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Festspielzeit Sommer 2016

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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»Ich bin von<br />

meinen Eltern<br />

so erzogen<br />

worden, dass<br />

jeder Mensch<br />

ein Mensch<br />

ist.«<br />

Dieser so selbstverständlich<br />

klingende Satz von Nikolaus<br />

Habjan hallt angesichts<br />

seiner künstlerischen Arbeit lange<br />

nach. Häufig eröffnen seine Stücke<br />

politische und gesellschaftliche<br />

Dimensionen, die überraschen,<br />

verstören und zum Nachdenken<br />

anregen. Und das im Puppentheater?<br />

Nein, im Theater mit Puppen,<br />

Theater durch Puppen, Theater von<br />

Puppen. Die wichtigste Grundlage<br />

für Habjans Arbeit scheint seine detailverliebte<br />

Beobachtungsgabe zu<br />

sein, seine Aufmerksamkeit für das<br />

Außergewöhnliche im Alltäglichen,<br />

das in seinen Puppen und deren<br />

Charakteren riesengroß wird.<br />

Bei den Bregenzer Festspielen ist<br />

der vielseitige Künstler in diesem<br />

<strong>Sommer</strong> in verschiedenen Rollen<br />

zu erleben. Für die Uraufführung<br />

von Otto M. Zykans Staatsoperette<br />

– Die Austrotragödie hat er mehrere<br />

Puppen gebaut und bringt den<br />

Darstellern das Spiel mit ihnen bei.<br />

Beim ersten Abend der Reihe<br />

Musik & Poesie wird Oskar Werner<br />

der von Habjan gebauten Puppe<br />

seine Stimme in Rainer Maria Rilkes<br />

Die Weise von Liebe und Tod des<br />

Cornets Christoph Rilke leihen. Anschließend<br />

wird er Opernarien pfeifen,<br />

begleitet von dem in Bregenz<br />

geborenen Pianisten Daniel Nguyen.<br />

Bei der offiziellen Eröffnung der<br />

Bregenzer Festspiele, live im ORF<br />

zu sehen, wird Habjan mit Puppen<br />

durch das Programm führen.<br />

In seiner Vielseitigkeit hat es<br />

Habjan mittlerweile an die ganz<br />

großen Theater geschafft. In der<br />

Inszenierung Der Herr Karl seines<br />

jahrelangen künstlerischen Partners<br />

Simon Meusburger spielte<br />

Habjan am Neujahrstag 2015 im<br />

Wiener Burgtheater, in der Eröffnungspremiere<br />

von Anna Badoras<br />

Intendanz am Wiener Volkstheater<br />

erregte Habjan mit seiner Puppe<br />

Aufsehen. Sein in Graz entstandenes<br />

Stück Das Missverständnis nach<br />

Albert Camus gehört mittlerweile<br />

zum Repertoire des Volkstheaters.<br />

Und bei den Münchner Opernfestspielen<br />

2017 geht für ihn ein großer<br />

Traum in Erfüllung. Als Puppenspieler<br />

wird Habjan seine erste<br />

Oper inszenieren: Carl Maria von<br />

Webers Oberon. Damit folgt Habjan<br />

seiner eigentlichen Ausbildung,<br />

studierte er doch ab 2006 an der<br />

Universität für Musik und darstellende<br />

Kunst Wien Musiktheater-Regie.<br />

Seit er 1991 im Salzburger Marionettentheater<br />

Wolfgang Amadeus<br />

Mozarts Die Zauberflöte gesehen<br />

hat, brennt seine Leidenschaft für<br />

das Puppentheater und die Oper.<br />

Ab 2008 arbeitete er mit dem in<br />

Bregenz geborenen Regisseur<br />

Simon Meusburger am Schuberttheater<br />

Wien. Mit ihm zusammen<br />

entstanden mehrere Stücke, darunter<br />

Schlag sie tot, das jahrelang<br />

erfolgreich aufgeführt wurde.<br />

Gemeinsam mit Simon Meusburger<br />

durfte Nikolaus Habjan 2012 den<br />

begehrten österreichischen Theaterpreis<br />

Nestroy entgegennehmen.<br />

Als beste Off-Produktion wurde ihr<br />

Stück F. Zawrel – erbbiologisch und<br />

sozial minderwertig ausgezeichnet.<br />

Der in diesem Stück thematisierte<br />

Friedrich Zawrel musste<br />

erfahren, dass er ein wertloser<br />

Mensch sei, der während des Nationalsozialismus<br />

in der Wiener<br />

»Kinderfachabteilung« Spiegelgrund<br />

unter der Leitung des<br />

Anstaltsarztes Dr. Heinrich Gross<br />

grausame medizinische Experimente<br />

über sich ergehen lassen<br />

musste. 1944 gelang dem 15-Jährigen<br />

die Flucht. 1975 traf Zawrel<br />

wegen eines kleinkriminellen<br />

Delikts auf den Gerichtspsychiater<br />

Heinrich Gross, der nach dem<br />

Krieg als Gerichtsgutachter zu Ehren<br />

gekommen war. Er stufte Zawrel<br />

als »erbbiologisch und sozial<br />

minderwertig, seelisch abartig«<br />

ein, dieser wurde daraufhin für<br />

sechs Jahre inhaftiert. Es dauerte<br />

bis zum Jahr 2000, dass Heinrich<br />

Gross der Prozess gemacht wurde.<br />

Doch ein Gutachten bescheinigte<br />

ihm eine fortgeschrittene Demenz.<br />

Ohne verurteilt worden zu sein,<br />

starb Gross 2005.<br />

STAATSOPERETTE<br />

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