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Taxi Times International - August 2015 - English

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MOBILITÄTS-SERVICE<br />

MOBILITÄTS-SERVICE<br />

BARRIEREFREI: WANN<br />

UND DURCH WEN?<br />

BELGIEN: PROFESSIONELL<br />

UND EHRENAMTLICH<br />

Einzig London hat eine vollständig für Rollstuhlfahrer<br />

zugängliche Flotte angeordnet. Aber sind 100 Prozent für<br />

einen 100-prozentigen Service immer nötig?<br />

Einigen Studien zufolge leiden zehn Prozent der Bevölkerung<br />

Europas an einer Mobilitätseinschränkung. Doch<br />

nicht alle sind an einen Rollstuhl gebunden. In verschiedenen<br />

Phasen unseres Lebens haben wir alle kleinere oder größere<br />

Probleme, die unsere Mobilität einschränken. Angesichts<br />

unseres zunehmenden Alters (siehe Seite 32) und der steigenden<br />

Lebenserwartung beobachtet man dabei einen Anstieg der Menschen<br />

mit Mobilitätseinschränkungen.<br />

Die Reaktionen in Europa reichen seit jeher vom Bau fast vollständig<br />

barrierefreier öffentlicher Transportsysteme oder auch<br />

von der Anpassung bestehender Systeme bis dahin, dass Senioren<br />

und bewegungseingeschränkte Menschen sich selbst überlassen<br />

werden. Seltsamerweise hat bisher nur eine Stadt die Umstellung<br />

auf eine vollständig für Rollstuhlfahrer zugängliche <strong>Taxi</strong>flotte<br />

angeordnet: London.<br />

Generell scheint es eine Spaltung zwischen dem Norden und<br />

Süden Europas zu geben: Die Länder im Norden Europas haben bei<br />

ihren Transportsystemen die besten Integrationskonzepte, während<br />

Ältere und mobilitätseingeschränkte<br />

Menschen erheben den Anspruch auf<br />

Mobilität ohne Hürden. Unser Themenschwerpunkt<br />

in dieser Ausgabe gibt<br />

einen Überblick über die Rolle des <strong>Taxi</strong>s<br />

in verschiedenen Ländern.<br />

Länder im Süden in diesem Bereich nur lückenhafte oder sogar gar<br />

keine Lösungen anbieten. Hier muss eben die Familie anpacken.<br />

Da viele Länder etwas vom ‚„integrierten Konzept“ lernen können,<br />

in dem auch die <strong>Taxi</strong>branche eine wichtige Rolle einnimmt,<br />

finden Sie in dieser Ausgabe einen – hoffentlich inspirierenden<br />

– Überblick über gemischte (halb-)öffentliche Transportsysteme,<br />

in denen <strong>Taxi</strong>s bereits integriert sind (Niederlande, Dänemark).<br />

Andere Länder haben noch einiges nachzuholen (Deutschland,<br />

Belgien), um ihre Mobilitätsnetzwerke und Ansätze in diesem<br />

Zusammenhang zu verbessern.<br />

Das nordeuropäische Land, dessen Färdjänst-System regelmäßig<br />

als Vorbild für neue Ansätze in den Bereichen Buchung,<br />

Betrieb und Ausschreibungen gilt, ist Schweden. Wir werden dem<br />

einen großen Artikel in einer späteren Ausgabe der <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

widmen. Und da viele neue Anbieter von Apps scheinbar nicht<br />

daran interessiert sind, einen Dienst für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen<br />

bereitzustellen, ist es an der Zeit, dass sich<br />

das <strong>Taxi</strong>gewerbe wieder intensiver mit dieser Zielgruppe beschäftigt.<br />

Insbesondere deswegen, weil die EU-Mitgliedsstaaten sich<br />

mittlerweile mit der European Mobility Card für einen ganzheitlichen<br />

europäischen Ansatz engagieren.<br />

wf<br />

EU-BEHINDERTENAUSWEIS IN PLANUNG<br />

FOTO: MIVB<br />

Belgien befindet sich mit seiner Mischung<br />

aus professionellen und freiwillig geleisteten<br />

Transportlösungen für gehandicapte<br />

Menschen am Scheideweg zwischen<br />

Nord- und Südeuropa.<br />

Der öffentliche Verkehr in Belgien<br />

bietet nur eingeschränkte und<br />

wenig praktische Mobilitätslösungen.<br />

Nur in Brüssel bietet der regionale<br />

Betreiber STIB in Zusammenarbeit mit<br />

dem regionalen <strong>Taxi</strong>unternehmen <strong>Taxi</strong>s<br />

Verts zu eingeschränkten Zeiten einen<br />

Haus-zu-Haus-Service an. Nutzungsberechtigt<br />

sind ausschließlich Personen, die<br />

von offizieller Seite als behindert eingestuft<br />

wurden.<br />

Ähnliche Dienste werden in Wallonien<br />

angeboten, in Flandern ist der öffentliche<br />

Verkehrsbetreiber De Lijn jedoch nur für die<br />

Barrierefreiheit von Bussen und Minivans<br />

verantwortlich. Von den 40000 Bushaltestellen<br />

in Flandern sind ledi glich 2,5 Prozent<br />

für Rollstuhlfahrer zugän glich. Die<br />

belgische Bahn bietet nur an einem Viertel<br />

aller 548 Bahnhöfe Unter stützung an.<br />

Außer diesen Diensten haben Stadträte auf<br />

regionaler Ebene und auch Sozialversicherungsunternehmen<br />

Transport-, Buchungsund<br />

Dispositionssysteme für die „weniger<br />

Mobilen“ (sog. „Minder Mobielen Centrales“)<br />

geschaffen. Diese Initiativen stützen<br />

sich in sehr hohem Maße auf ehrenamtliche<br />

Helfer. Bei weiteren, ähnlichen Diensten<br />

werden semiprofessionelle Fahrer eingesetzt,<br />

die für ihre Zeit und die gefahrenen<br />

Kilometer bezahlt werden.<br />

Krankenkassen bieten oft Transportdienste<br />

für nicht dringende Fahrten zu<br />

Krankenhäusern, Ärzten oder Spezialisten<br />

an. Diese Dienste werden meist von <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />

