FINE Das Weinmagazin - 03/2015
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: SCHWEIZ
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3| 2015 Deutschland € 15
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Italien € 18,50
Schweiz chf 30,00
DAS WEINMAGAZIN
Wein und Zeit: Zisterziensische Weinkultur
Stuart Pigott: Upstate New York
Jacob Duijn und seine Spätburgunder
Der Wiener Gemischte Satz
Die grossen Weine Siziliens
Sternstunden des Syrah
Dolcetto aus Dogliani
Burgund: Clos des Lambrays
Zwanzig Jahre Luce della Vite
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Verehrte Leserin, lieber Leser,
»Der Apfel ist gefallen!« Ja wie?
Wo? Ich hatte wieder nichts ge sehen.
Schon zum dritten Mal war ich mit
meinem Vater in die Nachmittagsvorstellung
von Schillers Schweizer Nationaldrama in unser kleines
Stadttheater gegangen, um mit angehaltenem Atem zu beobachten,
wie Wilhelm Tell auf zynisches Geheiß des habsburgischen Blutvogts
Gessler mit seiner Armbrust die rotbackige Frucht vom Scheitel seines
Söhnchens Walther schießt. Aber immer wenn der entscheidende
Moment nahte, gab es auf der anderen Seite der Szene eine kurze Aufwallung,
die mich zwei Sekunden vom starren Blick auf Walthers Kopf
ablenkte – und schon: »Der Apfel ist gefallen!« Im Freudenschrei der
erleichtert begeisterten Eidgenossen, denen das Leben des kleinen Tell
geschenkt war durch den – wie ich wieder nur vermuten konnte – Präzisionsschuss
des wackeren Wilhelm musste ich meine Enttäuschung
verbergen, den Augenblick der Wahrheit abermals verpasst zu haben;
wie ich heute weiß: für immer.
Schon damals, in fernen Kindertagen, dämmerte mir eine Gewissheit:
Dass fast allem eidgenössischen Tun ein Geheimnis innewohnt,
das zu bewahren offenbar Teil des Rütli-Schwurs war und ist – bis heute.
Um das berühmt-berüchtigte Bankgeheimnis hat es immerhin erregte
öffentliche Debatten gegeben, in und »ennet« der Schweiz. Noch
aufregender und spannender erscheint mir die Geheimnis krämerei,
mit der die Schweizer ihre herrlichen Weine umgeben, so sehr, dass
sie im Ausland kaum erhältlich sind. Dem endlich auf den Grund zu
gehen, haben wir zwei Kollegen um ausführliche Recherchen gebeten:
Peter Keller, Weinredaktor der Neuen Zürcher Zeitung, nähert sich
der eid genössischen Weinszene als intimer Kenner von innen, Rainer
Schäfer, unser Hamburger Reb-Enthusiast, voller Neugier und mit
vielen Fragen von außen. Ob sie den Rätseln der Winzer und Weine
aus dem Waadtland, der Bündner Herrschaft, aus Thurgau, dem Tessin
und anderen Alpen- und Seeregionen der Schweiz auf die Spur gekommen
sind, sie gar geknackt haben – das wollen wir getrost Ihrem Urteil
überlassen. Vielleicht ist aber alles ganz unspektakulär, und die Weinliebhaber
zwischen Basel und Genf trinken ihre raren Spitzenrebsäfte
deshalb lieber selber, weil sie sie keinem Fremden überlassen wollen:
Sie schmecken ihnen vielleicht schlicht besser, als alle Weine, die sie
importieren könnten?
Indessen hat natürlich jeder große Wein seine eigenen wundervoll
verborgenen Seiten, und jeder Weinfreund darf sich als Pfadfinder auf
der Suche nach den Gründen für dessen Vollkommenheit fühlen. Wenn
Armin Diel die wechselvolle Geschichte der ruhmreichen Domaine de
Lambrays nachzeichnet, wird klar, wie und warum der Clos de Lambrays
ein Kleinod der Bourgogne wurde. Wenn Dirk Notheis einen Hochgesang
anstimmt, weil ihn die überwältigende Verkostung von einunddreißig
weltberühmten Syrahs mit den sensorischen Sensationen, die ihm
Mund und Gaumen netzten, nicht sprachlos machte, sondern ihm entzückt
die Zunge löste. Gern wären wir dabeigewesen – wie auch bei der
Präsentation eines neuen Highend-Champagners von Moët & Chandon,
die Stefan Pegatzky zum Anlass nimmt, sich Gedanken zur origi nären
Kunst der Assemblage zu machen. Alchimie? Gewiss nicht, sondern
bedeutende Champagnertradition, allerfeinste Ressourcen und das
Genie eines Kellermeisters. Auch dieser Erfolg ist kein Geheimnis:
Wie ein Holländer zum Großmeister des Ortenauer Spätburgunders
wurde, erzählt Kristine Bäder. Und Till Ehrlich hat die Frage, ob es
einen großartigen Wein aus der Dolcetto-Traube geben könne, geklärt:
Er fand ihn in und um Dogliani, einem malerischen Städtchen im südlichen
Piemont. Je mehr er diese Rotweine verkostete, desto mehr geriet
er auch ins Staunen. Augenblicklich Gewissheit fand er hingegen bei
einer Verti kale aller zwanzig Jahrgänge von Luce della Vite aus dem jahrhunderte
alten Haus Frescobaldi: Ein authentischer roter Toskaner, der
nach etwas unsicherem Beginn heute seinen hohen Standard unangefochten
behauptet – neben Ornellaia und Masseto ein weiterer großer
Wein der bedeutenden Florentiner Weindynastie.
