Namibia: 25 Jahre unabhängig
Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Namibia - 25 Jahre unabhängig: Befreiungsbewegung, Frauenpolitik, Völkermorddebatte, historische Fotos sowie Beiträge zu Literatur, Film und Musik // www.afrika-sued.org
Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMENSCHWERPUNKT Namibia - 25 Jahre unabhängig: Befreiungsbewegung, Frauenpolitik, Völkermorddebatte, historische Fotos sowie Beiträge zu Literatur, Film und Musik // www.afrika-sued.org
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ungsverantwortung nicht lange genug wäre, um die hehren Worte<br />
an den vergleichsweise mickrigen Taten messen und hinterfragen<br />
zu können.<br />
Ein immer ungenierteres Beuteverhalten, das die Partei mit der<br />
Regierung und die Regierung mit dem Staat als Selbstbedienungsladen<br />
gleichsetzt, schürt zunehmend Missmut unter Teilen der<br />
Bevölkerung. Die soziale Frage wird zur Zeitbombe, wie unlängst<br />
die Bewegung zur Forderung nach städtischem Land drastisch verdeutlicht<br />
hat. Auch in den kommunalen ländlichen Gebieten in den<br />
nördlichen Landesteilen brodelt es angesichts der illegalen Landprivatisierungen<br />
gewaltig. Diese von der politischen Elite ungeniert<br />
betriebenen Formen von Enteignung vollziehen sich einmal mehr<br />
auf Kosten der Ärmsten, die in Dürrezeiten vom Hungertod bedroht<br />
werden – in einem Land höheren mittleren Einkommens.<br />
Dennoch hat mangels ernsthafter Alternativen die Partei bisher<br />
alle potenziellen Herausforderungen – nicht zuletzt dank einer selbst<br />
nur weitgehend auf den Eigennutz bedachten Pseudo-Opposition –<br />
mühelos in die Schranken verweisen können. Dabei ist auch der Nationalstolz<br />
als Projektionsfläche ein wesentlicher Faktor. Immerhin<br />
repräsentiert die Swapo eine auf die Macht bezogene Identifikationsmöglichkeit.<br />
Sie kompensiert koloniale Minderwertigkeitskomplexe<br />
und gilt so weiterhin als Hoffnungsträger. „One <strong>Namibia</strong>, one<br />
nation“ als prominenter Slogan während des Befreiungskampfes<br />
hat auch eine Generation danach seine Wirkung noch nicht verloren.<br />
Legitimation durch Befreiungkskampf<br />
In der neueren Demokratieforschung werden politische Systeme<br />
wie das in <strong>Namibia</strong> auch als auf Wettbewerb beruhender Autoritarismus<br />
bezeichnet. Sie gelten als am ehesten dauerhaft, wenn sie<br />
entlang nicht-materieller Ressourcen organisiert sind – also auf einer<br />
ideologischen oder ethnischen Grundlage basieren. Oder solidarischen<br />
Banden, die in einer geteilten Erfahrung eines militärischen<br />
Kampfes gründen. Besonders Parteien, die in Kriegen, gewaltsamen<br />
antikolonialen Kämpfen, einer Revolution oder bei der Aufstandsbekämpfung<br />
entstanden, haben die besten Aussichten, wirtschaftliche<br />
Krisen, eine Abfolge in der Führung und Herausforderungen durch<br />
eine Opposition ohne schädigende Rückschläge zu überstehen.<br />
Revolutionäre Befreiungskämpfe schaffen tendenziell eine Führungsgeneration,<br />
die auch die nötige Legitimität besitzt, während<br />
Krisenzeiten Disziplin zu erzwingen. Deshalb scheinen neue herrschende<br />
Parteien wie die Swapo beständiger zu sein. Dank der<br />
vielfältigen ideellen und materiellen Ressourcen, die der Swapo<br />
aufgrund dieser Konstellation zur Verfügung stehen, kann sie ihre<br />
Dominanz nahezu ungehindert verfestigen und Wahlen bereits lange<br />
vor dem Wahltag für sich entscheiden, ohne sich offener Repression<br />
oder eines umfassenden Wahlbetrugs bedienen zu müssen. Insofern<br />
repräsentiert die Swapo nachgerade das Paradebeispiel einer<br />
Dominanzpartei, die sich sowohl in demokratischen wie autoritären<br />
Zusammenhängen behaupten kann.<br />
Indem sie sich die mit der Unabhängigkeit und deren Begleitumständen<br />
geschaffenen Möglichkeiten voll zunutze machte, konnte<br />
die Swapo in weiten Teilen der Bevölkerung ihre Vormachtstellung<br />
auch in mentaler und kultureller Hinsicht als populistische Bewegung<br />
festigen. Die Swapo-Farben, die von höchsten Regierungsvertretern<br />
auch bei öffentlichen Anlässen in der Kleidung demonstrativ<br />
zur Schau getragen werden, die hochgereckte Faust als Partei-Logo<br />
auf den Wahlzetteln, politische Lob- und Kampflieder aus Zeiten des<br />
antikolonialen Widerstands und zahlreiche andere Symbole wie Feiertage<br />
zur Erinnerung an Ereignisse im antikolonialen Widerstand<br />
zeugen von der Verinnerlichung der Swapo-Identität und Politik als<br />
nationaler Alltagskultur.<br />
Die Mitte der 1970er <strong>Jahre</strong> erfolgte Anerkennung der Befreiungsbewegung<br />
als einzig authentische und legitime Vertretung des namibischen<br />
Volkes durch einen von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten<br />
in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gefassten Beschluss<br />
hat auch noch 40 <strong>Jahre</strong> danach tiefe Spuren im Herrschaftsverständnis<br />
hinterlassen.<br />
Grenzen der Befreiung werden deutlicher<br />
Die Privilegien einer neuen Elite haben dennoch zu wachsenden<br />
Frustrationen in Teilen der Klientel geführt. Dies gefährdet den sozialen<br />
Frieden. Doch hat mangels ernsthafter Alternativen die einstige<br />
Befreiungsbewegung und deren Funktionärselite bisher alle<br />
potenziellen Herausforderungen mühelos in die Schranken verwei-<br />
2|2015 afrika süd 17