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Hinz&Kunzt 281 Juli 2016

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Als Jörg Modrow die kleine<br />

CATHERINE fotografierte,<br />

lebte das Mädchen zusam-<br />

men mit ihrer Mutter in<br />

Slab City. Heute hat die<br />

Mutter keinen Kontakt mehr<br />

zu ihrem Kind.<br />

WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Fotoreportage<br />

Mobile Homes<br />

Fotograf Jörg Modrow reist immer wieder in die USA. Dort trifft er<br />

Arme und Reiche, Lebenskünstler und Gestrandete, die eines eint: Sie leben<br />

den amerikanischen Freiheitstraum in ihrem fahrbaren Zuhause.<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />

Catherine war ein echter Sonnenschein.<br />

Und so smart!“, schwärmt<br />

Jörg Modrow und schaut auf das<br />

Foto eines achtjährigen Mädchens.<br />

Die Lütte sitzt mitten auf einem alten, grünen<br />

Sofa, das unter freiem Himmel vor einem ramponierten<br />

Wohnwagen steht. In ihrem langen<br />

blauen Kleid, den in der Luft baumelnden<br />

Füßchen und mit dem Sonnenschutz, der wie<br />

ein gelber Heiligenschein um ihren Kopf läuft,<br />

schaut sie frech, vergnügt und wild entschlossen<br />

in die Kamera. Dabei waren die Lebensbedingungen<br />

von Catherine alles andere als rosig,<br />

als Jörg Modrow das Mädchen traf. 2005 war<br />

das. Damals begann der Fotograf damit, in<br />

den USA Menschen zu fotografieren, die in sogenannten<br />

Mobile Homes leben. In Wohnwagen,<br />

Wohnmobilen, in umgebauten Bussen<br />

oder in ihren Autos.<br />

Mehr als zehn Jahre später hat Jörg Modrow<br />

sein Fotoprojekt noch immer nicht abgeschlossen.<br />

Denn er ist fasziniert von dieser<br />

Wohnform. „In den USA leben Menschen aus<br />

allen Gesellschaftsschichten in Mobile Homes.<br />

Da ist der Banker, der mit seinem 200.000-Dollar-Bus<br />

herumfährt genauso wie den Arbeitslosen,<br />

der die letzte Kohle zusammenkratzt, um<br />

eine Garage für seine Möbel zu mieten und im<br />

Auto zu leben“, erzählt der 52-Jährige. Wann<br />

immer er in die Staaten reist, trifft er auf schräge<br />

Vögel, erzkonservative Republikaner, Rentner<br />

oder Hippies, die eines eint: ihre fahrbaren<br />

Behausungen. „Mir kommt das vor wie die<br />

Verlängerung des amerikanischen Traums“,<br />

versucht Modrow das Phänomen zu erklären.<br />

Früher seien die Menschen mit dem Planwagen<br />

losgezogen, um den Westen zu erobern.<br />

Immer auf der Suche nach einem besseren Leben.<br />

Das sei im Grunde bis heute so geblieben.<br />

Auch die kleine Catherine lebte in einem<br />

Mobile Home. Gemeinsam mit ihrer Mutter<br />

und deren Freund. Slab City heißt der Ort, in<br />

dem der Wohnwagen von Catherines Mutter<br />

vermutlich bis heute steht. Ein Ort im Süden<br />

Kaliforniens, der früher Truppenübungsplatz<br />

war und heute aus einer Ansammlung fahrbarer<br />

Häuser besteht. Einen Laden, eine Tankstelle<br />

und eine Kneipe gibt es im nahe gelegenen<br />

Nachbarort. Und eine kleine Schule, die<br />

Catherine besuchte – immer als Klassenbeste.<br />

2011 reiste Jörg Modrow erneut nach Slab<br />

City. Catherines Mutter lebte noch dort. Das<br />

Mädchen nicht. „Für das Amt waren die Lebensumstände<br />

bei der Mutter nicht tragbar.<br />

Deshalb wurde die Kleine zur Adoption freigegeben“,<br />

erzählt Jörg Modrow. „Ich hab ihr das<br />

Foto gegeben, das ich von Catherine gemacht<br />

hatte. Sie hat sich immer und immer wieder<br />

bedankt. Es war das einzige Bild, das sie von<br />

ihrer Tochter hatte.“<br />

Diese Begegnung hat Jörg Modrow nachhaltig<br />

berührt: „Ich war so froh, wieder nach<br />

Slab City gefahren zu sein“, erzählt er. „Wie<br />

oft sagt man das: ,Ich schick dir ein Foto oder<br />

bringe es vorbei‘ – und dann schaffst du es<br />

nicht.“ Das Wiedersehen mit Catherines Mutter<br />

hat den Fotografen darin bestärkt, auf<br />

seinen USA-Reisen nach den Leuten zu schauen,<br />

die er vor ihren Mobile Homes fotografiert<br />

hat. Um zu sehen, was aus ihnen geworden ist<br />

und ihnen ihr Bild zu bringen. Was nicht oft<br />

gelingt. Schließlich sind die fahrbaren Häuser<br />

darauf ausgerichtet, dass man mit ihnen<br />

weiterzieht. Jörg Modrow sieht das trotzdem als<br />

Möglichkeit, sich zu revanchieren: „Natürlich<br />

geht es mir darum, gute Bilder zu machen und<br />

eine Situation zu dokumentieren. Aber es ist<br />

immer auch eine Ehre für mich, dass mich<br />

Menschen in ihr Leben gucken lassen.“ •<br />

Mehr Infos zu Jörg Modrow im Internet unter<br />

www.modrowgrafie.de<br />

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