Medienprojekte in der Grundschule - Mediaculture online
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Autor: Schill, Wolfgang.<br />
http://www.mediaculture-onl<strong>in</strong>e.de<br />
Titel: <strong>Medienprojekte</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>: Möglichkeiten und Grenzen schulischer<br />
För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz.<br />
Quelle: Fred Schell/ Elke Stolzenburg/ Helga Theunert (Hrsg.): Medienkompetenz.<br />
Grundlagen und pädagogisches Handeln. München 1999. S. 121-127.<br />
Verlag: kopaed verlagsgmbh.<br />
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.<br />
Wolfgang Schill<br />
<strong>Medienprojekte</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>:<br />
Möglichkeiten und Grenzen schulischer<br />
För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz<br />
1. Zur E<strong>in</strong>leitung: E<strong>in</strong> Werbespot(t)<br />
Musik: geheimnisvoll<br />
Sprecher<strong>in</strong>: Vor drei Millionen Jahren gab es die Menschen.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>: stöhnen laut...<br />
Anschließend kamen die D<strong>in</strong>osaurier!<br />
Und auf e<strong>in</strong>mal gab es die K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />
Die g<strong>in</strong>gen Tag für Tag zur Schule und langweilten sich...<br />
Sprecher<strong>in</strong>: Auf e<strong>in</strong>mal stand es überall schwarz auf weiß:<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>: Großer Jubel !!!<br />
(Dauer: 30 Sekunden)<br />
Es gibt e<strong>in</strong>en Schulclub <strong>in</strong> <strong>der</strong> 11. <strong>Grundschule</strong> am Berg!<br />
Dieser Werbespot(t) stammt aus e<strong>in</strong>em Medienprojekt, das im Juni/Juli 1998 mit<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern e<strong>in</strong>er vierten Berl<strong>in</strong>er Grundschulklasse durchgeführt wurde.<br />
Es g<strong>in</strong>g dabei um das Rahmenplanthema ‚medial vermittelte Texte‘ (Fach Deutsch), das<br />
<strong>in</strong> Form von ‚Klassen-Rundfunk’- es entstanden ,Radio- und Fernsehnachrichten‘ zu<br />
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identischen Inhalten - produktiv bearbeitet wurde. Der kurze Werbespot(t) , <strong>der</strong> zu den<br />
Radionachrichten gehört, illustriert im Kern nicht nur die wesentlichen Fragestellungen zu<br />
me<strong>in</strong>em Thema, son<strong>der</strong>n er skizziert auch <strong>in</strong>direkt Antworten, die die Möglichkeiten und<br />
Grenzen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> betreffen.<br />
Dabei verstehe ich unter Medienkompetenz die Fähigkeit e<strong>in</strong>es Menschen, sich bei se<strong>in</strong>er<br />
aktiven Weltaneignung <strong>in</strong> Arbeits-, Sprech- und Interaktionssituationen aller Arten von<br />
Medien bedienen zu können. Der Begriff ist ,offen‘ und sagt nichts darüber aus, wie<br />
Medienkompetenz im e<strong>in</strong>zelnen aussehen kann. Vielmehr me<strong>in</strong>e ich, daß je<strong>der</strong> Mensch<br />
im Laufe e<strong>in</strong>es lebenslangen Lern- und Entwicklungsprozesses Medienkompetenz selbst<br />
erwerben muß. Dieser Prozeß läuft unterschiedlich ab und hängt mit persönlichen<br />
Veranlagungen, Lebenserfahrungen <strong>in</strong> Familie, Freundeskreis, Schule und Freizeit,<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen und gesellschaftlichen Voraussetzungen eng zusammen. Die<br />
(Grund-) Schule sollte <strong>der</strong> Ort se<strong>in</strong>, an dem dieser Prozeß durch Vermittlung und<br />
Austausch grundlegen<strong>der</strong> Kommunikationsfähigkeiten/ -fertigkeiten begleitet und<br />
unterstützt wird.<br />
Diese eigenständige Schulform kann Erfahrungsraum für K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong>, um die von ihnen<br />
mitgebrachten (Medien-)Erfahrungen und S<strong>in</strong>ndeutungen aufzunehmen, zu bearbeiten<br />
und durch neue geme<strong>in</strong>sam erarbeitete S<strong>in</strong>ndeutungen zu ergänzen. Die <strong>Grundschule</strong>,<br />
<strong>der</strong>en Angebote auf die Weltsicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> abgestimmt s<strong>in</strong>d, kann zum Beispiel<br />
• e<strong>in</strong> vitaler Kommunikationsplatz se<strong>in</strong>, mit Räumen, <strong>in</strong> denen man sich etwas zeigen, <strong>in</strong><br />
denen man mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> sprechen, diskutieren o<strong>der</strong> streiten kann,<br />
• sie kann e<strong>in</strong> Übungsplatz für ,alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>’ se<strong>in</strong>, wo man mit System mehr und mehr<br />
selbstbestimmt Kenntnisse und Fertigkeiten erwirbt,<br />
