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B l i c k p u n k t II/06 - Wunschkind eV

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als 35, und fast 40% vertraten die Meinung, dass<br />

man mindestens ein Jahr ungeschützten Verkehr<br />

haben sollte, bevor man einen Arzt konsultiert. Daher<br />

ist es weiterhin wichtig, der Allgemeinbevölkerung<br />

allgemeinverständliche Information über<br />

Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit zur Verfügung zu<br />

stellen, Betroffene zu unterstützen und sich für eine<br />

bessere Kostenübernahme einzusetzen. Um dies<br />

auf einer internationalen Ebene voranzutreiben, gibt<br />

es seit über einem Jahr die Initiative ACT (Assisted<br />

Conception Taskforce, in der deutschen Übersetzung:<br />

Initiative Kinderwunsch, www.initiativekinderwunsch.net),<br />

in der sich Patientenvertreter<br />

und Gesundheitsexperten zusammengeschlossen<br />

haben. Ziel der Initiative ist es, allen Menschen mit<br />

Kinderwunsch in ihrem Behandlungsprozess beizustehen<br />

und reproduktionsmedizinischen Zentren zur<br />

Unterzeichnung einer Charta zu motivieren, in der<br />

die weltweiten Betreuungsprinzipien festgeschrieben<br />

sind.<br />

Am zweiten Tag berichtete Yukari Kawada, eine japanische<br />

Ärztin, die eine Klinik in den USA leitet,<br />

über das Thema „Reproduktionstourismus“ und den<br />

Trend, dass japanischer Paare verbotene Behandlungen<br />

in den USA durchzuführen. Sie sprach die<br />

Hoffnung aus, dass Japan in Zukunft den Paaren<br />

mehr Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung<br />

stellt, so dass dieser Tourismus nicht mehr erforderlich<br />

sein wird.<br />

Karl Nygren, ein sehr bekannter schwedischer Wissenschaftler<br />

und Arzt, berichtete über eine schwedische<br />

Studie, die alle 16.280 Kinder, die zwischen<br />

1982 und 2000 nach IVF geboren wurden, untersuchte.<br />

Interessant war, dass in diesen Jahren der<br />

Mehrlingsanteil von 29% auf 18,5% gesenkt wurde<br />

und damit auch die Frühgeburtsrate von 25% auf<br />

10% sank. Seit 2000 werden in Finnland, und kurz<br />

darauf auch in Schweden, nicht mehr zwei, sondern<br />

nur noch ein Embryo zurückgesetzt. Dies führte in<br />

Schweden zu einer sehr niedrigen Mehrlingsrate<br />

von nunmehr 5% bei gleich bleibenden Erfolgsquoten.<br />

Er sprach sich sehr dafür aus, dass dieses Modell<br />

von anderen Ländern übernommen wird.<br />

Nachmittags berichtete Stefan Siegel von dem Klinikum<br />

Bamberg über seine qualitative Studie über die<br />

Erfahrungen und Wahrnehmungen junger Erwachsenen,<br />

die mit IVF gezeugt wurden. Er zeigte mit<br />

zum Teil sehr erfrischenden und amüsanten Beispielen<br />

auf, wie souverän die Teenager mit ihrer IVF<br />

Zeugung umgehen („Nur weil ich im Reagenzglas<br />

gezeugt bin bedeutet dies noch lange nicht, dass ich<br />

ein eiskalt berechnende Person geworden bin oder<br />

mich irgendwie als künstlich empfinde!“, „Ich finde<br />

es toll, dass meine Eltern so viel auf sich genommen<br />

haben.“) und wie wenig sie die moralischen Bedenken<br />

teilen, die gerade in den Anfangsjahren gegenüber<br />

der IVF geäußert wurden.<br />

Der emotional anspruchvollste Vortrag wurde von<br />

