Ärztin. Ihre politische Karriere<br />
startete sie 1993 in der Jungen<br />
Union Oberfranken. Politisch<br />
aktiv war sie zunächst als Kreisvorsitzende<br />
der JU Bamberg Land, als<br />
Kreisrätin im Landkreis Bamberg<br />
und als Stadträtin in Bamberg. Seit<br />
2003 ist sie Mitglied des Bayerischen<br />
Landtags. Im Oktober<br />
2007 wurde sie als Staatssekretärin<br />
ins Kabinett berufen. Seit Oktober<br />
2013 leitet Melanie Huml als<br />
Staatsministerin das Bayerische<br />
Staatsministerium für Gesundheit<br />
und Pflege.<br />
Interview mit Staatsministerin Melanie Huml.<br />
Frau Staatsministerin, schon seit<br />
Jahren arbeiten Menschen aus aller<br />
Herren Länder hier in Deutschland in<br />
der Pflege: in Heimen, Krankenhäusern<br />
und Privathaushalten. – Läuft das<br />
zu Ihrer Zufriedenheit? Oder wo<br />
sehen Sie Handlungsbedarf?<br />
Menschen mit Migrationshintergrund<br />
sind in Bayerns Pflegeteams willkommen.<br />
Nicht nur, weil die Pflege<br />
Verstärkung braucht. Sondern auch,<br />
weil Menschen, die in mehreren<br />
Kulturen zuhause sind, sich wertvoll<br />
mit unterschiedlichen Einstellungen<br />
und Fähigkeiten einbringen können.<br />
Nicht zu vergessen: In Bayerns<br />
Alten- und Pflegeeinrichtungen leben<br />
inzwischen auch immer mehr alte<br />
Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Gerade ihnen können Pflegekräfte,<br />
die den jeweiligen Kulturkreis selber<br />
kennen und deren Muttersprache<br />
sprechen, besonders gut im Alltag<br />
helfen. Ausländische Pflegekräfte sind<br />
„Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe“<br />
aber auch gefordert, auf die Wünsche<br />
und Bedürfnisse pflegebedürftiger<br />
Menschen aus dem deutschsprachigen<br />
Kulturkreis einzugehen. Basis<br />
hierfür ist die Verständigung in<br />
deutscher Sprache. Es muss auch mit<br />
Blick auf die Anforderung einer<br />
angemessenen Qualität der Pflege zu<br />
jeder Zeit gewährleistet sein, dass<br />
eine tätigkeitsbezogene Kommunikation<br />
des Betreuungs- und Pflegepersonals<br />
mit den Pflegebedürftigen in<br />
deutscher Sprache möglich ist. Das<br />
Bayerische Pflege- und Wohnqualitätsgesetz<br />
sieht in diesem Zusammenhang<br />
vor, dass der Träger von Pflegeeinrichtungen<br />
die Förderung der<br />
interkulturellen Kompetenz der<br />
Betreuungs- und Pflegekräfte sicherzustellen<br />
hat.<br />
Welche Anstrengungen haben Sie als<br />
Bayerische Staatsministerin für<br />
Gesundheit und Pflege bis dato<br />
KWA<br />
EXKLUSIV -<br />
INTERVIEW<br />
Foto: Pressefoto<br />
unternommen, um dem Pflegekräftemangel<br />
zu begegnen? Und was ist<br />
schon erreicht?<br />
In Bayern haben wir in den vergangenen<br />
Jahren bereits viel getan, um<br />
mehr Menschen für den Pflegeberuf<br />
zu gewinnen. So hat unsere im Jahr<br />
2010 ins Leben gerufene HERZWER-<br />
KER-Kampagne eine Steigerung der<br />
Auszubildendenzahl von circa 35<br />
Prozent bewirkt. Außerdem haben<br />
wir das Schulgeld faktisch abgeschafft<br />
– und auf unsere Initiative hin hat die<br />
Landespflegesatzkommission klargestellt,<br />
dass Tarifvergütungen in den<br />
Pflegesätzen zu berücksichtigen sind.<br />
