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2008_Folgen_von_Stadtschrumpfung

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Hausarbeit im Teilgebiet Verwaltungslehre<br />

Hauptseminar: „Planung und Entscheidung in der öffentlichen Verwaltung“<br />

Professur:<br />

Helmut-Schmidt-Universität<br />

Universität der Bundeswehr Hamburg<br />

Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

Professur für Verwaltungswissenschaft<br />

Holstenhofweg 85<br />

22043 Hamburg<br />

Hausarbeit<br />

Was sind die zentralen Ursachen und <strong>Folgen</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Stadtschrumpfung</strong> und der Entleerung <strong>von</strong> Räumen?<br />

Verfasser:<br />

Ferid Giebler<br />

Stoltenstraße 13<br />

22119 Hamburg


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung S. 1<br />

2. Ursachen <strong>von</strong> <strong>Stadtschrumpfung</strong> und Entleerung <strong>von</strong> Räumen S. 2<br />

2.1. demografischer Wandel S. 2<br />

2.2. Bevölkerungssuburbanisierung / Gewerbesuburbanisierung S. 3<br />

2.3. interregionale Wanderung / Migration S. 5<br />

3. <strong>Folgen</strong> <strong>von</strong> <strong>Stadtschrumpfung</strong> S. 7<br />

3.1. Wohnungswesen S. 7<br />

3.2. soziale und technische Infrastruktur S. 8<br />

3.3. kommunale Finanzen S. 10<br />

3.4. Umwelt S. 10<br />

4. Maßnahmen gegen <strong>Stadtschrumpfung</strong> (Stadtumbau/-rückbau) S. 11<br />

4.1. Stadtperforation, Stadttransformation, Stadtauflösung S. 12<br />

4.2. das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ S. 14<br />

4.3. Management <strong>von</strong> Schrumpfungsprozessen – „lean city“ S. 15<br />

5. Schlussbetrachtung S. 16<br />

Literaturverzeichnis S. 18<br />

0


1. Einleitung<br />

Obwohl die Problematik schrumpfender Städte in der Bundesrepublik Deutschland<br />

nicht gänzlich neu ist, stellen die derzeitigen Entwicklungen die Stadtplanung vor<br />

enorme Herausforderungen, vielmalig entwickelt sich eine tendenziell negative Eigendynamik.<br />

Nicht allein Städte leiden unter Schrumpfungsprozessen, sondern ganze<br />

Regionen, die sich mit einer wachsenden „Entleerung“ konfrontiert sehen. Gegenwärtig<br />

sind die neuen Bundesländer in besonderem Maße da<strong>von</strong> betroffen, bedingt<br />

durch massive Abwanderung der Einwohner. Auch die alten Bundesländer werden in<br />

absehbarer Zeit mit diesem Problem konfrontiert, weil die demografische Entwicklung<br />

in absehbarer Zeit ihre Wirkung auf die gesamte Bundesrepublik entfalten wird.<br />

Mit Aufkommen der modernen industriellen Großstädte und dem massiven Zuzug<br />

ländlicher Arbeitskräfte in die Städte und Stadtregionen konnte Stadtentwicklung<br />

bislang mit Wachstum gleichgesetzt werden, wobei es diesen in erster Linie zu steuern<br />

und zu verteilen galt. In Politik und Gesellschaft wird Schrumpfung als stark<br />

negativ konnotierter Begriff gehandelt und oftmals als Zeichen für wirtschaftlichen<br />

Abstieg einer Stadt oder Region mit abqualifizierendem Akzent wahrgenommen.<br />

Angesichts des drastischen Bevölkerungsrückganges ist offensichtlich, dass in der<br />

Stadtplanung und – entwicklung ein Umdenken notwendig geworden ist, da Wachstum<br />

zukünftig nicht mehr die zentrale Determinante im Stadtentwicklungsprozess<br />

sein wird. Der Sinn für alternative Stadtformen und –identitäten sollte dementsprechend<br />

geschärft werden. Um die komplexen Wirkungszusammenhänge städtischer<br />

Schrumpfungsprozesse zu verstehen, fragt diese Arbeit nach den zentralen Ursachen<br />

und <strong>Folgen</strong> schrumpfender Städte für die Stadtentwicklung. In diesem Zusammenhang<br />

werden die markantesten gesellschaftlichen Trends, die Schrumpfungsprozesse<br />

teils verstärken teils kompensieren, einbezogen sowie die bereits ergriffenen gegensteuernden<br />

Maßnahmen und Programme <strong>von</strong> Stadtumbau bzw. Stadtrückbau, namentlich<br />

Stadtperforation, Stadttransformation, Stadtauflösung, „Soziale Stadt“ oder<br />

aber „lean city“, näher verdeutlicht.<br />

Hinsichtlich der großen Vielfalt an Lösungsansätzen erhebt die Arbeit keinen Anspruch<br />

auf Vollständigkeit und kann nur einen spezifischen Teil der gesamten Bandbreite<br />

denkbarer Konzepte und Lösungsansätze aufgreifen.<br />

1


2. Ursachen <strong>von</strong> <strong>Stadtschrumpfung</strong> und Entleerung <strong>von</strong> Räumen<br />

Zentrale Ursachen für <strong>Stadtschrumpfung</strong> resultieren aus dem demografischen Wandel,<br />

der fortschreitenden Bevölkerungs- und Gewerbesuburbanisierung, dem interregionalen<br />

Wanderungsverhalten vor allem junger, hoch qualifizierter Erwerbstätiger<br />

und aus gesellschaftlichen Trends, die dies verstärken oder kompensieren 1 .<br />

Weil unterschiedliche Stadttypen sehr verschieden stark unter Schrumpfungsprozessen<br />

leiden und gerade die deutschen Städte und Gemeinden eine hohe Vielfalt aufbieten,<br />

muss grundlegend zwischen diesen unterschieden werden. Die vorliegende<br />

Arbeit definiert anhand der Kriterien Größe (im Sinne <strong>von</strong> Einwohnerzahl), Zentralität<br />

und Stadtrecht. Danach werden Großstädte (Oberzentren, > 100.000 Ew.), Mittelstädte<br />

(Ober- und Mittelzentrum, < 100.000 Ew.), Kleinstädte (meist zentraler Ort<br />

unterer Stufe, < 20.000 Ew.), große Landgemeinden (häufig zentraler Ort, unterer<br />

Stufe, > 7.5000 Ew.) und kleine Landgemeinden (< 7.5000 Ew.) unterschieden 2 .<br />

2.1 demografischer Wandel<br />

Die demografische Entwicklung der Bundesrepublik zeigt bereits deutlich, dass in<br />

naher Zukunft die Bevölkerung insgesamt schrumpft und eine Veränderung der Altersstruktur<br />

eintritt, wonach weniger Kinder geboren werden und der Anteil älterer<br />

Menschen weiter steigt, die aufgrund des medizinischen Fortschritts, immer älter<br />

werden 3 . Zwar gab es schon früher Bevölkerungsrückgänge in Deutschland, die vorwiegend<br />

durch externe Faktoren (z.B. II. Weltkrieg) bedingt waren, ein natürlicher<br />

Bevölkerungsrückgang ist jedoch eine gänzlich neue Erscheinung. Der Trend zur<br />

Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung ist ebenfalls keineswegs<br />

unbekannt und bereits seit den 70er Jahren beobachtbar, aber Überalterung<br />

wird zukünftig sehr viel stärker die Bevölkerungsstruktur bestimmen. Realistischen<br />

Prognosen zufolge kann die Zahl der 65-Jährigen und Älteren bereits bis 2030 um<br />

nahezu 40% auf über 22 Millionen Menschen in der Bundesrepublik ansteigen 4 .<br />

1 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in Deutschland<br />

– Fakten und Trends, S. 557, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

2 Vgl. Ebd., S. 558<br />

3 Vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.): Daten, Fakten, Trends zum demographischen<br />

Wandel in Deutschland, <strong>2008</strong>, Seite. 18<br />

4 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.): Demografischer Wandel in Deutschland,<br />

Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Bund und in den Ländern, Heft 1, Ausgabe 2007, S. 8<br />

2


Neben dem allgemeinen Bevölkerungsrückgang und der Überalterung ändert sich<br />

zusätzlich die soziale und kulturelle Zusammensetzung der Gesellschaft, zuvörderst<br />

durch Einwanderung aus dem Ausland. Wenngleich die Zahl der Einwanderungen in<br />

den letzten Jahren sank, weisen vor allem eingewanderte Familien eine vergleichbar<br />

hohe Geburtenziffer auf 5 , die sich innerhalb <strong>von</strong> zwei bis drei Generationen dem<br />

Niveau ursprünglich Einheimischer angleicht 6 . Sicherlich ist das Ausmaß <strong>von</strong> Zuwanderung<br />

<strong>von</strong> politischen Rahmenbedingungen abhängig, doch diese können sich<br />

schnell ändern (z.B. Regierungswechsel). Dennoch, auch massive Zuwanderung aus<br />

dem Ausland kann den langfristigen Bevölkerungsrückgang nicht stoppen, lediglich<br />

abmildern und hinauszögern 7 . Insbesondere die westdeutschen Städte prägt seit langem<br />

ein hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Nach der Wiedervereinigung<br />

der beiden deutschen Staaten und dem generationenübergreifenden Zusammenwachsen<br />

zwischen alten und neuen Bundesländern, werden sich auch die<br />

ostdeutschen Städte an das Westniveau angleichen. Der Anstieg <strong>von</strong> Bevölkerung<br />

mit Migrationshintergrund ist deshalb in dieser Betrachtung einzubeziehen, da häufig,<br />

neben Armen und Alten, Ausländer zu denjenigen „Problemgruppen“ gezählt werden,<br />

durch die soziale Konflikte entstehen können 8 , die Segregationsprozesse ankurbeln,<br />

was sich wiederum auf die Stadtentwicklung auswirkt.<br />

2.2 Bevölkerungssuburbanisierung / Gewerbesuburbanisierung<br />

Vorrangig Kern- und Innenstädte sind zusehends <strong>von</strong> spürbaren Bevölkerungsverlusten<br />

berührt. Mit Suburbanisierung ist die Abwanderung <strong>von</strong> Bevölkerung in städtische<br />

Randgebiete und das Umland gemeint 9 . Besonders durch den aus dem Übergang<br />

der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft verursachten Wertewandel<br />

ergeben sich gesellschaftliche Tendenzen, die zu Zersiedelung, Dekonzentration und<br />

der Unattraktivität der Innenstädte beitragen. Individualisierung und Pluralisierung<br />

der Lebensformen und –stile wirken kurz- bis mittelfristig schrumpfungsmildernd,<br />

weil steigende Haushaltszahlen, wegen „Einzelhaushalten“ bei vielen Rentnern und<br />

5 Vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.) <strong>2008</strong>: Daten, Fakten, Trends zum demographischen<br />

Wandel in Deutschland, S. 20<br />

6 Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2006: 11. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung – Annahmen<br />

und Ergebnisse, S. 5-6<br />

7 Vgl. Kocks, Martina 2003: Der demographische Wandel in Deutschland und Europa, S. 2, in: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 12/2003<br />

8 Vgl. Strubelt, Wendelin 2007: Gedanken zur Stadt und Stadtentwicklung, S. 346 in: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 6/2007<br />

9 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in Deutschland<br />

– Fakten und Trends, S. 557, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

3


jugendlichen Personen und aufgrund hoher Scheidungsraten, eine höhere Wohnungsnachfrage<br />

bedeuten 10 . In der Wirklichkeit werden diese Bedarfe hingegen im<br />

suburbanen Raum befriedigt, weshalb das Problem erheblicher Wohnungsleerstände<br />

in den Städten nicht bereinigt wird. Staatliche Subventionen tragen zur Abwanderung<br />

in städtische Umlandgebiete bei. Zu nennen sei hier die bereits abgeschaffte Eigenheimzulage<br />

oder die derzeit heftig umstrittene Pendlerpauschale, die die Überwindung<br />

<strong>von</strong> Pendeldistanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort staatlich bezuschusst.<br />

Einen übermäßig starken Effekt wird die Abschaffung der Eigenheimzulage kaum<br />

bewirken, besonders da mit dem kürzlich beschlossenen Eigenheimrentengesetz<br />

Wohneigentum als Altersvorsorge anerkannt wird 11 .<br />

Ein Großteil der Bevölkerung sucht nach einem Wohnort mit möglichst optimalen<br />

Lebensbedingungen und größtmöglichem persönlichen Freiraum. Einesteils leitet<br />

sich dies aus dem beständig steigenden Bedarf an Wohnfläche je Einwohner her:<br />

Grundsätzlich streben junge beruflich erfolgreiche Menschen nach viel Wohnraum,<br />

der aus rein ökonomischen Gesichtspunkten <strong>von</strong> Einzelpersonen („Singlehaushalt“)<br />

nicht optimal ausgenutzt wird. Familienhaushalte, bei denen Kinder ausziehen, und<br />

Haushalte Älterer, die bereits Witwen sind, behalten aus vielerlei Gründen (z.B.<br />

emotionale Bindung) in der Regel den bestehenden Wohnraum bei. Andererseits<br />

wünschen sich vor allem junge Familien ein „eigenes Heim im Grünen“. Das Vorhandensein<br />

funktionsfähiger kinderfreundlicher Infrastrukturen, die Nähe zu Erholungsgebieten<br />

(z.B. Wald als Ausflugsziel) und gute nachbarschaftliche Beziehungen<br />

sind nur einige der wichtigsten Antriebskräfte, die zur Ansiedelung in den sogenannten<br />

„Speckgürteln“ der Städte bewegt.<br />

Zusätzlich unterstützt eine zunehmende Motorisierung der Bevölkerung die Suburbanisierung.<br />

Mit steigendem Wohlstand, angestoßen durch das Wirtschaftswunder,<br />

steigt auch die Anzahl der PKW insgesamt kontinuierlich an und Pendelverkehr zwischen<br />

Arbeitsstelle und Wohnort, auch über größere Distanzen, ist heute vielerorts<br />

10 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.): Demografischer Wandel in Deutschland,<br />

Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Bund und in den Ländern, Heft 1, Ausgabe 2007,<br />

S. 28<br />

11 Vgl. Wohneigentum wird Teil der Altersvorsorge, in: Internetauftritt des Bundesministeriums für<br />

Arbeit und Soziales, URL:<br />

http://www.bmas.de/coremedia/generator/26610/<strong>2008</strong>__06__20__eigenheimrentengesetz.html, zuletzt<br />

abgerufen am 24.06.<strong>2008</strong><br />

4


selbstverständlich 12 . Die gestiegene Mobilität bei jüngeren Generationen zeigt sich<br />

im Wanderungsverhalten zwischen alten und neuen Bundesländern besonders stark.<br />