ausgeführt.<br />

Innerhalb von Brüssels <strong>Taxi</strong>-Bus-System<br />

arbeiten der öffentliche Transportdienst<br />

(STIB) und <strong>Taxi</strong>s Verts zusammen.<br />

EIN WENIG PROFESSIONALITÄT<br />

IN FLANDERN<br />

Die Kriterien für Reservierungen variieren<br />

je nach der gewählten Mobilitätslösung.<br />

Bei Zügen, Straßenbahnen und Bussen<br />

muss man mindestens 24 Stunden vorher<br />

reservieren. Die Zentren für die „weniger<br />

Mobilen“ müssen zwei bis drei Tage im<br />

Voraus kontaktiert werden.<br />

In Flandern, wo 27 regionale, vorrangige<br />

und nicht vorrangige Zentren für angeglichenen<br />

Transport eröffnet wurden, ist<br />

eine Veränderung des Vorgehens deutlich<br />

erkennbar, indem man nun die bestmö -<br />

gliche Transportlösung für den Kunden<br />

anbietet. Dies kann ein bedarfsorientierter<br />

Kleinbus, ein herkömmlicher Bus, ein<br />

barrierefreies <strong>Taxi</strong> oder ein spezialisiertes<br />

Transportunternehmen sein. Bei dem<br />

Transport von Menschen mit schwereren<br />

Behinderungen arbeitet jede Region mit<br />

einem bestimmten Partner zusammen. Die<br />

flämische Regierung leistet zu jeder Fahrt<br />

einen Beitrag. Im Gegensatz zu den Zentren<br />

für „weniger Mobile“ setzen die neuen<br />

regionalen Zentren professionelle Fahrer<br />

mit einer Mindestanzahl von 35 Ausbildungsstunden<br />

und einem sechsstündigen<br />

jährlichen Zusatztraining ein.<br />

Es ist bislang noch nicht völlig klar, wie<br />

die Verantwortungsbereiche der Buchungen,<br />

Organisation, Entsendung und des<br />

Transports aufgeteilt werden und welche<br />

Rolle die <strong>Taxi</strong>unternehmen/-zentralen übernehmen<br />

sollen.<br />

gvl<br />

Im Rahmen einer Ende Juni vom MdEP<br />

Marek Plura organisierten Veranstaltung<br />

gab EU-Kommissarin Marianne<br />

Thyssen bekannt, dass diesen Som mer<br />

die Ausschreibung für die Mitglieds -<br />

staaten zur Schaffung eines Systems für<br />

den Europäischen Behindertenausweis<br />

ver öffentlicht werde. Das Europäische<br />

Behindertenforum (European Disability<br />

Forum, EDF) freut sich sehr darüber, dass<br />

die EU nun einen weiteren Schritt in Richtung<br />

der Einführung des Europäischen<br />

Mobilitätsausweises macht. Selbiges gilt<br />

auch für das europäische Barrierefreiheitsgesetz,<br />

auf das die Behindertenbewegung<br />

noch immer wartet.<br />

Dank des Ausweises wird es Menschen<br />

mit Behinderung erleichtert, in ein anderes<br />

Mitgliedsland zu reisen und dort dieselben<br />

Konditionen wie einheimische Behinderte<br />

zu erhalten. EU-Kommissarin Thyssen gab<br />

an, dass für die Mitgliedsstaaten 1,5 Millionen<br />

Euro zur Verfügung stünden, die diese<br />

für die Einführung des Mobilitätsausweises<br />

einsetzen könnten, mit der Anfang 2016 zu<br />

rechnen sein werde.<br />

EIN MEILENSTEIN<br />

Zudem betonte die EU-Kommissarin, dass<br />

die Freizügigkeit ein Grundrecht darstelle,<br />

das jeder und jede Einzelne wahrnehmen<br />

können müsse, und brachte so auch ihre<br />

eigene Überzeugung zum Ausdruck, dass<br />

der Ausweis in diesem Zusammenhang<br />

einen Meilenstein darstellen werde.<br />

EDF-Vizepräsidentin Gunta Anca unterstrich<br />

wiederum Folgendes: „Der Mobilitätsausweis<br />

ist eine tolle Initiative, mit der<br />

das Recht von Menschen mit Behinderung<br />

in der EU auf Freizügigkeit herausgestellt<br />

wird. Die Rolle des EDF besteht darin, bei<br />

der Förderung des Ausweises mit den europäischen<br />

Institutionen zusammenzuarbeiten.<br />

Dann müsste den EDF-Mitgliedern auf<br />

nationaler Ebene dasselbe nur noch mit<br />

ihren Regierungen gelingen.<br />

MOBILITÄTSAUSWEIS IST<br />

KEINE WOHLTÄTIGKEIT<br />

Der Mobilitätsausweis hat nichts mit Wohltätigkeit<br />

zu tun. Vielmehr geht es dabei<br />

um die Wahrung des Grundrechts auf Freizügigkeit<br />

und das Recht von Menschen mit<br />

Behinderung zu einer aktiven gesellschaftlichen<br />

Teilhabe, und das unter den gleichen<br />

Bedingungen wie für alle anderen<br />

Bürger.“<br />

wf<br />

FOTO: Wim Faber<br />

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