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Pädagogische und sozial-psychologische Auswirkungen der Nutzung

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Autoren: Ministerium für Kultus, Jugend <strong>und</strong> Sport BW.<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

Titel: <strong>Pädagogische</strong> <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>-<strong>psychologische</strong> <strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Nutzung</strong> elektronischer<br />

Medien bei Kleinkin<strong>der</strong>n, Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Quelle: Landtag von Baden-Württemberg. 14. Wahlperiode. Stellungnahme, Drucksache<br />

14/110.<br />

Die Veröffentlichung ist gemeinfrei.<br />

Ministerium für Kultus, Jugend <strong>und</strong> Sport BW<br />

<strong>Pädagogische</strong> <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>-<strong>psychologische</strong><br />

<strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Nutzung</strong> elektronischer<br />

Medien bei Kleinkin<strong>der</strong>n, Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Jugendlichen<br />

Antrag<br />

<strong>der</strong> Abg. Ulrich Müller u.a. CDU,<br />

<strong>der</strong> Abg. Birgit Kipfer u.a. SPD,<br />

des Abg. Jürgen Walter, GRÜNE <strong>und</strong><br />

des Abg. Michael Theurer FDP/DVP<br />

<strong>und</strong><br />

Stellungnahme<br />

des Ministeriums für Kultus, Jugend <strong>und</strong> Sport<br />

1


Antrag<br />

Der Landtag wolle beschließen,<br />

die Landesregierung zu ersuchen<br />

zu berichten,<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

1.welches die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum oben genannten Thema<br />

sind;<br />

2.inwiefern die Landesregierung bereit ist, aus diesen Erkenntnissen für die Bereiche<br />

Elternschulung, Kin<strong>der</strong>gartenarbeit, Schulpolitik, Jugendarbeit, Medienpolitik <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit weitergehende als die bisherigen Konsequenzen zu ziehen.<br />

07.07.2006<br />

Müller, Pauli CDU<br />

Kipfer, Bayer SPD<br />

Walter GRÜNE<br />

Theurer FDP/DVP<br />

Eingegangen: 11. 07. 2006 / Ausgegeben: 11. 08. 2006<br />

Drucksachen <strong>und</strong> Plenarprotokolle sind im Internet<br />

abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente<br />

Begründung<br />

Sowohl eine Debatte im Oktober 2005, bei <strong>der</strong> es eine gr<strong>und</strong>sätzliche Übereinstimmung<br />

zumindest hinsichtlich <strong>der</strong> Problemanalyse unter den Fraktionen <strong>und</strong> namentlich unter den<br />

Antragstellern dieses Antrags gegeben hat, wie auch <strong>der</strong>en gemeinsamer Antrag<br />

Drucksache 13/5219 zum Thema „Baby-TV" sind unverän<strong>der</strong>t aktuelle Themen, die aber<br />

<strong>der</strong> parlamentarischen Diskontinuität anheim gefallen sind. Der vorliegende Antrag will die<br />

Debatte wie<strong>der</strong> aufgreifen. Gr<strong>und</strong> ist dabei aber vor allem auch, dass die bisherigen<br />

Antworten <strong>der</strong> Landesregierung nach Auffassung <strong>der</strong> Antragsteller <strong>der</strong> Größe des<br />

Problems nicht gerecht geworden sind, dass <strong>der</strong> Konsum elektronischer Medien weiter<br />

zunimmt, aber auch die Erkenntnisse über <strong>der</strong>en Schädlichkeit. Gemessen an den Folgen<br />

handelt es sich um ein von <strong>der</strong> Politik deutschlandweit noch unzulänglich<br />

wahrgenommenes Problem, das erneut interfraktionell aufgegriffen werden muss. Dabei<br />

darf sich zum Beispiel beim Thema „Baby-TV" die Politik nicht damit trösten, dass es sich<br />

2


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hier bislang um eine verschwindende quantitative Größenordnung handelt, wenn man<br />

berücksichtigt, welche Entwicklung sich hierzu im Ausland zunehmend abzeichnet. Der<br />

Umstand, dass es sich unverän<strong>der</strong>t um eine fraktionsübergreifende Initiative handelt, soll<br />

<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Thematisierungsfunktion gerecht werden, die hier die Politik hat.<br />

Stellungnahme *<br />

Mit Schreiben vom 3. August 2006 Nr. 26-6945/148 nimmt das Ministerium für Kultus,<br />

Jugend <strong>und</strong> Sport zu dem Antrag wie folgt Stellung:<br />

Der Landtag wolle beschließen,<br />

die Landesregierung zu ersuchen<br />

zu berichten<br />

1.welches die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum oben genannten Thema<br />

sind;<br />

Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema „Medienwirkungen" sind kaum<br />

noch überschaubar. Allein zum Thema „Medien <strong>und</strong> Gewalt" gibt es viele tausend<br />

Einzeluntersuchungen (vgl. Kunczik, M. Gewalt <strong>und</strong> Medien. Köln 1998). Aber auch die<br />

zusammenfassenden Darstellungen sind sehr zahlreich <strong>und</strong> häufig aus sehr<br />

unterschiedlichen Perspektiven <strong>und</strong> mit verschiedenen Schwerpunkten <strong>und</strong><br />

Erkenntnisinteressen geschrieben. Wichtige Themen wie z.B. die Wirkungen von so<br />

genannten „Killerspielen" werden kontrovers diskutiert. Eine allgemein akzeptierte Theorie<br />

„<strong>der</strong> Medienwirkungen" gibt es in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur offensichtlich noch nicht.<br />

Dazu kommt, dass unterschiedliche Altersgruppen <strong>und</strong> verschiedene Medienarten <strong>und</strong><br />

