alternovum.
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Begleitung und Pflege.<br />
„Klangzeit“ mit<br />
Rasseln und Trommeln<br />
KWA Georg-Brauchle-Haus<br />
Ein musikalisches Angebot mit therapeutischem Ansatz.<br />
„Gemeinsames Musizieren ist leicht,<br />
tut gut, entspannt und macht Freude“,<br />
so die einhellige Meinung der<br />
Bewohnerinnen und Bewohner in der<br />
ambulanten und stationären Tagesbetreuung<br />
des KWA Georg-Brauchle-<br />
Hauses. Viele kommen regelmäßig<br />
zur „Klangzeit“ – einem Angebot<br />
unter meiner Leitung. Ich arbeite seit<br />
Jahren als Klang- und Rhythmustrainer.<br />
Bei der Klangzeit kann jeder – ohne<br />
musikalische Vorkenntnisse und<br />
vorheriges Üben – gleich aktiv in<br />
der Gruppe mitspielen, auch wenn<br />
körperliche oder kognitive Einschränkungen<br />
bestehen. Die Instrumente,<br />
mit denen dies möglich ist, sind<br />
Klangschalen und Xylophone sowie<br />
Klangröhren, Schellenringe, Triangeln,<br />
Rasseln und Trommeln. Die bunten<br />
Klangröhren in verschiedenen Rhythmen<br />
aneinanderzuschlagen, macht<br />
richtig Spaß. Gelegentlich haben neue<br />
Teilnehmer anfangs eine gewisse<br />
Scheu, die jedoch schnell abgelegt ist.<br />
Wenn sie ein Instrument in die Hand<br />
nehmen und erleben, wie einfach es<br />
ist, wohltuende Klänge und Rhythmen<br />
zu erzeugen, ist die Begeisterung<br />
groß. Einfach nur dabei sein und<br />
zuhören geht natürlich auch.<br />
Die genannten Instrumente sind hervorragende<br />
Medien, um Menschen<br />
mit demenziellen Veränderungen in<br />
der Gruppe mit gezielter Unterstützung<br />
zu aktivieren, denn sie stellen<br />
nur wenige Anforderungen an kognitive<br />
und motorische Fähigkeiten.<br />
So sind Menschen trotz kognitiver<br />
Einschränkungen durchaus in der<br />
Lage, sich rhythmisch lustvoll auszudrücken,<br />
da das Taktgefühl durch<br />
die Krankheit nicht beeinträchtigt ist.<br />
Dabei zeigen sich oftmals ein erstaunliches<br />
Improvisationsvermögen und<br />
längst verloren geglaubte Potenziale.<br />
Gerade für Menschen mit Beeinträchtigungen<br />
im alltäglichen Leben ist es<br />
von besonderer Bedeutung, sich beim<br />
Musizieren als wichtiger Teil in einer<br />
Gruppe zu erleben.<br />
Neben den Klangzeiten findet<br />
mindestens einmal im Monat für die<br />
Bewohnerinnen und Bewohner des<br />
Wohnstifts ein beschwingter Klangabend<br />
mit einer Vielzahl exotischer<br />
Instrumente statt. Darüber hinaus<br />
werden mit der „Klangzeit für Einzelpersonen“<br />
– beispielsweise für<br />
Schlaganfallpatienten – seit über zwei<br />
Jahren gute Erfahrungen gemacht.<br />
Bei diesem Angebot gehe ich gezielt<br />
auf die individuellen mentalen und<br />
motorischen Bedürfnisse ein, um<br />
Entspannung, Kreativität und Lebensfreude<br />
zu generieren beziehungsweise<br />
möglichst lange zu erhalten. Wegzudenken<br />
ist die Klangzeit aus dem<br />
Georg-Brauchle-Haus inzwischen<br />
nicht mehr. Die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer fragen vielmehr nach<br />
jeder Therapiestunde: „Wann machen<br />
wir wieder Musik?“<br />
Sogar in der Palliativversorgung findet<br />
das meditative Spiel mit Klangschalen<br />
und Windspielen inzwischen einen<br />
geeigneten Platz in der Begleitung<br />
Sterbender. Es ist hilfreich auf dem<br />
Weg des Loslassens und für ein<br />
sanftes Abschiednehmen von Angehörigen<br />
und pflegenden Personen.<br />
Peter Springer<br />
Fotos: KWA<br />
28 <strong>alternovum</strong> | 1/2016 29<br />
Foto: Foto: Ursula Anton Sohmen<br />
Krämer<br />
KWA Luise-Kiesselbach-Haus<br />
Spuren des Lebens<br />
