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karriere / KARRIEREWEGE<br />
KLAUS PIBER, GASTRONOM<br />
Ein zart-bitterer Erfolg<br />
»Insolvenz eines Szene-Gastronoms« und<br />
»Millionen-Pleite einer prominenten Wiener<br />
Restaurant-Gruppe«. Klaus Piber ärgert sich<br />
auch ein halbes Jahr nach diesen Zeitungs-<br />
Schlagzeilen noch über das, was Ende 2015<br />
medial passiert ist. Erstens: »Als ob ich ein<br />
Imperium gehabt hätte.« Zweitens: Es ging<br />
weder um Unternehmens- noch Privatkonkurs,<br />
sondern um ein Sanierungsverfahren. »Ich<br />
hätte auch noch weiter wurschteln können,<br />
aber ich bin Unternehmer und hatte die Verantwortung,<br />
etwas zu tun. Alleine den Mitarbeitern<br />
und Lieferanten zuliebe.« Das Verfahren<br />
(ohne Eigenverwaltung) ist mittlerweile,<br />
dank des bereits erfolgten Erlags der 5 %<br />
Quote von den vereinbarten 20 % plus der<br />
Gerichts- und Verfahrenskosten, abgeschlossen<br />
und auf Kurs. Aber was war passiert? Im<br />
Mai 2015 hatte der gestandene Gastronom<br />
sein viel beachtetes viertes Restaurant, das<br />
»Mercado«, eröffnet – »in Kombination mit<br />
dem Rekord-Hitze-Sommer 2015 hat mich<br />
das ausgeblutet. Wir sind taktisch gut aufgestellt<br />
mit den unterschiedlichen Restaurants.<br />
Das eine zieht besonders bei Regen, das andere<br />
hat einen schönen Schanigarten in bester<br />
Innenstadtlage – aber im letzten Sommer<br />
ging gar nichts mehr, es war einfach zu heiß.<br />
Die Wiener haben scharenweise die Stadt verlassen.«<br />
Doch es sind weniger die Wetterkapriolen,<br />
über die der seit 20 Jahren Selbstständige<br />
spricht. Sein Anliegen ist ein anderes:<br />
»Wir brauchen dringend mehr Flexibilität in<br />
der Branche. In den USA kann ich beispiels<br />
»Man muss verstehen,<br />
die Früchte seiner<br />
Niederlagen zu ernten.«<br />
OTTO STOESSL österreichischer Autor<br />
KARRIERE Sie sind Ende der 1980er mit<br />
ihren Grazer Konditoreien in die Insolvenz<br />
geraten. In Interviews meinten Sie immer<br />
wieder, die Expansion wäre zu schnell<br />
und mit zu wenig Eigenkapital erfolgt.<br />
Wie handhaben Sie das heute?<br />
JOSEF ZOTTER Ja, das ist etwas, das ich<br />
schmerzlich gelernt habe: Wachstum auf<br />
Basis von Bankschulden funktioniert nicht.<br />
Unternehmer sind eine sehr eigene Spezies,<br />
vor allem jene, die sich sehr oft nah an die<br />
Absturzlinie heranwagen. Da könnte der<br />
Staat meiner Meinung nach helfen. Man<br />
könnte z. B. sagen, dass jeder Unternehmer<br />
innerhalb von fünf Jahren 50 % Eigenkapital<br />
aufbauen muss. Wer das nicht schafft,<br />
muss vom Markt oder bekommt noch ein<br />
Jahr Frist. Dann würden auch halbwegs<br />
realistische Projekte entstehen. Der Markt<br />
ist so oder so gnadenlos, deswegen sterben<br />
auch im Moment so viele Wirte. Die meisten<br />
kalkulieren nie real – Registrierkasse<br />
hin oder her. Man könnte auch folgendes<br />
vorgeben: Wenn du 50 % Eigenkapital vorweisen<br />
kannst, wirst du drei Jahre lang von<br />
der Registrierkassenpflicht und der Steuer<br />
befreit. Ich selbst habe mir mehr als 50 %<br />
Eigenkapital auferlegt – seit das vorhanden<br />
ist, darf ich auch wieder Fehler machen.<br />