Medieninhalte betrachtet werden müssen. Auch die Kontextfaktoren <strong>der</strong> Mediennutzung<br />

sind sehr vielfältig (<strong>Nutzung</strong> <strong>der</strong> Medien allein, mit <strong>der</strong> Familie, mit Fre<strong>und</strong>en etc.), ebenso<br />

die zu berücksichtigenden Wirkungsdimensionen (psychische Wirkungen wie z.B. Angst,<br />

Wirkungen auf Einstellungen <strong>und</strong> Verhalten etc.). Die folgende Darstellung versucht<br />

daher, einen orientierenden Überblick über die Thematik zu geben - eine detaillierte<br />

Diskussion einzelner Medienwirkungen ist im vorgegebenen Rahmen nicht möglich.<br />

* Nach Ablauf <strong>der</strong> Drei-Wochen-Frist eingegangen.<br />

3


Gr<strong>und</strong>lagen<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

Die Altersgruppen werden nicht in allen Untersuchungen gleich definiert. Nach dem<br />

Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetz im Sinne von § 7 SGB VIII (Artikel 1 des KJHG) ist „Kind",<br />

wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Die Jugendlichen werden als Altersgruppe zwischen 14<br />

<strong>und</strong> 18 Jahren definiert. Die Altersgruppe <strong>der</strong> „Kleinkin<strong>der</strong>" wird zumeist - in Abgrenzung<br />

zum Säuglingsalter - auf Kin<strong>der</strong> zwischen dem 2. <strong>und</strong> 6. Lebensjahr bezogen. Die<br />

Bestimmungen <strong>der</strong> Altersgruppen in empirischen Untersuchungen <strong>der</strong> Mediennutzung<br />

entsprechen diesen Einteilungen nur bedingt: Die GfK-Fernsehforschung erhebt Daten für<br />

alle Personen ab 3 Jahren, die Studie „Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Medien" (KIM) untersucht die<br />

Altersgruppe <strong>der</strong> 6- bis 12-Jährigen, die Untersuchung „Jugend, Information <strong>und</strong> (Multi-)<br />

Media" (JIM) befasst sich mit <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 12- bis 19-Jährigen (Jugendliche).<br />

Der Begriff „elektronische Medien" umfasst alle technischen Medien <strong>der</strong> Individual- <strong>und</strong><br />

Massenkommunikation, neben Radio, Fernsehen, Computer <strong>und</strong> Internet also auch<br />

Handy, Spielkonsolen <strong>und</strong> Audiogeräte. Ausgeschlossen sind Medien wie Kin<strong>der</strong>bücher,<br />

Zeitschrift <strong>und</strong> Zeitung. „<strong>Pädagogische</strong> <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>-<strong>psychologische</strong> <strong>Auswirkungen</strong>" sind alle<br />

Wirkungen von Medien auf das Erleben, die Entwicklung, den <strong>sozial</strong>en Austausch, den<br />

Erwerb von Einstellungen <strong>und</strong> Handlungsdispositionen sowie Handlungen <strong>und</strong><br />

Verhaltensweisen, außerdem Bereiche wie „Schulleistungen", „Straffälligkeit" <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>heitliche Probleme wie Übergewicht o<strong>der</strong> finanzielle Probleme durch zu hohe<br />

Ausgaben z.B. für die <strong>Nutzung</strong> von Handys.<br />

Medienangebot <strong>und</strong> Mediennutzung<br />

Aktuelle <strong>Nutzung</strong>sstudien belegen, dass Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche intensive Mediennutzer<br />

sind:<br />

Besitz von Mediengeräten (Ausstattung)<br />

90% <strong>der</strong> Haushalte, in denen Klein- <strong>und</strong> Vorschulkin<strong>der</strong> aufwachsen, besitzen ein<br />

Fernsehgerät, Radio, Videorecor<strong>der</strong>, Handy o<strong>der</strong> Stereoanlage (Quelle: Feierabend/Mohr:<br />

„Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Medien 2003", media perspektiven 9/2004, S. 453 bis 461). Fast 40% <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> dieser Altersgruppe können Audiogeräte nutzen, bei 17% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> befindet sich<br />

ein Radio in ihrem Zimmer, 13% haben einen eigenen Walkman. Von den 4- bis 5-<br />

Jährigen haben 10% ein eigenes Fernsehgerät.<br />

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51% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> (6 bis 13 Jahre) besitzen einen Walk- bzw. Discman, 56 einen CD-Player<br />

<strong>und</strong> 42% ein eigenes Fernsehgerät. Eine Spielkonsole o<strong>der</strong> ein Handy haben 35 bzw.<br />

36%, 12% verfügen über einen Computer im eigenen Zimmer (Quelle:<br />

Medienpädagogischer Forschungsverb<strong>und</strong> Südwest. Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Medien 2005).<br />

92% <strong>der</strong> 12- bis 19-Jährigen besitzen ein persönliches Handy, 90% einen CD-Player, 88%<br />

ein Radio, 61% einen Fernseher, 57% einen Computer, 37% eine Spielkonsole <strong>und</strong> 35%<br />

einen Internetzugang (Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverb<strong>und</strong> Südwest. Studie<br />

„Jugend, Information, (Multi)media 2005").<br />

<strong>Nutzung</strong>sdauer <strong>und</strong> -häufigkeit<br />

Das Fernsehen ist für Klein- <strong>und</strong> Vorschulkin<strong>der</strong> das meist genutzte Medium: 64% <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> dieser Altersgruppe nutzen es jeden o<strong>der</strong> fast jeden Tag (Feierabend/Mohr 2003),<br />

wohingegen auditive Medien nur von einem Drittel <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> entsprechend häufig genutzt<br />

werden. Ebenfalls ein Drittel beschäftigt sich mit Bil<strong>der</strong>büchern, wohingegen Comics,<br />

Video o<strong>der</strong> DVD kaum eine Rolle spielen (ebd.).<br />

Kin<strong>der</strong> nutzen zu 78% jeden Tag o<strong>der</strong> fast jeden Tag das Fernsehen. Bücher werden von<br />

13% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> täglich genutzt, 93% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> lesen nie o<strong>der</strong> selten ein Buch. Den<br />

Computer nutzen 63% mindestens einmal pro Woche, am häufigsten zum Spielen (63%),<br />

dann aber auch für die Schule (49%) <strong>und</strong> zum Lernen (45%). Nie o<strong>der</strong> selten nutzen 52%<br />

das Internet (Quelle: KIMStudie 2005 Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Medien).<br />

Fast alle Jugendliche (93%) nutzen das Fernsehen täglich bzw. mehrmals pro Woche,<br />

85% nutzt Musik-Medien in diesem Umfang. 76% <strong>der</strong> Jugendlichen nutzt täglich o<strong>der</strong><br />

mehrmals pro Woche einen Computer. Dabei geht es vorwiegend um Musik hören (59%)<br />

<strong>und</strong> Spielen (38%). Erfahrungen mit dem Internet haben 86% dieser Altersgruppe. Das<br />

Internet wird dabei zumeist zur Kommunikation verwendet (Quellen s.o.).<br />

Mediennutzung <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e (Freizeit-)Aktivitäten<br />

Neben dem Besitz von Mediengeräten bzw. den Zugangsmöglichkeiten zu diesen Geräten<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> tatsächlichen <strong>Nutzung</strong>sdauer spielt auch die Bedeutung, die Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendliche den Medien zumessen, eine wichtige Rolle. Vergleicht man den Stellenwert<br />

des Umgangs von Kin<strong>der</strong>n mit Medien mit an<strong>der</strong>en Freizeitaktivitäten, so zeigt sich, dass<br />

bei Kin<strong>der</strong>n Fernsehen (98%), Hausaufgaben machen (98%), Fre<strong>und</strong>e treffen (96%) <strong>und</strong><br />

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Spielen in <strong>und</strong> außer Haus (92%) am häufigsten genannt werden. Jugendliche nutzen zu<br />

92 mindestens mehrmals pro Woche das Fernsehen, zu 90% Musikmedien (Tonträger),<br />

das Treffen mit Fre<strong>und</strong>en folgt mit 88% <strong>und</strong> schließlich „Sport treiben" <strong>und</strong> „nichts<br />

tun/ausruhen" (jew. 67%).<br />

Medien sind also ein fester Bestandteil des Alltags von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen wie<br />

auch <strong>der</strong> Gesellschaft, in <strong>der</strong> sie leben. Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche nutzen Medien intensiv, in<br />

vielen Lebenszusammenhängen <strong>und</strong> für viele Zwecke.<br />

Medienwirkungen<br />

Unbestritten ist, dass Medien Wirkungen auf Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche haben. Für eine<br />

genauere Betrachtung sollte man aber differenzieren:<br />

• nach <strong>der</strong> Art (Fernsehen, Tonträger, Computerspiele, Internet etc.) <strong>und</strong> dem Inhalt <strong>der</strong><br />

genutzten Medien (z.B. die verschiedenen Formate von Fernsehsendungen <strong>und</strong> die<br />

sehr verschiedenartigen Formen <strong>der</strong> Darstellung von Gewalt im Fernsehen).<br />

• nach dem Kontext <strong>der</strong> Mediennutzung (allein, mit <strong>der</strong> Familie, mit den Eltern, mit<br />

Fre<strong>und</strong>en).<br />

• nach den individuellen Merkmalen <strong>der</strong> Mediennutzer selbst (Bildungsgang, kognitive<br />

<strong>und</strong> emotionale Voraussetzungen, Sozialisationserfahrungen, kultureller Hintergr<strong>und</strong><br />

usw.).<br />

• <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Wirkung selbst: Wirkungen können in<br />

unterschiedlichen Bereichen auftreten (körperlich, im verbalen <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>en Verhalten,<br />

im Bereich von Einstellungen - z.B. Vorurteilen - <strong>und</strong> Handlungsdispositionen - z.B.<br />

Neigung zu gewalttätigem Verhalten -), sie können unmittelbar sein o<strong>der</strong> erst nach<br />

längerer Zeit auftreten, sie können „gleichartig" (Gewaltdarstellung motiviert<br />

gewalttätiges Verhalten) o<strong>der</strong> „ungleichartig" sein (Abwertung bestimmter<br />

Personengruppen motiviert gewalttätiges Verhalten). Und schließlich lassen sich<br />

Wirkungen auf einzelne Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche untersuchen, aber auch auf <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>sozial</strong>er Gruppen <strong>und</strong> Schichten.<br />

Angesichts dieser Vielzahl von miteinan<strong>der</strong> interagierenden Faktoren <strong>und</strong> Dimensionen<br />

steht die wissenschaftliche Untersuchung von Medienwirkungen vor zahlreichen<br />

Problemen. Einfache, unilineare Ursache-Wirkungs-Modelle sind in den meisten Fällen<br />

nicht angemessen. Medienwirkungen lassen sich nicht mit <strong>der</strong> Wirkung von<br />

Medikamenten o<strong>der</strong> Drogen gleichsetzen - wobei es ja auch bei diesen immer eine<br />

gewisse Variationsbreite gibt. Die Wirkung von Gewaltdarstellungen im Fernsehen ist sehr<br />

von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Präsentation gewaltsamen Verhaltens abhängig: wird die Gewalt aus <strong>der</strong><br />

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Täter- o<strong>der</strong> Opferperspektive gezeigt, wird das gewaltsame Verhalten selbst o<strong>der</strong> werden<br />

seine <strong>Auswirkungen</strong> gezeigt, handelt es sich um Zeichentrickfiguren, Schauspieler o<strong>der</strong><br />

„real handelnde" Personen wie z.B. in Nachrichtensendungen? Dazu kommen Faktoren<br />

<strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>und</strong> Verarbeitung durch Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche: mit welchem<br />

