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NACHRICHTEN<br />
Inkubiert<br />
Fokussiert...<br />
2011 beschrieb ein Artikel, dass drei<br />
Viertel aller Paper über menschliche<br />
Proteinkinasen lediglich zehn Prozent<br />
der 518 Kinasen im Humanproteom<br />
abdecken. Umgekehrt tauchten nach<br />
deren Analyse etwa 60 Prozent dieser<br />
Proteinkinasen gerade mal in fünf<br />
Prozent der Kinase-Paper auf. Folglich<br />
wurden ganze 300 Kinasen von den<br />
Kinase-Forschern bis dahin praktisch<br />
ignoriert. Eigentlich nichts Ungewöhnliches,<br />
denn prinzipiell kennt man das<br />
ja genauso von der Verteilung des sogenannten<br />
Wohlstands innerhalb der<br />
Bevölkerung; oder von der Nutzungshäufigkeit<br />
der einzelnen Wörter einer<br />
Sprache;... Dazu kommt jetzt aber,<br />
dass sich diese Ungleich-Verteilung<br />
bis heute qualitativ nicht signifikant<br />
verändert hat. Es sind immer noch<br />
dieselben „alten Bekannten“ unter<br />
den Kinasen, die den Löwenanteil dieser<br />
Publikationen unter sich aufteilen.<br />
Entfielen bis 2002 knapp 84 Prozent<br />
der Paper auf 50 Kinasen (zehn<br />
Prozent des Kinoms), so verbuchten<br />
dieselben 50 Kinasen zwischen 2003<br />
und 2008 immer noch 77 Prozent der<br />
Artikel – und im Jahr 2009 weiterhin<br />
74 Prozent. Kein einzigartiges „Familienschicksal“,<br />
denn bei Ionenkanälen<br />
und Nukleären Hormonrezeptoren<br />
sieht es genauso aus. Und dies, obwohl<br />
inzwischen massenhaft Hinweise<br />
existieren, dass sich überall unter<br />
den bislang verschmähten Individuen<br />
noch jede Menge hochinteressanter<br />
Familienmitglieder verbergen. Warum<br />
versuchen dann nur so wenige<br />
Forscher, all diese kleinen Schätze<br />
zu heben? Die schnöde Antwort der<br />
Autoren: Weil für sie keine „Tools“<br />
zur Verfügung stehen. Nur wo gute<br />
Antikörper, Liganden, Antagonisten,<br />
Kits, et cetera vorhanden sind (und<br />
möglichst sogar fix und fertig gekauft<br />
werden können) – da wird auffällig<br />
viel geforscht. Auch wenn man damit<br />
meist einen „alten Bekannten“ nur<br />
noch ein wenig weiter aufpoliert.<br />
Muss man dagegen entsprechende<br />
Tools erst selbst entwickeln, scheint<br />
vielen dieser Aufwand schnell zu groß<br />
zu werden. Und dies offenbar selbst<br />
dann, wenn man ziemlich sicher<br />
saftige „Low Hanging Fruits“ ernten<br />
würde. Irgendwie traurig.<br />
RALF NEUMANN<br />
Technische Assistenten<br />
Zurückgedrängt<br />
„Die beruflichen Perspektiven sind gut.<br />
Ausbildung und Ausübung des TA-Berufes<br />
werden aber zunehmend marginalisiert.“<br />
So fasst das „Bündnis TA“, welches über<br />
250.000 Arbeitnehmer und Auszubildende<br />
der TA-Berufe vertritt, in ihrem frisch<br />
erschienen Grundsatzpapier „Technischen<br />
Assistenten (TA) – Röntgenbild einer Berufsgruppe“<br />
die Lage zusammen.<br />
TA-Berufe spielen eine wichtige Rolle<br />
in der Grundlagenforschung und der Entwicklung<br />
zukunftsträchtiger Produkte, wie<br />
auch in der medizinischen Versorgung der<br />
alternden Bevölkerung – so schreiben die<br />
Autoren weiter. Vor diesem Hintergrund<br />
sieht das „Bündnis TA“ das Zurückdrängen<br />
der TA-Ausbildung und der TA-Berufe mit<br />
großer Sorge.<br />
Foto: jvl.de<br />
„In einigen Bundesländern werden die<br />
Ausbildungen der Biologisch-, Physikalischund<br />
Chemisch-Technischen Assistenten zurückgefahren<br />