Der umzugswilligen Bevölkerung folgen ebenfalls die innerstädtisch angesiedelten<br />

Unternehmen, was gemeinhin mit Gewerbesuburbanisierung definiert wird. Neben<br />

fehlender Nachfrage an Konsumgütern und Dienstleistungen, aufgrund schrumpfender<br />

Bevölkerungszahlen, trägt die Optimierung <strong>von</strong> Betriebsabläufen zur Auslagerung<br />

in den suburbanen Raum bei, denn häufig geht dies mit ebenerdiger Produktion<br />

einher. Folglich steigt der Bedarf nach Fläche für die jeweiligen Unternehmen, die<br />

wiederum an geringen Miet- und Grundstückspreisen interessiert sind, welche in der<br />

Regel vermehrt in peripheren Gewerbegebieten der Städte angeboten werden. Im<br />

Rahmen <strong>von</strong> Globalisierung/Internationalisierung senken moderne deutsche Unternehmen<br />

ihre Fertigungstiefe und spezialisieren sich auf technologisch hochwertige<br />

Güter. Demzufolge verlagern viele Unternehmen einzelne Betriebszweige oder ganze<br />

Betriebe, die mit gering qualifizierten Erwerbstätigen (Industriearbeitsplätze) arbeiten,<br />

ins Ausland. Im Inland fehlen diese Arbeitsplätze. Weltweite Absatzmärkte<br />

zwingen außerdem zur Nähe an leistungsfähiger und schnell erreichbarer Infrastruktur<br />

(z.B. Autobahnen, Wasserstraßen oder Flughäfen), denn moderne Unternehmen<br />

produzieren primär für den sofortigen oder kurzfristigen Verkauf. Lagerhaltung verursacht<br />

Kosten und wird im Wesentlichen weitgehend vermieden. Um ein Beispiel<br />

zu geben – nahezu zwei Drittel aller Industrieflächen Thüringens sind mittlerweile in<br />

einem Radius <strong>von</strong> fünf Kilometern zu Autobahnauffahrten angesiedelt.<br />

2.3 interregionale Wanderung / Migration<br />

Im Bundesländervergleich sind vor allem ostdeutsche Klein- und Mittelstädte sowie<br />

strukturschwache Regionen <strong>von</strong> erheblichen Wanderungsverlusten betroffen, während<br />

die westdeutschen Länder bisher <strong>von</strong> jenen innerdeutschen Wanderungen profitierten<br />

13 . Langfristig werden aber auch sie nicht <strong>von</strong> Schrumpfung verschont bleiben.<br />

Von der Abwanderung besonders betroffen sind Ortschaften, die sich entweder in<br />

ungünstigen Randlagen (z.B. zu den neuen EU-Mitgliedsstaaten Polen und Tschechoslowakei<br />

oder Gebieten an Nord- und Ostsee) oder in vormals industriell<br />

12 Vgl. Siedentop, Stefan 2007: Auswirkungen der Beschäftigungssuburbanisierung auf den Berufsverkehr<br />

– Führt die Suburbanisierung der Arbeitsplätze zu weniger Verkehr?, S. 105, in: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 2/3.2007<br />

13 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in<br />

Deutschland – Fakten und Trends, S. 558, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

5


geprägten Gebieten befinden. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und der Entwicklung<br />

zur Dienstleistungsgesellschaft sind Unternehmen, die strukturbestimmend<br />

für ganze Städte und Ortschaften waren, längst ein obsoletes Phänomen, womit auch<br />

Schrumpfungsprozesse im industriell geprägten Raum um Düsseldorf oder das „Kohleabbaugebiet<br />

Saarland“ zu erklären sind. Weitere Beispiele sind Städte wie Eisenhüttenstadt<br />

(<strong>von</strong> der Stadt am Stahlwerk zur Stadt mit einem Stahlwerk), Guben (als<br />

Grenzstadt mit dem Stadtbild einer durch Krieg und späte Industrialisierung zerstörten<br />

Stadt) oder Kiel (<strong>von</strong> der Werften-, Hafen- und Industriestadt zur Dienstleistungs-<br />

und Freizeitstadt am Wasser) 14 .<br />

Warum insbesondere die neuen Bundesländer <strong>von</strong> derartigen Abwanderungserscheinungen<br />

betroffen sind, erschließt sich, sobald man sich das Erbe 40jähriger sozialistischer<br />

Stadtplanung vergegenwärtigt. Zu Zeiten der DDR sind viele ostdeutsche Städte<br />

erst zu erheblichem Wachstum gelangt, die stark monowirtschaftlich meist auf<br />

wenige oder gar einen einzigen Betrieb ausgerichtet wurden. Nach der Wiedervereinigung<br />

bedeutete dies einen großen Nachteil, da die ostdeutschen Städte nunmehr<br />

einen abrupten Systemwechsel durch die plötzliche Umstellung auf die soziale<br />

Marktwirtschaft zu verkraften hatten und sich nicht langfristig wirtschaftlich entwickeln<br />

konnten, wie es etwa im Ruhrgebiet der Fall war. Die aus ökonomischen<br />

Gründen erfolgte massenhafte Schließung nicht benötigter industrieller Betriebe<br />

führte zu hohen Arbeitslosenzahlen, was dem Wegbrechen der wirtschaftlichen Basis<br />

gleichkommt. In Verbindung mit einer insgesamt schlechten Verdienst- und Arbeitsmarktlage,<br />

als einem der wichtigstes Motivationsgründe zum Wohnortwechsel,<br />

brach die Geburtenrate in den neuen Bundesländern förmlich ein 15 , da sich junge<br />

Familien wegen schlechter wirtschaftlicher Voraussetzungen und dem über mehrere<br />

Dekaden unterdrückten Konsumbedürfnissen immer weniger für eigene Kinder entschieden.<br />

Hauptsächlich junge qualifizierte Menschen zeigen eine hohe Bereitschaft<br />

zur Abwanderung und sind bei der Wahl des Wohnortes flexibel 16 . Beiläufig sei zudem<br />

das Antlitz der für das Stadtbild der DDR typischen Plattenbausiedlungen erwähnt,<br />

deren bauliche und kulturelle Unattraktivität zur Distanzierung beitragen.<br />

14 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) 2004: Auf dem Weg zur Stadt 2030 – Leitbilder,<br />

Szenarien und Konzepte – Ergebnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“, S. 30<br />

15 Vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.) <strong>2008</strong>: Daten, Fakten, Trends zum demographischen<br />

Wandel in Deutschland, S. 36<br />

16 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in<br />

Deutschland – Fakten und Trends, S. 564, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

6


Gemeinsam führten der demografische Wandel, Suburbanisierungstendenzen <strong>von</strong><br />

Bevölkerung und Unternehmen, die Abwanderung junger qualifizierter Arbeitskräfte,<br />

schlechte Erwerbsperspektiven, der Geburtenrückgang und bisher zurückgestellte<br />

bzw. verwehrte Konsumwünsche (eigener PKW, eigener Haushalt, viel Wohnfläche<br />

etc.) zu dem nachteiligen Ergebnis, dass die Städte der neuen Bundesländer in der<br />

