08.12.2012 Aufrufe

B l i c k p u n k t II/06 - Wunschkind eV

B l i c k p u n k t II/06 - Wunschkind eV

B l i c k p u n k t II/06 - Wunschkind eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

und 27 Prozent. Mag sein, dass privatwirtschaftliche<br />

Kliniken ihre Kundinnen nach Erfolgsaussicht<br />

selektieren, hoffnungslose Fälle erst gar nicht aufnehmen<br />

- die Statistiken sind in diesem Punkt umstritten.<br />

Dennoch: Die Gründe für das dramatisch<br />

bessere Ergebnis im Ausland liegen in der erlaubten<br />

Technik.<br />

In Deutschland beispielsweise werden Eizellen bereits<br />

zwei bis drei Tage nach einer künstlichen Befruchtung<br />

im Reagenzglas in den Uterus zurückgesetzt<br />

- sobald mikroskopisch erkennbar ist, dass eine<br />

Zellteilung stattfindet. Die Kliniken in Bregenz,<br />

Pilsen oder Warschau warten dagegen die Entwicklungen<br />

aller befruchteten Eizellen bis zum 5. Tag ab<br />

und setzen nur die geeignetsten ein. Der Rest wird<br />

weggeworfen - in Deutschland ein illegaler Vorgang.<br />

Hierzulande muss jeder lebensfähige Embryo in die<br />

Gebärmutter eingepflanzt werden. Eine Auswahl<br />

findet deshalb nicht statt, und so sinken die Chancen,<br />

den Optimalen zu erwischen.<br />

Nadine S. hat dieses Baby-Glücksspiel mitgemacht,<br />

viel zu lange. Mit 37 entschied sich die Zahnärztin<br />

zum Kind. Doch nichts geschah. Zwei Jahre später<br />

ging sie, immer noch nicht schwanger, in ein anerkanntes<br />

Berliner Institut für Reproduktionsmedizin<br />

und ließ sich künstlich befruchten. Einmal, zweimal,<br />

dreimal, vergebens. "Es war eine grässliche Zeit",<br />

sagt sie. Die körperlichen Strapazen der vorbereitenden<br />

Hormonkuren. Das ständige Hoffen und<br />

Bangen. Und dann immer wieder der Schlag in die<br />

Magengrube.<br />

Vor dem sechsten Versuch - sie war mittlerweile 41<br />

Jahre alt - eröffnete sie dem Klinikprofessor, dass<br />

sie es nun in den USA versuchen wolle. Warum<br />

denn das, habe der geantwortet: "Fahren Sie doch<br />

nach Bregenz." Nadine S. war fassungslos. In all<br />

den fünf erfolglosen Jahren hatte ihr niemand einen<br />

Wink gegeben. "Weil sie an mir verdienen wollten",<br />

glaubt die Frau. Weil die Ärzte das nicht dürfen, sagt<br />

der Gesetzgeber.<br />

Wenig später saß sie in Bregenz am Bodensee.<br />

Professor Herbert Zech entnahm ihr 14 Eizellen und<br />

befruchtete alle im Reagenzglas. Nach zwei Tagen<br />

hatten nur sieben überlebt, nach fünf Tagen waren<br />

nur noch drei übrig, von denen ihr die Mediziner<br />

zwei einpflanzten. Eine überlebte: Nadine gebar einen<br />

Sohn.<br />

Doch diese so erfolgreiche Selektion ist es, an der<br />

sich in Deutschland die Debatte um Fortpflanzungsmedizin<br />

entzündet. Seit den Gräueln des Nationalsozialismus,<br />

den Menschenversuchen des Nazi-Arztes<br />

Josef Mengele im "Dritten Reich", gibt es<br />

große Tabus, was die Einordnung von Leben in lebenswert<br />

und lebensunwert angeht.<br />

Das Embryonenschutzgesetz ist Ausdruck dieser<br />

Haltung. Es will dem menschlichen Leben schon in<br />

der frühesten Phase höchstmöglichen Schutz bieten.<br />

Jede "entwicklungsfähige, befruchtete Eizelle",<br />

heißt es dort, sei zu achten. Das bedeutet in der<br />

Praxis: Alle lebensfähigen Embryos müssen in den<br />

