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Gewaltprofil des deutschen Fernsehprogramms. Eine Analyse des ...

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Autoren: Gleich, Uli / Groebel, Jo.<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

Titel: <strong>Gewaltprofil</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Fernsehprogramms</strong>. <strong>Eine</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> Angebots<br />

privater und öffentlich-rechtlicher Sender.<br />

Quelle: Schriftenreihe Medienforschung der Lan<strong>des</strong>anstalt für Rundfunk Nordrhein-<br />

Westfalen; Band 6. Opladen 1993. S. 11-134.<br />

Verlag: Leske + Budrich.<br />

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autoren und <strong>des</strong> Verlags.<br />

Jo Groebel mit Uli Gleich<br />

<strong>Gewaltprofil</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong><br />

<strong>Fernsehprogramms</strong>.<br />

<strong>Eine</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> Angebots privater und<br />

öffentlich-rechtlicher Sender<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorbemerkung...................................................................................................................3<br />

1. Einleitung.......................................................................................................................4<br />

2. Der Stand der Wirkungsforschung................................................................................7<br />

2.1 Die Forschungsstrategien.......................................................................................7<br />

2.2 Der Wirkungsbegriff................................................................................................8<br />

2.3 Motive zum Gewaltkonsum.....................................................................................9<br />

2.4 Die Wirkungstheorien............................................................................................13<br />

2.4.1 Die „klassischen“ Ansätze.............................................................................13<br />

2.4.2 Kurz- und langfristige Prozesse.....................................................................17<br />

2.4.3 Die Wirkungsmodi..........................................................................................19<br />

2.4.4 Vermischung von Fiktion und Realität...........................................................21<br />

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2.4.5 Internationaler Wirkungsvergleich.................................................................21<br />

2.4.6 Aggression oder Angst als Medienkonsequenz............................................22<br />

2.5 Übersicht über die Wirkungsebenen.....................................................................23<br />

2.6 Resümee: Wissenschaftskonsens in der Wirkungsfrage.....................................25<br />

3. Internationale Programmanalysen..............................................................................26<br />

3.1 Kategorien der subjektiven Gewaltwahrnehmung................................................26<br />

3.2 Inhaltsanalysen.....................................................................................................29<br />

4. Vorgehen bei der Erfassung der Gewalt ....................................................................32<br />

4.1 Die Aggressions- und Gewaltdefinition.................................................................32<br />

4.2 Aggressionsstruktur..............................................................................................34<br />

5. Die Untersuchung........................................................................................................36<br />

5.1 Kategorienschema und Kodierhandbuch..............................................................38<br />

5.2 Definition der <strong>Analyse</strong>ebenen...............................................................................41<br />

5.3 Datenorganisation und Datenverarbeitung...........................................................46<br />

5.4 Stichprobe und Datenerhebung............................................................................46<br />

5.5 Datenauswertung..................................................................................................51<br />

6. Ergebnisse..................................................................................................................51<br />

6.1 Das Gesamtangebot.............................................................................................51<br />

6.2 Der Anteil der Aggression am Gesamtangebot....................................................52<br />

6.3 Verteilung der Aggression auf einzelne Sender und Programmplätze.................59<br />

6.4 Qualitative Gewaltstruktur.....................................................................................75<br />

6.4.1 Inhalt und Form der Aggression....................................................................76<br />

6.4.2 Männer und Frauen als Täter und Opfer.......................................................89<br />

6.4.3 Nachrichten....................................................................................................98<br />

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6.4.4 Trickfilm.......................................................................................................103<br />

6.4.5 Spielfilme und Serien...................................................................................110<br />

6.4.6 „Mordstruktur“ im Fernsehprogramm...........................................................120<br />

Zusammenfassung der Ergebnisse...............................................................................127<br />

Das Programm insgesamt.........................................................................................127<br />

Die einzelnen Sender................................................................................................128<br />

Die inhaltliche Struktur der Aggression.....................................................................130<br />

Verteilung der Aggression auf die unterschiedlichen Programmgenres..................131<br />

Die Genres im einzelnen...........................................................................................132<br />

Struktur der Aggression in Nachrichten................................................................132<br />

Spielfilme und Serien............................................................................................134<br />

Trickfilm.................................................................................................................135<br />

Konsequenzen..........................................................................................................135<br />

Literatur.........................................................................................................................137<br />

Vorbemerkung<br />

Im Sommer 1990 schrieb die Lan<strong>des</strong>anstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen (UR) ein<br />

Forschungsprojekt zur <strong>Analyse</strong> der <strong>Gewaltprofil</strong>e deutscher Fernsehprogramme (RTL,<br />

SAT 1, Tele 5, PRO 7, ARD, ZDF) aus. Der Auftrag wurde im Februar 1991 an die Autoren<br />

dieses Berichts vergeben.<br />

Nach umfänglichen Vorbereitungsarbeiten wurden Mitte 1991 aus einem Zeitraum von 8<br />

Wochen nach einer Zufallsstichprobe Programme je<strong>des</strong> einzelnen Senders so<br />

ausgewählt, daß insgesamt eine vollständige Woche nach dem jeweiligen<br />

Programmschema repräsentiert war. Die auf Video aufgezeichneten fast 750<br />

Programmstunden wurden von 6 Beurteilern auf der Basis eines umfangreichen<br />

Kategoriensystems nach Qualität und Quantität der vorkommenden Aggressions- und<br />

3


Bedrohungshandlungen kodiert und anschließend mit Hilfe verschiedener<br />

Computerprogramme analysiert.<br />

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Der vorliegende Bericht stellt nach ersten Teilveröffentlichungen die vollständigen<br />

Ergebnisse dieser <strong>Analyse</strong>n vor. Zugleich werden sie in Bezug gesetzt zur<br />

wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte über die Wirkung von Gewaltdarstellungen.<br />

<strong>Eine</strong> Inhaltsanalyse selbst erlaubt keine Aussagen über Wirkungen. Sie ist aber wichtiger<br />

Bestandteil einer Reihe aufeinanderbezogener Studien: Um mögliche Konsequenzen von<br />

Fernsehgewalt bestimmen zu können, ist auch eine <strong>Analyse</strong> von Quantität und Qualität<br />

notwendig. Wirken (oder mit anderen Faktoren interagieren) kann nur, was gezeigt wird.<br />

Um dieses Angebotspotential geht es in der Studie.<br />

Wir möchten an dieser Stelle vorab den Beurteilern danken, ohne deren unermüdlichen<br />

Einsatz ein Projekt dieser Größenordnung gar nicht realisierbar gewesen wäre, im<br />

einzelnen Daniela Naab, Dorette und Georg Königshausen, Peter Brechtel, Sven Fischer<br />

und Thomas Heinrich. Weiter danken wir Gabriele Woide, Stefanie Schönborn und<br />

Christoph Frey für ihre Mitarbeit beim Verfassen <strong>des</strong> Berichts. Ganz besonders gilt unser<br />

Dank Dr. Gerhard Rödding, Dr. Jürgen Brautmeier und vor allem Mechthild Appelhoff von<br />

der Lan<strong>des</strong>anstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen, aus deren Bereitschaft zum<br />

kompetenten und kritischen Gespräch sich wichtige Impulse für unsere Arbeit ergaben.<br />