Zeit zwischen 1990 bis 2002 bis zu einem Viertel Ihrer Einwohner verloren. Insgesamt<br />

büßten alle ostdeutschen Städte im benannten Zeitraum nahezu eine Million<br />

Menschen ein, wobei die Städte Leipzig (-12 %), Halle (-21 %) und Chemnitz (-19%)<br />

die meisten Verluste beklagen 17 . Wenige positive Entwicklungen ereigneten sich in<br />

der Regel auf Kosten anderer Städte oder Regionen. Der Bedeutungsgewinn im<br />

Raum Dresden, Erfurt und der „Speckgürtel“ um Berlin sind besonders augenfällig 18 .<br />

3. <strong>Folgen</strong> <strong>von</strong> <strong>Stadtschrumpfung</strong><br />

Aus anhaltenden Schrumpfungsprozessen ergeben sich weitreichende <strong>Folgen</strong> für die<br />

zukünftige Stadtentwicklung. Im <strong>Folgen</strong>den soll im Wesentlichen unterschieden<br />

werden zwischen den Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, die soziale und technische<br />

Infrastruktur sowie das Verkehrswesen, die kommunalen Finanzhaushalte und<br />

die Umwelt der betroffenen Städte und Regionen.<br />

3.1 Wohnungswesen<br />

Der unverkennbare Bevölkerungsrückgang und Suburbanisierung führen in den ostdeutschen<br />

Kern- und Innenstädte <strong>von</strong> Mittel- und Grundzentren zu massivem Wohnungsleerstand.<br />

Derzeit sind nahezu 20 bis 25 Prozent aller Wohnungen in den neuen<br />

Bundesländern unbewohnt, besonders betroffen sind Altbauten in schlechtem Zustand,<br />

deren Bau bis zum Ersten und Zweiten Weltkrieg zurückdatierbar werden<br />

kann und als unattraktiv empfundene Plattenbausiedlungen. Durch Abwanderung<br />

bedingt, stehen angesichts des nur geringen Nutzungsdrucks ganze Gebäude dauerhaft<br />

leer oder liegen brach, allein zwischen 2002 und 2009 sollen bundesweit<br />

350.000 Wohnungen vom Markt genommen werden 19 . Außerdem führt die sich sukzessive<br />

verändernde Nachfrage, trotz Nachfragerückgang und Leerständen insgesamt,<br />

17 Vgl. Daldrup, Engelbert Lütke 2003: Die „perforierte Stadt“ – neue Räume im Leipziger Osten,<br />

S. 55, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 1/2.2003<br />

18 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in<br />

Deutschland – Fakten und Trends, S. 565, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

19 Vgl. Kabisch, Sigrun/Peter, Andreas/Bernt, Matthias 2007: Stadtumbau Ost aus der Sicht der Bewohner<br />

– Wahrnehmungen, Erwartungen, Partizipationschancen, S. 37 in: Informationen zur Raumentwicklung,<br />

Heft1.2007<br />

7


zu Neubauten und verstärktem Umbau <strong>von</strong> Wohnungen, vorrangig im suburbanen<br />

Raum. Einerseits aufgrund des gestiegenen Wohnflächenkonsums, andererseits angesichts<br />

der veränderten Altersstruktur, die eine Umstrukturierung zu betreutem und<br />

altengerechten Wohnen (z.B. Notwendigkeit <strong>von</strong> Fahrstühlen) notwendig macht 20 .<br />

3.2 soziale und technische Infrastruktur<br />

Für die technische Infrastruktur ist allein die zahlenmäßige Bevölkerungsentwicklung<br />

bzw. –dichte wichtig. Jedwede infrastrukturelle Einrichtung, <strong>von</strong> der Abfallentsorgungsanlage<br />

bis zum Kanalisationssystem, benötigt eine gewisse Auslastung zur<br />

optimalen Nutzung. In Abwasserleitungen ist ein bestimmter Wasserdruck notwendig,<br />

um eine gewisse Fließgeschwindigkeit sicherzustellen. Zu geringer Druck bewirkt<br />

Herabsetzung der Fließgeschwindigkeit oder sogar Stillstand, weshalb es zu<br />

verstärkter Korrosion und anderen Negativeffekten (z.B. biologische Zersetzung im<br />

Kanalisationssystem) kommen kann. Diesbezüglich trägt in Wegzugsräumen ein<br />

merklicher Bevölkerungsschwund bzw. eine Zersiedelung und Dekonzentration der<br />

Bevölkerung zu Effizienzverlusten bei Ver- und Entsorgungsnetzen bei 21 . Dies hängt<br />

unmittelbar mit den relativ hohen Festkosten dieser infrastrukturellen Einrichtungen<br />

zusammen (z.B. für Mindestpersonal, Betriebs- und Instandsetzungskosten), die in<br />

der Regel zwischen 50 bis 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Diese Fixkosten<br />

sind für die Aufrechterhaltung der technischen Infrastruktur zwingend notwendig<br />

und müssen folglich auf die geringere Bevölkerungszahl umgelegt werden, was für<br />

den einzelnen Bürger, der zurückgeblieben ist, höhere Kosten für Wasser, Abwasser<br />

oder Müllentsorgung bedeutet. Das Abwandern großer Abnehmer bzw. Kunden, gemeint<br />

sind Unternehmen, und ein verändertes Verbraucherverhalten 22 , tragen zusätzlich<br />

zur starken Unterauslastung alter Infrastruktur bei, die vor Jahrzehenten für bestimmte<br />

Auslastungen und Kapazitäten angelegt wurde.<br />

Im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel zwingen geringe Auslastungen und die<br />

niedrige Inanspruchnahme ebenfalls zum Abbau <strong>von</strong> Überkapazitäten bei öffentlichen<br />

Dienstleistungen. In diesem Sinne werden Bahntrassen geschlossen oder nicht<br />

20 Vgl. Kocks, Martina 2003: Der demographische Wandel in Deutschland und Europa, S. 3, in: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 12/2003<br />

21 Vgl. Bauer, Uta 2003: Nachhaltige Stadtentwicklung in schrumpfenden Städten – Selbstläufer oder<br />

neue Gestaltungsaufgabe?, S. 640-641, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

22 Anmerkung des Verfassers: In Anbetracht stetig steigender Preise für knappe Güter wie Wasser<br />

oder Energie sind die Bürgerrinnen und Bürger heute sparsamer im Umgang damit. Außerdem ermöglichen<br />

technische Innovationen weitere Einsparungen, aufgrund effizienterer Ausnutzung.<br />

8


mehr angefahren, Bushaltestellen für den öffentlichen Personen- und Nahverkehr<br />

ausgespart oder Fahrstrecken seltener bis gar nicht mehr angefahren 23 . Die steigende<br />

individuelle Mobilität der erwerbstätigen Bevölkerung führt dazu, dass im Pendelverkehr<br />

zwischen Stadt und Land häufig nur noch Schulkinder, wenige Rentner und<br />

wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen (z.B. Arbeitslose) auf die Benutzung<br />

