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Als Jörg Modrow die kleine<br />
CATHERINE fotografierte,<br />
lebte das Mädchen zusam-<br />
men mit ihrer Mutter in<br />
Slab City. Heute hat die<br />
Mutter keinen Kontakt mehr<br />
zu ihrem Kind.<br />
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Fotoreportage<br />
Mobile Homes<br />
Fotograf Jörg Modrow reist immer wieder in die USA. Dort trifft er<br />
Arme und Reiche, Lebenskünstler und Gestrandete, die eines eint: Sie leben<br />
den amerikanischen Freiheitstraum in ihrem fahrbaren Zuhause.<br />
TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />
Catherine war ein echter Sonnenschein.<br />
Und so smart!“, schwärmt<br />
Jörg Modrow und schaut auf das<br />
Foto eines achtjährigen Mädchens.<br />
Die Lütte sitzt mitten auf einem alten, grünen<br />
Sofa, das unter freiem Himmel vor einem ramponierten<br />
Wohnwagen steht. In ihrem langen<br />
blauen Kleid, den in der Luft baumelnden<br />
Füßchen und mit dem Sonnenschutz, der wie<br />
ein gelber Heiligenschein um ihren Kopf läuft,<br />
schaut sie frech, vergnügt und wild entschlossen<br />
in die Kamera. Dabei waren die Lebensbedingungen<br />
von Catherine alles andere als rosig,<br />
als Jörg Modrow das Mädchen traf. 2005 war<br />
das. Damals begann der Fotograf damit, in<br />
den USA Menschen zu fotografieren, die in sogenannten<br />
Mobile Homes leben. In Wohnwagen,<br />
Wohnmobilen, in umgebauten Bussen<br />
oder in ihren Autos.<br />
Mehr als zehn Jahre später hat Jörg Modrow<br />
sein Fotoprojekt noch immer nicht abgeschlossen.<br />
Denn er ist fasziniert von dieser<br />
Wohnform. „In den USA leben Menschen aus<br />
allen Gesellschaftsschichten in Mobile Homes.<br />
Da ist der Banker, der mit seinem 200.000-Dollar-Bus<br />
herumfährt genauso wie den Arbeitslosen,<br />
der die letzte Kohle zusammenkratzt, um<br />
eine Garage für seine Möbel zu mieten und im<br />
Auto zu leben“, erzählt der 52-Jährige. Wann<br />
immer er in die Staaten reist, trifft er auf schräge<br />
Vögel, erzkonservative Republikaner, Rentner<br />
oder Hippies, die eines eint: ihre fahrbaren<br />
Behausungen. „Mir kommt das vor wie die<br />
Verlängerung des amerikanischen Traums“,<br />
versucht Modrow das Phänomen zu erklären.<br />
Früher seien die Menschen mit dem Planwagen<br />
losgezogen, um den Westen zu erobern.<br />
Immer auf der Suche nach einem besseren Leben.<br />
Das sei im Grunde bis heute so geblieben.<br />
Auch die kleine Catherine lebte in einem<br />
Mobile Home. Gemeinsam mit ihrer Mutter<br />
und deren Freund. Slab City heißt der Ort, in<br />
dem der Wohnwagen von Catherines Mutter<br />
vermutlich bis heute steht. Ein Ort im Süden<br />
Kaliforniens, der früher Truppenübungsplatz<br />
war und heute aus einer Ansammlung fahrbarer<br />
Häuser besteht. Einen Laden, eine Tankstelle<br />
und eine Kneipe gibt es im nahe gelegenen<br />
Nachbarort. Und eine kleine Schule, die<br />
Catherine besuchte – immer als Klassenbeste.<br />
2011 reiste Jörg Modrow erneut nach Slab<br />
City. Catherines Mutter lebte noch dort. Das<br />
Mädchen nicht. „Für das Amt waren die Lebensumstände<br />
bei der Mutter nicht tragbar.<br />
Deshalb wurde die Kleine zur Adoption freigegeben“,<br />
erzählt Jörg Modrow. „Ich hab ihr das<br />
Foto gegeben, das ich von Catherine gemacht<br />
hatte. Sie hat sich immer und immer wieder<br />
bedankt. Es war das einzige Bild, das sie von<br />
ihrer Tochter hatte.“<br />
Diese Begegnung hat Jörg Modrow nachhaltig<br />
berührt: „Ich war so froh, wieder nach<br />
Slab City gefahren zu sein“, erzählt er. „Wie<br />
oft sagt man das: ,Ich schick dir ein Foto oder<br />
bringe es vorbei‘ – und dann schaffst du es<br />
nicht.“ Das Wiedersehen mit Catherines Mutter<br />
hat den Fotografen darin bestärkt, auf<br />
seinen USA-Reisen nach den Leuten zu schauen,<br />
die er vor ihren Mobile Homes fotografiert<br />
hat. Um zu sehen, was aus ihnen geworden ist<br />
und ihnen ihr Bild zu bringen. Was nicht oft<br />
gelingt. Schließlich sind die fahrbaren Häuser<br />
darauf ausgerichtet, dass man mit ihnen<br />
weiterzieht. Jörg Modrow sieht das trotzdem als<br />
Möglichkeit, sich zu revanchieren: „Natürlich<br />
geht es mir darum, gute Bilder zu machen und<br />
eine Situation zu dokumentieren. Aber es ist<br />
immer auch eine Ehre für mich, dass mich<br />
Menschen in ihr Leben gucken lassen.“ •<br />
Mehr Infos zu Jörg Modrow im Internet unter<br />
www.modrowgrafie.de<br />
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