Prof. Dr. Jo Groebel Dipl. Päd. Uli Gleich<br />

1. Einleitung<br />

Gewalt ist immer ein aktuelles Thema. Kriege, Katastrophen, Kriminalität gelten als<br />

besonders berichtenswert, und stets gibt es Ereignisse mit einem solchen Hintergrund. In<br />

bestimmten Perioden kann man aber über diesen „Normalzustand“ hinaus noch einmal<br />

eine deutliche Zunahme von Gewalt feststellen. Dabei ist nicht immer klar, ob es sich um<br />

eine tatsächlich größere Häufung von Ereignissen handelt oder lediglich eine intensivere<br />

Berichterstattung erfolgt. Anfang der neunziger Jahre war das Thema wieder besonders<br />

präsent: Nach Ende <strong>des</strong> kalten Krieges und den zunächst meist friedlich verlaufenen<br />

Umwälzungen in Mittel- und Ost-Europa hatte plötzlich mit Golf-Krieg und Jugoslawien-<br />

Konflikt doch noch politisch-militärische Gewalt einen hohen Stellenwert auch in<br />

Mitteleuropa bekommen: Im ersten Fall durch die globale Dimension der<br />

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Auseinandersetzung, im zweiten Fall dadurch, daß der Krieg fast in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft stattfindet. Hinzu kamen 1992 zahlreiche Anschläge und Morde durch<br />

Rechtsradikale in Deutschland und ein von vielen konstatiertes allgemeines Gefühl von<br />

Unsicherheit und Bedrohung.<br />

In dieser Situation wurde auch der hohe Stellenwert von Gewalt in den Medien<br />

thematisiert, teils als ethisches Problem, teils als - so einige Annahmen - Spiegel der<br />

gesellschaftlichen Situation oder auch als ein maßgeblicher Ursachenfaktor. Nicht zuletzt<br />

ist die Gewaltdiskussion in Deutschland auch Teil der Kontroversen über das duale<br />

System: Beklagt wird in der Öffentlichkeit die (vermeintliche?!) Zunahme aggressiver Dar-<br />

stellungen als Folge der Kommerzialisierung <strong>des</strong> Programms und der größeren<br />

Bedeutung der Einschaltquoten. Pro- und Contra-Argumente von Seiten der Anbieter<br />

erscheinen dabei häufig auch als Teil der spezifischen Öffentlichkeitsarbeit. Während die<br />

einen den Gewaltanteil im Programm mit dem (natürlichen?) „Publikumsbedürfnis“<br />

erklären, ist er für andere Symptom für die „geringe Qualität“ der Konkurrenten. Es kann in<br />

dieser Situation nicht Aufgabe der Wissenschaft sein, Partei zu ergreifen. Die Forderung<br />

an sie besteht vielmehr darin, nach objektiver <strong>Analyse</strong> der Angebotsstruktur und deren<br />

Zusammenhang mit den Zuschauerreaktionen zu streben. Allerdings steht auch die<br />

wissenschaftliche <strong>Analyse</strong> sehr schnell in einem medienpolitischen Kontext und werden<br />

Daten, zum Teil selektiv, von Interessengruppen interpretiert. Um es gleich<br />

vorwegzunehmen: Die Diskussionen nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse<br />

dieser Studie waren zum Teil zwar kontrovers, insgesamt vor allem aber von Gesprächs-<br />

und Erkenntnis-, gar Kooperationsbereitschaft geprägt, siehe Symposien und<br />

Arbeitsgruppen fast aller Anbieter zum Thema. Und soweit sollte sich bei einem<br />

gesellschaftlich relevanten Thema die Wissenschaft vorwagen dürfen: nach der <strong>Analyse</strong><br />

gemeinsam mit allen die Lösung für einen als problematisch diskutierten Zustand - hier<br />

hohe Fernsehgewalt - zu suchen und ohne Parteilichkeit zu einer Versachlichung <strong>des</strong><br />

Problems beizutragen. Letztlich ist dann der öffentliche, demokratische Diskurs auf<br />

konsensfähiger Grundlage der wohl erfolgreichere Weg zur Lösung <strong>des</strong> Problems als ein<br />

Schlagabtausch mit verhärteten Fronten.<br />

Nun begleitet die Debatte über Gewaltdarstellungen und ihre Wirkungen zumin<strong>des</strong>t die<br />

(audiovisuellen) Medien fast seit Beginn ihrer Verbreitung als echte<br />

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Massenkommunikationsmittel. Sehr häufig wurden sie für soziale Mißstände (z.T.<br />

ausschließlich) verantwortlich gemacht, Kriminalität, Schüleraggression, Terrorismus etc.<br />

Oft waren und sind diese Debatten stark medien- und gesellschaftspolitisch geprägt und<br />

tendieren zu (zu) einfachen Schlußfolgerungen nach dem Motto „Medien bzw.<br />

Gewaltdarstellungen sind insgesamt schädlich“ bzw. „sie wirken überhaupt nicht“ oder<br />

schließlich „Mediengewalt ist nützlich zum Abbau von Aggressionen“. Wissenschaft wurde<br />

und wird in diesem Zusammenhang oft selektiv hinzugezogen und benutzt, um jeweils<br />

opportune Standpunkte zu bestätigen, oder sie wird von vornherein als widersprüchlich<br />

ins Abseits gestellt.<br />

Dabei wird übersehen, daß in kaum einem Bereich der Forschung über komplexe soziale<br />

Wirklichkeit eine einzelne oder auch nur wenige Untersuchungen pauschal endgültige<br />

„Beweise“ bieten können. Es muß im vorliegenden Fall vielmehr darum gehen, das<br />

Problem zu lösen, ob und wenn ja unter welchen Umständen welche Medieninhalte von<br />

wem aufgenommen und weiterverarbeitet werden. Dennoch führt dies nicht zu einem<br />

kaum noch übersehbaren Ergebniswust. Im Detail sind Wahrscheinlichkeitsaussagen z.B.<br />

darüber möglich, wie beängstigend bestimmte Gewaltdarstellungen auf kleinere Kinder<br />

wirken.<br />

Medien und andere gesellschaftliche Prozesse kann man auch als Teile eines<br />

übergreifenden Systems beschreiben: Einzelne Elemente innerhalb <strong>des</strong> Systems, wie<br />

Gewaltdarstellungen einerseits und bestimmte Verhaltensmuster andererseits, können<br />

dabei immer noch spezifische Wechselbeziehungen aufweisen und sind in dieser<br />

Spezifität analysierbar. Dazu gehört auch die <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> „Angebotspotentials“, konkreter<br />

der Häufigkeit und der Qualität der in den Medien vorkommenden Aggressionen, Gewalt<br />

und Bedrohungen. Diese Inhalte führen noch nicht zwangsläufig zu Wirkungen, sie stellen<br />

aber ein Potential dar, aus dem sich mögliche Wirkungen ergeben können.<br />

<strong>Eine</strong> optimale Untersuchung kombiniert also die <strong>Analyse</strong> der Angebotsstruktur mit der<br />