<strong>von</strong> Bussen zurückgreifen.<br />

Der Wandel in der Bevölkerungsstruktur, der sich in Zukunft noch verstärken wird,<br />

erfordert eine Neugestaltung im Bereich sozialer Infrastruktur. Während der Bedarf<br />

an Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen angesichts des Fehlens nachfolgender<br />

geburtenstarker Jahrgänge insgesamt sinkt, steigt zunehmend die Nachfrage nach<br />

bedarfsgerechten Einrichtungen für ältere Menschen, die eine altengerechte Anpassung<br />

der Infrastruktur (z.B. mit stationären und mobilen Pflegestationen) benötigen.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass die benannten Wanderungsbewegungen größtenteils<br />

selektiv sind. Gerade die einkommensstarken Haushalte, die eine hohe Steuerleistung<br />

erbringen, wandern ab und zurück bleiben diejenigen, die sich einen Umzug nicht<br />

leisten können oder aufgrund emotionaler Bindungen bleiben wollen – Ältere, Arbeitslose<br />

und Geringverdiener. Für die kommunalen Sozialleistungen bedeutet dies,<br />

dass immer weniger sozial Starke immer mehr sozial Schwachen gegenüber stehen.<br />

Strukturell benachteiligte Stadtquartiere trifft dies besonders hart, weil die sinkende<br />

Kaufkraft und Bevölkerungsdichte eine Ausdünnung <strong>von</strong> Handels- und Dienstleistungsangeboten<br />

nach sich zieht 24 , denn auch die Unternehmen wandern in Anbetracht<br />

der Profiteinbußen ab. In derartig benachteiligten Stadtquartieren können Segregationsprozesse,<br />

d.h. die Abspaltung bzw. Abgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen<br />

<strong>von</strong>einander (z.B. Ältere vs. Junge, Erwerbstätige vs. Arbeitslose, Einheimische<br />

vs. Migranten), zu Polarisation der Bevölkerung und sozialen Instabilitäten führen<br />

25 . Angesichts dessen müssen sich künftig Bevölkerungsteile schrumpfender Städte<br />

auf Wohlstandseinbußen und teilweise sogar sozialem Abstieg einstellen, sofern<br />

keine geeigneten Gegenmaßnahmen greifen.<br />

23 Vgl. Kocks, Martina 2003: Der demographische Wandel in Deutschland und Europa, S. 3, in: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 12/2003<br />

24 Vgl. Bauer, Uta 2003: Nachhaltige Stadtentwicklung in schrumpfenden Städten – Selbstläufer oder<br />

neue Gestaltungsaufgabe?, S. 642, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

25 Vgl. Ebd., S. 642<br />

9


3.3 kommunale Finanzen<br />

Grundsätzlich setzen sich kommunale Finanzhaushalte aus Finanzzuweisungen <strong>von</strong><br />

Bund, Ländern und der Europäischen Union sowie Steuern und Gebühren der Bürgerinnen<br />

und Bürger zusammen. Bevölkerungsverluste gerade <strong>von</strong> erwerbstätigen Personen,<br />

ein steigender Anteil <strong>von</strong> Rentnern und abwandernde Unternehmen bescheren<br />

den Kommunen finanzielle Belastungen, die aufgrund geringerer Einnahmen aus<br />

Einkommens- und Gewerbesteuern schwer zu schultern sind. Häufig sind Zuweisungen<br />

durch Bund und Länder an einen „Einwohnerschlüssel“ geknüpft. Pro weggezogenen<br />

Einwohner entgehen den Kommunen jährlich beträchtliche Beträge für den<br />

Haushalt. Resultat dessen ist eine strikte Sparpolitik, durch die kulturelle (z.B. Theater)<br />

und soziale Einrichtungen (z.B. Jugendbegegnungsstätten) vernachlässigt und<br />

Angebote verringert oder eingestellt werden 26 . Zudem setzt die Vergabe <strong>von</strong> Fördermitteln<br />

zur wirtschaftlichen Entwicklung durch Bund, Länder oder die EU häufig<br />

eine Teilfinanzierung der Kommunen voraus. Dabei droht der Ausschluss <strong>von</strong> wichtigen<br />

Förderprojekten, sobald der geforderte Eigenbeitrag nicht mehr aufgebracht<br />

werden kann, woraus sich ein weiterer Abstieg der Stadt/der Region ergeben kann.<br />

3.4 Umwelt<br />

Auf den ersten Blick ergeben sich positive Effekte für die Umwelt aus der <strong>Stadtschrumpfung</strong>.<br />

Eine geringe Inanspruchnahme <strong>von</strong> wertvollen Umweltgütern (z.B.<br />

weniger Abfallentsorgung, geringerer Wasser- und Energieverbrauch) schont offenbar<br />

die kostbaren natürlichen Ressourcen. Allerdings verursachen leerstehende Gebäude<br />

und durch Bevölkerungs- und Gewerbesuburbanisierung verantwortete Zersiedelung<br />

und Dekonzentration zu höherem Energie- und Ressourcenverbrauch. Einesteils<br />

müssen zum Beispiel auch leer stehende Wohnungen zumindest grundgeheizt<br />

werden, die Dekonzentration der Bevölkerung führt zu enormen Flächenverbrauch<br />

und zur Versiegelung des Bodens. Dennoch können Brachflächen in den Innenstädten<br />

auch positiv beleuchtet werden, denn sie bieten die Chance zusätzliche<br />

Grün- und Freiflächen und somit eine ökologische Aufwertung der Innenstädte zu<br />

bewirken. In größerem Maßstab können sich selbst überlassene Naturräume Anreize<br />

für die Tourismusbranche und Umweltschutzmaßnahmen (z.B. Anlage <strong>von</strong><br />

26 Vgl. Gatzweiler, Hans-Peter/Meyer, Katrin/Milbert, Antonia 2003: Schrumpfende Städte in<br />

Deutschland – Fakten und Trends, S. 564, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

10


Naturreservaten) bieten. Längst verdrängte Wildtierarten finden dementsprechend in<br />

dünn besiedelten Teilen Brandenburgs zurück in die deutschen Lande 27 .<br />

4. Maßnahmen gegen <strong>Stadtschrumpfung</strong> (Stadtumbau/-rückbau)<br />

Ein Wandel der Bebauungsstruktur der Städte in der Bundesrepublik Deutschland<br />

lässt sich nicht verhindern. Über kurz oder lang erfasst die demografische Entwicklung<br />

die Städte der alten Bundesländer. Berücksichtigung findet das Phänomen<br />

schrumpfender Städte in der für das Städtebaurecht wichtigsten Rechtsquelle – dem<br />

Baugesetzbuch, und zwar im Rahmen des „besonderen Städtebaurechtes“. Dabei sind<br />

die Paragrafen 171 bis 179 BauGB 28 besonders interessant. Mit der Herausforderung<br />

Stadtumbau/-rückbau, insofern vor allem mit dem demografischen Wandel, befassen<br />

sich die §§ 171a-d. Im Kern regeln sie, dass benachteiligte Stadtgebiete bzw. Quartiere<br />

als Stadtumbaugebiet auszuweisen sind 29 . Mit dem Ziel der Entwicklung funktionierender<br />

und nachhaltiger Stadtstrukturen 30 sind diesbezüglich städtebauliche<br />

Entwicklungskonzepte zu erarbeiten 31 , die sich an verschiedenen Leitbildern (z.B.<br />

„Stadtperforation“ oder „lean city“) orientieren.<br />

Die Erhaltungssatzungen des Baugesetzbuches (§§ 172-179 BauGB) dienen dazu,<br />

bestehende Stadtstrukturen zu bewahren. Hierbei handelt es sich meistens um besonders<br />

gewachsene städtebauliche und soziale Strukturen, die es zu bewahren gilt.<br />

Dementsprechend können diverse Altstädte und historische Stadtviertel anhand solcher<br />