Bedürfnis werden die Medien genutzt (z.B. um mit bestimmten Medienerfahrungen in <strong>der</strong><br />

Gleichaltrigengruppe anzugeben o<strong>der</strong> um eigene Entwicklungsprobleme <strong>und</strong> -themen zu<br />

bearbeiten), wie werden die Medieninhalte erlebt, interpretiert <strong>und</strong> bewertet (können<br />

Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche erkennen, dass es sich um fiktive Darstellungen handelt, können<br />

sie den „Rahmen" <strong>der</strong> Mediendarstellungen verstehen - z.B. die virtuelle Darstellung von<br />

Gewalt in Computerspielen)? Insbeson<strong>der</strong>e bei Jugendlichen sind die <strong>sozial</strong>en Kontexte<br />

des Medienumgangs <strong>und</strong> des „Medienhandelns" von großer Bedeutung: Medien dienen<br />

hier u.a. dazu, die Zugehörigkeit zu <strong>sozial</strong>en Gruppen zu dokumentieren <strong>und</strong> sind mit<br />

vielfältigen an<strong>der</strong>en Aspekten <strong>der</strong> sehr differenzierten „Jugendkulturen" (z.B. <strong>der</strong> Sprache,<br />

<strong>der</strong> Kleidung <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>sozial</strong>en Organisation) eng verb<strong>und</strong>en.<br />

Dazu kommen forschungsmethodische Probleme: häufig sind wissenschaftliche<br />

Untersuchungen zum gleichen Thema hinsichtlich Untersuchungsgegenstand <strong>und</strong><br />

-methoden sowie <strong>der</strong> untersuchten Stichprobe nicht vergleichbar.<br />

Langzeituntersuchungen sind selten, ebenso Wie<strong>der</strong>holungsstudien (Replikationsstudien).<br />

Immer wie<strong>der</strong> werden aus Korrelationsstudien auf Ursachen-Wirkungszusammenhänge<br />

geschlossen, was methodisch nicht zulässig ist. Die Fülle <strong>der</strong> empirischen Ergebnisse von<br />

Einzeluntersuchungen lassen sich nicht ohne weiteres zusammenfassen (vgl. die<br />

Methode <strong>der</strong> „Metaanalyse"). Problematisch erscheinen einzelfallbezogene<br />

Generalisierungen, wie sie in den Medien immer wie<strong>der</strong> berichtet werden, wenn z.B. die<br />

Handlungen jugendlicher Gewalttäter durch die <strong>Nutzung</strong> bestimmter Medien wie z.B.<br />

Killerspielen erklärt werden. Das Gleiche trifft für die Methode <strong>der</strong><br />

Einzelfalluntersuchungen zu, wie sie Glogauer in seinem Buch über die „Kriminalisierung<br />

von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen durch Medien" anwendet. (Glogauer, W. (1993):<br />

Kriminalisierung von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen durch Medien. Baden-Baden). Häufig wird<br />

auch nicht streng genug zwischen Tatsachen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bewertung dieser Tatsachen<br />

unterschieden - gerade bei den Themen „Medienwirkungen" <strong>und</strong> „Jugendmedienschutz"<br />

sind immer wie<strong>der</strong> Wertungen im Spiel, die dem zeitlichen Wandel unterliegen (Kübler,<br />

H.-D. Mediengewalt <strong>und</strong> politische Bildung. Aspekte des präventiven<br />

7


Jugendmedienschutzes; online unter http://www.bpb.de/popup/popup<br />

druckversion.html?guid-K443N1&page-- 0).<br />

Einzelne Bef<strong>und</strong>e<br />

Medien <strong>und</strong> Gewalt:<br />

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Das Thema „Wirkungen von Gewalt in den Medien" ist eines <strong>der</strong> am meisten untersuchten<br />

Medienthemen. Der Medienwissenschaftler Michael Kunczik stellt in seinem<br />

Forschungsüberblick dazu fest, dass weitgehend Einigkeit in <strong>der</strong> Auffassung besteht, dass<br />

„Mediengewalt negative Effekte" haben kann. Dabei spielen sehr viele strukturelle <strong>und</strong><br />

individuelle Variablen eine Rolle. Allerdings ist <strong>der</strong> „Wirkzusammenhang Rezipient -<br />

Medium' so komplex, dass sich wissenschaftlich haltbare Aussagen nur für einzelne<br />

Populationen in genau umrissenen Situationen treffen lassen" (Kunczik, M. Gewalt <strong>und</strong><br />

Medien. Köln 1998, S. 273f.). Gr<strong>und</strong>sätzlich geht Kunczik aber davon aus, dass „beim<br />

Vorliegen entsprechen<strong>der</strong> Randbedingungen mediale Gewaltdarstellungen einen Beitrag<br />

zur Herausbildung bzw. Stabilisierung aggressiver Verhaltensdispositionen" liefern<br />

(Kunczik 1998, S. 121).<br />

Es gibt empirische Belege dafür, dass die Wirkungen von medialen Gewaltdarstellungen<br />

bei Jungen sehr viel deutlicher zu beobachten sind als bei Mädchen (Selg, H. Filmhelden<br />

als Gewaltmodell? Interview mit Joachim von Gottberg in tv diskurs 6/98) <strong>und</strong> dass an<strong>der</strong>e<br />

Sozialisationserfahrungen eine sehr deutliche Wirkung haben. Unter <strong>der</strong> Überschrift<br />

„Wirkungen von Gewalt in Film <strong>und</strong> Fernsehen" heißt es bei Kunczik/Apfel (Medien <strong>und</strong><br />

Gewalt. Bef<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Forschung seit 1998. Berlin 2004, S. 164f):<br />

Insgesamt unterstreichen Studien, die zur Erklärung violenten Verhaltens neben dem<br />

Medienkonsum auch an<strong>der</strong>e Einflussfaktoren wie Persönlichkeitseigenschaften <strong>und</strong> v. a. das<br />