<strong>Analyse</strong> der Wahrnehmung und Weiterverarbeitung <strong>des</strong> Gesehenen und Gehörten durch<br />

den Zuschauer.<br />

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Insofern stellt die hier vorgestellte Studie einen ersten Schritt dar; sie versucht die<br />

Beschreibung von Anteil und Struktur der Gewaltdarstellungen in <strong>deutschen</strong><br />

Fernsehprogrammen, also <strong>des</strong> Angebotspotentials.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Untersuchung im Auftrag der Lan<strong>des</strong>anstalt für Rundfunk Nordrhein-<br />

Westfalen behandelt dann die Wahrnehmung von Medien- und nicht medialer Gewalt<br />

durch Jugendliche und ihre Einbettung in den Alltag (1993).<br />

Die Verknüpfung beider <strong>Analyse</strong>n schließlich erlaubt weitergehende Schlußfolgerungen<br />

über den Zusammenhang zwischen dem Medienangebot und <strong>des</strong>sen Verarbeitung durch<br />

den Zuschauer.<br />

Um den Stellenwert <strong>des</strong> Angebots im Wirkungs- und Interaktionsprozeß mit dem<br />

Zuschauer einordnen zu können, wird zunächst der Stand der Forschung zur<br />

Mediengewalt beschrieben: Im ersten Teil die Wirkungsdebatte, im zweiten Teil<br />

internationale <strong>Analyse</strong>n zur Gewaltverteilung im Programm. Die Methodenkapitel<br />

befassen sich mit der von uns benutzen Gewaltdefinition sowie Aufbau und Durchführung<br />

der Studie. Die Ergebnisse schließlich sind unterteilt in die Beschreibung der Häufigkeiten<br />

aggressiver Darstellungen im <strong>deutschen</strong> Fernsehen und in die der Qualität und Struktur<br />

dieser Darstellungen.<br />

Anmerkung: Nicht zuletzt nach ersten Teilveröffentlichungen der Ergebnisse unserer<br />

Studie hatte es zahlreiche Reaktionen in Medien und Politik gegeben. Inzwischen haben<br />

einige Anbieter erklärt, die Gewalt im Programm reduzieren zu wollen. Von daher geben<br />

die im Ergebnisteil beschriebenen Häufigkeiten einen - wenn auch repräsentativen -<br />

Ausschnitt für einen bestimmten Zeitraum wieder. Inwieweit es seitdem tatsächlich eine<br />

quantitative oder qualitative Veränderung in den TV-Programmen gegeben hat, und in<br />

welche Richtung sie gegangen ist, müßte in jeweils aktualisierten <strong>Analyse</strong>n geklärt<br />

werden.<br />

2. Der Stand der Wirkungsforschung<br />

2.1 Die Forschungsstrategien<br />

Es ist an dieser Stelle unmöglich, die Gesamtheit aller Veröffentlichungen zum Thema<br />

Mediengewalt auch nur einigermaßen repräsentativ wiederzugeben. Vermutlich handelt<br />

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es sich bei diesem „Klassiker“ der Medienforschung um ein Problemfeld, zu dem die<br />

Anzahl der weltweit publizierten Studien fünfstellig ist. Allein für den <strong>deutschen</strong> und<br />

angelsächsischen Bereich sind mehr als 5000 Artikel und Bücher systematisch erfaßt,<br />

schon seit Beginn <strong>des</strong> Jahrhunderts wird zu dem Thema geforscht. So stellte man z.B. in<br />

Inhaltsanalysen aus den 20er und 30er Jahren fest, daß vier von zehn amerikanischen<br />

Spielfilmen damals Morde zeigten (Dale, 1935). Der Boom allerdings kam mit der<br />

Verbreitung <strong>des</strong> Fernsehens in den fünfziger und sechziger Jahren. In dieser Zeit wurden<br />

auch die bislang immer noch besonders einflußreichen Theorien zum Thema entwickelt<br />

(s.u.). Heute geht man von einer Wechselbeziehung zwischen den Eigenschaften <strong>des</strong><br />

Programms und denen <strong>des</strong> Zuschauers aus.<br />

Für die entsprechenden empirischen <strong>Analyse</strong>n lassen sich die folgenden<br />

Forschungsfelder unterscheiden, die dann in der Zusammenschau zu einer differenzierten<br />

Sichtweise beitragen:<br />

– Inhaltsanalysen über den aggressiven und bedrohlichen Gehalt von Medienangeboten.<br />

– Wirkungsforschung über die kurz- und langfristigen Konsequenzen besonders für<br />

Aggression, Angst und Weltbildprägung.<br />

– Systematische Studien, die die Wechselbeziehung zwischen Medien- und<br />

gesellschaftlicher Gewalt thematisieren (auch: Strukturelle Gewalt).<br />

– (damit z.T. verbunden:) Einbettung der Mediengewalt in die Erlebniswelt <strong>des</strong> Alltags.<br />

– Leider bislang deutlich seltener: Bedürfnis- und Motivationsuntersuchungen: Warum ist<br />

Mediengewalt beliebt?<br />

– Spezielle Themen wie Gewaltpornographie, Horrorvideos und Terrorismus.<br />

– Metaanalysen: Welchen Stellenwert haben die Gewaltstudien selbst in der<br />

Mediendebatte?<br />

Statt allerdings eine Integration der unterschiedlichen Bereiche und Ansätze anzustreben<br />

und Wissenschaft pluralistisch zu verstehen (jeder systematische Befund hat erst einmal<br />

einen Erkenntnisbonus, den es dann zu überprüfen gilt), wird häufig ein<br />

Ausschließlichkeitsdenken vertreten: Entweder - oder. Dabei können je nach Kontext<br />

völlig unterschiedliche Prozesse ablaufen. <strong>Eine</strong> differenzierende Integration, soll in den<br />

folgenden Abschnitten versucht werden.<br />

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Für weitergehende systematische Übersichten sei verwiesen auf entsprechende<br />

Veröffentlichungen, z.B. von Groebel und Winterhoff-Spurk (1989), Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft (1986), Kunczik (1987), international von Gunter und McAleer<br />

(1990), Huesmann und Eron (1986), Comstock (1991) und Huston et al. (1992).<br />

2.2 Der Wirkungsbegriff<br />

Auch ohne wissenschaftliche Beweise sind - wenn auch meist nicht nach einem simplen<br />

Reiz-Reaktionsmuster gestrickt - Wirkungen eine der Grundfunktionen der Beziehung<br />

zwischen Medien und Nutzern. Wenn ich nach einer Nachrichtensendung mehr weiß als<br />

vorher, wenn ich mich nach einer Show besser (oder schlechter) fühle, wenn ich durch<br />

das Telekolleg gebildet bin oder auch, wenn mein Kind nach einem brutalen Trailer nicht<br />

schlafen kann: gewirkt hat's, auch wenn diese Wirkung unterschiedlich lange anhält.<br />

Schon etymologisch gesehen ist es dabei ein Mißverständnis, Wirkung mit negativer<br />

Wirkung gleichzusetzen und ihre Existenz generell in Frage zu stellen. Auch die Tatsache,<br />

daß die Gewaltdebatte schon so alt ist wie die Medien selbst, ist kein hinreichen<strong>des</strong><br />