Geheimnis und Wahrheit – beides liegt im Wein. Um Erkenntnis
daraus zu gewinnen, muss man ihn nur verständig trinken. Freilich lässt
sich auch bei verständigem Lesen nicht unbeträchtlicher Erkenntnisgewinn
erzielen. Wir wollen kein Geheimnis daraus machen: Mit
diesem Heft legen wir Ihnen voller Freude die dreißigste Ausgabe von
Fine vor. Und obwohl uns die journalistische Profession zu so kritischer
wie präziser Beobachtung, zu so skeptischem wie passioniertem Urteil,
nicht zuletzt auch zu einem gehörigen Maß an selbst kritischer Reflektion
verpflichtet, halten wir es gelegentlich gern auch mit einer sehr selbstbewussten
ureidgenössischen Maxime: »Jeds Problemli hät zwöi Siite –
die fauschi ond üsi.« Das hätte auch der grässliche Gessler bedenken
sollen!
UNNECESSARILY WELL MADE
Thomas Schröder
Chefredakteur
FINE
Editorial
9
E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T
DAS WEINMAGAZIN
3/2015
INHALT
24 Weinland Schweiz
32 Bündner Herrschaft 38 Thurgau
44 Tessin
50 Wallis
54 Drei-Seen-Land
9 FINE Editorial Thomas Schröder
14 FINE Burgund Ein Kleinod, in Mauern gefasst: Clos des Lambrays
24 FINE Schweiz Weinland Schweiz
32 FINE Schweiz Bündner Herrschaft: Georg Fromm, Denker und Terroirist
38 FINE Schweiz Thurgau: Das Vermächtnis des Hans Ulrich Kesselring
44 FINE Schweiz Tessin: Vier Aussteiger aus der Deutschschweiz
50 FINE Schweiz Wallis: Anne-Catherine und Denis Mercier
55 FINE Schweiz Drei-Seen-Land: Jacques Tatasciore und sein begehrter Pinot Noir
58 FINE Frauen im Wein Sabine Steiner, die Winzerin vom Bielersee
66 FINE Wein & Speisen Jürgen Dollase im Restaurant Stucki in Basel
74 FINE Champagner Der MCIII von Moët & Chandon
14 Clos des Lambrays
74 Der MCIII von Moët & Chandon
104 Zwanzig Jahre Luce della Vite
80 Sternstunden des Syrah
80 FINE Tasting Sternstunden des Syrah
90 FINE Tasting Der Wiener Gemischte Satz
96 FINE Die Pigott Kolumne FLX: Das andere New York
100 FINE Das Große Dutzend Badia a Passignano Marchesi Antinori
104 FINE Toskana Die dunkle Sonne von Montalcino: Zwanzig Jahre Luce della Vite
114 FINE Piemont Dolcetto aus Dogliani
124 FINE Sizilien Die großen Weine Siziliens – Teil 2: Die Küste entlang
134 FINE Genießen Hummer und seine Begleiter
136 FINE Wein und Zeit Zisterziensische Weinkultur in Deutschland
142 FINE Die Würtz Kolumne Wie Müller sein soll
144 FINE Baden Jacob Duijn und seine Spätburgunder aus der Ortenau
154 FINE Sommerfest Fine feiert: Sommer-Gala 2015
158 FINE Das Bier danach India Pale Ale
114 Dolcetto aus Dogliani
124 Sizilien – Teil 2: Die Küste entlang
144 Jacob Duijn und seine Spätburgunder
154 FINE feiert: Sommer-Gala 2015
162 FINE Abgang Ralf Frenzel
6 7
FINE 3 | 2015 FINE Inhalt
Ein Kleinod,
in Mauern
gefasst
Mit der Grand-Cru-Lage
Clos des Lambrays hütet die
Domaine an der Côte de Nuits
einen kostbaren Schatz
Nach wechselvollen Jahren mit verschiedenen Eigentümern gelangte die Domaine des Lambrays in
Morey-Saint-Denis im Jahr 1996 in den Besitz des Koblenzer Werbeunternehmers Günter Freund.
Der investierte Unsummen in die Rekonstruktion von Weinbergen, Park und Gebäuden und verwandelte
das zehneinhalb Hektar große Gut in ein wahres Schmuckstück der Côte d’Or. Nach seinem
Tod kam das Weingut im Jahr 2014 in den noblen Fundus der Weingüter des Luxuskonzerns LVMH.
Von Armin Diel
Fotos Marco Grundt
14 15
FINE 3 | 2015 FINE Bourgogne
FINE TASTING
Armin Diel verkostet siebzehn Pinots Noirs des Grand Cru
Clos des Lambrays aus den Jahrgängen 1997 bis 2013 sowie vier weitere
Weine der Domaine des Lambrays aus dem Jahrgang 2013
1997 Clos des Lambrays Grand Cru 88 P
Die Lese erfolgte vom 18. bis 24. September. Es wurden fünfundzwanzigtausend Flaschen abgefüllt. Mitteltiefes Rubinrot mit zarten Orangereflexen
am Rand; duftet nach Teeblättern, Waldboden und auch etwas Jod; zarte Frucht, mittlere Spannkraft, samtige Tannine, passabler
Nachhall. Sollte alsbald getrunken werden.
1998 Clos des Lambrays Grand Cru 90 P
Die Lese erfolgte vom 19. bis 26. September. Es wurden siebenundzwanzigtausend Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot mit zarten Orangereflexen
am Rand; duftet nach Schokolade, Veilchen und Sauerkirsche; mittelgewichtiger Körper, herzhafte Tanninstruktur, guter Fond, etwas
altmodischer Stil. Nähert sich dem Höhepunkt.
1999 Clos des Lambrays Grand Cru 93 P
Die Lese erfolgte vom 18. bis 24. September. Es wurden einundvierzigtausendfünfhundert Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot; rauchiger
Brombeerduft, herzhafte Grundstruktur, vollmundiger Körper, beste Harmonie, elegante Struktur, mit viel Freude zu genießen. Bester Trinkzeitraum
bis 2020.