• sie kann e<strong>in</strong> Labor für Untersuchungen <strong>der</strong> Wirklichkeit se<strong>in</strong>, mit dem Ziel, sie zu<br />
erkunden und sie so zu begreifen, daß man sie gestalten kann.<br />
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2. Was können Ziele, Inhalte und Verfahren von medienbezogenen<br />
Projekten se<strong>in</strong>?<br />
Wenn ich von e<strong>in</strong>em medienbezogenen Projekt spreche, dann me<strong>in</strong>e ich damit e<strong>in</strong>e<br />
Großform medienpädagogischen Handelns, für die vor allem drei Merkmale bezeichnend<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
1. Unterrichtsziele und -Inhalte entsprechen weitgehend den Interessen und<br />
Bedürfnissen von Lehr-/Lerngruppen. Ergebnis e<strong>in</strong>es medienbezogenen Projekts ist<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong> Produkt, das veröffentlicht werden soll, wie zum Beispiel unser<br />
zitiertes Klassenradio, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulöffentlichkeit präsentiert wurde.<br />
2. Die Aneignung und Verarbeitung von lebens- und erfahrungsnahen Themen for<strong>der</strong>t<br />
vor allem dazu auf, lernbereichsübergreifend zu arbeiten, neue Arbeitsformen<br />
anzuwenden, mit an<strong>der</strong>en zusammenzuarbeiten und außerschulische Lern-orte<br />
aufzusuchen. So konnten <strong>in</strong> unserem Nachrichtenprojekt beispielsweise die<br />
Lernbereiche Deutsch und Sachkunde aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen werden, konnte <strong>in</strong> die<br />
Techniken des Interviews unter Verwendung von Tonbandgerät und Videokamera<br />
e<strong>in</strong>geführt werden, konnte die Mitarbeit e<strong>in</strong>es Medienpädagogen erreicht werden<br />
und konnten schließlich die Radionachrichten im professionell ausgestatteten<br />
Tonstudio <strong>der</strong> Landesbildstelle produziert werden.<br />
3. Die Lernenden s<strong>in</strong>d weitgehend an Planung, Organisation, Gestaltung und<br />
Auswertung des geme<strong>in</strong>samen Vorhabens beteiligt. Bei unserem Projekt ergab sich<br />
im wesentlichen e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von relativ offenen (,Gewährenlassen’) und stark<br />
gelenkten Unterrichtssituationen (,Instruieren und Lösungen vorschlagen’), weil das<br />
selbständige Arbeiten für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e relativ ungewohnte Situation darstellte und<br />
auch ihre Methodenkompetenz nicht weit genug entwickelt war.<br />
Wenn man nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> im Rahmen von medienbezogenen Projekten gezielt<br />
zur För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz als Teil <strong>der</strong> Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz<br />
beitragen will, hat man im wesentlichen drei zentrale Aufgaben wahrzunehmen:<br />
• Man muß versuchen, mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong>s Gespräch zu kommen und ihnen Gelegenheit<br />
geben, sich mit bedeutsamen Medienerfahrungen, -erlebnissen und -wirkungen aktiv<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen. Die Praxis zeigt, daß es dabei <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie um ,Medienspuren’<br />
geht, die von Fernsehfiguren und -geschichten h<strong>in</strong>terlassen wurden, die bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
beliebt s<strong>in</strong>d (denen aber Lehrkräfte manchmal sehr reserviert gegenüberstehen). Geht<br />
man diesen Spuren geme<strong>in</strong>sam mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nach, spielen Kommunikationsformen und<br />
Ausdrucksweisen wie aktives Zuhören, Diskussion, freies Schreiben, Malen, Gestalten<br />
o<strong>der</strong> das Spiel als wesentliche Form k<strong>in</strong>dlicher Weltaneignung e<strong>in</strong>e zentrale Rolle.<br />
Beim respektvollen Erfahrungsaustausch mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n können Bedeutungen und<br />
Handlungsorientiernngen <strong>der</strong> Medien <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Lebenszusammenhängen sichtbar<br />
gemacht werden, können Motive für e<strong>in</strong>seitigen und überzogenen Medienkonsum<br />
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aufgedeckt werden, können verschiedene Handlungsmöglichkeiten für die<br />
Befriedigung von Kommunikationsbedürfnissen entdeckt und angewendet werden.<br />
Nicht umsonst wurde es den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> unserem Nachrichtenprojekt wichtig, für den<br />
geplanten Schulclub an ihrer Schule zu werben. Daß sie dabei mit Witz eigene<br />
Erfahrungen mit Werbung <strong>in</strong>s Spiel brachten, zeigt mir, daß wir K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Sachen<br />
Medien auch als kompetente Gesprächspartner ernst zu nehmen haben und ihnen<br />