<strong>sozial</strong>e Umfeld sowie die dadurch vermittelten Erfahrungen in die Untersuchung einbeziehen,<br />

dass Gewalttätigkeit nicht auf eine einzige Ursache, son<strong>der</strong>n vielmehr auf ein ganzes<br />

Ursachenbündel zurückzuführen ist. Jürgen Raithel (2003a; 2003b; Raithel/Mansel 2003)<br />

konstatierte in seinen Untersuchungen z.B. Zusammenhänge zwischen dem Konsum<br />

gewalthaltiger Medien (v.a. Horror- <strong>und</strong> Kriegsfilmen) <strong>und</strong> (auch gewalttätiger)<br />

Jugenddelinquenz. Gewaltverhalten hing aber auch mit Gewalterfahrung innerhalb <strong>der</strong> Familie<br />

zusammen. Raithel (2003 a, S. 184) betont: „Möchte man sich <strong>der</strong> Thematik <strong>der</strong><br />

Jugenddelinquenz adäquat nähern, ist die Bedeutung medialer Effekte nicht zu negieren,<br />

allerdings auch nicht über zu bewerten. Viel mehr ist die gesamte Sozialisationssituation des<br />

Jugendlichen in den Blick zu nehmen, d.h. die Problemlagen in <strong>der</strong> Familie, Schule <strong>und</strong> in den<br />

Peergroups." Insgesamt ist davon auszugehen, dass verschiedene Risikofaktoren, wenn sie<br />

zusammentreffen <strong>und</strong> nicht durch an<strong>der</strong>e „Schutzfaktoren" (z.B. stabile Familienverhältnisse,<br />

gute Beziehung zu den Eltern usw.) ausgeglichen werden, bei den betroffenen Personen zu<br />

Gewaltreaktionen führen können (vgl. Gentile/Sesma 2003). Innerhalb dieses Ursachenbündels<br />

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leistet <strong>der</strong> Konsum violenter Medieninhalte einen zwar identifizierbaren, allerdings meist sehr<br />

kleinen Beitrag.<br />

Wirkungen von Computerspielen<br />

Mit dem Begriff „Computerspiele" werden sehr unterschiedliche Anwendungen<br />

bezeichnet: Bildschirmspiele, Arcade-Spiele (Spieleautomaten mit Münzeinwurf),<br />

Videospiele, Computerspiele, Spiele für Handhelds <strong>und</strong> Spielekonsolen, <strong>und</strong> daneben<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch die so genannten „OnlineSpiele", die über das Internet gespielt<br />

werden. Auch nach Art <strong>und</strong> Inhalt <strong>der</strong> Spiele wird vielfach unterschieden (z.B.<br />

Rollenspiele, Strategiespiele, Ego-Shooter, virtuelle Welten wie „Multi-User-Dungeons"<br />

<strong>und</strong> „Massively Multiplayer Online Games" mit bis zu mehreren tausend Mitspielern).<br />

Neben <strong>der</strong> Multimedialität <strong>der</strong> Darstellung sind sie insbeson<strong>der</strong>e durch Interaktivität<br />

gekennzeichnet. Man kann daher davon ausgehen, dass sie beson<strong>der</strong>s intensive<br />

Wirkungen auf ihre Nutzer haben. Kunczik/Apfel (2004, S. 238) stellen dazu fest:<br />

Die bisherige Forschung hat zwar Hinweise auf negative Wirkungen im Bereich von<br />

Kognitionen, Emotionen <strong>und</strong> Verhalten erbracht, die Forschungslage ist bislang allerdings - nicht<br />

zuletzt aufgr<strong>und</strong> einer mangelnden Anpassung des Forschungsdesigns an die Beson<strong>der</strong>heiten<br />

von Computerspielen - in <strong>der</strong> Anlage <strong>der</strong> Studien noch zu heterogen, in ihren Bef<strong>und</strong>en zu<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlich <strong>und</strong> insgesamt mit zu vielen methodischen Mängeln behaftet, um zu eindeutigen<br />

Aussagen zu gelangen. Feststehen dürfte lediglich, dass wie bei <strong>der</strong> Fernsehgewaltforschung<br />

diverse Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen <strong>und</strong> eine Konzentration <strong>der</strong> Forschung<br />

auf Problemgruppen sinnvoll erscheint. Eine beson<strong>der</strong>e Problematik besteht in <strong>der</strong> schnellen<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Computerspiele sowohl in technischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, die die<br />

Übertragbarkeit <strong>der</strong> Bef<strong>und</strong>e früherer Studien auf heutige Verhältnisse einschränkt.<br />

Als Wirkungen von Computerspielen nennen Jürgen Fritz <strong>und</strong> Wolfgang Fehr (Virtuelle<br />

Gewalt: Modell o<strong>der</strong> Spiegel? Computerspiele aus Sicht <strong>der</strong> Medienwirkungsforschung. In:<br />

B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung: Computerspiele, Bonn 2003, S. 49 bis 60):<br />

Vertreiben von Langeweile, Erreichen eines als angenehm erlebten Erregungsniveaus,<br />

das Erleben eines Gefühls von Macht, Herrschaft <strong>und</strong> Kontrolle, die Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Entwicklung von Einfühlungsvermögen („Empathie") <strong>und</strong> <strong>der</strong> angemessenen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit gesellschaftlicher Gewalt sowie die „Modellierung emotionaler<br />

Impulse". Die Autoren gehen nicht davon aus, dass Gewalt in Computerspielen von den<br />

Spielern im „wirklichen Leben" nachgeahmt wird.<br />

Mediennutzung <strong>und</strong> Schulleistungen<br />

Über deutliche Zusammenhänge zwischen intensiver Mediennutzung im Kindes- <strong>und</strong><br />

Jugendalter <strong>und</strong> schulischen Leistungen berichten Matthias Kleimann <strong>und</strong> Thomas Mößle<br />