oder ganz abgeschafft“, so<br />
Hartmut Böhm, Sprecher des Bündnis TA<br />
und Vorsitzender des Arbeitskreises BTA im<br />
Verband Biologie, Biowissenschaften und<br />
Biomedizin (VBIO).<br />
Treibende Kraft hinter der Reduktion<br />
der vollschulischen beruflichen TA-Ausbildung<br />
sei das politische Primat von dualer<br />
beruflicher Bildung sowie Steigerung der<br />
Anzahl von Hochschulabsolventen, heißt<br />
es weiter in dem Papier. Damit gerate ausgerechnet<br />
ein naturwissenschaftlich-technisches<br />
Berufsfeld in Bedrängnis, in dem<br />
Frauen überproportional gut etabliert sind.<br />
„Als Bündnis TA fordern wir daher ein<br />
Ende der Benachteiligung der Berufsgruppe<br />
TA, die Gleichstellung der TA-Abschlüsse<br />
mit vergleichbaren Ausbildungen sowie<br />
faire Rahmenbedingungen, unter denen<br />
sich das Berufsbild der TA weiter entwickeln<br />
kann“, schließt Böhm in der zugehörigen<br />
Pressemeldung.<br />
-RN-<br />
Forscher-ID-Initiative<br />
Welcher „Müller“?<br />
Wenn Forscher Michael Müller, John<br />
Smith oder Xie Wang heißen, wird es knifflig.<br />
Denn wer mithilfe von Google Scholar<br />
oder PubMed herausfinden will, was ein<br />
ganz bestimmter „Michael Müller“ publiziert<br />
hat, stößt schnell an die Grenzen<br />
dieser Datenbanken. Insbesondere wenn<br />
dieser zwischen Doktorarbeit, Postdocs,<br />
Assistentenstellen und schließlich Professur(en)<br />
stets den Arbeitsort gewechselt hat.<br />
Die Lösung dieses Problems ist technisch<br />
gesehen simpel. Jeder Forscher, jede<br />
Forscherin erhält eine unverwechselbare<br />
ID, unter der jeweils all deren akademische<br />
Outputs gesammelt werden. Nun gibt es<br />
bereits verschiedene Dienste, die Forscher-IDs<br />
anbieten. Allerdings müsste sich<br />
die Community noch auf einen gemeinsamen<br />
Standard einigen – denn sinnvoll<br />
ist so ein System nur, wenn es universell<br />
akzeptiert und genutzt wird.<br />
Die Plattform ORCID, ein nicht-kommerzielles<br />
Unternehmen aus Bethesda,<br />
USA, scheint dabei inzwischen die Nase<br />
vorne zu haben. So beschlossen etwa kürzlich<br />
Verlage wie PLOS, EMBOPress, Science<br />
und eLife, dass Autoren ihre Manuskripte<br />
bei ihnen künftig nur noch mit ORCID-ID<br />
einreichen können. Über Schnittstellen in<br />
der Software wird die Online-Identifizierung<br />
direkt in die Workflows der Journale<br />
integriert.<br />
Eine Initiative des Helmholtz Open<br />
Science Koordinationsbüro, der Deutschen<br />
Nationalbibliothek und der Universitätsbibliothek<br />
Bielefeld will ORCID jetzt auch in<br />
Deutschland besser verankern – und wird<br />
zu diesem Zweck von der DFG gefördert.<br />
Unter anderem wollen die Partner eine<br />
zentrale Anlaufstelle für Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen etablieren<br />
und ORCID zudem mit der „Gemeinsamen<br />
Norm datei (GND)“ der Bibliotheken vernetzen.<br />
Für Wissenschaftler bedeutet ORCID<br />
eine kleine, aber eher lästige Pflicht: Denn<br />
sie müssen sich erst einmal dort anmelden<br />
und regelmäßig überprüfen, ob die eingegebenen<br />
Informationen korrekt und aktuell<br />
sind. An der Akzeptanz und der Mitarbeit<br />
der Wissenschaftler wird sich jedoch zeigen,<br />
ob das ID-System für Forscher Erfolg<br />
hat. Denn was hilft die schönste digitale<br />
Infrastruktur, wenn sie nicht mit aktuellen<br />
Daten gefüttert wird.<br />
-HZA-<br />
8<br />
4/2016 Laborjournal