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365-MAGAZIN-No5-2016-17

Magazin 365 Tage fürs Leben Bundesverband-kinderhospiz e.V.

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DOSSIER<br />

Der Duft des Gerichts, der das Wasser im Munde<br />

zusammenlaufen lässt, das Geklapper von<br />

Geschirr und Besteck, wenn der Tisch gedeckt<br />

wird, und zu guter Letzt die schön servierten,<br />

appetitlich aussehenden Speisen – das alles<br />

spielt eine entscheidende Rolle beim Essen.<br />

In Zeiten von »Food Blogs« und »Super Food«<br />

erhält die Nahrungsaufnahme fast schon eine<br />

religiöse Dimension. Essen ist also nicht gleich<br />

Essen. Es wird arrangiert, zelebriert, gelebt<br />

und ist für viele – beispielsweise Veganer und<br />

Vegetarier – mittlerweile Teil ihrer Identität<br />

geworden.<br />

Aber warum messen wir Speisen<br />

eine derart große Bedeutung<br />

zu? »Die Natur hat es<br />

bei uns so eingerichtet, dass<br />

grundlegende Dinge, die für<br />

das Überleben der Menschheit<br />

unverzichtbar sind, entweder<br />

automatisch funktionieren – wie beispielsweise<br />

das Atmen – oder mit einem Lust- und<br />

Genussgewinn verknüpft sind«, erläutert<br />

Doktor Joachim Westenhöfer, Professor für<br />

Ernährungs- und Gesundheitspsychologie am<br />

Department Gesundheitswissenschaften der<br />

Fakultät Life Sciences der Hochschule für angewandte<br />

Wissenschaften Hamburg. »Daher ist<br />

es eine feste biologische Konstante, dass Essen<br />

auch dazu da ist, uns Lust und Genuss zu verschaffen.<br />

Außerdem ist auch die soziale Funktion<br />

etwas grundlegend Verankertes und eine<br />

wichtige evolutionspsychologische Komponente«,<br />

sagt der Psychologe. »Die Menschheit<br />

hätte nie überlebt, wenn wir alle Einzelgänger<br />

wären. Zu ihrem Fortbestand hat entscheidend<br />

beigetragen, dass Nahrungsbeschaffung und<br />

-zubereitung sowie auch das Speisen an sich<br />

im sozialen Verbund stattgefunden hat. Essen<br />

erfüllt bei uns – das wissen wir alle – eine wichtige<br />

emotionale Funktion: Es fängt damit an,<br />

dass keine gesellige Feier ohne Essen denkbar<br />

ist – man kann sich keine Hochzeit vorstellen,<br />

ohne miteinander zu speisen. Außerdem benutzen<br />

Menschen das Essen, um sich zu trösten, zu<br />

beruhigen und Stress abzubauen.«<br />

Auf der Gefühlsebene spielt sich beim Essen also<br />

viel ab. Es geht um Geborgenheit, Geselligkeit,<br />

darum, sich etwas Gutes zu tun. Und dennoch<br />

ist es etwas ganz Alltägliches für uns, das wir oft<br />

beiläufig und ohne darüber nachzudenken tun.<br />

Welche Bedeutung aber hat das Essen, wenn<br />

man am Ende seines Lebens steht und Alltägliches<br />

eben nicht mehr selbstverständlich ist?<br />

Oft noch eine sehr große, wie die Erfahrung aus<br />

vielen Hospizen zeigt. Sowohl für erkrankte Kinder<br />

als auch für ihre Eltern.<br />

Anja Doleschek aus dem stationären<br />

Kinderhospiz Bärenherz in Leipzig<br />

sieht das bei den gemeinsamen<br />

Mahlzeiten quasi täglich. »Bei uns<br />

ist die Küche im Erdgeschoss des<br />

Hauses ein ganz zentraler Bereich«,<br />

sagt Doleschek, die Hauswirtschaftsmeisterin<br />

im Bärenherz-Hospiz ist. Das Hauswirtschaftsteam<br />

aus vier Leuten arbeitet 13<br />

Stunden täglich, um für das Wohlbefinden der<br />

Bewohner zu sorgen. »Da in unserer Küche<br />

vier Mahlzeiten – Frühstück, Mittagessen, Kaffee<br />

und Abendbrot – hergestellt werden, zieht<br />

auch immer ein Duft durchs Haus, der oft auch<br />

Besuchern das Wasser im Mund zusammenlaufen<br />

lässt. Zum Beispiel, wenn gerade gebacken<br />

wird. ›Hier riecht es aber lecker‹, hören wir oft.«<br />

Die Küche und der Essbereich seien Orte, an<br />

denen viel passiere, gerade in kommunikativer<br />

Hinsicht, beobachtet Doleschek: Die Eltern<br />

tauschen sich aus – nicht immer nur über die<br />

Situation ihrer Kinder, sondern auch über ganz<br />

alltägliche Dinge. »Es wird gelacht, geweint, und<br />

manchmal ist es auch ganz still. Weil die Leute,<br />

die am Tisch sitzen, einfach nur das Essen genießen<br />

und sich kurz Ruhe gönnen.« Fast immer<br />

seien im Essbereich Menschen anzutreffen,<br />

erzählt die Hauswirtschafterin. »Denn das eine<br />

Kind schläft eben gern lange und frühstückt<br />

erst um zehn, das andere ist schon<br />

früh wach und hat Hunger.«<br />

Dolescheks Erfahrungen<br />

zeigen: Die gemeinsamen<br />

Mahlzeiten im<br />

Hospiz tragen stark<br />

zum Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

bei und<br />

sind daher offensichtlich<br />

für die ganze Familie<br />

und nicht nur für das<br />

erkrankte Kind wichtig.<br />

32 Spendenkonto Bundesverband Kinderhospiz e. V.: IBAN DE03 4625 0049 0000 0290 33, BIC WELADED1OPE

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