Leichtbau erfordert neues Denken - MVI Group
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Trend<br />
Paradigmenwechsel in<br />
der Branche<br />
Die Automobilindustrie feiert weltweit Absatzrekorde. Dennoch:<br />
Die heutigen Fahrzeugkonzepte haben weitgehend ausgedient. Sie sind viel<br />
zu schwer. Den wenigen <strong>Leichtbau</strong>-Spezialisten winken lukrative Aufträge.<br />
Unbeeindruckt vom Gegenwind von<br />
den Finanzmärkten läuft der Motor<br />
in der Automobilindustrie derzeit mit<br />
Nenn drehzahl: Der Volkswagen-Konzern<br />
will in den nächsten fünf Jahren mehr<br />
als 60 Milliarden Euro in neue Werke,<br />
Modelle und Antriebstechnik investieren.<br />
BMW vermeldete jüngst eine Werksauslastung<br />
von 110 Prozent. In dieses Bild<br />
passt auch die Einlassung von VDA-Präsident<br />
Matthias Wissmann zum Abschluss<br />
der IAA in Frankfurt: „2011 wird ein hervorragendes<br />
Jahr“.<br />
Doch die Vollgasfahrt ist auch ein<br />
Ritt auf der Rasierklinge. Denn hinter<br />
dem stabilen Tagesgeschäft wartet eine<br />
Zukunft voller Imponderabilien – nicht<br />
nur, weil die Volkswirte davon ausgehen,<br />
dass die Weltwirtschaft im nächsten Jahr<br />
einen Gang zurückschaltet. Noch nie<br />
war die Herausforderung für die Branche<br />
größer, einen alten, in Bezug auf die Gewichtung<br />
der Parameter aber immer wieder<br />
anders konfigurierten Zielkonflikt<br />
aufzulösen: Der Verbrauch soll drastisch<br />
sinken, obwohl die Kunden eher mehr<br />
Komfort und Sicherheit erwarten denn<br />
weniger. Mit neuen Antriebskonzepten<br />
soll das Auto außerdem zunehmend umweltfreundlich<br />
im eigentlichen Sinn werden<br />
– und dies alles zu kaufkraftadäquaten<br />
Kosten.<br />
Auch wenn das letztgenannte Ziel<br />
sowie die Gesetze der Physik und Elektrochemie<br />
nicht unbedingt dafür sprechen,<br />
so scheint der Trend zum immer stärker<br />
elektrifizierten Antriebsstrang doch un-<br />
4<br />
Foto: © R. Stricker<br />
umkehrbar. Es entbehrt nicht einer gewissen<br />
Ironie, dass erst die Euphorie für das<br />
Elektroauto den Ingenieuren eine lange<br />
vernachlässigte Kerndisziplin, die eigentlich<br />
davon völlig unberührt ist, wieder ins<br />
Bewusstsein gerückt hat: den <strong>Leichtbau</strong>.<br />
Denn nur wenn es gelingt, die Masse<br />
eines Elektroautos gegenüber heutigen<br />
konventionellen Fahrzeugen drastisch<br />
zu reduzieren, reicht die Energie selbst<br />
künftiger Batterien für halbwegs akzeptable<br />
Reichweiten.<br />
<strong>Leichtbau</strong> wird zur wichtigsten<br />
Technologie<br />
Kein Wunder also, dass bei einer im August<br />
veröffentlichten Umfrage des Marktforschungsinstituts<br />
Puls 17 Prozent der<br />
200 befragten Automobilzulieferer den<br />
<strong>Leichtbau</strong> als die wichtigste Technologie<br />
der Zukunft benannten. Noch im Vorjahr<br />
lag die Elektromobilität mit 21 Prozent<br />
1010 kg<br />
Gewichtsentwicklung in der Mittelklasse<br />
BMW 3er 1975 ... und heute<br />
an der Spitze, 2011 kam sie gerade noch<br />
auf 8 Prozent (Rang zwei).<br />
Schlägt die bewegte Masse beim<br />
Elektroauto in Form von geringerer<br />
Reichweite durch, treibt sie beim Fahrzeug<br />
mit Verbrennungsmotor die CO 2 -<br />
Emissionen hoch. Und da droht Ungemach:<br />
Ab 2020 ist in der EU nur noch<br />
ein Flottenausstoß von 95 g/km des<br />
Treibhausgases zulässig. Erzielen gerade<br />
einzelne deutsche Hersteller nicht noch<br />
erhebliche Fortschritte, könnten auf sie<br />
Strafzahlungen in Milliardenhöhe zukommen,<br />
wie die PA Consulting <strong>Group</strong> ausgerechnet<br />
hat.<br />
Bislang ist es den Herstellern allenfalls<br />
gelungen, die Gewichtsspirale zu<br />
stoppen. Schon ein Zentner Gewichtsreduktion<br />
wird als Erfolg gefeiert. Doch<br />
solche inkrementellen Verbesserungen<br />
werden bei weitem nicht reichen, die<br />
langfristig eher noch schärferen Vorgaben<br />
zu erfüllen. Die Zeit drängt. Denn<br />
| Die BMW 3er-Reihe ist seit der ersten Generation um rund 40 Prozent schwerer geworden.<br />
1425 kg