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(Der Fernseher im Kin<strong>der</strong>zimmer. Über den Zusammenhang von Medienkonsum <strong>und</strong><br />

Schulleistungen. Funk Korrespondenz 11/2006). Sie zitieren eine Reihe von<br />

Langzeitstudien, die darauf hinweisen, dass diese Zusammenhänge auch dann noch<br />

nachweisbar sind, wenn an<strong>der</strong>e Einflussfaktoren wie sozioökonomischer Status <strong>und</strong><br />

Bildungshintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Eltern berücksichtigt werden. Die negativen Einflüsse ließen sich<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen mit eigenem Fernseher o<strong>der</strong> Computer-<br />

SpielGerät im Kin<strong>der</strong>zimmer feststellen. Die Zusammenhänge sind aber noch nicht<br />

ausreichend erforscht. Gr<strong>und</strong>sätzlich lassen sich aus Korrelationsstudien nur<br />

Vermutungen über Ursache-Wirkungszusammenhänge ableiten. Vergleicht man<br />

Mediennutzung <strong>und</strong> Mediengerätebesitz bei Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen zwischen<br />

verschiedenen Län<strong>der</strong>n, ergeben sich an<strong>der</strong>e Zusammenhänge: koreanische Kin<strong>der</strong> sind<br />

mit Medien sehr gut ausgestattet <strong>und</strong> nutzen diese intensiv, erzielen in internationalen<br />

Vergleichsstudien jedoch gute Ergebnisse (vgl. Stefan Aufenanger: Machen Medien „Dick,<br />

dumm, krank <strong>und</strong> traurig"? http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=492044.htm.<br />

Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen<br />

In seinem Buch „Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung,<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gesellschaft" (Stuttgart 2005) geht Prof Dr. Manfred Spitzer ausführlich<br />

auf den Zusammenhang zwischen Mediennutzung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ein. Die intensive<br />

<strong>Nutzung</strong> von Bildschirmmedien sei die wichtigste Ursache für Übergewicht bei Kin<strong>der</strong>n.<br />

Medizinische Untersuchungen weisen auf einen Anstieg des Übergewichts <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Adipositas (Fettsucht) unter Kin<strong>der</strong>n in den Industrielän<strong>der</strong>n hin. Ernährungsstörungen<br />

werden dabei aber als multifaktoriell verursacht betrachtet. Auch Haltungsschäden<br />

können durch Mediennutzung mit verursacht sein, ebenso können Medien bei<br />

psychosomatischen Erscheinungen wie Magersucht eine Rolle spielen (Institut für Jugend,<br />

Film, Fernsehen o.J., S. 4).<br />

Mediennutzung in früher Kindheit<br />

In <strong>der</strong> Landtagsdrucksache 13/5219 „Baby-TV" werden als negative Medienwirkungen im<br />

Kleinkindalter u. a. genannt: Verän<strong>der</strong>ungen im Stoffwechsel von Kleinkin<strong>der</strong>n während<br />

<strong>der</strong> Fernsehzeit, abnehmende muskuläre Aktivität, Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />

Knochenentwicklung, Korrelation von längerem wie<strong>der</strong>holtem Fernsehkonsum im<br />

Kleinkindalter <strong>und</strong> Verhaltensauffälligkeiten im Einschulungsalter (insbeson<strong>der</strong>e<br />

10


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Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitätsstörung; Quelle: Prof. Dr. Manfred Spitzer,<br />

Universität Ulm).<br />

Eine Studie zu Klein- <strong>und</strong> Vorschulkin<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ARD <strong>und</strong> des ZDF („Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Medien<br />

2003", media perspektiven 9/2004, S. 453 bis 461) zeigt, „dass Medien bereits im Leben<br />

von Zwei- bis Fünfjährigen eine wichtige Rolle spielen... Das Fernsehen ist dabei <strong>der</strong><br />

wichtigste Sozialisationsfaktor ... Klein- <strong>und</strong> Vorschulkin<strong>der</strong> leben zum überwiegenden Teil<br />

in Familien <strong>und</strong> haben ein eigenes Zimmer, das bereits frühzeitig mit technischem<br />

Equipment zur Mediennutzung ausgestattet ist ... Unter den Freizeitaktivitäten nimmt das<br />

Fernsehen sowohl bei den Kin<strong>der</strong>n als auch bei den Eltern einen Spitzenplatz ein".<br />

Wirkungen <strong>der</strong> Mediennutzungen werden allerdings nicht berichtet. Auch gibt es noch<br />

relativ wenig Untersuchungen zu speziellen Medienangeboten für Klein- bzw.<br />

Vorschulkin<strong>der</strong> wie z.B. den „Teletubbies" (vgl. Wolfgang Brudny: Die Teletubbies.<br />

Verunsichern sie die Medienpädagogen? In: tv diskurs. Verantwortung in audiovisuellen<br />

Medien. Hrsg.: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Heft 10, 1999, S. 67 bis 73).<br />

Spezielle Medienwirkungsuntersuchungen zum Babyfernsehen (vgl. z.B. http://www.<br />

babytv.info/) sind hier nicht bekannt.<br />

Handymissbrauch<br />

Viele Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> die meisten Jugendlichen besitzen ein eignes Handy. In letzter Zeit wird<br />

vermehrt über Formen des „Handymissbrauchs" wie die Verbreitung von Tötungsvideos<br />

(Snuff Videos), realen <strong>und</strong> inszenierten Gewalthandlungen, die mit dem Handy gefilmt <strong>und</strong><br />

verbreitet werden („Happy slapping"), <strong>und</strong> über das Terrorisieren von Personen durch das<br />

Handy („Bullying") berichtet (vgl. u.a. das Merkblatt „Gewaltvideos auf Schülerhandys" <strong>der</strong><br />

polizeilichen Kriminalprävention <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>es in www.polizei-beratung.de<br />

