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Menschen.<br />
KWA Stift Rupertihof<br />
Sandra Buisson:<br />
Doch nach nur sechs Wochen kommt<br />
ein Angebot über eine mehrwöchige<br />
Modeschau-Tournee durch ganz<br />
Deutschland, begleitet von einer<br />
Band mit einem jungen blonden<br />
Mann, später „Heino“ genannt.<br />
Die berufliche Laufbahn im Verlag ist<br />
damit beendet, die Karriere als<br />
Mannequin beginnt und soll sieben<br />
intensive Jahre dauern. Dazu gehören<br />
neben vielen Tourneen und Einzelschauen<br />
die großen Modemessen in<br />
Berlin, Düsseldorf und München<br />
sowie Fototermine. Sandra Buisson<br />
präsentiert unter anderem Kleidung<br />
von Heinz Oestergaard, dem einflussreichsten<br />
deutschen Modedesigner<br />
der Nachkriegszeit. „Der Laufsteg war<br />
meine Leidenschaft“, sagt sie im<br />
Rückblick.<br />
KWA Caroline Oetker Stift<br />
Alice Hüsing:<br />
„Miss Bielefeld“<br />
Tänzerin und Fotomodell<br />
Mannequin aus Leidenschaft<br />
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass ein kleines Mädchen weiß, was<br />
es einmal werden möchte? Wohl<br />
eher gering. Bei Sandra Buisson war<br />
das anders, sie kannte bereits als<br />
siebenjährige ihren Berufswunsch und<br />
das kam so:<br />
Nach den düsteren Zeiten des Krieges<br />
ist der Besuch einer Modeschau für<br />
die Mutter der kleinen Sandra und<br />
viele andere Frauen eine erfreuliche<br />
Abwechslung. Bei einem dieser<br />
Besuche darf das Mädchen die<br />
Mutter begleiten. Das geschieht<br />
zunächst mit wenig Begeisterung.<br />
Doch kaum hat die Show begonnen,<br />
ist Sandra fasziniert von der Schönheit<br />
der Mannequins auf dem Laufsteg<br />
und besonders von ihrer Art sich<br />
zu bewegen. Für das Mädchen steht<br />
ab sofort fest: „Ich werde Mannequin.“<br />
Die Eltern halten dies für eine<br />
Flause ihrer Tochter. Weit gefehlt, das<br />
Mädchen besucht nun so oft wie<br />
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<strong>alternovum</strong> | 1/2016<br />
möglich heimlich Modeschauen. Die<br />
Eltern teilen den Berufswunsch ihrer<br />
Tochter ganz und gar nicht. Sandra<br />
solle etwas mit Zukunftsperspektive<br />
lernen. So absolviert Sandra Buisson<br />
zunächst eine kaufmännische Lehre.<br />
Kaum ist diese mit Erfolg beendet,<br />
bewirbt sich Sandra beim bekannten<br />
Studio Boloni in Düsseldorf. Der Chef<br />
sucht seine Schülerinnen persönlich<br />
aus, nimmt Sandra. Die Ausbildung<br />
zum Model ist umfangreich und<br />
streng, Bewegungsabläufe und<br />
Haltung müssen sitzen, das Lächeln<br />
darf niemals fehlen. „Ganz besonders<br />
wichtig waren Disziplin, Ausstrahlung<br />
und Eleganz des Models.“ Kleidergröße<br />
38 war für den Beruf damals kein<br />
Hindernis, die Damen durften fraulich<br />
wirken.<br />
Nach Abschluss der Ausbildung will<br />
Sandra Buisson ihren Lebensunterhalt<br />
sichern und nimmt eine Stelle in<br />
einem Verlag an. „Dort waren wir ein<br />
tolles Team“, sagt Sandra Buisson.<br />
Mit 25 Jahren heiratet Sandra Buisson<br />
den Besitzer eines Werbeunternehmens.<br />
Um ihren Mann in allen<br />
Belangen zu unterstützen, gibt sie<br />
ihren Traumberuf auf. Die kaufmännische<br />
Lehre erweist sich nun als<br />
segensreich. Fast 30 Jahre betreibt das<br />
Ehepaar sehr erfolgreich das Unternehmen.<br />
Als nach langer Krankheit<br />
der Ehemann verstirbt, muss sie sich<br />
neu orientieren. Freunde raten ihr:<br />
„Geh doch wieder auf den Laufsteg.“<br />
So beginnt die zweite Karriere von<br />
Sandra Buisson, nun als Lady-Model.<br />
Es hat sich viel verändert, die Branche<br />
ist härter geworden. Freude machte<br />
ihr das Modeln jedoch nach wie vor,<br />
bis zum letzten Auftritt. Und sie sagt:<br />
„Ich hätte mir kein schöneres Berufsleben<br />
wünschen können, auch als<br />
Geschäftsfrau.“ Heute lebt die elegante<br />
75-Jährige im Rupertihof, und<br />
