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Falstaff Karriere 2/2016 - powered by hogastjob.com

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karriere / KARRIEREWEGE<br />

KLAUS PIBER, GASTRONOM<br />

Ein zart-bitterer Erfolg<br />

»Insolvenz eines Szene-Gastronoms« und<br />

»Millionen-Pleite einer prominenten Wiener<br />

Restaurant-Gruppe«. Klaus Piber ärgert sich<br />

auch ein halbes Jahr nach diesen Zeitungs-<br />

Schlagzeilen noch über das, was Ende 2015<br />

medial passiert ist. Erstens: »Als ob ich ein<br />

Imperium gehabt hätte.« Zweitens: Es ging<br />

weder um Unternehmens- noch Privatkonkurs,<br />

sondern um ein Sanierungsverfahren. »Ich<br />

hätte auch noch weiter wurschteln können,<br />

aber ich bin Unternehmer und hatte die Verantwortung,<br />

etwas zu tun. Alleine den Mitarbeitern<br />

und Lieferanten zuliebe.« Das Verfahren<br />

(ohne Eigenverwaltung) ist mittlerweile,<br />

dank des bereits erfolgten Erlags der 5 %<br />

Quote von den vereinbarten 20 % plus der<br />

Gerichts- und Verfahrenskosten, abgeschlossen<br />

und auf Kurs. Aber was war passiert? Im<br />

Mai 2015 hatte der gestandene Gastronom<br />

sein viel beachtetes viertes Restaurant, das<br />

»Mercado«, eröffnet – »in Kombination mit<br />

dem Rekord-Hitze-Sommer 2015 hat mich<br />

das ausgeblutet. Wir sind taktisch gut aufgestellt<br />

mit den unterschiedlichen Restaurants.<br />

Das eine zieht besonders bei Regen, das andere<br />

hat einen schönen Schanigarten in bester<br />

Innenstadtlage – aber im letzten Sommer<br />

ging gar nichts mehr, es war einfach zu heiß.<br />

Die Wiener haben scharenweise die Stadt verlassen.«<br />

Doch es sind weniger die Wetterkapriolen,<br />

über die der seit 20 Jahren Selbstständige<br />

spricht. Sein Anliegen ist ein anderes:<br />

»Wir brauchen dringend mehr Flexibilität in<br />

der Branche. In den USA kann ich beispiels­<br />

»Man muss verstehen,<br />

die Früchte seiner<br />

Niederlagen zu ernten.«<br />

OTTO STOESSL österreichischer Autor<br />

KARRIERE Sie sind Ende der 1980er mit<br />

ihren Grazer Konditoreien in die Insolvenz<br />

geraten. In Interviews meinten Sie immer<br />

wieder, die Expansion wäre zu schnell<br />

und mit zu wenig Eigenkapital erfolgt.<br />

Wie handhaben Sie das heute?<br />

JOSEF ZOTTER Ja, das ist etwas, das ich<br />

schmerzlich gelernt habe: Wachstum auf<br />

Basis von Bankschulden funktioniert nicht.<br />

Unternehmer sind eine sehr eigene Spezies,<br />

vor allem jene, die sich sehr oft nah an die<br />

Absturzlinie heranwagen. Da könnte der<br />

Staat meiner Meinung nach helfen. Man<br />

könnte z. B. sagen, dass jeder Unternehmer<br />

innerhalb von fünf Jahren 50 % Eigenkapital<br />

aufbauen muss. Wer das nicht schafft,<br />

muss vom Markt oder bekommt noch ein<br />

Jahr Frist. Dann würden auch halbwegs<br />

realistische Projekte entstehen. Der Markt<br />

ist so oder so gnadenlos, deswegen sterben<br />

auch im Moment so viele Wirte. Die meisten<br />

kalkulieren nie real – Registrierkasse<br />

hin oder her. Man könnte auch folgendes<br />

vorgeben: Wenn du 50 % Eigenkapital vorweisen<br />

kannst, wirst du drei Jahre lang von<br />

der Registrierkassenpflicht und der Steuer<br />

befreit. Ich selbst habe mir mehr als 50 %<br />

Eigenkapital auferlegt – seit das vorhanden<br />