e<strong>in</strong>en angemessenen kommunikativen Partizipationsspielraum e<strong>in</strong>räumen müssen.<br />
• Man muß Unterrichtssituationen <strong>in</strong>szenieren, bei denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich kritisch und<br />
bewußt mit Medienangeboten aller Art ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen können. Diese<br />
medienpädagogische Aufgabe hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> durchaus Tradition und wird<br />
vornehmlich im sprachlichen und musisch-ästhetischen Lernbereich wahrgenommen.<br />
Wesentliches Ziel ist es dabei, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Bewertungskriterien für qualitätsvolle<br />
Medienangebote zu vermitteln, dabei verschiedene K<strong>in</strong><strong>der</strong>medien zu nutzen und ihre<br />
Beson<strong>der</strong>heiten herauszuarbeiten, die Beziehung zwischen Realität und Fiktion zu<br />
untersuchen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n somit allmählich ,e<strong>in</strong>en Blick’ dafür zu verschaffen, wie sich<br />
Marken- und Massenware auf dem Medienmarkt unterscheiden lassen. Im<br />
wesentlichen geht es <strong>in</strong> solchen Arbeitszusammenhängen darum, K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />
befähigen, Medientexte <strong>in</strong> ihrer Bedeutung zu erfassen, Medienaussagen zu<br />
beurteilen und Medien selbstverantwortlich zu nutzen .Das beachtliche Potential an<br />
gelungenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>sendungen (angefangen von <strong>der</strong> ,Sendung mit <strong>der</strong> Maus’ bis h<strong>in</strong><br />
zu ,Löwenzahn’ und ,Achterbahn’), das zu solchen Zwecken von den öffentlichrechtlichen<br />
Sendeanstalten bereitgestellt wird, wird nach me<strong>in</strong>en Beobachtungen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Alltagspraxis <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> lei<strong>der</strong> nur wenig genutzt, weil die Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Lehrkräfte gegenüber dem ambivalenten Medium Fernsehen e<strong>in</strong>e ablehnende Haltung<br />
e<strong>in</strong>nimmt. Bei unserem Nachrichtenprojekt zeigte sich zum Beispiel, daß e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
die ,logo-Nachrichten’ im K<strong>in</strong><strong>der</strong>kanal regelmäßig sahen, daß diese Sendung aber bei<br />
Lehrkräften so gut wie unbekannt war. So ergab sich durch den geme<strong>in</strong>samen<br />
Erfahrungsaustausch schließlich e<strong>in</strong> ,zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>’ Grund für die Gruppe, sich gezielt<br />
mit dieser speziellen Sendeform für K<strong>in</strong><strong>der</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, wie es umgekehrt für<br />
die K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e ,Novität’ zu entdecken gab, als wir sie auf die Informationsangebote für<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Deutschlandradio h<strong>in</strong>wiesen.<br />
• Man muß K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Gestaltungsräume anbieten, <strong>in</strong> denen sie spielerisch und kreativ mit<br />
Medien aller Art handeln können. Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> schon vom ersten Schuljahr an dazu<br />
angeleitet werden, technische Medien - zu denen heute auch <strong>der</strong> Computer <strong>in</strong>klusive<br />
se<strong>in</strong>er Anwendungsmöglichkeiten <strong>in</strong> vernetzten Systemen zu rechnen ist - selbst zur<br />
Produktion und Vermittlung/Veröffentlichung von Inhalten zu nutzen, kann ihre<br />
Medienkompetenz wesentlich geför<strong>der</strong>t werden. Aktive Medienarbeit zielt auf das<br />
Lernen <strong>in</strong> Zusammenhängen und versucht, möglichst alle S<strong>in</strong>ne und Fähigkeiten <strong>der</strong><br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler anzusprechen. Durch produktives Handeln mit Medien<br />
können K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfahren und begreifen, daß Medien Mittel s<strong>in</strong>d, mit denen man sich die<br />
Wirklichkeit aktiv aneignen, mit denen man sie verarbeiten und auch konstruieren<br />
kann. Aktive Medienarbeit spielt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> für gewöhnlich <strong>in</strong><br />
projektorientierten Handlungszusammenhängen ab. In Projekten, die auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Grundschule</strong> immer noch etwas Beson<strong>der</strong>es s<strong>in</strong>d, können Sachause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung, ,<br />
reflexive’ und ,analytische’ Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Medien, <strong>in</strong>strumentelle und<br />