2000 Clos des Lambrays Grand Cru 91 P
Die Lese erfolgte vom 20. bis 27. September. Es wurden zweiunddreißigtausendfünfhundert Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot mit
zarten Orangereflexen am Rand; deutlicher Anflug von Waldboden und Wildkräutern, samtiger Körper, weiche Tannine, gut entwickelt, sehr
ansprechend für den Jahrgang. Bester Trinkzeitraum bis 2020.
2001 Clos des Lambrays Grand Cru 91 P
Die Lese erfolgte vom 20. bis 28. September. Es wurden sechsunddreißigtausend Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot mit zarten Orangereflexen
am Rand; duftet nach Veilchen und Sauerkirsche, herzhafte Tanninstruktur, recht kühle Note, feinherber Nachhall. Bester Trinkzeitraum
bis 2018.
2002 Clos des Lambrays Grand Cru 93 P
Die Lese erfolgte vom 17. bis 26. September. Es wurden fünfunddreißigtausend Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot mit zarten Orangereflexen
am Rand; im Duft wieder die typischen Noten von Waldboden und Wildkräutern, sehr eleganter Körper, viel rote Früchte, ein Hauch
von belebender Minze. Bester Trinkzeitraum bis 2020.
2003 Clos des Lambrays Grand Cru 95 P
Die Lese erfolgte vom 24. August bis 2. September. Es wurden vierundzwanzigtausend Flaschen abgefüllt. Gut gedecktes Rubinrot mit zarten
Orangereflexen am Rand; viel Rauch und Dörrobst, sehr saftiger, geradezu opulenter Körper, portweinartige Süße. Bester Trinkzeitraum bis 2025.
2004 Clos des Lambrays Grand Cru 87 P
Die Lese erfolgte vom 22. bis 29. September. Es wurden zwanzigtausend Flaschen abgefüllt. Mitteltiefes Rubinrot mit zarten Orangereflexen
am Rand; duftet nach Pfeffer und Geranien, fast ein Foxton wie bei manchen Hybriden, Anflug von Paprika, herzhafte Tannine. Nähert sich
dem Höhepunkt.
2005 Clos des Lambrays Grand Cru 96 P
Die Lese erfolgte vom 19. bis 24. September. Es wurden fünfunddreißigtausend Flaschen abgefüllt. Kräftiges Rubinrot mit zarten Orange reflexen
am Rand; reichhaltiger Duft von Brombeere und Vanille, saftig und elegant zugleich, hat alle Anlagen eines großen Weins mit enormem Entwicklungspotential.
Bester Trinkzeitraum von 2020 bis 2030.
20 FINE 3 | 2015
Die Existenz des Weinbergs Clos des Lambrays ist bis in das Jahr 1365 dokumentiert, als er zum weitreichenden Besitz des
Klosters von Cîteaux gehörte. Nach der französischen Revolution wurde der gut acht Hektar umfassende Weinberg
auf insgesamt vierundsiebzig Winzer verteilt, deren jeweiliger Anteil sich rechnerisch also auf etwas mehr als tausend
Quadrat meter belief. Diese Phase dauerte bis zum Jahr 1836, als die in Nuits-Saint-Georges ansässige Weinhändler familie
Joly sämtliche Teilstücke des Clos des Lambrays aufkaufte und damit zur Alleineigentümerin wurde. Dreißig Jahre später erwarb Albert
Rodier aus Dijon das Gut. 1938 gelangte es in den Besitz der Pariser Bankiersfamilie Cosson, die namentlich in den Jahrgängen 1945,
1947 und 1949 bemerkens werte Weine erzeugte. Doch in der Folgezeit investierte sie kaum noch in Weinberge und Gutsgebäude, die
sich am Ende in beklagenswertem Zustand präsentierten.
Zunächst entwickelten sich die Wein-Geschäfte
der Saiers in den 1980er Jahren prächtig, und das
Weingut in Morey-Saint-Denis blühte förmlich
auf. Das sollte sich jedoch im Jahr 1992 ändern, als
die Saiers sich an der Firma Félix Potin beteiligten,
die im Großraum Paris vier hundert Supermärkte
besaß. Als die Geschäfte dort stockten, mussten sie
die Domaine des Lambrays 1994 als Sicherheit verpfänden.
Ihr Weingut in Algerien hatten sie schon
vorher verkauft und die Weinberge in Mercurey
an das Weinhandelshaus Misserey abgegeben. Als
liebte sich sogleich in das historische Weingut. In
der Kanzlei von Maître Souchon in Long jumeau
bei Paris unterzeichneten Günter Freund und seine
Frau Ruth am 30. Dezember 1996 den Kaufvertrag.
Zum Preis von dreiundvierzig Millionen Francs,
was heute in etwa sieben Millionen Euro entspricht,
wurden sie die neuen Eigentümer der Domaine
des Lambrays.
Gutsverwalter Brouin erhielt alle Vollmachten,
das Weingut gründlich auf Vordermann zu bringen,
und durfte für die Restauration der Weinberge und
Mit der Domaine des Lambrays hat der
Luxus konzern LVMH vor anderthalb Jahren
ein wahres Schmuckstück erworben. Seit
1980 verwaltet der Önologe Thierry Brouin
das Weingut in Morey-Saint-Denis. Ihm ist
es zu verdanken, dass der Clos des Lambrays
als Grand Cru eingestuft wurde.
Kurz vor der Lese des Jahrgangs 1979 kauften
die Brüder Fabienne und Louis Saier
das Gut gemeinsam mit Roland Pelletier
de Chambure, einem reichen Rennstall besitzer und
Pferdezüchter in der Normandie. Nach dessen Tod
im Jahr 1988 übernahmen die Saiers seinen Anteil
und be saßen damit die Domaine des Lambrays
allein. Die Saiers waren Algerier elsässischen
Ursprungs, die in Nordafrika ein großes Weingut
besaßen sowie dreißig Hektar Weinberge im südburgundischen
Mercurey.