Gegenargument. Die Diskussion muß sich immer auf die jeweils aktuellsten Formen und<br />

Inhalte beziehen.<br />

Wirken kann allerdings je<strong>des</strong> Medium nur, wenn es auch genutzt wird. Zu fragen ist also<br />

zunächst einmal, welche Motive zum Konsum von Gewaltdarstellungen führen. Denn<br />

Motivation und Wirkung sind in Interaktion miteinander zu analysieren.<br />

2.3 Motive zum Gewaltkonsum<br />

Unbestritten und auf absehbare Zeit wohl kaum zu ändern ist die Tatsache, daß<br />

Aggression oder zumin<strong>des</strong>t Action im Programm eine hohe Massenattraktivität besitzen,<br />

für viele erst einmal interessanter sind als komplizierte prosoziale Inhalte. Unter den von<br />

Kindern favorisierten Programmen führte „Knight Rider“ zum Beispiel lange Zeit vor der<br />

„Sendung mit der Maus“ oder „logo“ die Hitliste an. <strong>Eine</strong> japanische Studie mit zwei- bis<br />

dreijährigen Jungen und Mädchen zeigt, daß - vor die Wahl gestellt - schon diese<br />

Altersgruppe die Trickfilmgestalt eines Taugenichts („Yadamon“) lieber sieht als „liebe“<br />

Figuren. Nun könnte man annehmen, daß hier ein spontanes angeborenes Bedürfnis<br />

nach gewaltsamen, bösen Darstellungen, ähnlich dem von Freud und Lorenz postulierten<br />

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Aggressionstrieb eine Rolle spielt. Drastisch formuliert: Früher gab es öffentliche<br />

Hinrichtungen, heute braucht man eben Mediengewalt.<br />

Tatsächlich gibt es bisher keine Belege für solche rein biologisch bedingten<br />

Gewaltinstinkte, die ohne Umwelteinfluß ausbrechen würden. Kürzlich konnten wir in einer<br />

Bestandsaufnahme der genetischen, anthropologischen und psychologischen bis hin zur<br />

soziologischen Forschung zeigen, daß ein entsprechender umweltabhängiger Instinkt<br />

evolutionär nicht sinnvoll wäre und die empirischen Befunde eher für ein komplexes<br />

Wechselspiel aus biologischen Anlagen und Umwelterfahrungen sprechen (Groebel &<br />

Hinde, 4989). Dabei kommt auch Gewaltdarstellungen ein vergleichsweise hoher<br />

$tellenwert zu: Es ist durchaus sinnvoll, auf Gefahrenreize und Bedrohungsiiformationen<br />

zunächst mit Aufmerksamkeit zu reagieren - entwicklungsgeschichtlich, um z.B. Flucht-<br />

oder Verteidigungsmaßnahmen ergreifen zu können.<br />

Die weitergehende „Lust“ am Anschauen von Aggressionen ist aber erst durch<br />

Berücksichtigung anderer Faktoren zu erklären, die in der Kindheit erworben wurden oder<br />

situational bedingt sind. Zugleich korrespondieren diese Faktoren direkt mit dem<br />

jeweiligen Wirkungsmodus. Zu nennen und dieser Differenzierung auch von der<br />

Forschung bestätigt sind hier:<br />

– Sozialisationserfahrungen und rituelle Gewohnheiten<br />

– Orientierungs- und Informationsinteresse<br />

– situationale Anregungssuche<br />

– Persönlichkeitseigenschaften/Risikosuche.<br />

Zu den Sozialisationserfahrungen: Im Schnitt schätzen Jungen im Vergleich zu Mädchen<br />

Mediengewalt mehr. Dies entspricht ihrer früh sozialisierten Rollendefinition, ohne daß<br />

dabei biologische Faktoren auszuschließen wären, und äußert sich beim konkreten<br />

Nutzungsverhalten in einer Art Mannbarkeitsritus, Aushaltenkönnen von Horrorszenen,<br />

Identifikation mit den Helden (während sich Mädchen häufiger mit den Opfern<br />

identifizieren), verbalem und motorischem „Mitgehen“. Allerdings ist hier in den letzten<br />

Jahren eine Zunahme der Gewaltpräferenz auch bei Mädchen festzustellen - Indikator für<br />

eine Rollenannäherung? Zunächst aber helfen aggressive Programme mit, vor allem die<br />

männliche Rolle zu bestätigen.<br />

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Eher geschlechtsunabhängig sind die Orientierungs- und Informationsbedürfnisse. Sich<br />

über mögliche drohende Gefahren zu informieren, aber auch sich zu vergewissern, daß in<br />

der unmittelbaren Umgebung noch alles in Ordnung ist, ist ein Hauptmotiv für den<br />

Konsum von Nachrichtensendungen und dokumentarischen Programmen.<br />

Überzeichnungen und eine Überrepräsentation von Gewalt führen aber da7,u, daß z.B.<br />

Kriminalitätsraten und entsprechend die Gefahr für den Normalzuschauer bei weitem<br />

überschätzt werden (Comstock, 1991).<br />

Dem Unterhaltungs- und Entspannungsbedürfnis entspricht die situationale<br />

Anregungssuche. Der amerikanische Forscher Dolf Zillmann konnte in zahlreichen<br />

Experimenten zeigen, daß je nach Gefühlslage und physiologischem Ausgangsniveau<br />

Zuschauer „instinktiv“ das richtige Programm auswählen. Vereinfacht formuliert: Wer den<br />

ganzen Tag unter starkem Streß stand, übererregt ist, sucht ein ruhiges, entspannen<strong>des</strong><br />

Medienangebot; wer physiologisch „unterversorgt“ war, wendet sich aufregenden, dabei<br />

eben auch häufig aggressiven und actionbezogenen Inhalten zu. Dies ist nicht ganz so<br />

trivial, wie es zunächst erscheint, denn auch hier läuft offenbar ein komplizierter<br />

Wechselprozeß ab. Ähnlich der physiologischen Anpassung an eine schneller werdende<br />

Umwelt gibt es wohl auch bei den Medien ein Einpendeln auf die jeweils durchschnittliche<br />

Action; um dann darüberhinaus noch aufregend sein zu können, müssen stärkere Reize<br />

gesucht werden. Dies mag erklären, warum extreme Horrorvideos einen solchen Erfolg<br />

haben, bzw. im Fernsehen „immer brutalere“ Bilder zu sehen sind: die frühere normale<br />

Fernsehkost ist hier schon zu harmlos.<br />

Gewaltdarstellungen erfüllen die medienspezifischen Voraussetzungen <strong>des</strong> Besonderen,<br />

der Action, der „starken“ Bilder. Vor der bewußten Verarbeitung wird durch die mit Gewalt<br />

meist verbundene Bewegung und Dramaturgie eine physiologische Reaktion, eine<br />

erhöhte Erregung ausgelöst. Sofern diese ein - individuell unterschiedliches - Maximum<br />

nicht überschreitet, wird sie als angenehm empfunden.<br />

Allerdings können hier auch im Vorfeld schon Bewertungsprozesse mit ins Spiel kommen,<br />

die durch den normativen Kontext, Rollensozialisation oder eigene Erfahrungen<br />

mitgesteuert werden. So bewerten Frauen im Vergleich zu Männern aggressive<br />

Programme durchgehend als wesentlich weniger attraktiv. Das „Angenehmsein“ setzt sich<br />

also zusammen aus der körperlichen und einer bewertenden Reaktion. Die Funktion von<br />