technische Qualifizierung sowie soziales Lernen s<strong>in</strong>nvoll aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen werden.<br />
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So hatten sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beim Nachrichtenprojekt beispielsweise mit Fragen<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen wie: Was ist e<strong>in</strong>e Nachricht? Welche Rolle spielen Nachrichten<br />
<strong>in</strong> unserem Leben? Wodurch unterscheiden sich Nachrichtensendungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und Erwachsene? Wie wollen wir e<strong>in</strong>e eigene Nachrichtensendung für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
aufbauen? Welche Nachrichten sollen wir br<strong>in</strong>gen? Wie und wo können wir uns<br />
Meldungen und Me<strong>in</strong>ungen beschaffen? Wie geht man mit Tonbandgerät und<br />
Videokamera um? Wie stellt man gute Töne und Bil<strong>der</strong> her? Wer macht was <strong>in</strong> unserer<br />
Nachrichtenredaktion? Wie kommt unsere Nachrichtensendung bei an<strong>der</strong>en an? Was<br />
ist gelungen an unserer Sendung, was müssen wir verbessern? Wollen wir unsere<br />
Arbeit fortsetzen?<br />
3. Wor<strong>in</strong> bestehen die Möglichkeiten und Grenzen schulischer<br />
För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz?<br />
In dem folgenden Zielgitter habe ich versucht, me<strong>in</strong>e praktischen Erfahrungen mit<br />
medienbezogener Projektarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er <strong>Grundschule</strong> (mit sechs Schuljahren) zu<br />
verallgeme<strong>in</strong>ern und so <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Struktur zu br<strong>in</strong>gen, daß sichtbar wird, wie man <strong>in</strong><br />
komplementärem S<strong>in</strong>ne durch kont<strong>in</strong>uierliches medienerzieherisches Handeln zum<br />
Aufbau von Medienkompetenz beitragen kann. Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Schuljahre s<strong>in</strong>d<br />
bestimmte <strong>in</strong>haltliche Schwerpunkte gesetzt worden, die sich auf Grund <strong>der</strong> alters- und<br />
entwicklungsbed<strong>in</strong>gten Beson<strong>der</strong>heiten medienbezogenen Handelns von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
ergeben. Im S<strong>in</strong>ne des Lernens <strong>in</strong> Zusammenhängen sollen es diese Akzentuierungen<br />
auch erleichtern, die drei medienpädagogischen Aufgabenbereiche mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu<br />
verb<strong>in</strong>den. In den Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> drei Aufgabenbereiche bauen die Ziele stufenweise<br />
aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auf und steigern sich <strong>in</strong> ihrer Komplexität und ihrem Anspruchsniveau. Somit<br />
entsteht e<strong>in</strong> Zielgitter, das Grundlage für die Entwicklung flexibler curricularer Bauste<strong>in</strong>e<br />
se<strong>in</strong> kann (vgl. Abbildung ,Zielgitter’ auf <strong>der</strong> folgenden Seite).<br />
Grundsätzlich halte ich es für möglich, solch e<strong>in</strong>e Rahmenstruktur zur Folie<br />
medienpädagogischen Arbeitens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> zu machen. Denn die <strong>Grundschule</strong><br />
als ,Schule für alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>’ bietet - an<strong>der</strong>s als die Oberschule - von ihrem Bildungsauftrag<br />
und ihren <strong>in</strong>stitutionellen Spielräumen her, die Möglichkeit,<br />
• nahe an den Lebenswelten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu se<strong>in</strong>,<br />
• das Lernen <strong>in</strong> S<strong>in</strong>n- und Sachzusammenhängen zu realisieren,<br />
5
• offene Unterrichtssituationen zu <strong>in</strong>szenieren,<br />
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• alle schulischen Arbeits- und Lernbereiche <strong>in</strong> Projekte e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den sowie<br />
• Bezüge zu außerschulischen Lernumwelten und E<strong>in</strong>richtungen herzustellen.<br />
Die Umsetzung solch e<strong>in</strong>es Konzepts steht und fällt allerd<strong>in</strong>gs mit den pädagogischen<br />
Kontexten. Dort, wo sich auch heute noch die <strong>Grundschule</strong> als Pauk- und Buchschule<br />
zeigt, hat medienpädagogisches Arbeiten e<strong>in</strong>en schweren Stand und f<strong>in</strong>det nur selten<br />
statt. Meist zeigt sich dies dar<strong>in</strong>, daß Lehrkräfte sich den vielfältigen Medienerfahrungen<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nur wenig öffnen, und wenn sie es tun, machen sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Kriterien<br />
eigenen Medienhandelns, die sie von ,guten Texten’ ableiten, zur allgeme<strong>in</strong>en Meßlatte<br />