Schon ein Jahr nach dem Kauf hatten die Saiers
den zweiunddreißig jährigen Önologen Thierry
Brouin als Gutsverwalter eingestellt, der zuvor
beim Institut National des Appellations d’Origine
(INAO) für die Lagenprüfung an der Côte d’Or
und im Jura zuständig gewesen war. Dies sollte sich
als glänzende Wahl erweisen. Denn Brouin wusste
natürlich ganz genau, welche Wege zu beschreiten
waren, um den bislang als Premier Cru eingestuften
Clos des Lambrays in die höchste Kategorie zu
befördern. Den ent sprechenden Antrag brachte er
umgehend zu Papier und wies unter anderem darauf
hin, dass der frühere Besitzer Albert Rodier seinen
Wein in den 1920er Jahren unwider sprochen als
Grand Cru Classé etikettiert hatte.
In Morey-Saint-Denis existierten bis dahin vier
Grands Crus, von denen der siebeneinhalb Hektar
große Clos de Tart im Jahr 1938 als erster in den
Adelsstand erhoben worden war. Im Jahr 1969 folgten
drei weitere Lagen, der Clos de la Roche mit
siebzehn Hektar, der Clos Saint-Denis mit sechseinhalb
sowie der Bonnes-Mares mit insgesamt
fünfzehn Hektar, von denen allerdings nur zehn
Prozent zur Gemarkung von Morey-Saint-Denis
zählen; der größere Teil gehört zu der Nachbargemeinde
Chambolle-Musigny. Es ist die einzige
Grand-Cru-Lage der Côte de Nuits, die sich auf
zwei Ortschaften verteilt. An der Côte de Beaune
hingegen sind solche Verhältnisse keine Ausnahme.
Dem Antrag der Brüder Saier wurde seinerzeit
übrigens prompt stattgegeben. Die Unterzeichnung
des Dekrets zur neuen Klassifikation war die letzte
Amtshandlung des Premier ministers Raymond
Barre unter Valéry Giscard d’Estaing.
Félix Potin 1995 liquidiert wurde, waren die Saiers
auch ihr burgundisches Schmuckstück los, das
unter Zwangsverwaltung gestellt wurde. »Es war
ganz furchtbar,« erinnert sich Thierry Brouin, »die
Liquidation erfolgte exakt zwei Wochen vor der
Traubenlese. Gottlob ließ mich der kluge Insolvenzverwalter
aber in Ruhe arbeiten!«
Schon im nächsten Jahr nahte die Rettung
in der Person des Koblenzer Werbeunternehmers
Günter Freund. Auf dem Weg zu seinem Ferienhaus
in Saint-Tropez machte der Wein lieb haber
regelmäßig Station in Burgund, wo er 1975 zum
Chevalier du Tastevin geschlagen worden war. Von
einem befreundeten Architekten erfuhr er, dass die
Domaine des Lambrays zum Verkauf stand, und ver-
des Gutsgebäudes mit dem wunderschönen Park
fünf weitere Millionen Euro ausgeben.
Dazu zählte auch die Installation eines modernen
Kelterhauses, in dem Brouin bis heute die roten
Trauben mit den Stielen nach einer Mazeration von
fünf Tagen etwa eine Woche in Edelstahltanks vergären
lässt. Um die Extraktion der Farbe zu intensivieren,
wird der Maischehut mehrmals am Tag
untergestoßen und der Tresterkuchen mit jungem
Wein überschwallt. Nach einer weiteren Maischestandzeit
von zehn Tagen in geschlossenen Tanks
erfolgt der Abzug des Jungweins in zweihundertachtundzwanzig
Liter fassende Pièces, die jedes
Jahr zur Hälfte erneuert werden. Das Eichenholz
der kleinen Fässer stammt aus dem Massif
Central, gefertigt werden sie ausschließlich in der
Tonnellerie François Frères in Saint-Romain. Die
im Tank verbliebene Maische wird in einer pneumatischen
Presse schonend gekeltert und dem frei
abgelaufenen Jungwein meist wieder hinzugefügt.
Nach der malolaktischen Gärung wird der Wein
abgestochen und verbleibt dann mehrere Monate
auf der Feinhefe, bevor er anderthalb Jahre nach der
Ernte ohne Filtration und Schönung auf Flaschen
abgefüllt wird.
Es zählt zu den Besonderheiten der Domaine
des Lambrays, dass die von einer Mauer um gebene
Grand-Cru-Lage Clos des Lambrays statt liche fünfundachtzig
Prozent der insgesamt zehn Hektar
umfassenden Rotweinfläche umfasst. Wie die
16 17
FINE 3 | 2015 FINE Bourgogne
Weinland Schweiz
Ehret einheimisches Schaffen: Die Schweizer
Im Wallis mit seinem Hauptort Sierre an der Rhône werden
mehr als fünfzig verschiedene autochthone Rebsorten gehegt
und gepflegt. Die Roccoli, Türme aus dem 19. Jahrhundert,
die bis vor wenigen Jahrzehnten der Jagd auf Zugvögel dienten,
prägen auch hier das Landschaftsbild.
trinken ihre Weine selber. Dies führt dazu, dass
die Gewächse von Genf bis Graubünden im Ausland
kein Image geniessen – obwohl die Qualität in den
letzten zwanzig Jahren sprunghaft gestiegen ist.
Von Peter Keller
Fotos Alex Habermehl
Die Schweiz ist ein kleines Land. Vereinzelt ist das Selbstbewusstsein aber groß, auch in der Weinbranche. Nur so lässt sich erklären, dass
kürzlich ein Edelwein namens »Electus« lanciert und preislich mit knapp 200 Franken an der oberen Schmerzgrenze positioniert wurde.
