DOSSIER Für jeden kleinsten Löffel Lieblingsessen, den ein Kind noch schlucken kann, lohne sich der Aufwand beim Kochen, sagt Jette Schaps. »Das Kind ist dann so glücklich und zufrieden. Und auch für die Eltern ist das sehr wichtig: Zum einen wird dadurch ein Stück Normalität zurückgegeben. Zum anderen können sie ihrem Kind damit etwas Gutes tun, einen schönen Moment zaubern. Das ist von unschätzbaren Wert.« Und die Hauswirtschafterin Rita Barthel ergänzt: Es sei wichtig, das Kind so zu versorgen, wie es das von zu Hause gewohnt ist, und vor allem mit den Lebensmitteln, die es mag. »Wenn ein Kind Bananen gern isst und keine mehr da sind, dann muss man mal eben schnell zum Supermarkt fahren und welche kaufen.« Und nicht nur die Wünsche der erkrankten Kinder sind dem Hauswirtschaftsteam wichtig: »Wenn ein Geschwisterkind strahlend vor einem steht und sich Nudeln wünscht, dann kochen wir für das Kind natürlich auch diese Nudeln.« »Diese Essenswünsche zu erfüllen ist wirklich ganz wichtig«, bekräftigt auch Jette Schaps aus dem Kinderhospiz in Wilhelmshaven. Wer fünfmal täglich Spaghetti wolle, bekomme die auch. »Weil man nie genau weiß, wie viel Zeit noch bleibt, und weil das ein ganz besonderes Bedürfnis dieses Kindes in diesem Moment ist: noch einmal schmecken zu dürfen, was ich aus meinem alten Leben noch kenne.« »Essen heißt: Ich lebe noch!«, weiß auch Ruprecht Schmidt. Er ist seit 1998 Koch im Hospiz Leuchtfeuer in Hamburg, einem der über 200 stationären Hospize für Erwachsene in Deutschland. Früher arbeitete er in der gehobenen Sternegastronomie. Nach einiger Zeit merkte er, dass ihm dort die soziale Komponente fehlte. »Mit dem Thema Essen wird dort viel gleichgültiger umgegangen. Oft ging es um Geschäftsessen, ich hatte keinen direkten Kontakt zu den Gästen und wusste gar nicht, für wen ich da koche.« Seit er im Hospiz kocht, ist das anders. Er ist in engem Austausch mit den schwer kranken Bewohnern und deren Familien, findet im Gespräch heraus, was sie gern mögen und was ihnen gerade guttut, welche Mengen vor allem auch. »Essen hat eine unglaublich große Bedeutung! Essen heißt Normalität. Und sich ein Gericht wünschen zu können bedeutet Selbstbestimmung. Essen heißt auch Alltag, die Krankheit kann im positiven Sinne verdrängt werden.« Wichtig sei ihm, so erklärt er, dass er für die Bewohner da sei – nicht umgekehrt. Er müsse sich in seiner Küche nicht täglich selbstverwirklichen, sondern koche, was die Bewohner sich wünschen. »Es geht um Erinnerungen, die man mitkocht. So wie die Oma immer gekocht hat oder wie man im Urlaub in Frankreich gegessen hat. Das ist für die Menschen sehr wichtig und unterstützt das Wohlbefinden – auch wenn sie am Ende ihres Lebens stehen. Die Wunschkost steht bei mir immer an erster Stelle. Das nehme ich sehr ernst, und mittlerweile erkenne ich auch gut, ob es möglicherweise das letzte Mal ist, dass ich für jemanden etwas kochen kann. Ich erinnere mich an einen Mann, der davon geträumt hat, noch mal ein Steak zu essen. Als ich es ihm kochte, hat er kaum einen ganzen Bissen runterbekommen. Trotzdem war er glücklich. Der Geschmack auf der Zunge hat ihm genügt.« Egal, ob die erkrankten Menschen alt oder jung sind – Genuss beim Essen gehört zu den kleinen, so wichtigen Freuden im Hospiz. Und Kinderhospize tun viel dafür, solche Glücksmomente nicht nur den Kindern, sondern auch den oft sorgengeplagten und erschöpften Eltern zu verschaffen. »Für viele ist es ein kleiner Event, wieder einmal etwas in Ruhe schmecken zu dürfen«, sagt Jette Schaps. »Für Eltern mit einem lebensverkürzend erkrankten Kind ist es nicht selbstverständlich, den Tee noch warm trinken zu können oder das Brötchen ganz in Ruhe zu essen statt es runterzuschlingen.« – »Zu wissen, mein Kind wird hier im Hospiz gut versorgt, und ich habe etwas Zeit für mich und andere – dieses Gefühl ist für die Eltern wahnsinnig wichtig. Auch wenn es meist nur um ganz kleine Momente geht, die für andere völlig normal und banal sind – für die Eltern bei uns ist das was ganz Besonderes.« Etwas Außergewöhnliches hat sich auch das Team des ambulanten Kinderhospizdiensts Stuttgart für die Eltern einfallen lassen – nämlich die Aktion »Geschwisterkinder kochen«. »Die Idee dahinter war, für die Eltern zu Weihnachten einmal etwas Besonderes zu veran- 36 Spendenkonto Bundesverband Kinderhospiz e. V.: IBAN DE03 4625 0049 0000 0290 33, BIC WELADED1OPE
DOSSIER In Stuttgart kochen Geschwister schwerstkranker Kinder für ihre Eltern – und zwar mit Hilfe eine Profi-Kochs: Eine kleine Auszeit aus dem Alltag ist das für alle Beteiligten, und der Genuss ist garantiert. Spendenkonto Bundesverband Kinderhospiz e. V.: IBAN DE03 4625 0049 0000 0290 33, BIC WELADED1OPE 37