Warum Biografiearbeit so wichtig ist.<br />
In Erinnerungen schwelgen bedeutet,<br />
an die schönen Erlebnisse und<br />
glücklichen Momente des Lebens<br />
zurückzudenken. Belastende und unerwünschte<br />
Lebenserfahrungen legen<br />
wir hingegen lieber in einem Ordner<br />
ab, den wir ganz hinten im Regal<br />
verstauen. Die individuelle Prägung<br />
des Menschen jedoch ergibt sich aus<br />
der Summe des Erlebten. Positive und<br />
negative Erfahrungen, äußere Umstände<br />
und Entscheidungen, die unser<br />
Schicksal beeinflussen, bilden die<br />
Mosaiksteine unseres Lebens.<br />
Dies wird insbesondere bei Demenz<br />
deutlich. Die Orientierung in der<br />
Gegenwart bricht nach und nach weg.<br />
Routine und Strukturen des Alltags<br />
verlieren an Bedeutung. Die Realität<br />
des Betroffenen findet in einer für<br />
Außenstehende schwer zugänglichen<br />
Lebenswelt statt.<br />
Ereignisse und Personen aus Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft<br />
fließen ineinander und ein sich<br />
dadurch zwangsläufig veränderndes<br />
Kommunikationsverhalten stößt häufig<br />
auf Unverständnis. Gut gemeinte<br />
Belehrungen und Richtigstellungen<br />
führen mitunter zu vermehrter Verunsicherung<br />
und Desorientierung bei<br />
den Betroffenen und fordern nicht<br />
selten deren Widerstand heraus. Ein<br />
„Stöbern” in Erinnerungen kann für<br />
alle Beteiligten von großem Nutzen<br />
sein. In Gesprächen und Erzählungen<br />
in die Vergangenheit einzutauchen<br />
hilft, besser zu verstehen.<br />
Auch unliebsame Erinnerungen drängen<br />
sich nun häufig ungefiltert und mit<br />
aller Macht wieder ins Bewusstsein<br />
und werden in die Gegenwart verortet.<br />
Geäußerte Ängste und Bedrohungsszenarien<br />
sind somit ernst zu<br />
nehmen. Den Alltag wieder positiv zu<br />
erleben und mit Sinn zu erfüllen, kann<br />
mit Hilfe von Biografiearbeit gelingen.<br />
Biografisches Wissen sorgt dafür, dass<br />
Pflege persönlich werden kann. Nicht<br />
nur Krankheiten und Beeinträchtigungen<br />
werden gepflegt, sondern ein<br />
Mensch.<br />
Durch die Kenntnis vieler biografischer<br />
Mosaiksteinchen kann eine<br />
Lebenswirklichkeit geschaffen werden,<br />
in der sich der Betroffene verstanden<br />
und respektiert fühlt. Ein wertschätzendes<br />
Miteinander schafft eine vertrauensvolle<br />
Atmosphäre, in der Angst<br />
und Beklemmungen möglicherweise<br />
gar nicht erst entstehen.<br />
Ein wesentlicher biografischer Aspekt<br />
ist unser Gefühlsgedächtnis. Düfte,<br />
Musik, Haptik und körperliche Nähe<br />
haben uns unser ganzes Leben begleitet<br />
und können die unterschiedlichsten<br />
Erinnerungen in uns wachrufen.<br />
Wie angenehm roch es, wenn Mutter<br />
einen Kuchen gebacken hat. Ich fühlte<br />
mich geborgen, wenn Vater mich an<br />
der Hand nahm. Der Köter des Nachbarn<br />
war bösartig, deshalb fürchte ich<br />
mich vor Hunden. Alte Schlager und<br />
Kinderlieder kann ich mitsingen.<br />
Je mehr biografische Informationen<br />
Mitarbeitern in der Pflege zur Verfügung<br />
stehen, je sensibler dieses<br />
Wissen eingesetzt wird, desto leichter<br />
kann die Isolation, in der sich der<br />
demenzkranke Bewohner befindet,<br />
aufgebrochen werden. Bei Frau Müller<br />
bringt ein gemeinsam gesprochenes<br />
Abendgebet ruhigen Schlaf. Herrn<br />
Maier nimmt ein kleines Nachtlicht<br />
die Ängste. Jedoch auch Ablehnung,<br />
verbal geäußert oder durch abweisende<br />
Gestik zum Ausdruck gebracht,<br />
gilt es zu achten. Bitte nicht so viel<br />
Wasser über mein Gesicht, ich habe<br />
doch nie Schwimmen gelernt!<br />
Ursula Sohmen