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aufregenden Darstellungen besteht dann, wie es Dolf Zillmann beschrieben hat, darin, für<br />

einen physiologischen Ausgleich bestehender körperlicher Zustände zu sorgen.<br />

Die benötigte Intensität der Aufregung hängt auch von vermutlich angeborenen bzw. sehr<br />

früh erworbenen Persönlichkeitseigenschaften ab. So gibt es unterschiedlich ausgeprägte<br />

Reizsuchetypen. Dies bedeutet: während physiologisch bedingt ein Teil der Menschen<br />

starke Umweltreize braucht, um sich einigermaßen wohl zu fühlen, ist einem anderen Teil<br />

schon eine vergleichsweise leichte Stimulanz zuviel. Auch hier können sich die erwähnten<br />

Anpassungsprozesse vollziehen, der Gesamtlevel steigt im Schnitt an, die relativen<br />

Unterschiede zwischen den Personen bleiben aber konstant.<br />

Ein Reinhold Messner braucht verkürzt formuliert stärkere Abenteuerreize als ein Eremit.<br />

Mit anderen Worten, es gibt unterschiedlich ausgeprägte „Reizsucher“ (sensation<br />

seekers), die je nach physiologischer Anlage ihr Maximum schon bei relativ schwachen<br />

oder eben erst bei sehr starken Reizen erreichen. Dabei ist ein (durch Sozialisation<br />

erworbener?) Bereich die Risikosuche. Wir haben uns mit diesem<br />

persönlichkeitsspezifischen Aspekt, der Erlebnissuche durch Medien (Groebel, 1989),<br />

näher befaßt.<br />

In den genannten eigenen Untersuchungen (Groebel, 1989) fanden wir den<br />

entsprechenden Typus <strong>des</strong> Risikosuchers neben dem <strong>des</strong> Reizsuchers in sozialen<br />

(Geselligkeiten, Öffentlichkeit) und in intellektuell anregenden (Beschäftigung mit<br />

Wissenschaft und Kultur) Situationen. Natürlich gibt es auch Mischtypen.<br />

Für Gewaltdarstellungen ist nun interessant, daß die Persönlichkeitstendenz Risikosuche<br />

im Fernsehen auf entsprechende Angebote trifft und dadurch zunächst „zufriedengestellt“<br />

werden kann. Dennoch ist dies nicht mit einer kompensierenden oder gar therapeutischen<br />

Funktion gleichzusetzen. Über die Zeit hinweg tritt nämlich eine Gewöhnung an starke<br />

(aggressive) Reize ein und es werden noch stärkere Reize benötigt, um wieder den phy-<br />

siologischen „Ausgleich“ herzustellen. Von Sucht oder Abhängigkeit sollte man in diesem<br />

Zusammenhang noch nicht sprechen, sehr wohl aber von einer Spirale aus (immer)<br />

extremerem Angebot und noch weitergehenden Reizbedürfnissen.<br />

Da neben der physiologischen Stimulation aber auch gewaltsame Inhalte vermittelt und<br />

durch die hohe Aufmerksamkeit besonders gut gelernt werden, könnte eine alternative<br />

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Programmkonsequenz darin bestehen, die Action im Gesamtprogramm weniger steil<br />

ansteigen zu lassen, vor allem aber häufiger von den sozial unerwünschten Inhalten zu<br />

entkoppeln. Zwei Hypothesen sind nämlich bislang nicht widerlegt: Nicht-actionhaltige<br />

Erlebnisund Informationsangebote z.B. von Lehrern würden immer weniger konkur-<br />

renzfähig. Die im Programm häufig selbstverständliche Verbindung von Erlebnis und<br />

Gewalt verhindere, daß auch „friedliche“ Inhalte als „actionfähig“ angesehen würden.<br />

Hierbei muß es nicht um eine kulturpessimistische Beschwörung der guten alten<br />

pädagogischen Form gehen, gerade die Aufgeschlossenheit gegenüber formalen<br />

Innovationen könnte eine Alternative zur Gewalt bieten: für Programm und Pädagogik.<br />

Insgesamt sind also vor jeder Wirkungsmöglichkeit erst einmal der Zugriff und die<br />

zugrundeliegenden Dispositionen - Persönlichkeit, Umwelt, Situation - entscheidend. Je<br />

nachdem, wie erfolgreich die entsprechenden Motive durch Mediengewalt befriedigt<br />

werden, besteht ein Effekt auch darin, daß diese Motive verstärkt werden und beim<br />

nächsten Mal mit größerer Wahrscheinlichkeit erneut zum Konsum aggressiver<br />

Darstellungen führen.<br />

Auf die unterschiedlich zusammengesetzten Bedürfnisse reagieren die Anbieter. Dabei<br />

geht es wohl auch um simple Kosten-Nutzen-Berechnungen. Bei der Unterhaltung ist<br />

Gewalt häufig mit soliden Einschaltquoten verbunden, in Großbritannien 1989 angeblich<br />

eine sogar durchschnittlich um 25 Prozent höhere Sehbeteiligung im Vergleich zu nicht-<br />

aggressiven Programmen. Dabei ist sie noch relativ billig herzustellen oder (im Paket)<br />

einzukaufen. Schießereien, Prügelszenen, Autoverfolgungsjagden erfordern bei<br />

einfacheren Produktionen keine ausgefeilte Verfeinerung der Drehbücher, keine großen<br />

schauspielerischen Leistungen, keine komplizierte inhaltliche Dramaturgie, und dennoch<br />

wird hingeschaut, sogar mit besonderer Aufmerksamkeit. Was dabei US-Importe angeht:<br />

Gewalt ist eine „Universalsprache“.<br />

Die dramaturgische Erfolgsgarantie wird zum Teil auch für Nachrichten benutzt. So sind<br />

die hohen Gewaltanteile an den Meldungen kein Zufall (siehe auch Schulz, 1976).<br />

Natürlich sind Unruhen, Krieg und Kriminalität berichtenswerter als „wieder nur Frieden in<br />

Waldhagen“. Häufig wird aber Gewalt wohl auch als Anziehungsfaktor unabhängig vom<br />

vermuteten Informationsgehalt eingesetzt. Sie macht visuell mehr her, besteht aus<br />

kamerafreundlichen schnellen Bewegungen und bietet eben einfach höheren Ner-<br />

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venkitzel. Berühmtes Beispiel ist die friedliche Demonstration, aus der die Schlägerei am<br />

Rande herausgepickt wird. Zwar war hier seit der Geiselnahme in Gladbeck eine Zeitlang<br />

ein heiklerer Umgang mit dem journalistischen Codex zu verzeichnen gewesen, doch ist<br />

das Gewaltbild zum Teil immer noch attraktiv, man greift auch in der Berichterstattung<br />

routiniert darauf zurück, nicht zu vergessen Beispiele aus dem sogenannten „RealityTV“.<br />