ist, darf ich auch wieder Fehler machen.<br />

Wie erkennt man den Punkt, an dem es<br />

Zeit ist aufzuhören?<br />

Wenn sich ein Business nicht mehr selbst<br />

trägt und man nur noch damit beschäftigt<br />

ist Geld aufzutreiben, statt sich um das<br />

Geschäft zu kümmern, ist es eigentlich<br />

schon vorbei.<br />

Haben Sie das Gefühl, dass es heute einen<br />

besseren Umgang mit dem Thema Scheitern<br />

gibt, als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten?<br />

JOSEF ZOTTER Immer mit über 50 % Eigenkapital.<br />

Das auf jeden Fall. Eine Kultur des Scheiterns,<br />

wie in den USA, haben wir noch lange<br />

nicht, brauchen wir aber. Sonst gehen<br />

Ideen verloren – oder werden gar nicht erst<br />

umgesetzt. Eines muss man aber sagen:<br />

Unternehmer, die schei tern, haben diese<br />

Kultur auch meistens selbst nicht intus und<br />

versuchen zu vertuschen.<br />

Wie viele Ihrer jetzigen Produktideen<br />

gehen auf, wie viele verwerfen Sie oder<br />

beweisen sich nicht am Markt?<br />

Ich schaue nie, ob sich eine Sorte – es sind<br />

derzeit 365 – gut verkauft oder nicht. Ich<br />

gestalte das Sortiment so, wie ich es für<br />

spannend empfinde. Manchmal muss auch<br />

ein Bestseller aus dem Sortiment verschwinden,<br />

damit die neuen Ideen Platz haben,<br />

circa 1/3 der Produkte wird pro Jahr ausgetauscht.<br />

Derzeit experimentiere ich mit<br />

Auszügen aus Brennholz und Insekten. Was<br />

kommt und was geht, entscheide ich alleine<br />

und wehe, es will mir jemand einen Ratschlag<br />

geben (lacht).<br />

weise Mitarbeiter stundenweise einteilen und<br />

bezahlen. So kann man auf Geschäftsschwankungen<br />

flexibel reagieren. Bei uns ist es ein<br />

Riesenskandal so etwas auch nur anzudenken.«<br />

Es sei wohlgemerkt, nicht die eine Auflage oder<br />

die andere Gesetzeslage, die den Gastronomen<br />

das Leben schwer mache, sondern die Entwicklung<br />

als Ganzes. »Als Klein- und Mittelbetrieb<br />

ist man hierzulande ohne jede Lob<strong>by</strong>.<br />

Wertschätzung für diese Unternehmer gibt es<br />

in Österreich keine.« Auch wenn Piber mehr­<br />

fach zu diesem Thema zurückkommt, betont<br />

er, nicht negativ wirken zu wollen. Er finde<br />

es nur schade, dass es so ist, wie es ist. Selber<br />

in die Politik gehen? »Nein, dafür bin ich zu<br />

ehrlich«, lacht der Mann hinter den Lokalen<br />

Yohm, Frank’s (heuer seit 20 Jahren!) und<br />

Mercado. Das Xo-Noodles ist mittlerweile<br />

zu, wobei das »andere Gründe hatte«, wie er<br />

betont. Sein »Out-of-the-Box«-Streben, was<br />

gastronomische Konzepte betrifft, hat jedenfalls<br />

nicht gelitten. Bereits jetzt hat er ein<br />

Standbein in den USA. Mittelfristig woanders<br />

zu leben und arbeiten – warum nicht? Vorstellen<br />

könne er es sich, die Kinder sind erwachsen.<br />

Das »Mercado« mit seiner lateinamerikanischen<br />

Marktküche würde auch wo<br />

anders funktionieren, ist er sich sicher. Im<br />

Hier und Jetzt heißt es aber: weiterarbeiten –<br />

und Gästen, die ganz erstaunt fragen, wann<br />

denn das Yohm wieder aufgesperrt habe, geduldig<br />

den Unterschied zwischen Insolvenz<br />

und Sanierungsverfahren zu erklären. <<br />

Foto: Jaqueline Godany<br />

26 falstaff 02/<strong>2016</strong>

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