Uterus - auch die kränkelnden Mickerlinge.<br />

Dieses Gesetz zwinge ihn dazu, klagt der Gynäkologieprofessor<br />

Gerhard Leyendecker, Embryonen zu<br />

implantieren, "von denen wir wissen, dass sie nicht<br />

überleben können". Nun schlagen deutsche Fortpflanzungsmediziner<br />

vor, die überschüssigen Embryos<br />

nach der Befruchtung im Labor einzufrieren<br />

und sie für eine spätere Schwangerschaft aufzuheben.<br />

Oder sie gleich für eine vorgeburtliche Adoption<br />

freizugeben - an Frauen, die keine Eizellen (mehr)<br />

produzieren können. Damit wäre der ethische Zielkonflikt,<br />

Embryonen mitsamt ihrer Schutzrechte in<br />

den Müll zu werfen, entscheidend entschärft.<br />

In anderen Ländern ist man noch freizügiger: Dort<br />

werden die Embryonen der Forschung zur Verfügung<br />

gestellt. Schließlich, so die Argumentation,<br />

haben die Embryonen am fünften Tag nicht einmal<br />

das Bläschenstadium erreicht, in dem der Zellhaufen<br />

normalerweise erst den Eileiter verlässt und sich<br />

in die Gebärmutter einnistet. Bei der Empfängnisverhütung<br />

mit Spirale wird die befruchtete Zelle oft<br />

viel später getötet.<br />

Warum also die aufgeregte deutsche Diskussion um<br />

ein paar mikroskopisch kleiner Zellklumpen? Der<br />

Verdacht liegt nahe, dass das Thema künstliche Befruchtung<br />

im Fahrwasser der emotional aufgeladenen<br />

Stammzellen- und Klondiskussion zum Politikum<br />

geworden ist. Es geht um weltanschauliche,<br />

religiöse Konflikte und um die grundsätzliche Frage,<br />

wieweit die moderne Medizin in das Handwerk des<br />

Schöpfers eingreifen darf. Es geht darum, ob sich<br />

Eltern in Zukunft ihr Kind designen lassen wie eine<br />

Sofagarnitur. Und ob beschädigtes, unperfektes Leben<br />

von Anfang an aus der Gesellschaft ausgemerzt<br />

werden kann.<br />

Den vielen Hilfesuchenden, die sich sehnlichst ein<br />

Kind wünschen, hilft diese ethische Debatte nicht<br />

weiter. Viele Befruchtungstouristen fühlen sich dadurch<br />

kriminalisiert, sehen sich mit dem Vorurteil<br />

konfrontiert, sie wollten sich ein "kluges, männliches<br />

Kind mit blauen Augen und der Garantie auf den<br />

Nobelpreis klonen", sagt Gaby Ziegler, zweite Vorsitzende<br />

des Vereins <strong>Wunschkind</strong>er.<br />

"Wir haben nicht einmal das Geschlecht bestimmen<br />

lassen", sagt Daniel A. Die 13 Eizellen, die Katrin in<br />

Pilsen entnommen wurden, sind lediglich auf Veitstanz<br />

untersucht worden - auf nichts anderes, beteuert<br />

der werdende Vater. Nach fünf Tagen stand fest:<br />

Sieben hatten den Gendefekt, fünf waren schlecht<br />

entwickelt, ein Follikel taugte.<br />

Trotz des großen Angebots im Ausland ist es für<br />

potentielle Eltern nicht einfach, an seriöse Gynäkologen<br />

zu gelangen. Heimlich, wie Diebe in der<br />

Nacht, informieren sich die Paare im Internet. Um ihr<br />

Risiko, an Pfuscher zu geraten, zu minimieren, organisieren<br />

sie sich, in Web-Adressen wie<br />

www.wunschkinder.de, kinderwunsch.de oder eizellspende.de.<br />

Die Qualität der Methoden jedoch, die bei den<br />

Schnäppchenangeboten in Südafrika oder Zypern,<br />

in der Ukraine oder Weißrussland praktiziert werden,<br />

ist schwer einzuschätzen. Wie die Geschäfte-<br />

4 Blickpunkt <strong>II</strong>/<strong>06</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!