2.4 Die Wirkungstheorien<br />

2.4.1 Die „klassischen“ Ansätze<br />

Zu den meist zitierten theoretischen Ansätzen zur Erklärung der Mediengewaltwirkungen<br />

gehören unter anderem die folgenden:<br />

• Imitations- bzw. soziales Lernen<br />

In der ursprünglichen Fassung dieses Ansatzes von Albert Bandura wurde davon<br />

ausgegangen, daß im Fernsehen gesehene aggressive Verhaltensweisen mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit direkt im Anschluß nach geahmt werden. Vor allem bei Kindern<br />

wurden entsprechende Handlungen beobachtet, und diese reine Imitation der Motorik<br />

aggressiven Verhaltens läßt sich bei Kleinkindern nach wie vor feststellen. Auf<br />

Erwachsene allerdings ist dieses Modell weniger gut anwendbar. Ein reines Reiz-<br />

Reaktions-Muster ohne Berücksichtigung von Bedürfnissen, Kontext und Bewertung ist<br />

- von vielleicht wenigen Ausnahmen abgesehen - im Alltag nicht wahrscheinlich.<br />

Allenfalls werden in Einzelfällen Habitus, gewaltsame Techniken oder Erscheinungsbild<br />

(„Rambo“) von Vorbildern übernommen und bis hin zu kriminellem Verhalten nachgeahmt.<br />

Bei Kleinkindern ist zudem Imitation auch von Fernsehfiguren als eine erste<br />

Übernahmereaktion spezifischer aggressiver Verhaltensweisen eine<br />

Sozialisationsmöglichkeit.<br />

Der Ansatz wurde bis in die neunziger Jahre hinein weiterentwickelt und ausdifferenziert<br />

und stellt in den aktuellen Fassungen ein besonders überzeugen<strong>des</strong> Erklärungsmodell<br />

für die Beziehung zwischen Mediengewalt und Zuschauerreaktionen dar: Danach bieten<br />

Medien (besonders in Bereichen, in denen eigene Erfahrungsmöglichkeiten weitgehend<br />

fehlen) Informationen über die Welt und Kategorien („Skripts“) an, die vom Zuschauer<br />

ins eigene Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Verhaltensrepertoire übernommen<br />

werden. Konkret: Wenn gehäuft aggressive Problemlösestrategien angeboten werden,<br />

nicht aggressive im Programm viel seltener vorkommen und gleichzeitig entsprechende<br />

Alltagserlebnisse fehlen, entwickeln besonders Vielseher ähnliche (aggressive)<br />

Wahrnehmungsmuster, die in entsprechenden Situationen auch in Verhalten umgesetzt<br />

werden können.<br />

• Frustration-Aggression-Ansatz<br />

Die Bedeutung der umgebenden Situation stellte Leonard Berkowitz heraus: Allein ein<br />

aggressives Programm reicht für aggressive Reaktionen noch nicht aus: Es wird erst<br />

dann als Verhaltenssignal wirksam, wenn der Zuschauer bereits durch frühere<br />

Frustration(en) Ärger empfindet, der dann durch das Fernsehen in aggressive Richtung<br />

kanalisiert wird.<br />

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• Erregungsübertragung<br />

Anders interpretiert Dolf Zillmann die gleiche Situationsabfolge: Der durch Frustration<br />

aufgebaute Ärger ist verbunden mit physiologischer Erregung, die normalerweise<br />

allmählich abgebaut würde. Aggressive Darstellungen haben in der Regel eine<br />

physiologisch erregende Dramaturgie, und so wird der durch Frustration aufgebaute<br />

Zustand weiter aufrechterhalten, die entsprechende Erregung dann als Aggression<br />

interpretiert und eventuell in konkretes Verhalten umgesetzt. Nach diesem Modell sind<br />

zwar aggressive Sendungen ein möglicher Faktor, aber auch andere, z.B. erotische und<br />

Werbeprogramme mit physiologischer Anregung können zu ähnlichen Konsequenzen<br />

führen.<br />

• Katharsis-Hypothese<br />

<strong>Eine</strong> entgegengesetzte Position zu den oben genannten ersten beiden nahm lange Zeit<br />

Seymour Feshbach ein. Frei nach der aristotelischen Katharsis-Idee ging er davon aus,<br />

daß Fernsehaggression stellvertretend eigene Aggressionen <strong>des</strong> Zuschauers ableite<br />

und letztendlich reduziere. Auch wenn allerdings diese These in der Öffentlichkeit<br />

immer noch als Beleg für die vermeintliche Widersprüchlichkeit der Wissenschaft herangezogen<br />

wird: Sie ist seit mehr als 20 Jahren kaum mehr empirisch belegt; und vor<br />

allem geht Feshbach selbst heute eher von einem aggressionssteigernden Effekt <strong>des</strong><br />

Fernsehens aus. Berichte, die immer noch mit Katharsis operieren, beziehen sich also<br />

auf einen Diskussionsstand von vor mehr als 20 Jahren, der heute überholt ist (siehe<br />

Feshbach in Groebel und Winterhoff-Spurk, 1989, und auch die deutsche Diskussion<br />

der Katharsis-These, u.a. bei Lukesch, 1989).<br />

• Inhibitionsthese<br />

<strong>Eine</strong> - plausiblere? - Interpretationsvariante für die mögliche Aggressionssenkung durch<br />

Gewaltdarstellungen bot ebenfalls Feshbach an: Danach wird zunächst durch<br />

aggressive Szenen tatsächlich ein aggressiver Impuls ausgelöst, der dann allerdings<br />

durch in der Erziehung gelernte Angst vor Bestrafung unterdrückt wird. Geringere<br />

Gewaltbereitschaft ist dann eher eine Folge von (vorübergehender?) Angst vor der<br />

eigenen Aggression als echter Abbau.<br />

• Habitualisierung und Desensibilisierung<br />

Während die bislang genannten Modelle sich besonders auf kurzfristige Effekte<br />

bezogen, wird heute die eigentlich problematische Konsequenz von Mediengewalt in<br />

langfristigen Wahrnehmungs-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen gesehen. So<br />

fanden Forscher wie Leonard Eron und Rowell Huesmann über 20 Jahre hinweg einen<br />

zwar nicht starken, aber stetigen Zusammenhang zwischen aggressivem<br />

Fernsehkonsum und tendenzieller Gewaltbereitschaft bei den gleichen Personen.<br />

Fernsehen hatte z.T. schon bestehende Einstellungen zumin<strong>des</strong>t verstärkt. In mehrwöchigen<br />

Experimenten von Linz mit erwachsenen Männern und Frauen, die jeweils<br />

extreme Gewaltvideos gehäuft sahen, stellten sich zumin<strong>des</strong>t bei den Männern<br />

signifikante Gewöhnungen und „Abstumpfungen“ gegenüber Gewalt mit Frauen als<br />

Opfern ein. So wie heute argumentiert wird, daß immer extremere Bilder (auch in<br />

Nachrichten) notwendig sind, um überhaupt noch Aufmerksamkeit zu erzielen.<br />

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Gerade für diesen Aspekt der Häufung von Gewaltbildern sind grundlegende<br />

