365-MAGAZIN-No5-2016-17
Magazin 365 Tage fürs Leben Bundesverband-kinderhospiz e.V.
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DOSSIER<br />
Für jeden kleinsten Löffel Lieblingsessen, den<br />
ein Kind noch schlucken kann, lohne sich der<br />
Aufwand beim Kochen, sagt Jette Schaps. »Das<br />
Kind ist dann so glücklich und zufrieden. Und<br />
auch für die Eltern ist das sehr wichtig: Zum<br />
einen wird dadurch ein Stück Normalität zurückgegeben.<br />
Zum anderen können sie ihrem Kind<br />
damit etwas Gutes tun, einen schönen Moment<br />
zaubern. Das ist von unschätzbaren Wert.«<br />
Und die Hauswirtschafterin Rita Barthel<br />
ergänzt: Es sei wichtig, das Kind so zu versorgen,<br />
wie es das von zu Hause gewohnt ist, und<br />
vor allem mit den Lebensmitteln, die es mag.<br />
»Wenn ein Kind Bananen gern isst und keine<br />
mehr da sind, dann muss man mal eben schnell<br />
zum Supermarkt fahren und welche kaufen.«<br />
Und nicht nur die Wünsche der erkrankten Kinder<br />
sind dem Hauswirtschaftsteam wichtig:<br />
»Wenn ein Geschwisterkind strahlend vor einem<br />
steht und sich Nudeln wünscht, dann kochen<br />
wir für das Kind natürlich auch diese Nudeln.«<br />
»Diese Essenswünsche zu erfüllen ist wirklich<br />
ganz wichtig«, bekräftigt auch Jette Schaps<br />
aus dem Kinderhospiz in Wilhelmshaven. Wer<br />
fünfmal täglich Spaghetti wolle, bekomme die<br />
auch. »Weil man nie genau weiß, wie viel Zeit<br />
noch bleibt, und weil das ein ganz besonderes<br />
Bedürfnis dieses Kindes in diesem Moment ist:<br />
noch einmal schmecken zu dürfen, was ich aus<br />
meinem alten Leben noch kenne.«<br />
»Essen heißt: Ich lebe noch!«,<br />
weiß auch Ruprecht Schmidt.<br />
Er ist seit 1998 Koch im Hospiz<br />
Leuchtfeuer in Hamburg,<br />
einem der über 200 stationären<br />
Hospize für Erwachsene<br />
in Deutschland. Früher arbeitete<br />
er in der gehobenen Sternegastronomie. Nach<br />
einiger Zeit merkte er, dass ihm dort die soziale<br />
Komponente fehlte. »Mit dem Thema Essen wird<br />
dort viel gleichgültiger umgegangen. Oft ging es<br />
um Geschäftsessen, ich hatte keinen direkten<br />
Kontakt zu den Gästen und wusste gar nicht, für<br />
wen ich da koche.« Seit er im Hospiz kocht, ist<br />
das anders. Er ist in engem Austausch mit den<br />
schwer kranken Bewohnern und deren Familien,<br />
findet im Gespräch heraus, was sie gern mögen<br />
und was ihnen gerade guttut, welche Mengen<br />
vor allem auch. »Essen hat eine unglaublich<br />
große Bedeutung! Essen heißt Normalität. Und<br />
sich ein Gericht wünschen zu können bedeutet<br />
Selbstbestimmung. Essen heißt auch Alltag, die<br />
Krankheit kann im positiven Sinne verdrängt<br />
werden.« Wichtig sei ihm, so erklärt er, dass er<br />
für die Bewohner da sei – nicht umgekehrt. Er<br />
müsse sich in seiner Küche nicht täglich selbstverwirklichen,<br />
sondern koche, was die Bewohner<br />
sich wünschen. »Es geht um Erinnerungen, die<br />
man mitkocht. So wie die Oma immer gekocht<br />
hat oder wie man im Urlaub in Frankreich gegessen<br />
hat. Das ist für die Menschen sehr wichtig<br />
und unterstützt das Wohlbefinden – auch wenn<br />
sie am Ende ihres Lebens stehen. Die Wunschkost<br />
steht bei mir immer an erster Stelle. Das<br />
nehme ich sehr ernst, und mittlerweile erkenne<br />
ich auch gut, ob es möglicherweise das letzte<br />
Mal ist, dass ich für jemanden etwas kochen<br />
kann. Ich erinnere mich an einen Mann, der<br />
davon geträumt hat, noch mal ein Steak zu<br />
essen. Als ich es ihm kochte, hat er kaum einen<br />
ganzen Bissen runterbekommen. Trotzdem war<br />
er glücklich. Der Geschmack auf der Zunge hat<br />
ihm genügt.«<br />
Egal, ob die erkrankten Menschen alt oder jung<br />
sind – Genuss beim Essen gehört zu den kleinen,<br />
so wichtigen Freuden im Hospiz. Und Kinderhospize<br />
tun viel dafür, solche Glücksmomente nicht<br />
nur den Kindern, sondern auch den oft sorgengeplagten<br />
und erschöpften Eltern zu verschaffen.<br />
»Für viele ist es ein kleiner Event, wieder einmal<br />
etwas in Ruhe schmecken zu dürfen«, sagt Jette<br />
Schaps. »Für Eltern mit einem lebensverkürzend<br />
erkrankten Kind ist es nicht selbstverständlich,<br />
den Tee noch warm trinken zu können oder das<br />
Brötchen ganz in Ruhe zu essen statt es runterzuschlingen.«<br />
– »Zu wissen, mein Kind wird<br />
hier im Hospiz gut versorgt, und ich habe etwas<br />
Zeit für mich und andere – dieses Gefühl ist für<br />
die Eltern wahnsinnig wichtig. Auch wenn es<br />
meist nur um ganz kleine Momente geht, die<br />
für andere völlig normal und banal sind – für<br />
die Eltern bei uns ist das was ganz Besonderes.«<br />
Etwas Außergewöhnliches hat sich auch das<br />
Team des ambulanten Kinderhospizdiensts<br />
Stuttgart für die Eltern einfallen lassen – nämlich<br />
die Aktion »Geschwisterkinder kochen«.<br />
»Die Idee dahinter war, für die Eltern zu Weihnachten<br />
einmal etwas Besonderes zu veran-<br />
36 Spendenkonto Bundesverband Kinderhospiz e. V.: IBAN DE03 4625 0049 0000 0290 33, BIC WELADED1OPE