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Gesundheit.<br />

Novum.<br />

Wenn sich plötzlich alles dreht<br />

Interview mit Dr. Christoph Garner, dem Chefarzt der<br />

KWA Klinik Stift Rottal.<br />

Herr Dr. Garner, wenn sich plötzlich<br />

alles dreht. Woran kann das liegen?<br />

Dann haben Sie einen Drehschwindel.<br />

Grundsätzlich unterscheidet man<br />

den Drehschwindel von einem<br />

Schwankschwindel. Während der<br />

Schwankschwindel viele Ursachen<br />

haben kann, kommt der Drehschwindel<br />

entweder vom Gleichgewichtsorgan<br />

im Innenohr oder von einer<br />

Schädigung im Hirnstamm oder im<br />

Kleinhirn.<br />

Was sind denn die häufigsten<br />

Ursachen für einen Drehschwindel?<br />

Am häufigsten handelt es sich nach<br />

meiner Erfahrung um einen sogenannten<br />

„benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel“.<br />

Wie der Name<br />

schon sagt, tritt diese Schwindelform<br />

dann auf, wenn man den Kopf bewegt.<br />

Zum Beispiel wenn man sich im<br />

Bett umdreht, wenn man sich bückt<br />

oder schnell nach oben oder seitwärts<br />

schaut. Dieser Schwindel klingt nach<br />

einigen Sekunden, längstens nach<br />

einer Minute von selbst wieder ab.<br />

Was kann man tun, um diesen<br />

Schwindel wieder loszuwerden?<br />

Der Arzt prüft zunächst, ob sich bei<br />

schneller Seitwärtslagerung aus dem<br />

Sitzen ein Drehschwindel auslösen<br />

lässt. Wenn dies der Fall ist, wird er<br />

mit ähnlichen Lagerungsmanövern<br />

versuchen, die im Bogengang fälschlicherweise<br />

schwimmenden Kristalle in<br />

einen Abflusskanal am Boden des<br />

Bogengangs zu spülen. Häufig gelingt<br />

dies schon in der ersten Sitzung, vor<br />

allem wenn der Drehschwindel noch<br />

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nicht lange besteht. Falls nicht, müssen<br />