der kanadischen Biologin Sharon Mortimer gehalten.<br />

Sie berichtete über ihre eigenen Erfahrungen mit<br />

ihrer Drillingsschwangerschaft. Die Schwangerschaft<br />

wurde, wie viele Mehrlingsschwangerschaften,<br />

nicht bis in die 40. Woche ausgetragen und ein<br />

Drilling verstarb kurz nach der Geburt. Die zweite<br />

Tochter entwickelte sich trotz der Frühgeburt recht<br />

gut, aber Sharon und ihrem Ehemann wurde geraten,<br />

für die dritte Tochter keine lebenserhaltenden<br />

Maßnahmen weiterzuführen, da ihr Zustand extrem<br />

kritisch war. Das Ehepaar richtete sich allerdings<br />

nicht nach dem ärztlichen Rat. Sharon erzählte sehr<br />

anschaulich, wie schwierig nicht nur die ersten Monate,<br />

sondern die ersten sechs, sieben Jahre waren.<br />

Die dritte Tochter überlebte, doch benötigte sie bis<br />

zu ihrem 10. Lebensjahr intensive medizinische Unterstützung<br />

und ihre Versorgung war sowohl medizinisch<br />

anspruchsvoll als auch körperlich und emotional<br />

für die Eltern anstrengend. Sie zeigte uns auf<br />

zahlreichen Bildern die einzelnen Entwicklungsschritte,<br />

auch Bilder der beiden Mädchen kurz nach<br />

der Geburt, als beide kaum größer als eine Hand<br />

waren. Der Vortrag hat uns alle sehr bewegt und<br />

vieles, was Karl Nygren über die Mehrlingsproblematik<br />

und Frühgeburtlichkeit ansprach, an einem<br />

ganz persönlichen Beispiel verdeutlicht.<br />

Der letzte Vortrag wurde von Liz Grill, einer amerikanischen<br />

Psychologin, gehalten. Sie berichtete über<br />

psychosoziale Aspekte eines selektiven Aborts,<br />

eine Möglichkeit, eine Mehrlingsschwangerschaft zu<br />

reduzieren, damit die überlebenden Kinder eine gute<br />

Chance erhalten, gesund geboren zu werden. Sie<br />

betonte, wie schwierig die Entscheidung zur Reduktion<br />

sei, nachdem ein Paar endlich unter Mühen mit<br />

medizinischer Hilfe eine Schwangerschaft erreicht<br />

hat und das emotionale Spagat der Gefühlen der<br />

Freude über die Schwangerschaft und der Trauer ob<br />

des Aborts leisten müssen. Häufig kommt hinzu,<br />

dass sich Paare wegen Angst vor Ablehnung kaum<br />

getrauen, offen darüber zu sprechen und somit niemanden<br />

haben, der sie in ihrer Trauer auffängt. Sie<br />

sprach sich deshalb dafür aus, all diesen Paaren<br />

eine Beratung zu empfehlen.<br />

Am Nachmittag des zweiten Tages wurden mehrere<br />

Workshops zu den Themen Fundraising, Arbeit mit<br />

Medien und Rekrutierung von Freiwilligen für Patientenorganisation<br />

angeboten sowie Kurzvorträge über<br />

Kooperationsmöglichkeiten mit Pharmafirmen, Lobbyarbeit,<br />

Webseitenauftritt und Kooperation mit Ärzten<br />

gehalten.<br />

Die englischen Zusammenfassungen aller Vorträge<br />

können auf der Homepage www.icsi.ws herunter<br />

geladen werden. Das Symposium ist offen für alle,<br />

die sich in der Selbsthilfearbeit im Bereich von Unfruchtbarkeit<br />

fortbilden möchten; die Symposiumssprache<br />

ist englisch und wir freuen uns, auch im<br />

nächsten Jahr wieder neue Teilnehmer begrüßen zu<br />

können.<br />

Juni 20<strong>06</strong>, Dr. Petra Thorn<br />

30 Blickpunkt <strong>II</strong>/<strong>06</strong>

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