05.04.2016 Aufrufe

NanoPhotometer NP80

LJ_16_04

LJ_16_04

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Special: Synthetische Biologie & Biotechnologie<br />

puts zu kämpfen, mussten beispielsweise<br />

Änderungen an einem der Promotoren vornehmen.<br />

Denn auch wenn jeder einzelne<br />

Baustein für sich genommen vorhersagbar<br />

agiert, kann die Kombination mit anderen<br />

Elementen Probleme bereiten.<br />

„Das Aufskalieren des Systems ist die<br />

Herausforderung“, stellt Benenson fest und<br />

verweist noch auf einen weiteren Aspekt:<br />

„In einem elektronischen Schaltkreis kann<br />

man tausend gleiche Transistoren haben, in<br />

der Zelle muss aber jede Komponente einzigartig<br />

sein.“ Das leuchtet ein, schließlich<br />

schwimmt jeder Transkriptionsfaktor und<br />

jedes RNA-Molekül in derselben Zelle; man<br />

kann nicht einfach einzelne Komponenten<br />

mit Kabeln isolieren. Es kann also zu unvorhersehbaren<br />

Wechselwirkungen kommen,<br />

denn schließlich nutzt ja auch die Zelle ihre<br />

eigenen, ganz natürlichen Schaltkreise. Daher<br />

ist es sinnvoll, sich als „Synthetik-Biologe“<br />

die Bausteine für Gen-Schaltkreise bei<br />

möglichst weit entfernten Arten zu leihen.<br />

Wer Säugerzellen umprogrammieren will,<br />

sollte sich besser bei Bakterien bedienen als<br />

bei anderen Wirbeltieren. Denn die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass ein prokaryotischer<br />