dies sehr gerne, wie sie betont. Sie<br />
genieße das Leben und den Kontakt<br />
zu interessanten Menschen.<br />
Lisa Brandl-Thür<br />
Ein Online-Bilderalbum zu<br />
Sandra Buisson finden Sie<br />
auf www.<strong>alternovum</strong>.de.<br />
„Ich bin selbst verwundert, was ich<br />
alles gemacht habe“, sagt Alice<br />
Kuhnert-Hüsing – die einstige Tänzerin,<br />
die nebenbei auch als Fotomodell<br />
gearbeitet hat und im Jahr 1956 zur<br />
Miss Bielefeld gekürt wurde. Heute ist<br />
sie 87, wohnt im Caroline Oetker Stift<br />
in Bielefeld.<br />
Der Wunsch, Tänzerin zu werden,<br />
war früh da. Dem Vater, einem<br />
Maschinenbauingenieur, gefiel das gar<br />
nicht. Alice sollte doch Ärztin werden<br />
und vielleicht sogar als Chirurgin in<br />
die Fußstapfen des Großvaters treten.<br />
Doch Alice hatte die Unterstützung<br />
der Mutter, bekam schon als Kind<br />
Ballettunterricht. Nach dem erfolgreich<br />
absolvierten Abitur und bestandener<br />
Aufnahmeprüfung, wo ihr<br />
Tanztalent und Musikalität bescheinigt<br />
wurden, durfte sie sich zur Tänzerin<br />
ausbilden lassen. Und als sie später an<br />
Staatstheatern in wichtigen Rollen<br />
brillierte – in Kassel, in Mainz, und in<br />
Wiesbaden – zeigte der Vater unverhohlen<br />
seinen Stolz. Dass Alice<br />
nebenbei als Fotomodell gearbeitet<br />
hat, ging nicht von ihr aus. Der<br />
damals sehr bekannte Moderator<br />
Hans Maegerlein hat sie dazu ermuntert.<br />
Beim ersten Auftritt auf einem<br />
Laufsteg präsentierte sie eine Winterkollektion,<br />
in ihrem Geburtsort Hagen<br />
in Westfalen – danach auch in Wiesbaden<br />
und Kassel. Gerne erinnert sie<br />
sich auch an Engagements als Fotomodell<br />
für das Modemagazin Burda<br />
und für Dr. Oetker. Doch sie betont:<br />
„Ich war kein Superstar-Model. Ich<br />
war auch nicht der Typ, der ganz nach<br />
oben wollte.“<br />
Auch die Teilnahme am Wettbewerb<br />
um den Titel der „Miss Bielefeld“ war<br />
nicht ihre eigene Idee. Kollegen vom<br />
Stadttheater haben sie überredet. Und<br />
so war sie eine von 1.200 jungen<br />
Frauen, die sich bewarben. 32 wurden<br />
vorausgewählt, 16 kamen in die<br />
Endrunde. Kultur- und Geschichtsfragen<br />
zu beantworten, fiel ihr leicht:<br />
Das entsprach ihren Interessen. Ihre<br />
Konkurrentinnen waren Anfang 20,<br />
sie selbst 27, deshalb rechnete sie sich<br />
keine Chancen aus. Doch die Jury<br />
entschied sich für Alice – eine blendende<br />
Erscheinung. Als Tänzerin hat<br />
sie 22 Jahre lang gearbeitet, mit großer<br />
Leidenschaft – auch wenn bisweilen<br />
die Zehen bluteten. Auf die Figur<br />
musste sie achten, obwohl Alice auch<br />
nach heutigen Maßstäben bei einer<br />
Körpergröße von 1,72 mit 60 Kilogramm<br />
nicht übergewichtig war.<br />
Die heutigen Magermodels bedauert<br />
sie sehr.<br />
Mit 40 beendete sie die Tanzkarriere,<br />
unterstützte den Ehemann, der<br />
freiberuflich als Grafikdesigner arbeitete,<br />
im Studio. Das notwendige<br />
Wissen hat sie sich angelesen. Das<br />
Credo ihrer Großmutter „Sag nie, das<br />
kann ich nicht“ war längst ihr eigenes.<br />
Eigenes Geld verdiente sie fortan als<br />
kaufmännische Assistentin in einem<br />
Juweliergeschäft. „Ich hatte keine<br />
Ahnung von Juwelen, habe sehr viel<br />
dafür tun müssen, um da hineinzuwachsen“,<br />
sagt sie. – Sie hat nächtelang<br />
Fachliteratur aufgesogen. Und<br />
das hat sich für ihren Chef rasch<br />
ausgezahlt: Es gab Kunden, die<br />
wollten sich ausschließlich von ihr<br />
beraten lassen – und haben dann<br />
Exquisites gekauft. So durfte sie den<br />
Juwelier auch zu Messen nach München<br />
und Mailand begleiten. Das hat<br />
ihr gefallen, so wie ihr ganzes Leben.<br />
Sieglinde Hankele<br />
Ein Online-Bilderalbum<br />
zu Alice Kuhnert-Hüsing<br />
finden Sie auf<br />
www.<strong>alternovum</strong>.de.<br />
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