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Magazin_Sport 2000_Sommer_16

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INTERVIEW<br />

Marc Girardelli mit Markus Wasmeier<br />

Das kulturelle Erbe pflegen<br />

Markus Wasmeier war Deutschlands bester Skirennfahrer.<br />

Heute betreibt er ein Bauernmuseum am Schliersee.<br />

Markus Wasmeier<br />

Marc Girardelli: Durch deine großen<br />

Erfolge in Lillehammer als Doppelolympiasieger<br />

hattest du augenblicklich<br />

eine Popularität wie Boris Becker<br />

oder Beckenbauer in deren bester Zeit.<br />

Wie fühlte sich das so an?<br />

Markus Wasmeier: Bei Olympia war ich<br />

ja schon im fortgesetzten Alter mit<br />

über 30 Jahren und konnte wirklich<br />

jede Sekunde voll wahrnehmen und auch<br />

genießen. 9 Jahre zuvor beim meinem<br />

ersten großen Sieg in Bormio bei der WM<br />

war das nicht so. Dort stürzte alles auf<br />

mich ein und ich wusste gar nicht recht,<br />

wie mir geschieht.<br />

Marc Girardelli: Als du uns (Zurbriggen<br />

und mich) 1985 bei der WM so düpiert<br />

hattest, als völliger Außenseiter.<br />

Welche Goldene von dir bedeutet dir<br />

mehr? Olympia 1994 oder WM 1985?<br />

Markus Wasmeier: Mein Anspruch bei der<br />

WM 1985 war nicht zu gewinnen, sondern<br />

eher die großen Stars zu ärgern. Ich hatte<br />

ja im Vorfeld „nur“ einen zweiten Platz,<br />

hinter dir in Sestriere, vorzuweisen. Mit<br />

dem Sieg bei der WM ist mir das aber<br />

eindrucksvoll gelungen. Dabei flankiert<br />

zu werden von einem Zurbriggen und<br />

einem Girardelli, mehr kann man sich<br />

nicht erhoffen. Der Unterschied von<br />

Bormio zu Lillehammer war das Warten.<br />

In Lillehammer musste ich im Super-G<br />

mit Startnummer vier bis zum letzten<br />

Koreaner warten, ob nicht doch noch was<br />

passiert. Weil mich zwei Jahre zuvor ja<br />

Frank Piccard am Ende noch vom Podium<br />

gefahren hatte. In Bormio war ich der<br />

letzte und wusste bei der Zieldurchfahrt,<br />

„du hast gewonnen“! Das war für mich<br />

ein unbeschreibliches Gefühl, das mich<br />

heute noch mit Glücksgefühlen überströmt,<br />

wenn ich dran denke.<br />

Marc Girardelli: Nach dem Ende deiner<br />

Karriere hattest du mir mal von deinem<br />

Projekt „Dorf“ erzählt. Ich konnte<br />

damit erstmals nichts anfangen. Doch<br />

später, als ich dann gesehen hatte,<br />

was du wirklich damit meinst, war ich<br />

erstmals erstaunt und als ich dich dann<br />

besucht hatte, begeistert. Wie kamst<br />

du auf diese außergewöhnliche Idee?<br />

Markus Wasmeier: Das kam aus der<br />

Richtung, weil ich Restaurator bin und<br />

diesen Beruf auch lieben gelernt habe.<br />

Und es fiel mir auf, dass in meiner Heimat<br />

die letzten Denkmäler aus dem <strong>16</strong>ten und<br />

17ten Jahrhundert verloren gehen, und<br />

die wollte ich einfach retten. Aus diesem<br />

„Retten“ ist dann irgendwann mal ernst<br />

geworden. Als ich dann bei den Ämtern<br />

vorsprach und Informationen sammelte,<br />

erfuhr ich, dass man erstmals einen<br />

Verein, einen gemeinnützigen Verein,<br />

gründen muss, um überhaupt damit<br />

anfangen zu können. Das habe ich dann<br />

1997 gemacht. Danach habe ich begonnen<br />

mit meinem ersten Hof, den ich<br />

erstmals finden musste, kaufen und abbrechen<br />

musste, alles auf eigene Kosten.<br />

Als ich dann 1999 den Spatenstich hatte,<br />

habe ich anschließend 8 Jahre lang nur<br />

gebaut. Erstmals ein kleines Haus und<br />

dann auch bald ein größeres. Alles habe<br />

ich in Eigenregie gemacht und auch<br />

selber finanziert. Es war damals mein<br />

schönstes Hobby und ist es heute noch.<br />

Erst 2007 habe ich es dann gewagt, das<br />

Dorf fürs Publikum aufzumachen.<br />

Marc Girardelli: Aha, das war anfangs<br />

gar nicht gedacht, es gleich fürs Publikum<br />

zu öffnen?<br />

Markus Wasmeier: Nein, ein solches<br />

Gebäude benötigt zwischen 3 und<br />

7 Jahren, bis es überhaupt Sinn macht,<br />

Publikum rein zu lassen. Die Museums-<br />

Arbeit ist sehr akribisch und ich bin<br />

sowieso ein Verrückter im Detail. Und<br />

für mich bestand ja der Anspruch, die<br />

Häuser in den Zustand um 1700 zurück<br />

zu versetzen. Feuerstelle, Wohnraum,<br />

Küche, Schlafzimmer mit den ganzen<br />

Details. Das war ja schon lange weg und<br />

größtenteils vergessen.<br />

Marc Girardelli: Was hat denn deine<br />

Familie dazu gesagt, ein solch großes<br />

Projekt, mit Risiken verbunden und vor<br />

allem unmenschlich viel Arbeit auf die<br />

Beine zu stellen? Arbeiten deine Lieben<br />

eigentlich im Unternehmen mit?<br />

Markus Wasmeier: Natürlich moralisch<br />

arbeiten die mit. Aber es war von Anfang<br />

an klar, dass meine Familie wie auch<br />

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