Leichtbau erfordert neues Denken - MVI Group

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Fahrzeugerprobung Grenzerfahrungen Ohne physische Fahrerprobung rollt kein neues Modell zum Kunden. Durch den Trend zum Leichtbau wird sie wichtiger denn je. Und angesichts immer stärker vernetzter Elektronik steht die integrierte Absicherung vor ganz neuen Herausforderungen. War es noch in den siebziger Jahren ein außergewöhnliches Ereignis, wenn ein Automobilhersteller ein Nachfolgemodell präsentierte oder gar in ein völlig neues Segment vorstieß, reisen Fachjournalisten heute im Wochenrhythmus zu solchen Fahrzeugvorstellungen. Die erhöhte Schlagzahl haben Entwickler, Konstrukteure und Produktionsplaner nur erreicht, weil immer mehr Phasen im Fahrzeugentstehungsprozess zeitgleich bearbeitet werden können, ohne dass ein Produkt physisch vorliegt: Aerodynamische Gegebenheiten werden simuliert, lange bevor der Prototyp im Windkanal steht. Und die digitale Fabrik macht den Produktionsablauf schon zu einem Zeitpunkt transparent, da noch kein Roboter bestellt, keine Karosseriepresse in der Werkshalle steht. Das Arbeiten mit virtuellen Welten hat die Entwicklungszeiten glatt halbiert. Die Simulation hat jedoch Grenzen: Kein neues Automobil rollt zum Kunden, das nicht im Zuge einer Dauererprobung im realen Fahrbetrieb unter Beweis gestellt hat, dass das Baureihenteam ganze Arbeit geleistet hat. Selbstredend wird auch im letzten Entwicklungsstadium eines Fahrzeugs nichts dem Zufall überlassen. Spezialisten wie das MVI-Unternehmen TVS tragen genau dafür Sorge. Das 14 Akronym steht für „Technischer Versuch und Service“ – und der Name ist Programm. Härtetest auf 12 Millionen Kilometer „Unsere mehr als 200 Versuchsfahrer spulen jährlich rund zwölf Millionen Kilometer ab“, verrät Dr. Jan Bröcking; er ist Geschäftsführer der TVS in Weyhausen, von wo aus die Testfahrer koordiniert werden. Den weitaus größten Teil ihres Programms absolvieren sie auf einem abgeschlossenen Testgelände, einige hundert tausend Kilometer auch auf öffentlichen Straßen. Und das nicht irgendwie, sondern nach genau definierten Vorgaben und so routiniert, dass sie unterschiedliche Fahrprofile zuverlässig reproduzieren können. „Nur dann kommen aussagefähige Ergebnisse zustande“, erläutert Bröcking. Genau das sei entscheidend, damit die Entwickler des Herstellers auf Anhieb zielführende Maßnahmen ergreifen können, die die letzten Schwachstellen dauerhaft ausmerzen. Deshalb sind praktisch alle Fahrer entsprechend ausgebildet und verfügen über langjährige Erfahrung. Und die ist offenkundig durch nichts zu ersetzen: „Ihr subjektives Urteil wiegt genauso viel wie die harten Messergeb- nisse“, bestätigt der promovierte Ingenieur Bröcking. Die fortschreitende Internationalisierung führt dazu, dass die Automobilhersteller einen immer größeren Teil ihres Modellprogramms weltweit anbieten. Andere Märkte bedeuten aber auch andere Gebrauchs- und Belastungsprofile. „Die Erfahrung zeigt, dass die nach europäischen Kriterien ausgelegten Fahrzeuge in den neuen Märkten zuweilen Probleme aufweisen“, weiß Bröcking. Der Trend zum Leichtbau führe außerdem zu anderen Produktdesigns – immer öfter in neuen Werkstoffkombi nationen. Deren Material- und Versa gens daten sind in der Regel heute allerdings noch nicht von der Qualität, die die Entwicklungsingenieure brauchen, um aus der reinen Simulation belastbare Ergebnisse zu erzielen. „Was bislang gehalten hat, hält plötzlich nicht mehr“, bringt es Walter Lohr auf einen einfachen Nenner; er verantwortet als Geschäftsführer u. a. den TVS- Standort in München. Auf Leichtbau getrimmte Bauteile dämpfen außerdem den Körperschall tendenziell weniger als massereiche. Gleichzeitig sind die Autos innen wie außen immer leiser geworden. Deshalb fallen den Insassen heute Störgeräusche auf, von deren Existenz sie früher gar Fotos: © VW
nichts ahn ten – für Jan Bröcking klare Anzeichen für einen „neuen Bedarf an realer Fahrerprobung“. Die weitere Elektrifizierung des Antriebsstrangs stützt diesen Befund noch. Messtechnik wird immer bedeutender Damit der Fuhrpark der für die Fahrerprobung abgestellten Fahrzeuge nicht grenzenlos anschwillt, haben die Ingenieure den Umfang an Prüfkriterien, die mit jeder Testfahrt abgearbeitet werden, in den letzten Jahren ständig ausgeweitet. Ein Erprobungsfahrzeug gleicht mehr denn je einem rollenden Datenerfassungsgerät. „Wir bauen daher unsere Kompetenz in der Messtechnik laufend aus“, erläutert Lohr. In den Automobilen mit dem letzten Stand der Technik sind die elektroni- schen Systeme untereinander hochgradig vernetzt. Entsprechend komplex sind dann auch die Aufgaben im Rahmen der integrierten Absicherung. Bei der Planung und Steuerung dieser interdependenten Funktionsprüfungen genießt das MVI-Unternehmen „nicht selten Projektleiter-Status“, hebt Lohr eine weitere Kernkompetenz der TVS hervor. Und auf diesem Feld warten neue Herausforderungen: Die kommenden Modellgenerationen werden nicht nur noch mehr Assistenzsysteme bieten, sondern auch mit den Fahrzeugen in der Peripherie sowie der Infrastruktur kommunizieren können. Dadurch sowie mit Blick auf den klaren Trend zum Leichtbau „kommen spannende Aufgaben auf uns zu“, erwartet das TVS-Management – und scheint gut vorbereitet: Durch die intensivere Zusammenarbeit mit den beiden ande- | Der TVS-Standort Weyhausen wird zum Kompetenzzentrum für Messtechnik ausgebaut. | Bei der Fahrerprobung zählt auch der subjektive Eindruck des Testfahrers. | Die TVS-Geschäftsführer Dr. Jan Bröcking (l.) und Walter Lohr erwarten „spannende Aufgaben“ in der Erprobung und integrierten Absicherung. ren Engineering-Unternehmen der MVI Group wird der erst im vergangenen Jahr neu in Betrieb genommene Standort in Weyhausen zum Kompetenzzentrum für Messtechnik und Betriebsfestigkeit sowie zukünftig für Leichtbau ausgebaut. Das konzertierte Engagement im Motorsport hat schon einmal aufgezeigt, wie es gehen kann. 15 Fotos: © VW
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