des s<strong>in</strong>nvollen Umgangs mit Medien. Daß dies den respektvollen Austausch mit den ,<br />
an<strong>der</strong>en’ Medienerfahrungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, wird meist nicht wahrgenommen.<br />
Nicht selten wird <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch auf die weitgehend fehlenden<br />
Rahmenplanbezüge <strong>in</strong> Sachen Medien und den hohen Rang <strong>der</strong> Primärerfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Grundschule</strong> verwiesen, um das eigene pädagogische Handeln zu legitimieren. Daß<br />
allerd<strong>in</strong>gs das Lehren und Lernen mit Medien <strong>in</strong> e<strong>in</strong> ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz<br />
und Hand e<strong>in</strong>bezogen werden kann, wird dabei meist übersehen.<br />
Zielgitter für <strong>Medienprojekte</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Aufgabenbereiche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit<br />
Medienerlebnissen/erfahrungen<br />
‚reflexiv‘<br />
Schuljahre<br />
1. / 2. Schuljahr Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
stellen<br />
Medienerlebnisse/erfahrungen<br />
durch<br />
verbale/ nonverbale<br />
Ausdrucksweisen<br />
dar.<br />
6<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit<br />
Medienprodukten/<strong>in</strong>stitutionen<br />
‚analytisch‘<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
unterscheiden<br />
aufgrund ihrer<br />
alltäglichen<br />
Medienerfahrungen<br />
verschiedene<br />
Medienarten/ -genres<br />
und können Beispiele<br />
für K<strong>in</strong><strong>der</strong>medien<br />
benennen.<br />
Aktive Medienarbeit<br />
‚produktiv‘<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
werden <strong>in</strong> S<strong>in</strong>n- und<br />
Sachzusammenhäng<br />
en kont<strong>in</strong>uierlich<br />
befähigt,<br />
vorgegebne/<br />
selbstbestimmte<br />
Inhalte medial<br />
auszudrücken und<br />
zu präsentieren.
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
erfahren, welche<br />
Bedeutungen und<br />
Funktionen Medien <strong>in</strong><br />
ihrem alltäglichen<br />
Leben haben<br />
können.<br />
3. / 4. Schuljahr Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
setzen sich mit<br />
medienbed<strong>in</strong>gten<br />
Gefühlen<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
ermitteln, wie<br />
Mediennutzung ihren<br />
Tagesablauf<br />
bee<strong>in</strong>flußt.<br />
5. / 6. Schuljahr Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
setzen sich mit<br />
medienbed<strong>in</strong>gten<br />
Verhaltensorientierun<br />
gen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
ermitteln und<br />
diskutieren, ob/ wie<br />
Mediennutzung sich<br />
auf ihr<br />
Konsumverhalten<br />
auswirkt.<br />
7<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
kennen Beispiele für<br />
die Vermittlung von<br />
Realität und Fiktion<br />
durch (K<strong>in</strong><strong>der</strong>-)<br />
Medien.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
untersuchen kritisch<br />
solche Medien, die<br />
sie bewußt <strong>in</strong> ihrem<br />
Lebensalltag nutzen.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
ermitteln<br />
Beziehungen von<br />
Realität und Fiktion<br />
<strong>in</strong> Medienangeboten.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
untersuchen bewußt,<br />
welche Bedürfnisse<br />
sie mit Hilfe von<br />
Medien befriedigen<br />
und welche<br />
nichtmedialen<br />
Handlungsalternative<br />
n ihnen zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
erkennen an aus<br />
gewählten<br />
Beispielen, wie<br />
Realität durch<br />
Medien (re-)<br />
konstruiert wird.<br />
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Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
lernen<br />
unterschiedliche<br />
technische Medien<br />
kennen und gehen<br />
spielerisch mit ihnen<br />
um.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
s<strong>in</strong>d imstande, unter<br />
Anleitung<br />
vorgegebene/<br />
selbstbestimmte<br />
Inhalte mit Hilfe<br />
technischer Medien<br />
auszudrücken und<br />
zu präsentieren.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
entdecken die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten<br />
technischer Medien<br />
durch<br />
experimentelles<br />
Handeln.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
stellen e<strong>in</strong>fache<br />
Medienprodukte<br />
zunehmend<br />
selbständig her und<br />
präsentieren sie<br />
öffentlich.<br />
Die Schüler(<strong>in</strong>nen)<br />
kennen die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten<br />
technischer Medien<br />
und können sie<br />
demgemäß zur<br />
Vermittlung von<br />
Inhalten nutzen.