Promotor von einem eukaryotischen Protein<br />

besetzt wird, ist gering. „Wenn Sie aber<br />

jetzt zwanzig bakterielle Komponenten<br />

nehmen“, wirft Benenson ein, „dann können<br />

die natürlich auch wieder untereinander<br />

wechselwirken.“<br />

Noch wäre es also ziemlich riskant,<br />

einfach auf dem Papier einen genetischen<br />

Schaltkreis zu entwerfen und diesen dann<br />

therapeutisch an menschlichen Patienten<br />

einzusetzen. Obwohl gerade darin der besondere<br />

Reiz besteht, wenn man an personalisierte<br />

Medizin denkt: den speziellen<br />

Tumor des Patienten charakterisieren und<br />

dazu ein individuelles Gentherapeutikum<br />

designen. Trotzdem glaubt Benenson an<br />

das therapeutische Potential des Ansatzes<br />

und macht weiter – und zwar nicht nur in<br />

Zellkulturen. „In unserer Gruppe arbeiten<br />

wir schon seit einer Weile an einem präklinischen<br />

Tiermodell“, verrät er. „Wir haben<br />

durchaus ein paar Ideen, wie man dieses<br />

Konzept auf lebende Organismen übertragen<br />

kann.“ Auf Details will er zum jetzigen<br />

Zeitpunkt aber noch nicht eingehen.<br />

Grenzen errechnen<br />

Auch in Deutschland programmiert<br />

man an Genomen, so etwa an der Uni Freiburg<br />

in der Arbeitsgruppe von Wilfried Weber.<br />

Dort arbeitet die Biochemikerin Katja<br />

Kolar gerade an ihrer Promotion. Studiert<br />

hat die gebürtige Slowenin in Ljubljana und<br />

Kalifornien und hatte bereits mehrfach an<br />

der International Genetically Engineered<br />

36<br />

Machine Competition (iGEM) teilgenommen.<br />

Beispielsweise 2009 im Team der<br />

UCSF, das menschliche HL-60-Zelllinien<br />

so umgebaut hatte, dass sie chemotaktisch<br />

bestimmten Liganden-Gradienten folgen<br />

konnten (http://2009.igem.org/Team-<br />

:UCSF). Ein weiterer Baustein, den man<br />

irgendwann verwenden könnte, um das<br />

Science Fiction-Szenario aus der Einleitung<br />

Realität werden zu lassen!<br />

Kolar bastelt aber nicht nur an einzelnen<br />

Zellen. Vielmehr programmiert<br />

sie ganze Zellgruppen und stattet sie mit<br />

unterschiedlichen Schaltkreisen aus. In<br />

Foto: privat<br />

Rüstet ganze Zellgruppen mit unterschiedlichen<br />

Schaltkreisen aus: Katja Kolar<br />

einem Paper aus dem letzten Jahr stellt<br />

sie als Erstautorin zusammen mit Kollegen<br />

vor, wie zwei Zellpopulationen ihre Grenzen<br />

berechnen (BMC Syst Biol. 9: 97). Das<br />

Team hatte eine Population von HEK-Zellen<br />

so verändert, dass diese Tryptophan<br />

synthetisieren und nach außen abgeben.<br />

Dieselben Zellen exprimieren außerdem<br />

den Interleukinrezeptor IL4R. Bindet von<br />

außen Interleukin 4 an diesen Rezeptor,<br />

produzieren die Zellen YFP und damit ein<br />

gelbes Fluoreszenz-Signal.<br />

Andere HEK-Zellen hatten Kolar und<br />

Kollegen so programmiert, dass sie auf<br />

Tryptophan mit der Synthese von Interleukin<br />

4 reagieren und dieses nach außen<br />

abgeben. Für sich alleine wird diese Zellpopulation<br />

ganz normal wachsen, ohne<br />

Interleukin zu produzieren. Auch die andere<br />

Zellpopulation wird isoliert kein besonderes<br />

Verhalten zeigen. Sie gibt zwar permanent<br />

Tryptophan an die Umgebung ab,<br />

doch es passiert nichts Aufregendes. Das<br />

ändert sich jedoch, wenn man beide Populationen<br />

im selben Petrischälchen wachsen<br />

lässt. Die einen Zellen könnte man links<br />

platzieren, die anderen rechts. Während<br />

sich die Zellen teilen, vergrößern sich beide<br />

Populationen und wachsen aufeinander zu.<br />

Kommen sie sich nahe genug, dann wird<br />

die zweite Population das Tryptophan-Signal<br />

der ersten Population registrieren und<br />

Interleukin 4 abgeben. Sind jetzt Zellen der<br />

ersten Population in der Nähe, registrieren<br />

die wiederum das Interleukin, produzieren<br />

YFP und leuchten.<br />

Fantastische Möglichkeiten<br />

Durch ihre Interaktion errechnen beide<br />

Zellgruppen ihre Populationsgrenze und<br />

markieren sie mit einem Fluoreszenz-Signal.<br />

Nun hätte man die Grenze auch einfacher<br />

sichtbar machen können – etwa,<br />

indem man die eine Population GFP und<br />

die andere YFP produzieren lässt: Dort, wo<br />

gelbe und grüne Fluoreszenz aufeinanderstoßen,<br />

berühren sich die Zellgruppen. „Es<br />

war aber nicht unsere Absicht, einfach bloß<br />

Zellen in einem Petrischälchen zu färben“,<br />

erläutert Kolar. „Die Idee war vielmehr zu<br />

erforschen, wie man gezielt Zellpopulationen<br />

umbauen kann, damit sie miteinander<br />

kommunizieren.“ Das könne die Grundlage<br />

für komplexere Tissue Engineering-Anwendungen<br />

bilden. Zum Beispiel Tools für die<br />

Erforschung von Krebs. „Da versagt ja die<br />

Aufrechterhaltung solcher Grenzen zwischen<br />

unterschiedlichen Zellpopulationen,<br />

denn bei der Metastasenbildung entkommen<br />

einzelne Zelltypen aus ihrem Gewebe<br />

und gelangen in andere Zellgruppen.“<br />

Was die theoretischen Möglichkeiten<br />

zum Bau synthetischer genetischer Schaltkreise<br />

betrifft, sind der Fantasie also kaum<br />

Grenzen gesetzt. Zumal neue Technologien<br />

wie CRISPR/Cas wiederum neue Türen öffnen.<br />

Man könnte beispielsweise direkt die<br />

DNA als Informationsspeicher nutzen. „Die<br />

Idee gab es aber schon lange vor CRISPR/<br />

Cas“, betont Kobi Benenson. Trotzdem<br />

sei die Neuentwicklung sehr interessant,<br />

„nicht notwendigerweise als Gene Editing<br />

Tool, sondern weil man Cas9 auch als Genregulator<br />

nutzen kann.“ Denn wenn man<br />

die Endonukleasefunktion von Cas9 entfernt,<br />

kann man über die an Cas gebundene<br />

RNA ganz gezielt eine bestimmte Stelle im<br />

Genom adressieren und dort die Transkription<br />

einer Sequenz blockieren.<br />

Katja Kolar glaubt, dass die Suche<br />

nach immer neuen Methoden künftig gar<br />

nicht so wichtig sei. „Es wird nicht so sehr<br />

darum gehen, die verfügbare Toolbox zu<br />

erweitern, sondern die nächste Stufe zu<br />

erreichen: Nämlich das, was wir haben, zu<br />

kombinieren, um komplexere und wirklich<br />

bedeutsame Sachen zu bauen.“<br />

Und dann könnten auch vermeintliche<br />

Science Fiction-Ideen wie die eingangs<br />

erwähnte womöglich doch Wirklichkeit<br />

werden.<br />

Mario Rembold<br />

4/2016 Laborjournal

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!