<strong>und</strong> www.handysektor.de). Da diese Phänomene noch relativ neu sind, liegen noch kaum<br />

Forschungsergebnisse vor. Es ist aber anzunehmen, dass diese Formen <strong>der</strong><br />

Mediennutzung erhebliche negative <strong>Auswirkungen</strong> haben.<br />

Zusammenfassung<br />

Medien haben vielfältige Wirkungen auf Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche - negative, aber natürlich<br />

auch positive. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Medienwirkungen auf Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendliche sind sehr umfassend <strong>und</strong> vielfältig. Einfache Wirkungsmodelle <strong>und</strong> globale<br />

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Aussagen (die z.B. von den Inhalten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Darstellungsform <strong>der</strong> Medien absehen) sind<br />

nicht sachgerecht. So ist das „Gefährdungspotential" unterschiedlicher Medien(inhalte)<br />

durchaus unterschiedlich. Negative Medienwirkungen sind insbeson<strong>der</strong>e dort zu<br />

beobachten, wo weitere ungünstige Bedingungen vorliegen. Weitgehende<br />

Übereinstimmung besteht darin, dass diese „Risikogruppen" Gegenstand weiterer<br />

Untersuchungen sein sollten <strong>und</strong> dass sie auch beson<strong>der</strong>er Anstrengungen bei <strong>der</strong><br />

Prävention <strong>und</strong> Unterstützung/För<strong>der</strong>ung bedürfen.<br />

Der enge Fokus auf beson<strong>der</strong>s auffällige Medienwirkungen wie z.B. Gewalthandlungen<br />

o<strong>der</strong> psycho-<strong>sozial</strong>e Auffälligkeiten reicht nicht aus. Medien sind ein wichtiger Teil <strong>der</strong><br />

Lebenswirklichkeit von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen, entsprechend umfassend müssen auch<br />

die Wirkungszusammenhänge betrachtet werden. Dabei muss auch <strong>der</strong> Begriff<br />

„Medienwirkung" selbst erweitert werden (vgl. Werner Früh <strong>und</strong> Carsten Wünsch.<br />

Wirkung. In: Jürgen Hüther/Bernd Schorb (Hrsg.): Gr<strong>und</strong>begriffe Medienpädagogik.).<br />

Nach diesen Autoren entsteht Medienwirkung nicht als Ergebnis „linearer<br />

Transportprozesse von Information, an <strong>der</strong>en 'Ende' beim Publikum dann Wirkungen<br />

entstehen", son<strong>der</strong>n als dynamischer <strong>und</strong> wechselseitiger Prozess im Zusammenwirken<br />

unterschiedlicher Merkmale <strong>und</strong> Faktoren, wobei <strong>der</strong> Mediennutzer durchaus eine aktive<br />

Rolle spielt, auch wenn das Verhältnis zwischen Medienangebot <strong>und</strong> Mediennutzer nicht<br />

„symmetrisch" ist. Medien verän<strong>der</strong>n die Kommunikationsformen zwischen Menschen,<br />

beeinflussen das Selbst- <strong>und</strong> Weltbild <strong>und</strong> wirken auf Wertorientierungen <strong>und</strong> Lebensstile.<br />

Diese Dimensionen <strong>der</strong> Medienwirkung sind schwieriger zu erfassen als unmittelbare<br />

Medienwirkungen im Verhaltensbereich, aber sie sind möglicherweise ebenso wichtig. In<br />

<strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur spielen u. a. kognitive Medieneffekte wie „Agenda -<br />

Setting", „Homogenisierung" bzw. die Vermittlung bestimmter „Gesellschaftsbil<strong>der</strong>" (im<br />

Rahmen <strong>der</strong> „Kultivierungshypothese") <strong>und</strong> „Wissenskluft" (digital divide) eine Rolle (vgl.<br />

Heinz Bonfadelli: Neue Perspektiven: Kognitive Medieneffekte. In:<br />

Medienwirkungsforschung 1. Gr<strong>und</strong>lagen. Konstanz, 2004). Daraus lässt sich <strong>der</strong> Schluss<br />

ziehen, dass nicht nur das Eintreten bestimmter Wirkungen von Medien problematisch<br />

sein kann, son<strong>der</strong>n auch das Ausbleiben dieser Wirkungen, etwa wenn Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendliche nicht ausreichend Medienkompetenz entwickeln o<strong>der</strong> wenn sie keinen<br />

Zugang zu medial repräsentiertem Wissen finden können.<br />

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2.inwiefern die Landesregierung bereit ist, aus diesen Erkenntnissen für die Bereiche<br />

Elternschulung, Kin<strong>der</strong>gartenarbeit, Schulpolitik, Jugendarbeit, Medienpolitik <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit weitergehende als die bisherigen Konsequenzen zu ziehen.<br />

Seit 1. April 2003 gilt <strong>der</strong> Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Mit ihm wurden die<br />

Jugendschutzbestimmungen des R<strong>und</strong>funkstaatsvertrages, des<br />

Mediendienstestaatsvertrages <strong>und</strong> des Informations- <strong>und</strong><br />

Kommunikationsdienstegesetzes in einem Regelwerk zusammengeführt. Es besteht nun<br />

eine einheitliche Regelung für Inhalte, unabhängig von <strong>der</strong> Art ihrer technischen<br />

Verbreitung. Zuständig für die Überwachung <strong>der</strong> Regelungen ist nach dem JMStV<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich die zuständige Landesmedienanstalt. Diese bedient sich zur Erfüllung ihrer<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die für diese Aufgabe gebildet<br />

worden ist. Aus <strong>der</strong> Erkenntnis heraus, dass angesichts <strong>der</strong> medialen Flut die vom Staat<br />

bestellte Aufsicht immer schneller an ihre Grenzen stößt, wurde im R<strong>und</strong>funkstaatsvertrag<br />

die Selbstkontrolle <strong>der</strong> Unternehmen eingeführt. Für die Zulassung von Einrichtungen <strong>der</strong><br />