Die ungewöhnliche Marketing-Idee hatte nicht ein besonders innovativer Kleinwinzer, sondern die Walliser Genossenschaft Provins, ein
Großunternehmen, das nicht weniger als ein Zehntel der Schweizer Weinproduktion von rund hundert Millionen Litern erzeugt. Die
dreitausendvierhundert Mitglieder der Kooperative bewirtschaften achthundertdreißig Hektar Rebland. »Electus« ist ein Reißbrett-
Wein, der sieben Rebsorten aus den besten Lagen enthält. Er soll dereinst in der Liga anderer Ikonen mitspielen, wie Sassicaia, Vega Sicilia,
Opus One und wie sie alle heißen.
Ob das gelingt, steht auf einem anderen Blatt.
»Electus«, eine abenteuerliche Assemblage
aus den regionalen Sorten Cornalin
und Humagne Rouge, den globalen Vertretern
Syrah, Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet
Franc sowie der Neuzüchtung Diolinoir, verdeutlicht
aber auch das Dilemma, in dem der Schweizer
Weinbau steckt. Einerseits will man beweisen, dass
das Land die klimatischen und geologischen Voraussetzungen
mitbringt, um große Weine zu erzeugen.
Andererseits wird mit dem Wein das Urteil zementiert,
die Schweiz sei teuer und für Aus länder eh
unerschwinglich. Immerhin liefert die Neu kreation
den Beweis dafür, dass die einheimische Weinszene
lebt – und das mehr denn je.
Die Branche hat sich in den letzten fünfzehn,
zwanzig Jahren markant verändert. Harmlose, säurearme
Chasselas-Weine aus der Westschweiz, langweilige
Beerliweine aus der Deutschschweiz sind
hinweggefegt worden von hochwertigen, charaktervollen
Kreszenzen, die selbst verwöhnte Kenner
entzücken. Seit Anfang des neuen Jahrtausends der
Heimatschutz für Schweizer Gewächse wegfiel und
die während langer Zeit gepflegte Selbstgenügsamkeit
einem neuen Denken Platz machte, wird nicht
mehr von Quantität, sondern von Quali tät gesprochen.
Selbstbewusste Winzer orientierten sich neu
24 25
FINE 3 | 2015 FINE Schweiz
Frauen im Wein
Dreiundzwanzigste Folge
»Schliesslich
lebe ich
vom Wein«
Sabine Steiner, die ambitionierte
Winzerin vom Bielersee
Von Peter Keller
Fotos Alex Habermehl
Sie kommen langsam, aber gewaltig – die Frauen im Schweizer Weinbau. Hinter
etablierten Namen wie Marie-Thérèse Chappaz aus dem Wallis oder Irene Grünenfelder
aus der Bündner Herrschaft drängen junge innovative Winzerinnen ins
Rampen licht. Zu ihnen zählt die talentierte Bernerin Sabine Steiner, die am westlichen
Ufer des Bielersees geradlinige, mineralische, hochstehende Weine keltert.
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FINE 3 | 2015 FINE Frauen im Wein
Mediadaten Kontakt Lieblingsweinhändler Händler
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»Weil
Innovation
das Herz des
Hauses ist!«
Mit dem neuen MCIII erweitert Moët & Chandon
die Definition eines Champagners
Von Stefan Pegatzky
Die Champagne ist in Bewegung. Spätestens seit der Jahrtausendwende gärt es in der Region, die jahrhunderte lang als Inbegriff der französischen
Klassik galt. Neue Wege der Herstellung, sich wandelnde Konsumenten gewohnheiten und ein verändertes Geschmacksbild
haben alte Weisheiten infrage gestellt. Mit behutsamen Modernisierungen und radikalen Produktinnovationen versuchen die großen
Häuser, auf die Herausforderungen zu reagieren. Nun hat Moët & Chandon, Marktführer und Grande Maison der Region, die neue,
äußerst limitierte Spitzen-Cuvée MCIII in Paris vorgestellt.
Fotos: Moët & Chandon
Stéphane Baschiera stutzt nur für einen Augenblick.
Denn die Antwort liegt doch scheinbar
auf der Hand. Inwiefern der MCIII die Seele
von Moët & Chandon verkörpere? »Weil Innovation
das Herz des Hauses ist!« Dem fein sinnigen
Präsidenten und CEO von Moët & Chandon ist
anzumerken, wie sehr er sich mit seinem Produkt
identifiziert. Für ihn ist der MCIII der Champagner
für das dritte Jahrtausend. Denn er reflektiert eine
Zeit, in der alles infrage gestellt wird und in der
sich die Dinge in unglaublicher Geschwindigkeit
ändern. Und vor allem: in der es, wie er sagt,
»nicht mehr nur die eine Wahrheit gibt«. Stéphane
Baschiera lächelt, als er an diesem Morgen in einer
Pariser Hotelsuite den Satz ausspricht, und es macht
nicht den Eindruck, als ob er darüber sonderlich
betrübt wäre.
Dabei beruhte das Geschäftsmodell aller großen
Champagnerhäuser lange Zeit vor allem darauf:
auf der einen Wahrheit, oder besser gesagt: ihrer
eigenen – dem Style de la Maison. Dieser nahezu
sakro sankte Stil eines Hauses drückte vor allem
dem wichtigsten Produkt der großen Champagnerhäuser,
den Standardcuvées oder Bruts sans année
(Brut ohne Jahrgang, BSA), seinen Stempel auf.
Wenn man sich vergegenwärtigt, dass etwa fünfundneunzig
Prozent der Champagner erzeugung aus
solchen BSAs besteht, erkennt man die Reichweite
dieser Grundidee. Zumal die restlichen fünf
Prozent, die als Jahrgangschampagner abgefüllt
werden, häufig lediglich als eine Art Super-BSA des
Hauses interpretiert wurden, wie es der Journalist
Bernard Burtschy einmal im Figaro formuliert hatte:
intensiver und etwas fokussierter, aber auch ohne
besondere Eigenart.
