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DPFA - Diakonie Riesa-Großenhain gGmbH

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Hier begann der erste Konflikt zwischen den Flüchtlingen und der Behörde.<br />

Die Flüchtlinge beschuldigten uns in der Annahme, wir wären verantwortlich,<br />

Quartiere in solch schlechtem Zustand zur Verfügung gestellt zu haben. Die<br />

unzufriedene Stimmung steigerte sich in kurzer Zeit in ein aggressives Verhalten<br />

gegenüber uns MitarbeiterInnen. Es kam zu Protesten und zur Ablehnung der<br />

Unterkunft bis hin zur Androhung eines Hungerstreikes. Wir SozialarbeiterInnen<br />

waren überhaupt nicht darauf vorbereitet, traumatisierte Kriegsflüchtlinge<br />

entsprechend zu begleiten. Erschwerend kam hinzu, dass wir uns über Nacht<br />

in einer aus unserer Sicht rückständigen, sehr patriarchaischen Kultur bewegen<br />

mussten, was natürlich Regelverletzungen unsererseits hervorbrachte. Um<br />

qualitativ gut zu arbeiten, mussten wir daraufhin schnellstmöglich Hilfe holen. Wir<br />

bildeten eine Art „Runden Tisch“ mit drei Vertretern der Flüchtlinge, mit Vertretern<br />

des Landratsamtes und uns. Zur Hilfe organisierte die <strong>Diakonie</strong> Sachsen einen<br />

Dolmetscher. In diesen Gesprächen wurden uns kulturelle Hintergründe erklärt,<br />

von der Gesprächsführung bis zu einfachen Verhaltensregeln gegenüber<br />

Menschen mit fremder Kultur. Nach diesen klärenden Aussprachen näherten wir<br />

uns aneinander an.<br />

Wir erfuhren, dass einige Personen überhaupt nicht aus ihrer Heimat ausgeflogen<br />

werden wollten, sondern der Flug wurde autoritär und unter Druck organisiert.<br />

Familien wurden zerrissen, ihre jetzige Lebenssituation erfüllte nicht im mindesten<br />

ihre Erwartungen und die Gedanken waren zum Teil im Kosovo bei der Restfamilie<br />

verblieben. Das Ergebnis unseres „Runden-Tisch-Gespräches“ können wir<br />

rückblickend als sehr positiv beschreiben. Innerhalb von drei Tagen gelang es, mit<br />

allen Verantwortlichen ein Übergangswohnheim für Spätaussiedler so zu<br />

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Lebensweg einer jungen Migrantin<br />

Geboren bin ich in Kasachstan in einem Dorf mit wunderschöner Naturlandschaft.<br />

Wir hatten ein kleines eigenes Einfamilienhaus. Man kann wirklich sagen, dass<br />

meine Kindheit eine glückliche Zeit in dem geregelten und bewachten Russlandstaat<br />

war. Meine Eltern hatten Arbeit mit einem geregelten Einkommen.<br />

Ich hatte meine Freundinnen, Klassenkameraden, meine Geschwister und die<br />

Verwandten, die uns ständig besucht haben und eine angenehme Abwechslung<br />

in unser Dasein hereinbrachten. Zu Hause deutsch zu sprechen, ging mit<br />

dem Tod meiner Oma sehr zurück. Aber als in der Schule die Frage aufkam,<br />

welche Fremdsprache man lerne wolle, wählte ich, gemäß meiner Nationalität,<br />

natürlich Deutsch aus. Ich bin, wie alle in unserer Familie, zwar getauft, hatte<br />

aber die deutsche Kirche in unserem Dorf nicht besucht. Dies war in dem damals<br />

kommunistisch geprägten Land nicht üblich.<br />

Foto: www.bukhara-carpets.com<br />

Später, Mitte der 90er Jahre, brach eine Wirtschaftskrise in den ehemaligen<br />

UdSSR-Ländern aus. Die Menschen bekamen monatelang keine Rente und<br />

kein Gehalt mehr. Einige meiner Verwandten waren schon nach Deutschland<br />

weggezogen. Da war die Entscheidung, im Angesicht der damaligen Situation,<br />

den anderen zu folgen, leichter gefallen.<br />

Nach einem 3-jährigen Warten auf die Erlaubnis nach Deutschland einreisen zu<br />

dürfen, verkauften wir unser ganzes Hab und Gut und brachen 1995 in unsere<br />

neue Heimat auf. Man hatte ja damals schon vieles von Deutschland gehört und<br />

das alles hatte sich nach einem Märchen angehört. Der sehr große Pluspunkt<br />

gegenüber Kasachstan ist das soziale Netz. Ob man zur Zeit keine Arbeit hat<br />

oder gesundheitlich eingeschränkt ist, man würde immer ein Dach über dem<br />

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