Wie erkennt man den Punkt, an dem es<br />
Zeit ist aufzuhören?<br />
Wenn sich ein Business nicht mehr selbst<br />
trägt und man nur noch damit beschäftigt<br />
ist Geld aufzutreiben, statt sich um das<br />
Geschäft zu kümmern, ist es eigentlich<br />
schon vorbei.<br />
Haben Sie das Gefühl, dass es heute einen<br />
besseren Umgang mit dem Thema Scheitern<br />
gibt, als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten?<br />
JOSEF ZOTTER Immer mit über 50 % Eigenkapital.<br />
Das auf jeden Fall. Eine Kultur des Scheiterns,<br />
wie in den USA, haben wir noch lange<br />
nicht, brauchen wir aber. Sonst gehen<br />
Ideen verloren – oder werden gar nicht erst<br />
umgesetzt. Eines muss man aber sagen:<br />
Unternehmer, die schei tern, haben diese<br />
Kultur auch meistens selbst nicht intus und<br />
versuchen zu vertuschen.<br />
Wie viele Ihrer jetzigen Produktideen<br />
gehen auf, wie viele verwerfen Sie oder<br />
beweisen sich nicht am Markt?<br />
Ich schaue nie, ob sich eine Sorte – es sind<br />
derzeit 365 – gut verkauft oder nicht. Ich<br />
gestalte das Sortiment so, wie ich es für<br />
spannend empfinde. Manchmal muss auch<br />
ein Bestseller aus dem Sortiment verschwinden,<br />
damit die neuen Ideen Platz haben,<br />
circa 1/3 der Produkte wird pro Jahr ausgetauscht.<br />
Derzeit experimentiere ich mit<br />
Auszügen aus Brennholz und Insekten. Was<br />
kommt und was geht, entscheide ich alleine<br />
und wehe, es will mir jemand einen Ratschlag<br />
geben (lacht).<br />
weise Mitarbeiter stundenweise einteilen und<br />
bezahlen. So kann man auf Geschäftsschwankungen<br />
flexibel reagieren. Bei uns ist es ein<br />
Riesenskandal so etwas auch nur anzudenken.«<br />
Es sei wohlgemerkt, nicht die eine Auflage oder<br />
die andere Gesetzeslage, die den Gastronomen<br />
das Leben schwer mache, sondern die Entwicklung<br />
als Ganzes. »Als Klein- und Mittelbetrieb<br />
ist man hierzulande ohne jede Lob<strong>by</strong>.<br />
Wertschätzung für diese Unternehmer gibt es<br />
in Österreich keine.« Auch wenn Piber mehr<br />
fach zu diesem Thema zurückkommt, betont<br />
er, nicht negativ wirken zu wollen. Er finde<br />
es nur schade, dass es so ist, wie es ist. Selber<br />
in die Politik gehen? »Nein, dafür bin ich zu<br />
ehrlich«, lacht der Mann hinter den Lokalen<br />
Yohm, Frank’s (heuer seit 20 Jahren!) und<br />
Mercado. Das Xo-Noodles ist mittlerweile<br />
zu, wobei das »andere Gründe hatte«, wie er<br />
betont. Sein »Out-of-the-Box«-Streben, was<br />
gastronomische Konzepte betrifft, hat jedenfalls<br />
nicht gelitten. Bereits jetzt hat er ein<br />
Standbein in den USA. Mittelfristig woanders<br />
zu leben und arbeiten – warum nicht? Vorstellen<br />
könne er es sich, die Kinder sind erwachsen.<br />
Das »Mercado« mit seiner lateinamerikanischen<br />
Marktküche würde auch wo<br />
anders funktionieren, ist er sich sicher. Im<br />
Hier und Jetzt heißt es aber: weiterarbeiten –<br />
und Gästen, die ganz erstaunt fragen, wann<br />
denn das Yohm wieder aufgesperrt habe, geduldig<br />
den Unterschied zwischen Insolvenz<br />
und Sanierungsverfahren zu erklären. <<br />
Foto: Jaqueline Godany<br />
26 falstaff 02/<strong>2016</strong>