Erreicht wurde diese Einheitlichkeit durch
die Kunst der Assemblage. Anders als es der
Mythos der Méthode champenoise will − also der
(zweiten) Gärung der Weine in der Flasche –, ist
diese Kunst wohl tatsächlich von Dom Pérignon
erfunden worden. Der Benediktinermönch hatte
zu Beginn des 18. Jahrhunderts entdeckt, dass die
Flaschen gärung aus Weinen verschiedener Jahrgänge,
Trauben und Lagen bessere Resultate zeitigte
als die von unverschnittenen Weinen. Die Assemblage
eliminiert die Schwächen der Einzelbestandteile
und erzeugt ein Produkt von Harmonie und
Balance. Auf jeden Fall entsteht ein Wein, der größer
ist als die Summe seiner Teile.
Diese Art der Weinerzeugung stand etwa
der traditionellen Auffassung in den deutschen
Weinanbaugebieten diametral entgegen.
Hier lag die Reinheit, insbesondere die
Reb sortenreinheit des Weins, immer im ideellen
Zentrum. Wein war wiederauferstandene Natur
(»die Traube muss sterben, damit der Wein zum
Leben erweckt werden kann«, wie Stuart Pigott
einmal zitiert hat), und der Winzer war gemäß
dieser Idee mehr oder weniger nur die Hebamme.
In der Champagne (aber auch in Regionen wie
dem Bordelais oder der Rhône) sucht der Winzer
da gegen eine Balance, von der er annimmt, dass
sie in der Natur unmittelbar nicht gegeben ist. Er
begreift die Trauben in ihrer Komplemen tarität,
nicht als Wert an sich. Der Kellermeister ist ein
74 75
FINE 3 | 2015 FINE Champagne
Sternstunden
des Syrah
Dreissig Weine,
sechs Jahrzehnte,
vier Kontinente
Von Dirk R. Notheis
Fotos Christof Herdt
Die Aufgabe für Harald Wohlfahrt war diesmal
keine geringere, als für eine Auswahl
der wohl besten Syrahs aller Zeiten aus
vier Kontinenten »begleitende Speisen zu bereiten,
die die Weine in den Mittelpunkt stellen und ihren
Charakter unterstreichen«, wie es der Küchenkünstler
in der ihm eigenen Bescheidenheit ausdrückt.
Ihn, der sich bis heute konsequent aus
dem Scheinwerferlicht der Fernsehstudios ferngehalten
hat, zeichnet jene Demut aus, die für ganz
große Küche unerlässlich ist. Er versteht sich als
Diener seiner Speisen und seiner Gäste und eben
nicht umgekehrt. Wer seine lackierte Taube, sein
Kalbsbries mit Spargeln und seinen getrüffelten
Parmesan schaum einmal probiert hat, wird dies
bestätigen. Seine Perfektion, seine Kreativität und
seine Bodenständigkeit sind einmalig in Deutschland
und setzen Maßstäbe auch darüber hinaus.
Der Probe von insgesamt einunddreißig
Spitzen Syrahs aus sechs Jahrzehnten und vier
Konti nenten lag das Konzept zugrunde, sowohl
das Einende als auch das Trennende der faszinierend
vielfältigen Sorte über An- und Ausbauphilosophien,
Klimazonen und Terroirs hinweg
zu dokumentieren. Hier wurde verglichen, was
eigentlich nicht zu vergleichen ist, denn, so die erste
zwingende Erkenntnis: »Syrah« und »Shiraz«
sind zwar Synonyme, doch in ihrer geschmacklichen
und texturalen Beschaffenheit sind sie sehr
ver schieden. Shiraz aus Übersee kann eben nicht
mit den Klassikern von der Rhône in einen Topf
ge worfen werden. Die auf tiefer und bisweilen
marme ladiger Frucht, höchster Konzentration,
Viskosi tät und Alkoholwerten gründenden Weine
aus Australien und Kalifornien bilden vielmehr eine
eigenständige Kate gorie von Weltformat.
Ob die Syrah-Traube genetisch eine Kreuzung
der altehrwürdigen Sorten Dureza und Mondeuse
Blanche oder gar ein Urenkel des Pinot Noir ist,
spielte für die Verkostung keine Rolle. Es waren
wohl die Griechen, die von Marseille aus gegen
Norden zogen und entlang der Rhône die ersten
Syrah-Reben pflanzten. Genau dort, wo bis heute
die komplexesten und feinsten Weine aus der
Traube gekeltert werden. Zum Siegeszug in die
globale Weinwelt setzte die Rebsorte vor gut anderthalb
Jahrhunderten an, und zwar primär in warme
und sonnenreiche Gefilde, deren Mikroklimata der
dickschaligen und mit hoher Konzentration an
Farbe und Tannin ausgestatteten Traube besonders
entgegenkommen. Herausragende Ergebnisse mit
Shiraz werden bis zum heutigen Tag vor allem in
Australien, in Nord- und Südamerika und in Südafrika
erzielt. Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten
sind die Kinder der Neuen Welt erwachsen
geworden. Vor dem Hintergrund gewandelter
Geschmackspräferenzen fordern sie heute ihre
Ahnen von der Rhône ernsthaft heraus.
Den Auftakt zur Probe bildete Europa mit
einem Triumvirat der aktuell vielleicht
besten Syrahs Italiens, allesamt aus der
Maremma, dem südlichsten Teil der Toskana. Der
Scrio von Le Macchiole präsentierte sich dabei
mit saftig süßem Auftakt von roten Früchten und
dichtem, schokoladigem Finish. Was die Konzentration
betrifft, blieb er allerdings etwas hinter
dem Syrah von Tua Rita zurück, obgleich der sich
mit seinen typischen Röstaromen und Espresso-
Noten und seiner likörigen Süße von Cassis und
Him beeren noch in frühem Reifestadium befindet.