diese Lagerungsübungen entweder<br />

durch den Patienten selbst oder<br />

durch Krankengymnasten oder Ärzte<br />

mehrmals durchgeführt werden.<br />

Welche anderen Ursachen für einen<br />

Drehschwindel gibt es noch? Wenn<br />

der Drehschwindel einige Stunden, in<br />

seltenen Fällen bis zu einigen Tagen<br />

anhält und typischerweise zusammen<br />

mit einem Tinnitus (Ohrgeräusch),<br />

Ohrdruck und einer Schwerhörigkeit<br />

auftritt, handelt es sich wahrscheinlich<br />

um einen Morbus Menière – einen<br />

Überdruck in den Bogengängen<br />

des Innenohrs. Vor allem bei älteren<br />

Patienten kann Flüssigkeitsmangel die<br />

Ursache sein, meist weiß man aber<br />

nicht, wie es dazu kommt.<br />

Und wenn der Drehschwindel<br />

mehrere Tage anhält? In diesen Fällen<br />

handelt es sich meist um eine Entzündung<br />

des Gleichgewichtsnervs „Neuritis<br />

vestibularis“, die zu einem starken,<br />

tage-, manchmal wochenlang andauernden<br />

Drehschwindel führt. Typischerweise<br />

besteht in diesen Fällen<br />

eine ausgeprägte Fallneigung nach<br />

einer Seite, sodass diese Patienten zu<br />

Beginn der Erkrankung nicht mehr<br />

ohne Hilfestellung gehen können.<br />

Außerdem kommt es zu einem<br />

typischen „Zucken“ der Augen.<br />

Welche Therapien gibt es für den<br />

Morbus Menière und die Neuritis<br />

Vestibularis? Der Schwindel bei<br />

beiden Erkrankungen klingt von<br />

alleine wieder ab. In der Akutphase<br />

können symptomatisch sogenannte<br />

Dr. Christoph Garner,<br />

Chefarzt der KWA Klinik Stift Rottal<br />

Antiemetika wie Vomex ® gegeben<br />

werden, um vor allem die begleitende<br />

Übelkeit und den Brechreiz zu<br />

lindern.<br />

Foto: Anton Krämer<br />

Sie hatten eingangs noch Schädigungen<br />

im Hirnstamm und Kleinhirn<br />

als Ursache für einen akuten Drehschwindel<br />

angeführt. Vor allem bei<br />

älteren Menschen können auch<br />

Durchblutungsstörungen im Hirnstamm<br />

oder Kleinhirn Drehschwindelattacken<br />

auslösen. Diese können<br />

dabei wenige Minuten bis mehrere<br />

Stunden andauern. Typisch für diese<br />

Art von Drehschwindel sind der<br />

plötzliche Beginn und das gleichzeitige<br />

Auftreten anderer neurologischer<br />

Symptome, wie zum Beispiel einer<br />

Gesichtslähmung, Sprachstörung<br />

oder Heiserkeit. Bei einem neu<br />

aufgetretenen Drehschwindel sollte<br />

deshalb im Zweifel immer zügig<br />

ärztlicher Rat eingeholt werden.<br />

Sieglinde Hankele<br />

KWA Albstift Aalen<br />

Heimarztmodell:<br />

für eine bessere ärztliche Versorgung<br />

Der demografische Wandel bewirkt<br />

einen Anstieg des Anteils älterer<br />

und hochbetagter Menschen an der<br />

Gesamtbevölkerung. Das lässt die<br />

Thematik Pflege und medizinische<br />

Versorgung an Bedeutung gewinnen.<br />

Auf der Basis seriöser Berechnungen<br />

ist davon auszugehen, dass die Zahl<br />

der Pflegebedürftigen in Deutschland<br />

bis 2030 drastisch zunehmen<br />

wird. Dies hat zur Folge, dass immer<br />

mehr Menschen mit einem erhöhten<br />

Hilfebedarf in die Einrichtungen kommen<br />

werden. Im Ostalbkreis kommt<br />

erschwerend hinzu, dass hier in den<br />

nächsten zehn Jahren 50 Prozent<br />

der Hausärzte in Rente gehen. Mit<br />

diesen Tatsachen konfrontiert, haben<br />

wir mit engagierten Hausärzten<br />

mögliche Kooperationen besprochen.<br />

Ein erstes Treffen fand im Juli 2012<br />

statt. Wir konnten dazu Vertreter der<br />

Ärzteschaft, von Krankenkassen, der<br />

Kassenärztlichen Vereinigung und der<br />

Hochschule Aalen begrüßen sowie<br />

Prof. Dr. Thomas Klie als Berater in<br />

Vertragsfragen.<br />

Die von Birgit Heyden, einer wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiterin der Hochschule<br />

Aalen, ausgearbeitete Präsentation<br />

zeigte ein eindeutiges Bild. Bei<br />

allen untersuchten Heimarztmodellen<br />

ging die Zahl der Krankenhauseinweisungen<br />

um 30 bis 50 Prozent zurück.<br />

Als weitere Handlungsfelder wurden<br />

benannt: eine Verbesserung der Kommunikation,<br />

eine bessere Versorgung<br />

multimorbider Menschen, Einsparungen<br />

im Medikamentenbereich, und<br />

eine Verbesserung der Lebensqualität<br />

und Zufriedenheit der Bewohner.<br />

Um eigene Ergebnisse präsentieren zu<br />

können, hatten wir diese gemeinsam<br />

mit der Hochschule Aalen erarbeitet,<br />

unter der Leitung von Prof. Dr. Adelheid<br />

Esslinger. Im ersten Schritt waren<br />

mittels Auswertung der Arztbriefe<br />

91 Krankenhauseinweisungen aus den<br />

Jahren 2010–2012 analysiert und einer<br />

ökonomischen Bewertung unterzogen<br />

worden. Im Rahmen eines Workshops<br />

mit Ärzten, einem Wissenschaftlerteam<br />

und der Pflegedienstleitung des<br />

Albstifts hatten wir die Ergebnisse<br />

mit Blick auf potenziell vermeidbare<br />

Einweisungen erörtert. Die Auswertung<br />

der Einweisungs- und Entlass-<br />

Diagnosen hat ein einheitliches Bild<br />

ergeben. Etwa 37 Prozent der Einweisungen<br />

wären vermeidbar gewesen,<br />

wenn eine kontinuierliche ärztliche<br />

Versorgung hätte sichergestellt werden<br />

können. Im Durchschnitt hatte jeder<br />

Pflegebewohner im Untersuchungszeitraum<br />

6,8 Diagnosen. Die Anzahl<br />

verordneter Medikamente lag bei<br />

7,9 Medikamenten pro Person. Dies<br />

lässt auf eine Polypharmazieproblematik<br />

schließen. Das nach der Auswertung<br />

errechnete Einsparpotenzial<br />

lag bei circa 93.000 Euro pro Jahr.<br />

Mit diesen Ergebnissen führten wir<br />

weitere Workshops mit den zuvor<br />

genannten Akteuren durch. Überraschend<br />

war die Erkenntnis, dass die<br />

Krankenkassen trotz des hohen Einsparpotenzials<br />

keinen Vertrag mit<br />

den Ärzten und dem Haus abschlossen.<br />

Doch mit dem KWA Forum<br />

zur „Heimärztlichen Versorgung“ in<br />

Stuttgart am 3. Februar wurde die<br />

Diskussion neu angestoßen. Eine Lösung<br />

auf Basis von § 119b des SGB V<br />

ist denkbar. Dort heißt es: „Stationäre<br />

Pflegeeinrichtungen sollen einzeln<br />

oder gemeinsam bei entsprechendem<br />

Bedarf unbeschadet des § 75 Abs. 1<br />

Kooperationsverträge mit dafür geeigneten<br />

vertragsärztlichen Leistungserbringern<br />

schließen.“<br />

Manfred Zwick<br />

Den Bericht zum KWA<br />

Forum „Heimärztliche<br />

Versorgung“ finden Sie auf<br />

www.kwa.de.<br />

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