Zudem hat der bayerische Landespflegeausschuss<br />
auf meine Initiative<br />
hin im November 2014 den Startschuss<br />
zu einer Arbeitsgruppe Ausbildung<br />
gegeben. Diese setzt sich aus<br />
Einrichtungsträgern, Kostenträgern,<br />
dem DBfK und ver.di zusammen.<br />
Als Arbeitsgrundlage hatte ich bereits<br />
im Oktober 2014 einen Fünf-Punkte-<br />
Plan vorgelegt. Ziele sind:<br />
• ein Ausbau der bayerischen HERZ-<br />
WERKER-Kampagne, mit der bei<br />
Jugendlichen für den Pflegeberuf<br />
geworben wird,<br />
• eine bessere Anleitung in der<br />
praktischen Ausbildung,<br />
• eine deutliche Entbürokratisierung<br />
der Pflege-Arbeit durch weniger<br />
Dokumentationsaufwand,<br />
• ein konkretes Konzept für eine<br />
Ausbildungsumlage,<br />
• ein Projekt zum Stopp von Ausbildungsabbrüchen.<br />
Arbeitskräfte für die Altenpflege<br />
kann man unter anderem dadurch<br />
gewinnen, dass man selbst ausbildet.<br />
KWA hat sich klar für den Erhalt der<br />
Altenpflegeausbildung und gegen die<br />
geplante generalistische Pflegeausbildung<br />
positioniert: Weil zum einen<br />
zu befürchten ist, dass damit in der<br />
Ausbildung die Vermittlung von<br />
Wissen und Fertigkeiten verloren<br />
gehen, die für die Begleitung und<br />
Pflege alter Menschen wichtig sind.<br />
Und zum anderen hat möglicherweise<br />
so mancher an einer Altenpflegeausbildung<br />
Interessierte gar keine<br />
Lust, sich mit Wissen über Krankenund<br />
Kinderkrankenpflege „vollzustopfen“.<br />
Damit wären potenzielle<br />
Altenpfleger verloren. Sehen Sie das<br />
ähnlich? Oder anders?<br />
Wichtig ist: Der Pflegeberuf muss<br />
attraktiver werden, damit sich mehr<br />
junge Menschen dafür entscheiden.<br />
Zudem müssen die Berufsausübung<br />
und die beruflichen Perspektiven die<br />
Beschäftigten auf Dauer zufriedenstellen.<br />
Sonst werden sie ihrem Beruf<br />
wieder den Rücken kehren. Die<br />
veränderten Versorgungsstrukturen<br />
erfordern zudem eine übergreifende<br />
pflegerische Qualifikation. Deshalb ist<br />
die von der Bundesregierung geplante<br />
generalistische Pflegeausbildung<br />
sinnvoll. Denn sie kann einen Beitrag<br />
dazu leisten, langfristig Fachkräfte für<br />
alle Bereiche der Pflege zu gewinnen<br />
und zugleich den hohen Standard der<br />
Ausbildung zu sichern. Kritiker der<br />
neuen Regelung sollten beachten:<br />
Neben den generalistischen Ausbildungsinhalten<br />
wird es auch zukünftig<br />
eine Spezialisierung für einen Pflegebereich<br />
geben, so auch für die Pflege<br />
von Kindern und älteren Menschen.<br />
Dies wird innerhalb der dreijährigen<br />
Ausbildung durch entsprechende<br />
Vertiefungseinsätze erfolgen. Die<br />
jeweiligen Schwerpunkte der bisherigen<br />
Ausbildungen müssen sich bei<br />
der Zusammenführung der Ausbildungsinhalte<br />
selbstverständlich in<br />
dem Rahmenlehr- und Rahmenausbildungsplan<br />
wiederfinden. Noch ein<br />
Hinweis: In Bayern werden bereits<br />
seit Jahren erfolgreich Schulversuche<br />
zur generalistischen Pflegeausbildung<br />
durchgeführt. Zudem besteht auch<br />
weiterhin die Möglichkeit, im Nachgang<br />