Als Gegenstück beeindruckte der Tinata des
auf strebenden, am südlichen Zipfel der Maremma
gelegen Weinguts Monteverro aus Capalbio. Durch
seine feine Textur und seine moderaten Toast noten
bei zugleich süßer und präziser Frucht präsentierte
er sich mit angenehmer Frische und Mineralität.
Sein zarter Schmelz mit den seidigen Tanninen
ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass
in der finalen Assemblage dem Syrah 30 Prozent
Grenache beigemischt wurden; damit war ein
unmittelbarer Vergleich mit seinen reinsortigen
Konkurrenten nur bedingt gegeben. In jedem Fall
haben beide, der Tinata wie der Tua Rita Syrah,
eine große Zukunft.
Nach der italienischen Ouvertüre folgte
eine Auswahl von fünfzehn Weinen der
nörd lichen Rhône, die nicht nur zu den
Größten der letzten sechs Jahrzehnte zählen, sondern
auch zu den weltweit größten Syrahs überhaupt.
Zunächst stand die Lage Hermitage im
Fokus, jeweils mit den Spitzenprodukten der drei
führenden Weingüter Jaboulet Aîné, Chave und
Chapoutier mit den legendären Jahrgängen 1978,
1990 und 2003. Wie sich die 78er nach fast vierzig
Jahren im Glas präsentierten, war schlicht
eine Sensation und ein lebender Beweis für die
Lang lebigkeit großer Syrahs von der nördlichen
Rhône. Paul Jaboulets Hermitage La Chapelle
hatte dabei mit seiner immer noch fast jugendlichen
Frische und massiven Konzentration die Nase
vorn, obgleich der etwas weiter gereifte Hermitage
von Chapoutier durch Finesse und Eleganz überzeugte.
Schade, dass sich der Hermitage von Jean-
Louis Chave aufgrund eines leichten Korkfehlers
nicht in bester Verfassung befand und damit den
Vergleich mit den beiden Terroir Nachbarn nicht
auf nehmen konnte. In perfektem Zustand hätte er
zweifelsfrei einen mindestens ebenbürtigen Herausforderer
abgegeben.
Nach dem 78er Flight folgte das unumstrittene
Highlight der Verkostung mit Paul Jaboulets
Hermitage La Chapelle von 1961. Man muss lange
suchen, um auf Auktionen noch eine Flasche dieses
legendären Elixiers zu finden, denn der Wein zählt
zweifelsfrei zu den unwiederbringlichen Wunder
Wenn Harald Wohlfahrt, Deutschlands bester Koch, und sein Alter Ego, Sommelier
Stéphane Gass, gemeinsam zur Tat schreiten, verspricht dies gewöhnlich besonderen
Genuss. Wenn dabei eine Reihe von Weinikonen aus aller Welt geöffnet wird, kann man
getrost von einer Sternstunde sprechen. So geschehen an einem Aprilwochenende im
Kleinod der deutschen Gastronomie, der Traube Tonbach in Baiersbronn. Nicht zuletzt
durch die Leistung von Unter nehmer persönlich keiten wie Traube-Hotelier und Grandseigneur
Heiner Finkbeiner hat sich die kleine Gemeinde im Nordschwarzwald in den
letzten Jahrzehnten konsequent zum Magneten für Genießer und Feinschmecker aus
ganz Europa entwickelt. Auch Weinfreunde aus aller Welt kommen bei der inter national
mehrfach ausgezeichneten Weinkompetenz der Traube auf ihre Kosten.
Mit Fingerspitzengefühl: Während Sommelier Stéphane Gass die kostbaren Tropfen behutsam ausschenkt, legt Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach letzte Hand an
den ersten Gang.
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FINE 3 | 2015 FINE Tasting
Eine önologische
zu den grossen
Rundreise
Weinen Siziliens
Teil 2: Die Küste entlang
Von Michael Schmidt
Fotos Thilo Weimar
Weinberg mit Meerblick: Die Chardonnayund
Viognier-Trauben von Gurra di Mare
an der sizilianischen Südküste werden auf
Feudi del Pisciotto verarbeitet.
Während sich der erste Teil unserer sizilianischen Reise den
Weingütern, Winzern und Weinen rund um den Ätna
widmete (Fine 4/14), gilt unser önologisches Interesse
nun dem Süden und Westen der Insel.
Auch hier wird die Qualitätsschlacht geschlagen: etwa in Trapani und in
Alcamo im äußersten Nordwesten, im Agrigento an der Südküste und in den
Provinzen Palermo im Norden und dem südlich angrenzenden Caltanissetta
mit dem Cerasuolo di Vittoria, der einzigen Denomina zione di Origine
Controllata e Garantita (DOCG). Dass viele dieser Weine nicht unter die
Ursprungsbezeichnungen DOC oder DOCG fallen, sondern in die erst 2011
eingeführte Kategorie für Landweine, Terre Siciliane Indicazione Geografica
Tipica (IGT), steht nicht für geringere Qualität, sondern dafür, dass sich
manche Erzeuger die größeren Freiräume dieser Appellation zunutze machen
wollen. Für den Verbraucher wurde mit der neuen Bezeichnung allerdings
mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen, da es schon vorher eine inselweit
geltende Sicilia IGT gab, die 2011 rundum zur DOC Sicilia befördert wurde.
Vom Klima her gelten im Süden und Westen der Insel natürlich ganz andere
Bedingungen als um den Ätna, und bei oft unbarmherzigem Sonnenschein
und geringen Niederschlägen ist Bewässerung fast unumgänglich. Was jedoch
die besten Erzeuger mit den Winzern des Ätna gemeinsam haben: Auch sie
besinnen sich wieder auf die Stärke ihrer einheimischen Sorten. Insolia, Grillo,
Fiano bei den Weißen und Frappato, Perricone und natürlich Nero d’Avola
bei den Roten haben in unseren Verkostungen bewiesen, dass sie sich nicht
vor den Gewächsen aus Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Merlot verstecken
müssen. Natürlich lassen sich die internationalen Sorten auch hier
noch leichter verkaufen, aber wer neugierig auf das ursprüngliche Sizilien
ist, sollte sich auch auf die wahren Autochthonen einlassen. Soviel kann ich
versprechen: Ihre erste Flasche wird nicht Ihre letzte sein.
