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LJ_16_04
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Special: Synthetische Biologie & Biotechnologie<br />
puts zu kämpfen, mussten beispielsweise<br />
Änderungen an einem der Promotoren vornehmen.<br />
Denn auch wenn jeder einzelne<br />
Baustein für sich genommen vorhersagbar<br />
agiert, kann die Kombination mit anderen<br />
Elementen Probleme bereiten.<br />
„Das Aufskalieren des Systems ist die<br />
Herausforderung“, stellt Benenson fest und<br />
verweist noch auf einen weiteren Aspekt:<br />
„In einem elektronischen Schaltkreis kann<br />
man tausend gleiche Transistoren haben, in<br />
der Zelle muss aber jede Komponente einzigartig<br />
sein.“ Das leuchtet ein, schließlich<br />
schwimmt jeder Transkriptionsfaktor und<br />
jedes RNA-Molekül in derselben Zelle; man<br />
kann nicht einfach einzelne Komponenten<br />
mit Kabeln isolieren. Es kann also zu unvorhersehbaren<br />
Wechselwirkungen kommen,<br />
denn schließlich nutzt ja auch die Zelle ihre<br />
eigenen, ganz natürlichen Schaltkreise. Daher<br />
ist es sinnvoll, sich als „Synthetik-Biologe“<br />
die Bausteine für Gen-Schaltkreise bei<br />
möglichst weit entfernten Arten zu leihen.<br />
Wer Säugerzellen umprogrammieren will,<br />
sollte sich besser bei Bakterien bedienen als<br />
bei anderen Wirbeltieren. Denn die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass ein prokaryotischer<br />
Promotor von einem eukaryotischen Protein<br />
besetzt wird, ist gering. „Wenn Sie aber<br />
jetzt zwanzig bakterielle Komponenten<br />
nehmen“, wirft Benenson ein, „dann können<br />
die natürlich auch wieder untereinander<br />
wechselwirken.“<br />
Noch wäre es also ziemlich riskant,<br />
einfach auf dem Papier einen genetischen<br />
Schaltkreis zu entwerfen und diesen dann<br />
therapeutisch an menschlichen Patienten<br />
einzusetzen. Obwohl gerade darin der besondere<br />
Reiz besteht, wenn man an personalisierte<br />
Medizin denkt: den speziellen<br />
Tumor des Patienten charakterisieren und<br />
dazu ein individuelles Gentherapeutikum<br />
designen. Trotzdem glaubt Benenson an<br />
das therapeutische Potential des Ansatzes<br />
und macht weiter – und zwar nicht nur in<br />
Zellkulturen. „In unserer Gruppe arbeiten<br />
wir schon seit einer Weile an einem präklinischen<br />
Tiermodell“, verrät er. „Wir haben<br />
durchaus ein paar Ideen, wie man dieses<br />
Konzept auf lebende Organismen übertragen<br />
kann.“ Auf Details will er zum jetzigen<br />
Zeitpunkt aber noch nicht eingehen.<br />
Grenzen errechnen<br />
Auch in Deutschland programmiert<br />
man an Genomen, so etwa an der Uni Freiburg<br />
in der Arbeitsgruppe von Wilfried Weber.<br />
Dort arbeitet die Biochemikerin Katja<br />
Kolar gerade an ihrer Promotion. Studiert<br />
hat die gebürtige Slowenin in Ljubljana und<br />
Kalifornien und hatte bereits mehrfach an<br />
der International Genetically Engineered<br />
36<br />
Machine Competition (iGEM) teilgenommen.<br />
Beispielsweise 2009 im Team der<br />
UCSF, das menschliche HL-60-Zelllinien<br />
so umgebaut hatte, dass sie chemotaktisch<br />
bestimmten Liganden-Gradienten folgen<br />
konnten (http://2009.igem.org/Team-<br />
:UCSF). Ein weiterer Baustein, den man<br />
irgendwann verwenden könnte, um das<br />
Science Fiction-Szenario aus der Einleitung<br />
Realität werden zu lassen!<br />
Kolar bastelt aber nicht nur an einzelnen<br />
Zellen. Vielmehr programmiert<br />
sie ganze Zellgruppen und stattet sie mit<br />
unterschiedlichen Schaltkreisen aus. In<br />
Foto: privat<br />
Rüstet ganze Zellgruppen mit unterschiedlichen<br />
Schaltkreisen aus: Katja Kolar<br />
einem Paper aus dem letzten Jahr stellt<br />
sie als Erstautorin zusammen mit Kollegen<br />
vor, wie zwei Zellpopulationen ihre Grenzen<br />
berechnen (BMC Syst Biol. 9: 97). Das<br />