Informationen über Qualität und Quantität der entsprechenden Programmstrukturen<br />

notwendig, wie sie in diesem Bericht vorgestellt werden.<br />

<strong>Eine</strong> Variante längsschnittlicher <strong>Analyse</strong> stellt unsere eigene Nachfolgestudie (1993) dar,<br />

bei der ähnliche Altersgruppen von Jugendlichen im Generationsvergleich mit 17-<br />

Jahresabstand (1975 und 1992) auf Mediengewalt-Wirkungen hin untersucht werden.<br />

Auch die folgenden drei Bereiche können mittlerweile schon als „Klassiker“ der<br />

Wirkungsdebatte bezeichnet werden:<br />

• Ängstliche Weltbilder<br />

Während oben die Abstumpfung, gar das Zulassen oder das Propagieren aggressiven<br />

Problemlösens angesprochen wurde, kann eine weitere Folge kumulierter<br />

Mediengewalt die Verstärkung oder Entwicklung ängstlicher Weltbilder sein. Wenn die<br />

Welt jenseits <strong>des</strong> eigenen Erfahrungsbereichs ständig als bedrohlich dargestellt wird,<br />

verwundert es nicht, daß langfristig auch die Gefahr für das eigene Leben vom<br />

Zuschauer deutlich überschätzt wird. Forscher wie George Gerbner haben, methodisch<br />

nicht immer unumstritten, entsprechende Bezüge festgestellt. Angst, so eigene<br />

<strong>Analyse</strong>n von Jo Groebel, wird langfristig zumin<strong>des</strong>t bei Vielsehern verstärkt -<br />

besonders bei Kindern, die keine alternativen, positiven Erfahrungen machen (s.u.).<br />

• Verarbeitung mit Hilfe von Fernsehdarstellungen<br />

Besonders neuere qualitative Ansätze zeigen, daß Kinder und Jugendliche Fernsehen<br />

auch zur Verarbeitung eigener Erlebniswelten benutzen. Dies ist eine wichtige Funktion<br />

der Medien, widerspricht aber nicht der Annahme, daß dabei auch aggressive<br />

Weltbilder verstärkt werden können.<br />

• Gesellschaftliche Strukturen, kollektive Gewalt und Medien<br />

Viele Makroansätze beschreiben die Rolle der Medien als Widerspiegel (latent)<br />

gewaltsamer Strukturen der Gesellschaft. Sicher ist es plausibel, die<br />

Rahmenbedingungen für konkrete aggressive Verhaltensweisen einzelner zu<br />

analysieren. Dies ist jedoch nicht eine Entweder-Oder-Frage - beide Ansätze können<br />

parallel entwickelt werden.<br />

Resümee zu den „klassischen" Ansätzen<br />

<strong>Eine</strong> zwangsläufige Wirkung aggressiver Darstellungen in eine einzige feststehende<br />

Richtung nach einem Erklärungsmodell gibt es nicht: Je nach Zuschauermerkmalen und<br />

-kontext sind entweder geringe oder auch stärkere (mit je unterschiedlichen Richtungen)<br />

Zusammenhänge zwischen Programmangebot und Einstellungen und Verhalten zu<br />

vermuten, ein Abbau von Gewalt ist dabei nicht wahrscheinlich. Feststeht zudem, daß<br />

Kinder im Zweifel eher offen sind für Wirkungen als Erwachsene.<br />

16


Weitgehende Übereinstimmung besteht in der Forschung also darüber, daß<br />

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Gewaltdarstellungen mit einem Wirkungsrisiko verbunden sind. Zwar gibt es die<br />

konsequenzlose Entspannungsfunktion von Krimis oder eine noch stärkere Ablehnung<br />

von Gewalt durch Empathie mit den (gezeigten) Opfern, als pauschales Therapeutikum<br />

gegen aggressives Verhalten aber sind vor allem fiktive Gewaltfilme wohl nicht geeignet.<br />

Kein „Aggressionstrieb“ wird durch gewaltsame Szenen abgebaut. Nahezu alle Forscher<br />

gehen von einem Risiko nicht-erwünschter Konsequenzen von Mediengewalt aus<br />

(amerikanische Umfrage unter rund 500 Experten von Bybee, 1982 in Comstock, 1991;<br />

Zusammenfassung bei Signorielli & Gerbner, 1988; in Deutschland u.a. als quantitativ<br />

orientierte Forscher: Kunczik; Lukesch; als qualitativ orientierte: Schorb & Theunert;<br />

Kübler).<br />

Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Intensität dieser<br />

Konsequenzen. Das Spektrum reicht von einer Bestätigung vorhandener Aggressionen<br />

bis zur Erzeugung von kriminellen Aktivitäten (Glogauer).<br />

Immer noch die eine „Beweis“-Studie zu fordern, geht dabei an der wissenschaftlichen<br />

Realität vorbei: Die Belege für die Richtung <strong>des</strong> Wirkungspotentials von<br />

Gewaltdarstellungen sind so zahlreich, daß von Wissenschaftskonsens gesprochen<br />

werden kann. Unter welchen Bedingungen und wie intensiv Wirkungen auftreten, ist die<br />

Frage, die in Teilen noch weiter zu erforschen ist.<br />

2.4.2 Kurz- und langfristige Prozesse<br />

Welche zeitlichen Prozesse laufen ab? In der schon erwähnten Theorie <strong>des</strong> „sozialen<br />

Lernens“ von Albert Bandura (siehe dazu auch seinen Beitrag in Groebel und Winterhoff-<br />

Spurk, 1989) beschreibt der Autor die Wirkung von Gewaltdarstellungen als Prozeß<br />

sozialen Lernens durch Beobachtung. Dabei gibt es sowohl die kurzfristige Wirkung im<br />

Sinne einer direkten Verhaltensimitation als auch die längerfristige Übernahme<br />

„aggressiver Kategorien“ ins eigene Wahrnehmungsrepertoire. Je nach den äußeren<br />

Umständen (Ähnlichkeit zwischen Medien- und realer Situation; Fehlen von<br />

Verhaltensalternativen) können in diesem letztgenannten Fall auch sehr viel später noch<br />

Verhaltensmuster ausgelöst werden, deren Ursprung im Medienvorbild liegt. Dabei ist die<br />

Wirkungswahrscheinlichkeit der Medien umso größer, je weniger eigene konkrete<br />

Erfahrungen mit entsprechenden Alltagssituationen vorliegen. Bei jüngeren Kindern sind<br />

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dann eher Medieneinflüsse zu erwarten als bei Erwachsenen mit einer schon weitgehend<br />

abgeschlossenen Sozialisation.<br />

Allerdings wird mit zunehmendem zeitlichem Verlauf die Situation komplexer, wird man<br />

immer weniger von eindeutigen Wirkungen sprechen können. Mehr Einflüsse kommen ins<br />

Spiel, eigene Erfahrungen, das soziale Milieu, die Familie. Angemessener ist dann der<br />

Begriff „Wechselbeziehung“ oder „Interaktion“ innerhalb <strong>des</strong> Systems aus persönlichen,<br />

sozialen, medialen und gesellschaftlichen Komponenten. Dennoch, ohne damit<br />

monokausale Zusammenhänge zu unterstellen, jede einzelne Komponente und eben<br />

auch die Medien sind an dem Gesamtsystem und seiner Entwicklung beteiligt. Konkret:<br />