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FINE 3 | 2015 FINE Sizilien
ABGANG
Lob der
Unabhängigkeit
„Seit mehr als zwanzig Jahren selektiere ich für Sie die feinsten Weine der Welt …
162 FINE 3 | 2015
Vor nicht allzu langer Zeit erregte Christian Bau, der Drei-Sterne-Koch aus dem
saarländischen Perl, einige Aufmerksamkeit mit einem Interview in der »Welt«-
Beilage Icon. Darin hatte er die fragwürdigen Verflechtungen mancher Restaurants
und Gastrokritiker, speziell einiger Blogger, aufs Korn genommen und heftig
kritisiert: »Die Gastronomen«, so sagte er da, »haben sich überlegt, wie sie das
Interesse an ihren Restaurants steigern können, und haben die Blogger eingeladen.
Einige haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt und das überstrapaziert und
angefangen, sich nur noch durchzuschnorren. Irgendwann ist die Sache gekippt.«
So weit, so schlecht. Das Echo auf Baus Äußerungen war in der Branche
immens, die Ablehnung solch sumpfiger Praktiken, ob geheuchelt oder aus ehrlichem
Herzen, einhellig. Mir selber ist seit mehr als dreißig Jahren das delikate Verhältnis
zwischen Köchen und ihren Kritikern aus eigener Anschauung bekannt. Und fast
jeder kennt Geschichten von Restaurantkritikern, die mit ihrer Familie in Sterne-
Häusern umsonst tafelten, von Weinverkostern, die Weingüter mit einem Kofferraum
voller Flaschen verließen, von Auto-Testern, die bei ihren Presse unterlagen
einen diskreten Briefumschlag mit Barem fanden.
Seriöse Rezensenten, die sich bei ihren kritischen Begutachtungen der (Spitzen-)
Leistungen von Köchen und Winzern stets ihrer Verantwortung den Koch künstlern,
Restaurateuren und Weinmachern, ebenso aber ihrem Leser publikum gegenüber
bewusst sind, weisen korrumptive Versuche selbstverständlich kategorisch zurück.
Ihre durch lange Erfahrung, geduldige Recherche und hohe Sachkenntnis untermauerten
Urteile begründen ihre Unabhängigkeit. Ihr so passionierter wie kritischer
Journalismus kann sich nur unter Ausschluss dritter Interessen entfalten. Und nur
so dient er auch aufklärerisch der stetigen Verbesserung der Szene. Darin ist sich
Fine Das Weinmagazin mit anderen seriösen Zeitschriften und verant wortungsvoll
geschriebenen Blogs einig.
Freilich, das muss man sich auch leisten können. Dieses Geschäftsmodell,
das ohne Alternative ist, hat seinen Preis. Es ist daher im Sinn des Publikums wie
der Produ zenten und ihrer Verbände, wenn sie alle das Ihre dazu tun, diese unabhängigen
kritischen Stimmen zu erhalten und die Verlage und Blogs im Rahmen
normaler Geschäftstätigkeit und angemessenen Geschäftsgebarens mit den legalen,
unverdächtigen Mitteln zu stützen, die ihnen am Ende mehr Nutzen ein tragen als
teure PR-Aktionen oder ehrenrührige Angebote.
Eine heitere Illustration zum Schluss: Vor kurzem traf sich eine kleine kennerische
Zufallsrunde im Restaurant, darunter ein freilich über alle Zweifel er habener
Gourmetkritiker. Einige kostbare Flaschen wurden geleert, am Ende die Rechnung
auf den Tisch gelegt. »Am besten schmecken doch die Weine, die man selber zahlt«,
sagte behaglich ironisierend der Kritiker, stand auf und verabschiedete sich. Wer
hat die Rechnung beglichen? Dreimal dürfen Sie raten.
Ralf Frenzel
Herausgeber
… um Ihnen die beste Weinauswahl Deutschlands zu präsentieren.“
Ihr Heiner Lobenberg
Neues Lager – schnellere Lieferungen
Dieses Jahr sind wir mit unserem kompletten Lager
umgezogen. Der Vorteil für Sie: Mit unserem neuen
Distributions-Zentrum können wir Ihre Bestellungen
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Ausgezeichnet als Deutschlands
bester Weinhändler!
2010 – Der Jahrhundertjahrgang
† Domaine de Courteillac
Bordeaux Superieur
2010 • 0,75 l • 14,95 € (19,93 €/l)
Merlot, Cab. Sauv., Cab. Franc • Barrique
Lobenberg 92+ • Gerstl 18 • Suckling 91
Lobenberg: Dieses Weingut von Dominique
Meneret wurde einst von Stephane Asseo gegründet,
der dann erfolgreich als Winzer in die
USA auswanderte, und der zuvor einer der Pioniere
in Castillon war. Sattes Schwarz mit leichtem
violetten Rand. Tolle Frische, dunkle Pflaumen
und rote Kirschen nebst Schattenmorellen
in der Nase. Leichte Blumigkeit, Veilchen, Rosenblätter.
Gute Wucht mit noch mehr Charme
und verschmitzter, kirschiger Seidigkeit. Sehr
rassiger Mund. Unerwartet tief. Schwarze und
rote Frucht satt, aber mit schöner, harmonischer
Säure. Geschliffenes Tannin. Der Wein singt,
hat Rasse, ist sehr intensiv, nimmt viel Platz ein.
Der Alkohol verbindet sich mit der Säure und
dem feinen Tannin zu einem frischen, rassigen,
sehr harmonischen Gesamtwerk. Charme ohne
Ende. Ein rundum toller Wein aus dem Jahrhundertjahrgang
2010. 92+/100
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