Team hatte eine Population von HEK-Zellen<br />
so verändert, dass diese Tryptophan<br />
synthetisieren und nach außen abgeben.<br />
Dieselben Zellen exprimieren außerdem<br />
den Interleukinrezeptor IL4R. Bindet von<br />
außen Interleukin 4 an diesen Rezeptor,<br />
produzieren die Zellen YFP und damit ein<br />
gelbes Fluoreszenz-Signal.<br />
Andere HEK-Zellen hatten Kolar und<br />
Kollegen so programmiert, dass sie auf<br />
Tryptophan mit der Synthese von Interleukin<br />
4 reagieren und dieses nach außen<br />
abgeben. Für sich alleine wird diese Zellpopulation<br />
ganz normal wachsen, ohne<br />
Interleukin zu produzieren. Auch die andere<br />
Zellpopulation wird isoliert kein besonderes<br />
Verhalten zeigen. Sie gibt zwar permanent<br />
Tryptophan an die Umgebung ab,<br />
doch es passiert nichts Aufregendes. Das<br />
ändert sich jedoch, wenn man beide Populationen<br />
im selben Petrischälchen wachsen<br />
lässt. Die einen Zellen könnte man links<br />
platzieren, die anderen rechts. Während<br />
sich die Zellen teilen, vergrößern sich beide<br />
Populationen und wachsen aufeinander zu.<br />
Kommen sie sich nahe genug, dann wird<br />
die zweite Population das Tryptophan-Signal<br />
der ersten Population registrieren und<br />
Interleukin 4 abgeben. Sind jetzt Zellen der<br />
ersten Population in der Nähe, registrieren<br />
die wiederum das Interleukin, produzieren<br />
YFP und leuchten.<br />
Fantastische Möglichkeiten<br />
Durch ihre Interaktion errechnen beide<br />
Zellgruppen ihre Populationsgrenze und<br />
markieren sie mit einem Fluoreszenz-Signal.<br />
Nun hätte man die Grenze auch einfacher<br />
sichtbar machen können – etwa,<br />
indem man die eine Population GFP und<br />
die andere YFP produzieren lässt: Dort, wo<br />
gelbe und grüne Fluoreszenz aufeinanderstoßen,<br />
berühren sich die Zellgruppen. „Es<br />
war aber nicht unsere Absicht, einfach bloß<br />
Zellen in einem Petrischälchen zu färben“,<br />
erläutert Kolar. „Die Idee war vielmehr zu<br />
erforschen, wie man gezielt Zellpopulationen<br />
umbauen kann, damit sie miteinander<br />
kommunizieren.“ Das könne die Grundlage<br />
für komplexere Tissue Engineering-Anwendungen<br />
bilden. Zum Beispiel Tools für die<br />
Erforschung von Krebs. „Da versagt ja die<br />
Aufrechterhaltung solcher Grenzen zwischen<br />
unterschiedlichen Zellpopulationen,<br />
denn bei der Metastasenbildung entkommen<br />
einzelne Zelltypen aus ihrem Gewebe<br />
und gelangen in andere Zellgruppen.“<br />
Was die theoretischen Möglichkeiten<br />
zum Bau synthetischer genetischer Schaltkreise<br />
betrifft, sind der Fantasie also kaum<br />
Grenzen gesetzt. Zumal neue Technologien<br />
wie CRISPR/Cas wiederum neue Türen öffnen.<br />
Man könnte beispielsweise direkt die<br />
DNA als Informationsspeicher nutzen. „Die<br />
Idee gab es aber schon lange vor CRISPR/<br />
Cas“, betont Kobi Benenson. Trotzdem<br />
sei die Neuentwicklung sehr interessant,<br />
„nicht notwendigerweise als Gene Editing<br />
Tool, sondern weil man Cas9 auch als Genregulator<br />
nutzen kann.“ Denn wenn man<br />
die Endonukleasefunktion von Cas9 entfernt,<br />
kann man über die an Cas gebundene<br />
RNA ganz gezielt eine bestimmte Stelle im<br />
Genom adressieren und dort die Transkription<br />
einer Sequenz blockieren.<br />
Katja Kolar glaubt, dass die Suche<br />
nach immer neuen Methoden künftig gar<br />
nicht so wichtig sei. „Es wird nicht so sehr<br />
darum gehen, die verfügbare Toolbox zu<br />
erweitern, sondern die nächste Stufe zu<br />
erreichen: Nämlich das, was wir haben, zu<br />
kombinieren, um komplexere und wirklich<br />
bedeutsame Sachen zu bauen.“<br />
Und dann könnten auch vermeintliche<br />
Science Fiction-Ideen wie die eingangs<br />
erwähnte womöglich doch Wirklichkeit<br />
werden.<br />
Mario Rembold<br />
4/2016 Laborjournal