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365-MAGAZIN-No5-2016-17

Magazin 365 Tage fürs Leben Bundesverband-kinderhospiz e.V.

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KINDERHOSPIZARBEIT<br />

Als hätte Lélia neben mir auf der Steinbank meine Gedanken<br />

erraten, meinte sie in die Rufe der Kinder vor uns, mich heute im<br />

Umgang mit Emil ganz anders zu sehen als noch im September in<br />

Berlin: »Im Herbst schienst du mir in deinen Pflichten verloren. Es<br />

gab Emils feste Schlafenszeiten, an denen niemand rütteln dürfte,<br />

und deine Sammlung an stets ausgekochten Milchflaschen. Du<br />

wolltest alles richtig machen und hast bei alldem noch gearbeitet.<br />

Ich hatte den Eindruck, als sei dir inmitten der Pflichten die Unbeschwertheit,<br />

das Spielerische, verlorengegangen.« »Wenn ich dich<br />

heute mit Emil sehe«, fuhr sie nach einer Pause fort, »lebst du die<br />

Augenblicke mit ihm, du freust dich an seinem Staunen über den<br />

Strudel zwischen den Flusssteinen.«<br />

Ich stand von der Bank auf und trat einen Schritt nach vorne.<br />

Emil lief immer noch über die Plaza, den Kinderwagen vor sich.<br />

»Jetzt ist es einfach«, sagte ich. »Nach dem Tod Cecilias hatte ich<br />

bloß den nackten Alltag vor Augen.« Ich erzählte Lélia davon,<br />

dass Emil noch in der Nacht, in der Cecilia starb, Milchpulver<br />

und Fläschchen gebraucht habe. Als er anfing, sich nachts von<br />

der Matratze zu rollen und in der Mitte des Schlafzimmers aufgewacht<br />

sei, hätte ich ihm am folgenden Tag ein Kinderbett gekauft<br />

und zusammengeschraubt.<br />

So müde war ich dabei, dass ich dreimal von vorne beginnen<br />

musste, weil die Seitenteile nicht zu den Bohrlöchern des Gestells<br />

passten. Und als Emil anfing, auf den Spielplätzen zu klettern,<br />

dachte ich bloß an die sich neigenden Vorräte des Milchpulvers,<br />

die Schließzeiten der Krippe im Sommer und den nächsten<br />

Impftermin. »Du hattest ja auch niemanden, mit dem du Emils<br />

Fortschritte teilen konntest, und hast dich deswegen an den<br />

Äußerlichkeiten festgehalten«, warf Lélia ein, aber mir war das<br />

keine Erklärung. Meine Haltung war mir keine Flucht und keine<br />

Abwehr, vielmehr wusste ich mich in der Notwendigkeit, den<br />

Alltag mit Emil zu bewältigen, und diese Notwendigkeit ließ mir<br />

wenig Raum für die Freude an ihm, und vielleicht auch wenig<br />

Raum, um an Cecilia zu denken.<br />

Spendenkonto Bundesverband Kinderhospiz e. V.: IBAN DE03 4625 0049 0000 0290 33, BIC WELADED1OPE<br />

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