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Abgesehen davon, daß die Ausstattung vieler <strong>Grundschule</strong>n mit zeitgemäßen technischen<br />
Medien unzureichend ist, zeigt sich auch immer wie<strong>der</strong>, daß medienbezogene Arbeit nicht<br />
nur wegen <strong>der</strong> eigenen Orientierungsprobleme <strong>in</strong> den ,Medienwelten’, son<strong>der</strong>n auch<br />
wegen des Aufwands an Technik und Zeit als unverhältnismäßig abgelehnt wird. Daß<br />
man sich aber im Rahmen von M<strong>in</strong>i-Projekten, die die gewohnten Unterrichtsabläufe<br />
durchaus nicht <strong>in</strong> Frage stellen müssen, geme<strong>in</strong>sam mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entsprechende<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen kann, wird selten erkannt. Nach me<strong>in</strong>er Auffassung<br />
s<strong>in</strong>d solche defizitären Situationen auch e<strong>in</strong> Ergebnis <strong>der</strong> nach wie vor rudimentären<br />
Lehrerausbildung <strong>in</strong> Sachen Medienerziehung. Im übrigen war unser Nachrichtenprojekt<br />
ohne Exotik <strong>in</strong> den normalen Unterrichtsalltag <strong>in</strong>tegriert und konnte - als e<strong>in</strong>e Art<br />
schul<strong>in</strong>terner Fortbildung - manche Lehrkraft durch die Produkte von <strong>der</strong> Nützlichkeit<br />
medienpädagogischen Arbeitens überzeugen.<br />
In Zukunft könnte sich jedoch durch die E<strong>in</strong>führung des Computers <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Chance für die Medienpädagogik ergeben, weil von Lehrkräften - auch<br />
aufgrund <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion über das Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft -<br />
allmählich erkannt wird, daß sich die <strong>Grundschule</strong> mehr als bisher an <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Wirklichkeit und an <strong>der</strong> zukünftigen Arbeitswelt <strong>der</strong> ihr anvertrauten<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu orientieren hat. Dies for<strong>der</strong>t Lehrkräfte mehr und mehr dazu<br />
heraus, sich aus pädagogischer Perspektive mit diesem elektronischen Medium vertraut<br />
zu machen und geme<strong>in</strong>sam mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n herauszuf<strong>in</strong>den, was beispielsweise ,Multimedia’<br />
für die Individualisierung des Lernens, für das Beschaffen von Informationen, für das<br />
Herstellen eigener medialer Produkte o<strong>der</strong> für die vielzitierte ,Interaktivität’ leistet. Sollte<br />
<strong>der</strong> Computer <strong>in</strong> absehbarer Zukunft tatsächlich als normales Arbeitswerkzeug <strong>in</strong> den<br />
<strong>Grundschule</strong>n vorhanden se<strong>in</strong>, kann nicht nur <strong>der</strong> Stellenwert dieses Mediums für<br />
Wissensvermittlung und soziales Lernen sichtbar gemacht werden, son<strong>der</strong>n es können<br />
bei <strong>der</strong> täglichen Arbeit auch wichtige Kompetenzen für das Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Informationsgesellschaft funktional erworben werden.<br />
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Das Werk e<strong>in</strong>schließlich aller se<strong>in</strong>er Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung<br />
außerhalb <strong>der</strong> engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des<br />
Rechte<strong>in</strong>habers unzulässig und strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Vervielfältigungen,<br />
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung <strong>in</strong><br />
elektronischen Systemen.<br />
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