zur Pflegeausbildung noch<br />
Spezialisierungen in Form von Fortund<br />
Weiterbildungen zu absolvieren.<br />
Was müssen Unternehmen und<br />
Einrichtungen, die Pflegekräfte<br />
brauchen, Ihres Erachtens tun, damit<br />
sie im internationalen Wettbewerb<br />
um Pflegekräfte erfolgreich sind?<br />
Die Rahmenbedingungen so zu<br />
gestalten, dass junge Menschen – unabhängig<br />
ob Mann oder Frau – arbeiten<br />
und leben können, wie sie es<br />
möchten, ist eine zentrale Aufgabe<br />
von Politik und Gesellschaft. Bund<br />
und Länder haben ein großes Interesse<br />
an einer angemessenen Ausstattung<br />
der Pflegeeinrichtungen mit<br />
ausreichendem und gutem Personal.<br />
Auf Bundesebene sind daher mit dem<br />
ersten Pflegestärkungsgesetz die<br />
Voraussetzungen für Einrichtungen<br />
geschaffen worden, den Personalschlüssel<br />
für Betreuungskräfte anzuheben.<br />
Auf Landesebene hat die<br />
Pflegesatzkommission ebenfalls eine<br />
Verbesserung der Personalschlüssel<br />
beschlossen. Seit dem Jahr 2014 kann<br />
bei neu geschlossenen Verträgen ein<br />
pflegestufenunabhängiger Zusatzschlüssel<br />
in Höhe von 1:40 abgeschlossen<br />
werden. Eine weitere<br />
Verbesserung des Zusatzschlüssels<br />
„Sonstige Dienste“ von 1:40 auf<br />
1:26,4 ist seit Beginn dieses Jahres<br />
möglich. Die Einrichtungsträger<br />
müssen nun aber auch ihre Verantwortung<br />
für das Aushandeln ausreichend<br />
hoher Personalschlüssel und<br />
die Refinanzierung angemessener<br />
Gehälter wahrnehmen. Denn mehr<br />
Personal heißt mehr Zeit für die<br />
Pflege und damit eine Entlastung für<br />
die Beschäftigten in der Pflege.<br />
Einrichtungen dürfen sich in der<br />
Praxis nicht scheuen, trotz gegebenenfalls<br />
steigender Pflegesätze auch<br />
entsprechend angemessen hohe<br />
Gehälter zu zahlen. Eine angemessene<br />
Personalausstattung und entsprechende<br />
Bezahlung gehören zu den<br />
wesentlichen Faktoren, die Einrichtungen<br />
für Arbeitnehmer attraktiv<br />
machen können. Ein weiterer Faktor<br />
für Unternehmen und Einrichtungen<br />
ist die Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf, hierzu zählen auch Beratungsund<br />
Bildungsangebote.<br />
Ihr Lebensmotto ist „Wenn viele<br />
kleine Leute an vielen kleinen Orten<br />
viele kleine Schritte tun, können sie<br />
das Gesicht der Welt verändern“.<br />
Gilt das auch für das Gesicht der<br />
Pflege? Und welche Schritte<br />
müssten viele kleine Leute tun?<br />
Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe. Uns sollte bewusst sein,<br />
dass jeder Einzelne für das Alter<br />
vorsorgen muss. Klar ist dabei, dass<br />
dies für den Einzelnen auch finanzielle<br />
Einschnitte bedeuten kann.<br />
Denn: Gute Pflege – so wie wir sie<br />
uns alle wünschen – kostet eben<br />
auch Geld. Die Pflegeversicherung<br />
bietet dabei eine wichtige Entlastung,<br />
ist aber keine Vollfinanzierung.<br />
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen<br />
müssen daher ihre Interessen<br />
frühzeitig selbst in den Blick nehmen.<br />
Sieglinde Hankele<br />
12 <strong>alternovum</strong> | 1/2016<br />
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