Namibia: 25 Jahre unabhängig
Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Namibia - 25 Jahre unabhängig: Befreiungsbewegung, Frauenpolitik, Völkermorddebatte, historische Fotos sowie Beiträge zu Literatur, Film und Musik // www.afrika-sued.org
Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Namibia - 25 Jahre unabhängig: Befreiungsbewegung, Frauenpolitik, Völkermorddebatte, historische Fotos sowie Beiträge zu Literatur, Film und Musik // www.afrika-sued.org
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In Treue fest<br />
Foto: Guenay Ulutuncok<br />
NAMIBIA IST EIN GEFESTIGTER STAAT – in doppelter Hinsicht. Er ist seit seinen Anfängen relativ stabil mit einer<br />
verfestigten Machtstruktur, formal demokratisch, aber mit autoritären Zügen. Es zeigen sich die Grenzen einer Befreiungsbewegung<br />
an der Macht.<br />
Am 21. März feierte <strong>Namibia</strong> den <strong>25</strong>. <strong>Jahre</strong>stag<br />
der Unabhängigkeit. Seit einem<br />
Vierteljahrhundert sitzt die Swapo als Befreiungsbewegung<br />
an der Macht fest im<br />
Sattel. Im November 1989 erreichte sie in<br />
den Wahlen unter Aufsicht der Vereinten<br />
Nationen eine absolute Mehrheit. 1994 baute<br />
sie diese zu einer Zweidrittelmehrheit aus.<br />
In den Wahlen danach wurden es fast drei<br />
Viertel aller Stimmen. Ende November 2014<br />
kam sie schließlich auf sogar 80 Prozent, und<br />
ihr Präsidentschaftskandidat Hage Geingob<br />
auf fast 87 Prozent (siehe ausführlicher dazu<br />
afrika süd Nr. 1, 2015). Da stellt sich die Frage,<br />
wie viel Demokratie es inmitten solch<br />
erdrückender Mehrheitsverhältnisse eigentlich<br />
noch geben kann. Immerhin schafft<br />
dies eine relative Stabilität, die sich auch<br />
ordnungspolitisch in halbwegs gesicherten<br />
Verhältnissen auswirkt.<br />
Der Übergang von einem ausgehandelten<br />
Machttransfer zu einer völkerrechtlichen<br />
Souveränität verlief im Zuge des Dekolonisierungsprozesses<br />
nach einem über zwei Jahrzehnte<br />
hinweg auch militärisch geführten<br />
Befreiungskampf jedenfalls friedlicher, als<br />
von vielen befürchtet. So führte der kontrollierte<br />
Wandel zu einer gewandelten Kontrolle,<br />
die – so scheint es – die schon erwähnte<br />
gesellschaftliche Stabilität sichert. Aber ist<br />
Ungeniertes Beuteverhalten<br />
Im Zuge der Etablierung ihrer Kontrolle<br />
über den Staat und die öffentliche Verwaltung<br />
entwickelte die namibische Gerontokratie<br />
eine zunehmender kleptokratische<br />
Mentalität und Praxis, die den Dienst am<br />
Gemeinwohl bestenfalls als sekundär betrachtete<br />
und oftmals vernachlässigte. Sie<br />
verscherbelte den Reichtum des Landes<br />
aus Bergbau oder Fischerei, ohne dass die<br />
materiellen Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit<br />
entscheidend verbessert<br />
wurden. <strong>Namibia</strong> ist mit über 6.000 US-<br />
Dollar Pro-Kopf-Einkommen im Jahr im statistischen<br />
Durchschnitt ein Land höheren<br />
mittleren Einkommens. Wenn aber die eklatanten<br />
Unterschiede in der Verteilung des<br />
Reichtums berücksichtigt werden, hat die<br />
Regierung in punkto sozialökonomischer<br />
Entwicklung kläglich versagt. Die Swapo-<br />
Führung übernimmt dafür jedoch keine Verantwortung.<br />
Sie macht weiterhin stattdessen<br />
die Auswirkungen der Apartheid für die<br />
weit verbreitete Armut verantwortlich. Eine<br />
allzu bequeme Entschuldigung und Ausrede.<br />
Als ob ein Vierteljahrhundert Regiedies<br />
eine Kontrolle, die wirklich auf dauerhaftem<br />
Fundament gebaut ist? Trotz der stetig<br />
wachsenden Dominanz der Swapo und<br />
ungeachtet des letzten überwältigenden<br />
Wahlerfolgs gibt es auch Warnsignale. Angesichts<br />
deutlich zunehmender Unruhe und<br />
wachsendem Protest an der Basis mehren<br />
sich die Zeichen, dass die Zustimmung und<br />
Zufriedenheit im Volk geringer sein könnte,<br />
als es das Wahlergebnis nahelegt. Denn die<br />
Konsolidierung politischer Macht ließ die ererbten<br />
sozialökonomischen Strukturen der<br />
Siedlergesellschaft weitgehend intakt. Zur<br />
privilegierten weißen Minderheit gesellte<br />
sich eine neue schwarze Elite. Die rekrutierte<br />
sich ganz wesentlich aus den Reihen der<br />
ersten Generation der Befreiungsbewegung<br />
und jüngeren – oftmals verwandtschaftlich<br />
verbandelten – Emporkömmlingen als<br />
Nutznießer von deren Günstlingswirtschaft.<br />
Außen vor blieb bei einem solchen Pakt unter<br />
Eliten die überwältigende Mehrheit der<br />
einst Kolonisierten, die mit Fug und Recht<br />
von der Unabhängigkeit ein deutlich messbar<br />
besseres Leben erwarten durften, das<br />
ihnen jenseits individueller Freiheitsrechte<br />
auch eine materielle Besserstellung bescheren<br />
würde. Stattdessen zeugen Begriffe wie<br />
„fat cats“ und „tenderpreneurs“ von der<br />
nachkolonialen Katerstimmung unter de-<br />
nen, die vom Selbstbestimmungsrecht mehr<br />
erwarteten als nur die Selbstbereicherung<br />
der neuen Herrschenden.<br />
16 afrika süd 2|2015