De:Bug 169
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»Es geht bei Musik<br />
nicht um Leben und<br />
Tod, aber in mir gibt<br />
es immer diese Dualität.«<br />
KRIS<br />
WADSWORTH<br />
DIREKT UND DEEP<br />
TEXT SASCHA KÖSCH<br />
Es gibt wenige Musiker, die man schon<br />
am Sound ihrer Bassdrum erkennt.<br />
Kris Wadsworth sollte sich den Klang<br />
genau dieser Trommel patentieren<br />
lassen. <strong>De</strong>nn er hat einen Stil, eine<br />
Eigenheit, die man - selbst wenn alle<br />
mit ähnlichen Mitteln produzieren -<br />
überall wieder erkennen würde.<br />
Kris Wadsworths Tracks leben noch in der<br />
Zeit, bevor Techno und House getrennt<br />
wurden. Sie sind unverschämt, ruff, trocken<br />
und dabei doch immer extrem deep. Orgeln,<br />
Percussion, souliger Gesang, wozu? Sein<br />
16 –<strong>169</strong><br />
erstes Album für Get Physical, "Life & <strong>De</strong>ath"<br />
braucht keine Features, keine Gimmicks,<br />
alles ist purer Wadsworth-Sound, und<br />
mittendrin macht er sich gerne auch<br />
noch über unsere Szene lustig (in Tracks<br />
wie "Famous Anus") oder beschreibt<br />
Alltäglichkeiten wie die Sucht nach Club<br />
Mate. Wadsworth knallt, aber die Direktheit<br />
seiner Tracks explodiert von ganz unten.<br />
Eine Qualität, die uns manchmal in nur<br />
einem Moment tiefer in die Geschichte<br />
von <strong>De</strong>troit zurückführt als ein Sound, der<br />
wie so oft einfach klingen will wie <strong>De</strong>troit.<br />
"Life & <strong>De</strong>ath" ist ein ziemlicher Bigmouth-<br />
Titel für ein Album.<br />
Das bin ich wohl irgendwie auch, aber<br />
nicht mal absichtlich. Es sollte als Titel für<br />
das Album auch nicht so rüberkommen,<br />
aber es ist so, wie ich bin. Ich wusste zwar<br />
genau, was für einen Sound ich wollte, hatte<br />
mit dem Intro angefangen, einem amerikanischen<br />
Gedicht über Europa, und als ich<br />
dann beim Titeltrack war, da kam er mir<br />
plötzlich vor wie eine Zusammenfassung.<br />
Life, <strong>De</strong>ath, Music. Man nimmt das vielleicht<br />
manchmal zu ernst, es geht bei Musik nicht<br />
um Leben und Tod, aber andererseits gibt<br />
es in mir immer diese Dualität. Ich bin<br />
absolut amerikanisch, aber gleichzeitig<br />
lebe ich mitten in Europa und mache mein<br />
Album auf einem Berliner Label. Wenn ich<br />
das Haus verlasse, fällt mir das auf, nicht<br />
nur weil ich kein Wort <strong>De</strong>utsch spreche.<br />
Als ich noch in <strong>De</strong>troit gelebt habe, kam ich<br />
irgendwann an den Punkt, an dem ich mehr<br />
als die Hälfte des Jahres in Europa war und<br />
ich mich fragte, was das eigentlich soll.<br />
Gibt es noch einen amerikanischen<br />
Sound?<br />
Ja, würde ich schon sagen. Das habe<br />
ich selbst im College im Musikunterricht<br />
gelernt, bevor ich da hingeschmissen<br />
habe. Die Ohren hören einfach auf andere<br />
Dinge. Eine gewisse Art von Mikrotonalität<br />
wie z.B. in Indien. Irgendwann wird es aber<br />
wohl von dem beeinflusst werden, was man<br />
woanders erlebt. <strong>De</strong>troit ist ja z.B. ein großer<br />
Ort, wenn es darum geht, wie etwas<br />
klingen soll, man assoziiert das sehr schnell<br />
mit einem gewissen Sound. Und das versuchen<br />
dann sehr viele zu kopieren - ohne<br />
jetzt negativ klingen zu wollen. Manchmal<br />
fragt man sich, was das dann überhaupt<br />
noch bedeuten soll, diese Polarisierungen.<br />
Es scheint mir eine merkwürdige Idee, zu<br />
denken, eine Stadt könnte einen gewissen<br />
Sound haben. Wer bestimmt den? Das ist<br />
sehr subjektiv. Als ich angefangen habe,<br />
so mit 14, da habe ich so lange rumprobiert,<br />
bis ich mein eigenes Ding gefunden<br />
hatte. Das weitet man dann immer mehr<br />
aus, aber man bleibt doch dabei. Ich sollte<br />
mal ein Sample-Pack machen mit meinen<br />
Sounds, da konnte ich einfach nicht zusagen.<br />
Nicht weil ich so geheimnistuerisch<br />
wäre, aber für mich sind diese Sounds etwas,<br />
das ich mir erarbeitet habe und das<br />
auch den Spaß ausmacht. Und das den<br />
Leuten als Produktionsbasis hinzulegen,<br />
konnte ich mir nicht vorstellen.<br />
Wadsworth Instant!<br />
Genau. Das braucht doch niemand,<br />
auch wenn mir gesagt wurde, das wäre<br />
gut für die Karriere. Selber Musik zu entwickeln,<br />
ist viel zentraler für mich.<br />
Hat das Album die Pläne für dein Vinyl-<br />
Label zurückgeworfen?<br />
Ich wollte schon immer ein eigenes<br />
Vinyl-Label haben. Ich glaube jeder, der<br />
auf Vinyl steht, will das. Man will diesen<br />
Prozess einfach selbst erleben und bis zum<br />
Ende bestimmen. Die Freiheit zu haben,<br />
genau das zu tun was man will. Ich muss<br />
nur noch ein paar Dinge wie das Artwork<br />
hinbekommen, dann geht es endlich zum<br />
Mastering. Aber zur Zeit habe ich noch zwei<br />
weitere Albumprojekte, die ich auch fertig<br />
machen möchte. Ich mache so viel Musik,<br />
dass viele andere Projekte erstmal hinten<br />
anstehen müssen.<br />
Kris Wadsworth, Life & <strong>De</strong>ath,<br />
ist auf Get Physical erschienen.