Erhaltungssatzungen konserviert sowie, in Hinblick auf Nachhaltigkeit, ihr kultureller<br />

und sozialer Wert an nachfolgende Generationen weiter gereicht werden.<br />

Zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen zeigt sich auch die Bundesregierung initiativ.<br />

Etwa anhand des 2001 bis 2009 laufenden Programms „Stadtumbau Ost – für<br />

lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“, für das allein die Bundesregierung 1,1<br />

Milliarden Euro zur Verfügung stellte (Budget insgesamt: 2,5 Mrd. Euro) 32 . Auch in<br />

27 Vgl. Schrumpfende Regionen als Chance sehen – Junge Menschen verlassen neue Bundesländer –<br />

Was tun im ländlichen Raum?, in: Internetauftritt des NABU,<br />

URL: http://www.nabu.de/m01/m01_01/07907.html, zuletzt abgerufen am 28.06.<strong>2008</strong><br />

28 Vgl. Bundesjustizministerium: Baugesetzbuch 2006<br />

29 Vgl. Baugesetzbuch (BauGB), § 171b<br />

30 Vgl. Baugesetzbuch (BauGB), § 171a<br />

31 Vgl. Baugesetzbuch (BauGB), § 171b<br />

32 Vgl. „Stadtumbau Ost“, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,<br />

http://www.bmvbs.de/Stadtentwicklung_-Wohnen/Stadtentwicklung-,1553/Stadtumbau-Ost.htm,<br />

zuletzt abgerufen am 25.06.<strong>2008</strong><br />

11


den alten Bundesländern legte die Bundesregierung ein Programm zur Städtebauförderung<br />

(„Stadtumbau West“) an. Bis 2006 stiegen die jährlichen Finanzmittel auf<br />

über 55 Millionen Euro, die bis 2009 auf jährlich 86 Millionen Euro anwachsen und<br />

vor allem vom militärischen Strukturwandel betroffene Kommunen unterstützten 33 ,<br />

die aus ökonomischer Sicht durch Schließung <strong>von</strong> Bundeswehrstandorten empfindliche<br />

Einbußen hinzunehmen haben.<br />

4.1 Stadtperforation, Stadttransformation, Stadtauflösung<br />

Anhand drei der markantesten Leitbilder zum Stadtumbau/-rückbau soll im <strong>Folgen</strong>den<br />

die große Fülle an Lösungsmöglichkeiten angedeutet werden. Dabei ist zu beachten,<br />

dass an dieser Stelle nicht sämtliche Leitbilder detailliert und umfassend erläutert<br />

werden können, eine Reduktion der Inhalte auf den wesentlichen Kern ist unabdingbar.<br />

Allerdings kann ansatzweise auf weitere Programme und Konzepte hingewiesen<br />

werden.<br />

Innerhalb des Leitbildes der „perforierten Stadt“ ändert sich das Erscheinungsbild<br />

nach städtebaulichen Um- und Rückbaumaßnahmen nur ausschnittsweise 34 . Ziel ist,<br />

dem massenhaften Wohnungsleerstand effektiv zu begegnen und Gebäude, die keine<br />

wirkliche Funktion mehr ausüben, durch ökologisch und sozial wertvollen Freiraum<br />

zu ersetzen. Dies können neu entstehende Grünanlagen oder Spielplätze für Kinder<br />

sein. In erster Linie werden diesbezüglich punktuell ungenutzte Gebäude und Anlagen<br />

rückgebaut bzw. abgerissen und durch derart fragmentierte Ausdünnung der<br />

Bausubstanz kann eine nachhaltige Stadtentwicklung mit neuer Lebensqualität umgesetzt<br />

werden 35 . Demgemäß bietet das Perforationsmodell die günstige Gelegenheit,<br />

sich <strong>von</strong> minderwertiger Bebauung zu befreien, wobei ein gleichzeitiges Wachsen<br />

bevorteilter Städte und ein Schrumpfen benachteiligter Stadtteile sich nebeneinander<br />

nicht ausschließt. Wachstum in Stadtteilen höherer Qualität kann gestärkt und eher<br />

qualitätsarme Quartiere verringert werden, weshalb der Um- und Rückbauprozess<br />

<strong>von</strong> der Bevölkerung emotional positiver als bei anderen Modellen registriert und<br />

verarbeitet werden kann, weil kein flächenhafter Abriss ganzer Stadtteile droht.<br />

33 Vgl. „Stadtumbau West“, in: Bundesministerium für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung,<br />

http://www.bmvbs.de/Stadtentwicklung_-Wohnen/Stadtentwicklung-,1552/Stadtumbau-West.htm,<br />

zuletzt abgerufen am 25.06.<strong>2008</strong><br />

34 Vgl. Göschel, Albrecht 2003: Stadtumbau – Zur Zukunft schrumpfender Städte vor allem in den<br />

neuen Bundesländern, S. 608, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

35 Vgl. Ebd., S. 608<br />

12


Anders gestaltet sich dies im Rahmen der „Stadttransformation“. In dieses Modell<br />

fallen vor allem Städte, die <strong>von</strong> massiven Bevölkerungsverlusten leiden und diese<br />

Verluste nicht durch Zuwanderung auszugleichen im Stande sind 36 . Dies betrifft viele<br />

ostdeutsche Städte, die sich mit einem totalen Wandel des Stadtbildes konfrontierte<br />

sehen. Gemeint sind erstrangig vormals durch Altindustrie geprägte Städte und<br />

Gemeinden, in denen nach plötzlichem Verlust der klassischen Industriearbeitsplätze<br />

keine ausgleichende Schaffung moderner Dienstleistungsbeschäftigung folgte 37 .<br />

Die Kleinstadt Guben beispielsweise wurde in der Zeit der DDR auf die Textilindustrie<br />

ausgerichtet und erreichte ihren bevölkerungstechnischen Höhepunkt mit knapp<br />

40.000 Einwohnern in den 80er Jahren 38 . Heute leben in Guben gerade noch 24.000<br />

Menschen und ein Ende der Schrumpfung ist nicht in Sicht. Stellvertretend für viele<br />

ostdeutsche Städte zeichnet sich in Guben eine Doppelproblematik ab. Wenn in einem<br />

Zeithorizont <strong>von</strong> zehn bis fünfzehn Jahren die Schrumpfung durch Abwanderung<br />

enden wird, setzt voraussichtlich der demografische Verlust ein, da junge Erwerbstätige<br />

ausbleiben und die immer älter werdende Bevölkerung sich aufgrund<br />

<strong>von</strong> Sterbefällen verringert. Sehr wahrscheinlich kehren die betroffenen mittelgroßen<br />

Industriestädte wieder zu ihren Verhältnissen vor der Industrialisierung zurück und<br />

verändern sich zu kleinen „Landstädten“, wenn keine grundlegenden Änderungen<br />

diese Entwicklung abdämpfen oder in eine andere Richtung lenken. Problematisch ist<br />

jedoch, dass viele kleinstädtische Zentren, aufgrund <strong>von</strong> Zerstörungen im Zweiten<br />

