146 Spielzeit der Dresdner Philharmonie
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Das Publikum begleitete unser Orchester von <strong>der</strong> Ankunft am Saal bis zur<br />
Abfahrt mit enthusiastischem Dauerapplaus. Am Ende einer so langen, anstrengenden<br />
<strong>Spielzeit</strong> ist die x-te Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> 1. Sinfonie von Johannes Brahms<br />
für jeden Kollegen eine Herausfor<strong>der</strong>ung an die eigene Motivation und Einsatzbereitschaft<br />
(vor allem am Sonntagnachmittag 15:00 Uhr).<br />
Die gestrige Interpretation war eine <strong>der</strong> energiegeladensten und<br />
mitreiSSendsten Versionen, die ich je von diesem Orchester gehört habe.<br />
gegenübersitzen sowie das „Nichtverdoppeln“ <strong>der</strong> Holzbläser<br />
führen zwangsläufig zu einem entromantisierten, durchsichtigen<br />
Klang. Die großen, berühmten <strong>Dresdner</strong> Pauken weichen<br />
bei unserem Beethoven den noch berühmteren Wiener Kurbel-<br />
Pauken, die durch ihren kleineren Kessel zu <strong>der</strong> insgesamt perkussiveren<br />
Tongebung beitragen.<br />
Wirkt <strong>der</strong> Tokyoter Stadtteil „Musashino City“ beim ersten<br />
Eindruck etwas provinziell, so ist beim Blick in den Saal klar,<br />
dass sich hier ein äußerst fachkundiges Abonnements-Publikum<br />
entwickelt hat. Wird in Japan sowieso nie zwischen den Sätzen<br />
applaudiert, bemerkt man schon bei den anwesenden Kin<strong>der</strong>n<br />
im Schulalter eine fundierte Werkkenntnis. Der örtliche Veranstalter<br />
hat in jahrzehntelanger Arbeit ein Abonnentenpublikum<br />
erzogen, das die ernsthafte Arbeit, die in beiden Sinfonien<br />
steckt, zu würdigen weiß. Große Begeisterung löst immer wie<strong>der</strong><br />
unser homogener und brillanter Holzbläsersatz aus. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
beide Solo-Oboisten (Undine Röhner-Stolle und Johannes<br />
Pfeiffer) werden wie Solisten gefeiert. Zwei Sinfonien hintereinan<strong>der</strong><br />
an einem Abend sind für das Orchester eine physische<br />
und mentale Anstrengung, die nicht zu unterschätzen ist. An<strong>der</strong>erseits<br />
ist so ein Programm natürlich auch die beste Visitenkarte<br />
für das hohe Leistungsvermögen <strong>der</strong> <strong>Dresdner</strong> <strong>Philharmonie</strong><br />
im Jahr 2015.<br />
Japan, statistisch betrachtet<br />
Diese Zahlen liegen alle im normalen, europäischberuhigenden<br />
Statistik-Korridor. Japan ist seit nunmehr<br />
über 20 Jahren in einer faszinierend stabilen<br />
Dauerkrise, die völlig immun gegen geldpolitische<br />
Symptombekämpfung (Gelddrucken und Verschulden)<br />
wie aber auch gegenüber dem immer wie<strong>der</strong><br />
heraufbeschworenen Kollaps ist. Seit <strong>der</strong> Immobilienkrise<br />
in den 80er Jahren hat sich in Japan im Prinzip<br />
so gut wie nichts mehr verän<strong>der</strong>t, we<strong>der</strong> aufwärts<br />
noch abwärts. Das BIP verharrt auf hohem Niveau,<br />
die Arbeitslosenrate ist dauerhaft niedrig, die Inflationsrate<br />
ist trotz offener Geldschleusen gering, einzig<br />
<strong>der</strong> Wechselkurs wurde etwas nach unten gedrückt.<br />
Viel wahrscheinlicher als sensationslüsterne Untergangsphantasien<br />
ist darum, dass sich daran auch mittelfristig<br />
nicht so schnell etwas än<strong>der</strong>n wird. Japan ist<br />
alleine aufgrund <strong>der</strong> Demographie in einem natürlichen<br />
Nie<strong>der</strong>gang gefangen, allerdings dürfte dieser<br />
auch weiterhin schleichend und unmerklich vorwärts schreiten.<br />
Der große Knall ist angesichts <strong>der</strong> heutigen Situation hingegen<br />
nicht wirklich zu erwarten. Auch wenn das Apokalyptikern<br />
nicht gefallen wird.<br />
Die Metropolregion Tokyo-Yokohama liegt auf einer Fläche von<br />
13.556 Quadratkilometern an <strong>der</strong> japanischen Pazifikküste und<br />
bildet das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum des<br />
Landes. Mit mehr als 37 Millionen Einwohnern im Jahr 2014<br />
ist sie die größte Metropolregion <strong>der</strong> Welt. Die vier Millionenstädte<br />
Tokyo (mit 23 Stadtbezirken), Yokohama, Kawasaki und<br />
Saitama sind die Kernstädte. Die Region besteht aus den vier<br />
Präfekturen Tokyo, Kanagawa, Saitama und Chiba und dehnt<br />
sich neuerdings auch in die Präfektur Ibaraki aus.<br />
Faszinierend an diesem Großraum für den kulturaffinen <strong>Dresdner</strong><br />
ist, dass nach 80-minütiger Busfahrt und nach dem Abbiegen<br />
beim letzten Gemüsehändler eine Konzerthalle aus dem Häusermeer<br />
auftaucht, die besser ist als die berühmten Konzerthäuser in<br />
München o<strong>der</strong> Leipzig. Tokyo Musashino, Tokorozawa Muse am<br />
gestrigen Tag o<strong>der</strong> Tokyo Bunka Kaikan... – alles exquisite Konzerthallen<br />
mit eigenen akustischen Timbres und Schwerpunkten.<br />
Auch wenn es in unserer wun<strong>der</strong>baren, neuen neoliberalen Welt<br />
unpassend wirkt: Das berühmte Karl-Marx-Zitat „Das Sein bestimmt<br />
das Bewusstsein“ ist goldrichtig. In <strong>der</strong> Weite <strong>der</strong> Metropole<br />
„Großraum Tokyo“ spielen diese hervorragenden Säle<br />
mit angeschlossener Bezirksbibliothek und Räumlichkeiten zur<br />
musikalischen Früherziehung eine wichtige gemeinschaftsbildende<br />
Rolle.<br />
Das Publikum besuchte gestern schon unsere Anspielprobe und<br />
begleitete unser Orchester von <strong>der</strong> Ankunft am Saal bis zur Abfahrt<br />
mit enthusiastischem Dauerapplaus. Am Ende einer so<br />
langen, anstrengenden <strong>Spielzeit</strong> ist die x-te Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />
Den ganzen Tourneeblog finden Sie unter:<br />
www.dresdnerphilharmonie.de/ontour-uk-asien-2015<br />
1. Sinfonie von Johannes Brahms für jeden Kollegen<br />
eine Herausfor<strong>der</strong>ung an die eigene Motivation und<br />
Einsatzbereitschaft (vor allem am Sonntagnachmittag<br />
15:00 Uhr). Die gestrige Interpretation ließ<br />
diesbezüglich keine Wünsche offen. Es war eine <strong>der</strong><br />
energiegeladensten und mitreißendsten Versionen,<br />
die ich je von diesem Orchester gehört habe.