Freiwilligen Selbstkontrolle sowie <strong>der</strong>en Überwachung ist ebenfalls die KJM zuständig. Die<br />

durch die oberste Landesjugendbehörden eingerichtete gemeinsame Stelle Jugendschutz<br />

aller Län<strong>der</strong> („Jugendschutz.net") unterstützt sowohl die KJM als auch die anerkannten<br />

Einrichtungen <strong>der</strong> Freiwilligen Selbstkontrolle bei ihrer Arbeit.<br />

In Form einer Protokollerklärung sind die Län<strong>der</strong> im Rahmen JMStV übereingekommen<br />

sowohl das Jugendschutzgesetz als auch den JMStV bis 1. April 2008 einer Evaluierung<br />

zu unterziehen. Evaluiert werden u. a. die Praxistauglichkeit <strong>der</strong> Jugendschutzkriterien<br />

sowie die Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Effizienz <strong>der</strong> Aufsichtsstruktur. Hierbei sollen<br />

entsprechende Erfahrungen ausgewertet werden, namentlich ob <strong>und</strong> inwieweit mit Blick<br />

auf die Zuordnung <strong>der</strong> Regelungskompetenzen, die Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Effizienz <strong>der</strong><br />

Aufsichtsstruktur <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Kriterien eine Verbesserung des Jugendschutzrechts<br />

erreicht wurde bzw. die neue Struktur eine wirksame <strong>und</strong> praxisgerechte Aufsicht<br />

gewährleistet. Auf Basis <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Evaluation werden die Län<strong>der</strong> über weiteren<br />

Handlungsbedarf entscheiden. Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die<br />

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Instrumente des Jugendmedienschutzes auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Evaluationsergebnisse an<br />

aktuelle Entwicklungen im Medienbereich angepasst werden.<br />

Für den Bereich <strong>der</strong> Schulen ist festzustellen, dass zuerst eine systematische<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Themenbereich „Wirkung <strong>der</strong><br />

<strong>Nutzung</strong> elektronischer Medien" abgewartet werden sollte. Sollten sich daraus<br />

Handlungsnotwendigkeiten für den Bereich von Schule <strong>und</strong> Unterricht ergeben, so werden<br />

umgehend die erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen ergriffen, die einer verantwortungsvollen<br />

medienpädagogischen Herangehensweise dienlich sind. Das Kultusministerium<br />

unterstützt in diesem Sinne alle Maßnahmen <strong>der</strong> Medienpädagogik, die vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> einer f<strong>und</strong>ierten wissenschaftlichen Expertise angezeigt sind.<br />

Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Medienkompetenz wird im Orientierungsplan, <strong>der</strong> im Kin<strong>der</strong>gartenjahr<br />

2009/10 verpflichtend eingeführt wird, im Bildungs- <strong>und</strong> Entwicklungsfeld „Sinne" unter<br />

den Themenbereichen „Mit Hilfe <strong>der</strong> Sinne sich selbst <strong>und</strong> die Welt entdecken <strong>und</strong><br />

verstehen" sowie „Sinneswahrnehmung bewusst entwickeln" angesprochen. Im Kapitel<br />

2.4 „Zusammenarbeit mit Partnern" (S. 57ff) des Orientierungsplans wird auf die<br />

Wichtigkeit <strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> Erzieherinnen mit unterschiedlichen Partnern<br />

hingewiesen: „... Dabei wird gerade auch in <strong>sozial</strong> belasteten Siedlungsräumen Eltern ein<br />

leichterer Zugang zu Angeboten eröffnet, die ihre Kompetenzen in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong><br />

Alltagsbewältigung stärken...." Die Entwicklung von Medienkompetenz kann hier ein<br />

Angebot sein. Auch die Erzieherinnen profitieren bei <strong>der</strong> Einbeziehung dieser Angebote<br />

durch Experten.<br />

Die pädagogischen Fachkräfte erhalten beim Implementierungsprozess des<br />

Orientierungsplans spezielle Fortbildungen. Sie werden vom Land <strong>und</strong> den Kommunen<br />

mit bis zu 20 Millionen Euro finanziert. Dafür wurde ein entsprechendes<br />

Fortbildungskonzept erarbeitet <strong>und</strong> unter www.kin<strong>der</strong>garten-bw de veröffentlicht. In<br />

diesem Konzept sind bis zu drei Tage für die verschiedenen Bildungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsfel<strong>der</strong> vorgesehen, somit auch für das Bildungs<strong>und</strong> Entwicklungsfeld „Sinne".<br />

Dabei ist auch gewährleistet, dass Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher im Bereich „Entwicklung<br />

von Medienkompetenz <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>" weitergebildet werden.<br />

Darüber hinaus wird in einem weiteren Fortbildungsbaustein „Kooperationen mit Eltern,<br />

Schulen, an<strong>der</strong>en Partnern <strong>und</strong> Institutionen", für den ein Tag vorgesehen ist, auf die<br />

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Elternbildung (z.B. durch thematische Elternabende, Kurse, Hospitationen, Anregungen<br />

für den häuslichen Bereich) Wert gelegt. Die für Eltern stets aktuelle Thematik<br />

Medienerziehung ist geradezu prädestiniert, an<strong>der</strong>e Partner, wie z.B. Medienzentren,<br />

Zeitungen <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funkanstalten einzubeziehen.<br />

In Vertretung<br />

Fröhlich<br />

Ministerialdirektor<br />

Alle Rechte, insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>der</strong> Vervielfältigung <strong>und</strong> Verbreitung sowie <strong>der</strong><br />

Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch<br />

Photokopie, Mikrofilm o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des<br />

Rechteinhabers reproduziert o<strong>der</strong> unter Verwendung elektronischer Systeme<br />

weiterverarbeitet, vervielfältigt o<strong>der</strong> verbreitet werden.<br />

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