Weltkrieg, gar nicht mehr existieren und deshalb tatsächlich ein vollständiger Wandel<br />

des Stadtbildes erfolgen wird 39 . Wie solche Stadtbilder tatsächlich aussehen werden,<br />

ist sicher ungewiss und kann nur unter Einbeziehung der spezifischen lokalräumlichen<br />

und historischen Determinanten sowie anhand der Betrachtung kommender<br />

politischer und demografischer Entwicklungen beantwortet werden.<br />

In Betracht kommen vielgestaltige Stadtbilder, die nicht mehr dem gewohnten Typ<br />

der „normalen Stadt“ <strong>von</strong> heute entsprechen müssen. Wenn es sogar zum Wegfall<br />

lokaler Selbstverwaltung kommt, könnte dies zu Modellen der „ökologischen Stadt“,<br />

36 Vgl. Göschel, Albrecht 2003: Stadtumbau – Zur Zukunft schrumpfender Städte vor allem in den<br />

neuen Bundesländern, S. 610, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

37 Vgl. Ebd., S. 611<br />

38 Vgl. Internetauftritt der Stadt Guben, URL: http://www.guben-gubin-2030.de/de/index.html, zuletzt<br />

abgerufen am 29.06.<strong>2008</strong><br />

39 Vgl. Göschel, Albrecht 2003: Stadtumbau – Zur Zukunft schrumpfender Städte vor allem in den<br />

neuen Bundesländern, S. 611, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

13


in der es keine PKW und keine Verbrennungsmotoren gibt, oder zu „Städten der<br />

Denkmalpflege“ 40 führen, in deren extremer Ausprägung lediglich wenige Familien<br />

heimisch sind, die sich um den Erhalt historisch bedeutsamer Denkmäler bemühen.<br />

Eine extreme Form des Stadtrückbaus stellt die „Stadtauflösung“ dar. Jedoch muss<br />

dies künftig auch als mögliches Modell betrachtet und akzeptiert werden 41 . In Kleinstädten<br />

und Gemeinden, die lediglich <strong>von</strong> wenigen verbliebenen Familien bewohnt<br />

werden, können Infrastrukturkosten für die minimale Restbevölkerung sich weit vom<br />

Maß erforderlicher Effizienz und Wirtschaftlichkeit entfernen. Wenn die Kosten für<br />

Aufrechterhaltung infrastruktureller Anlagen in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen<br />

des Wohnens für einzelne Bürgerinnen und Bürger stehen, sollte das planvolle Auflösen<br />

<strong>von</strong> Orten in Betracht gezogen werden. Mit Sicherheit eine sensible Angelegenheit,<br />

da hierbei Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger („Recht auf Heimat“<br />

bzw. „Recht auf freie Wahl des Wohnortes“ nach Art. 11. GG 42 ) mit ins Spiel<br />

kommen. Deshalb müssen zweckmäßige Instrumente, wie Umzugsförderung oder<br />

angemessene Entschädigungszahlungen, geschaffen werden, um die Bürgerinnen und<br />

Bürger möglichst im Einverständnis zur Aufgabe des Wohnortes zu bewegen 43 .<br />

4.2 das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“<br />

Besonders auf <strong>von</strong> Segregation und sozialer Polarisierung betroffene Quartiere gemünzt<br />

ist das Programm „Soziale Stadt“, dem der Paragraf 171e BauGB geschuldet<br />

ist. Im Wesentlichen zielt es auf die Stabilisierung sozialer Missstände ab, indem<br />

unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten oder mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur<br />

benachteiligte Gebiete unterstützt werden. Dies sind sehr oft stark verdichtete Hochbebauungsgebiete<br />

in zentraler Stadtlage. Mit dem Anspruch der sozialen Gerechtigkeit<br />

(Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 und 28 GG 44 ) fußt das Programm auf fundamentalen<br />

Grundrechten und wirkt Segregationstendenzen entgegen. Maßnahmen, die<br />

hierzu ergriffen werden, tragen zur Verbesserung des Wohnumfeldes bei oder sind<br />

Projekte zur besseren Integration der Einwohner in die Gesellschaft.<br />

40 Vgl. Behr, Adalbert 2005: Das Städtebauförderprogramm „Städebaulicher Denkmalschutz“ – Ein<br />

Instrument zur Erhaltung historischer Stadtzentren“, S. 365, in: Informationen zur Raumentwicklung,<br />

Heft 6.2005<br />

41 Vgl. Göschel, Albrecht 2003: Stadtumbau – Zur Zukunft schrumpfender Städte vor allem in den<br />

neuen Bundesländern, S. 613, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

42 Vgl. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 11<br />

43 Vgl. Ebd., S. 613<br />

44 Vgl. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 und 28<br />

14


4.3 Management <strong>von</strong> Schrumpfungsprozessen – „lean city“<br />

Gegenmodell zur schrumpfenden Stadt ist das Leitbild der „lean city“ (sinngemäß<br />

übersetzt als „schlanke Stadt“). Grundlage ist die Wahrnehmung der Realität<br />

schrumpfender Städte und deren Akzeptanz. Im Vordergrund steht deshalb ein realistisches,<br />

aber auch positives Bild, wonach Städte Potentiale haben, aus eigener Kraft<br />

und neue Entwicklungschancen zu ergreifen 45 . Ziel ist zuvörderst ein Management<br />

der Schrumpfungsprozesse 46 , das sich aus der Verbindung <strong>von</strong> Akzeptanz und gezielter<br />

Steuerung in Form eines „geordneten Stadtrückbaus“ ergibt 47 . Stadtentwicklung<br />

geschieht im Rahmen der „lean city“ dabei insbesondere auf Basis freiwilliger<br />

informeller Zusammenarbeit und im Konsens aller Akteure (Bürgerinnen und Bürger,<br />

Stadtplaner, Wohneigentümer, Vermieter, Unternehmen etc.), die <strong>von</strong> den städtebaulichen<br />

Entwicklungen betroffen sind 48 . Besondere Bedeutung wird diesbezüglich<br />

dem Ausbau städtischer Wohn- und Freiraumqualitäten beigemessen sowie der Wahrung<br />

funktionaler und historischer Stadtzentren. In Rahmen der „lean city“ sind Städtekooperationen<br />

und Bürgerbeteiligung bei Planungsentscheidungen und der Durchführung<br />

<strong>von</strong> Stadtumbau und –rückbaumaßnahmen ein Garant für nachhaltige Entwicklung,<br />

überdies wirken sie identitätsstiftend und werden angesichts heute noch<br />

selbstverständlicher kommunaler Dienstleistungen immer wichtiger. Denkbar ist,<br />

dass diese Dienstleistungen in vielen Orten ohne die Übernahme <strong>von</strong> Verantwortung<br />

durch die ansässigen Bürgerinnen und Bürger nicht mehr garantiert werden können 49 .<br />

Was aber bedeutet Nutzung eigener Potentiale? Tatsächlich können sich in den Bereichen<br />

Wohnungswesen, Städtebau und Flächennutzung Grundlagen für positive<br />

Entwicklungen verbergen. Dieserart können Freiräume für die Herausbildung und<br />

den Bau neuer und moderner Lebens-, Wohn- und Arbeitsbereiche geschaffen werden.<br />

Alte und scheinbar wertlose Gebäude können saniert werden und bergen nicht<br />

selten große Um- und Wiedernutzungspotentiale 50 . Viele Altstädte üben eine Anziehungskraft<br />

aufgrund ihrer kulturhistorischen Erbes aus (z.B. in Dresden).<br />

45 Vgl. Fuhrich, Manfred 2003: Stadt retour – Dimensionen und Visionen der „schlanken Stadt“, S.<br />

589, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

46 Vgl. Langhagen-Rohrbach 2005: Raumordnung und Raumplanung, S. 84<br />

47 Vgl. Fuhrich, Manfred 2003: Stadt retour – Dimensionen und Visionen der „schlanken Stadt“, S.<br />

593, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

48 Vg. Langhagen-Rohrbach 2005: Raumordnung und Raumplanung, S. 84<br />

49 Vgl. Liebmann, Heike 2007: Bürgermitwirkung an Stadtumbauprozessen – Beispiele aus dem<br />

Stadtumbau Ost, S. 33, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 1.2007<br />

50 Vgl. Fuhrich, Manfred 2003: Stadt retour – Dimensionen und Visionen der „schlanken Stadt“, S.<br />

595, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 10/11.2003<br />

15


Die massive Abwanderung und der Bevölkerungsrückgang führten in vielen „entleerten<br />

Räumen“ zu einem nur sehr geringen Nutzungsdruck, weshalb ein vergleichsweise<br />

niedriges Preisniveau vorherrscht und somit ein vergleichsweise größeres Flächenangebot<br />

besteht, denn das Kaufkraftpotential für Grund und Boden ist in vielen<br />

ostdeutschen Städten und Regionen sehr günstig. Für das gleiche Geld können Unternehmen<br />

und Privatpersonen im Vergleich mehr erwerben als in den alten Bundesländern.<br />

Schrumpfende Städte und Regionen profitieren außerdem <strong>von</strong> umfangreichen<br />

Strukturhilfen aus Finanzzuweisungen durch Bund, Länder und die Europäische<br />

Union. Zudem besteht außerdem die Chance, alte längst überholte infrastrukturelle<br />

Einrichtungen rückzubauen, die zuvor aufgrund der anhaltenden Auslastung nicht<br />

erneuert werden konnte. Weiterhin bieten sich nunmehr Möglichkeiten zur Installation<br />

moderner Infrastrukturausstattung, die anziehend auf Einwohner und Unternehmen<br />

sein kann.<br />

5. Schlussbetrachtung<br />

Die Untersuchung macht deutlich, dass das Problem schrumpfender Städte unmissverständlich<br />

besteht und über die derzeit intensiver betroffenen neuen Bundesländer<br />

in naher Zukunft die gesamte Bundesrepublik ergreifen wird. Angesichts der zentralen<br />

Ursachen, die sich im demografischen Wandel, der Bevölkerungs- und Gewerbesuburbanisierung<br />

und einer starken Binnenwanderung heraus kristallisieren setzen<br />

eue städtische Politiken oder gar eine bundesweite Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung<br />

als Antwort auf schrumpfende Städte ein realistisches Bewusstmachen dieser<br />

Schrumpfungsprozesse als beständiges, nicht nur vorübergehendes, Problem voraus.<br />

Aufgrund dringender Notwendigkeit wurden in den neuen Bundesländern bereits<br />

erste Schritte zu neuen Denkweisen und Umgangsformen mit <strong>Stadtschrumpfung</strong><br />

gemacht oder befinden sich noch in Erprobung. Um den durch Schrumpfung verursachten<br />

negativen <strong>Folgen</strong> <strong>von</strong> Überlasten an Bausubstanz und Unterlast der Infrastruktur<br />

sowie der mangelnden Angepasstheit sozialer Infrastruktur an kommende<br />

Bedürfnisse können jene Modelle und Leitbilder für die alten Bundesländer adaptiert<br />

und um die jeweiligen Schwächen anhand bisherige Erfahrungen bereinigt werden.<br />

Als „Bindefaktor“ der Bürgerinnen und Bürger an die besonders <strong>von</strong> Schrumpfungsprozessen<br />

betroffenen Mittel- und Kleinstädte werden identitätsstiftende Maßnahmen<br />

zunehmend wichtiger. Stärkere Beteiligung der Einwohner an Planung und<br />

16


Durchführung <strong>von</strong> Stadtentwicklungsprozessen kann ein nützliches Instrument sein,<br />

muss aber angemessen und konsequent umgesetzt werden.<br />

Neben der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist zuvorderst jedoch für<br />

jede Stadt/jeden Raum ein realistisches Gesamtentwicklungskonzept, maßgeschneidert<br />

anhand der speziellen räumlichen und sozialen Gegebenheiten, für <strong>von</strong><br />

Schrumpfung und Entleerung betroffene Städte und strukturschwache Regionen Voraussetzung<br />

für deren Fortschritt. Anhand der negativen demografischen Entwicklung,<br />

anhaltenden Suburbanisierungsprozessen und der nicht abreißenden Binnenwanderung<br />

sowie der teilweisen Abwanderung ins Ausland als zentrale Ursachen für<br />

Schrumpfung und Entleerung werden sich Stadtumbau und Stadtrückbau als zukünftige<br />

Normalität herausstellen, was der Bevölkerung insgesamt durch Politik und<br />

Verwaltung angemessen vermittelt werden muss.<br />

Allerdings bergen <strong>Stadtschrumpfung</strong> und Rückbau vorhandener Bausubstanz nicht<br />

nur Nachteile. Sie bieten vor allem die Chance zur Qualitätssteigerung, die in ökonomischen,<br />

ökologischen, sozialen oder kulturellen Dimensionen erfolgen kann.<br />

Überholte und unrentable Infrastrukturen können rückgebaut oder modernisiert werden,<br />

durch partiellen Abriss alter ungenutzter Gebäude in den Innenstädten können<br />

diese durch Schaffung neuer Frei- und Grünflächen ökologisch aufgewertet werden,<br />

vormals industriell genutzte Gebäude können umfunktioniert und anderweitig genutzt<br />

werden. Die große Zahl bereits praktizierter Modelle und Leitbilder (z.B. „lean<br />

city“ oder „perforierte Stadt“) sowie die <strong>von</strong> der Bundesregierung initiierten Bund-<br />

Länder-Programme (z.B. „Soziale Stadt“ oder „Stadtumbau Ost“) bieten das erforderliche<br />

Fundament, um Schrumpfungsprozessen zweckmäßig entgegen zu wirken,<br />

sie zielgerichtet zu steuern, abzumildern oder bestenfalls in Wachstum umzukehren.<br />

Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt sicherlich <strong>von</strong> der Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />

aller beteiligten Akteure (z.B. Mieter, Wohneigentümer, Unternehmen, Stadtplaner<br />

usw.) ab, die gemeinsam zur Attraktivitätssteigerung ihrer Städte und Regionen<br />

beitragen müssen. Angesichts des natürlichen Bevölkerungsrückgangs werden<br />

dennoch die Kern- und Innenstädte in Zukunft unter größerem Konkurrenzdruck<br />

stehen. Ein gemeinsamer Wille und der Umfang der umgesetzten Qualitätssteigerung<br />

entscheiden hierbei über Erfolg oder Nichterfolg im Kampf gegen <strong>Stadtschrumpfung</strong>.<br />

17


Literaturverzeichnis:<br />

Monografien:<br />

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zuletzt abgerufen am 29.06.<strong>2008</strong><br />

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zuletzt abgerufen am 28.06.<strong>2008</strong><br />

20

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