Gewaltdarstellungen führen nicht automatisch zu kriminellen Handlungen (von Einzelfällen<br />

einmal abgesehen), sie tragen aber zur Propagierung von Gewalt mit bei, stellen sie als<br />

selbstverständlich dar und verstärken im Kanon mit anderen Faktoren ein gegenüber<br />

Gewalt offeneres/toleranteres gesellschaftliches Klima.<br />

Diese Sichtweise wird bestätigt durch die seit langem überfällige Metaanalyse eines<br />

großen Teils der mehreren tausend Studien zum Thema Fernsehgewalt. Comstock (1991)<br />

stellt in der Aktualisierung einer <strong>Analyse</strong> von Hearold (1986: „A synthesis of 1043 effects<br />

of television an behavior“) fest, daß das Wirkungsbild sehr viel eindeutiger ist als in der<br />

Öffentlichkeit und auch in manchen Lehrbüchern häufig dargestellt. Fast alle bislang<br />

wissenschaftlich sauber durchgeführten (d.h. empirisch kontrollierten) Untersuchungen<br />

demonstrieren einen kurzfristig eindeutigen Verhaltenseffekt von Fernsehgewalt und eine<br />

längerfristig zumin<strong>des</strong>t noch überzufällige Korrelation zwischen der Menge der<br />

Fernsehgewalt und aggressiven Tendenzen.<br />

Zwei Ergebnisse sind dabei besonders bemerkenswert:<br />

– Imitation von (antisozialen) Fernsehvorbildern findet bereits bei 14 Monate alten Kindern<br />

statt und zeigt sich auch noch in einer entsprechenden Situation 24 Stunden nach<br />

Zeigen <strong>des</strong> Modells. Beleg also für die Übernahme von Fernsehverhaltensweisen ins<br />

eigene Repertoire schon (oder gerade) bei sehr jungen Kindern.<br />

– Trickfilme haben bei ebenfalls jungen Kindern (zwischen 2 und 5 Jahre alt) sogar<br />

besonders hohe Verhaltenseffekte. Sie nehmen nämlich entwicklungspsychologisch<br />

bedingt noch gar nicht die vielbeschworene erwachsenen-ähnliche Trennung zwischen<br />

Realität und Fiktion vor, auch wenn sie die visuellen Unterschiede benennen können.<br />

Zugleich werden sie durch die Cartoon-spezifische Machart besonders stark<br />

angesprochen. Immerhin belegen laut Metaanalyse die Studien mit insgesamt 51 ver-<br />

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schiedenen Trickfilmangeboten den im Vergleich besonders hohen Einfluß auf<br />

aggressive Imitation (durchschnittliche statistische Effektgröße .41).<br />

Auch für die längerfristige Übernahme aggressiver Wahrnehmungen können Trickfilme<br />

nicht von vornherein als von den anderen Genres völlig unabhängiges Angebot<br />

angesehen werden. Zum einen zeichnen sich viele (z.B. japanische Action-)Cartoons<br />

durch eine sehr naturalistische Darstellung der Personen aus, zum anderen bleibt auf der<br />

allgemeinsten Generalisierungsebene auch der Trickfilm-Angriff eine Aggression und wird<br />

in das Gesamtrepertoire gewaltbezogener Wahrnehmungen mitaufgenommen (siehe<br />

Ergebnisse der kognitiven Psychologie zu „Basiskategorien“ und zum automatischen<br />

Verarbeiten sowie zur Prägung aggressiver TV-Wahrnehmung, Langley, 1992).<br />

Dieser Befund weist also ebenfalls in die Richtung, daß neben der <strong>Analyse</strong> der Effekte<br />

einzelner Angebote auf einzelne Verhaltensweisen auch die Gesamtheit/die Häufung <strong>des</strong><br />

aggressiven Programms einen wichtigen Stellenwert hat.<br />

2.4.3 Die Wirkungsmodi<br />

Auf welchen psychologischen Ebenen wirkt nun Mediengewalt überhaupt? Während die<br />

klassischen Studien vor allem konkretes antisoziales Verhalten (meist von Kindern) als<br />

Folge aggressiver Darstellungen analysieren, stehen heute negative Einstellungen,<br />

negative Bewertungen jeweils anderer Gruppen (z.B. von Frauen durch Männer),<br />

Desensibilisierung und Permissivität gegenüber Gewalt im Vordergrund. Hinzugekommen<br />

ist als ebenfalls wahrscheinliche Konsequenz von gezeigter Gewalt, die eben auch<br />

Bedrohung sein kann, das Entstehen von negativ geprägten Weltbildern (siehe oben und<br />

den nächsten Abschnitt). Genau wie bei der Motivation sind hier die psychologischen<br />

Modi der Wirkungsprozesse zu unterscheiden: physiologisch, emotional, kognitiv, sozial.<br />

Physiologisch wirkt neben dem Inhalt von Medienaggression besonders deren spezifische<br />

formale Aufbereitung. Die Dramaturgie der Action-Szenen, deren Aufbereitung durch<br />

Schnitt, Kameraführung, Musik-/Geräuschkulisse ist dazu angetan, beim Zuschauer einen<br />

sofortigen Anstieg <strong>des</strong> Erregungslevels auszulösen. Zwar ist diese Erregung noch nicht<br />

identisch mit einer aggressiven Reaktion, doch reicht danach ein vergleichsweise gering-<br />

fügiger Anlaß, wie zahlreiche Experimente gezeigt haben, um genau diese Erregung als<br />

Ärger in eine negative Richtung zu lenken. Ein falsches Wort <strong>des</strong> Partners kann nach dem<br />

Krimi eine „deutlichere“ Reaktion auslösen als es in einer physiologisch weniger<br />

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stimulierenden Situation der Fall wäre. Zugleich wird bei einer nicht zu extremen Erregung<br />

die Aufmerksamkeit gegenüber dem Inhalt erhöht, also die mit Action verpackte Botschaft<br />

besser behalten als eine harmloser daherkommende. Auf den längerfristig<br />

wahrscheinlichen Wechselprozeß zwischen Anregungsbedürfnis und Gewöhnung auf<br />

höherer Erregungsebene ist bereits hingewiesen worden. Bleibt zu erwähnen, daß hier<br />

vielleicht auch die Kompensation <strong>des</strong> Mangels an Erlebnismöglichkeiten in der konkreten<br />

Umwelt von Kindern und Jugendlichen eine Rolle spielen kann.<br />

Mit der physiologischen Seite verknüpft sind die emotionalen Wirkungen von<br />

Mediengewalt. Offensichtlich sind bei jüngeren Kindern und besonders bei Mädchen<br />

Schock- und Angstreaktionen. Hier scheint es schon fast naiv, wenn Erfahrungen mit<br />

Märchen ungeprüft auf extreme Horrorvideos übertragen werden. Die assoziierten Bilder<br />

gelesener oder erzählter Märchen kann ein Kind selbst steuern, kann sie nach eigener<br />

Kapazität verarbeiten. Anders die detailgenauen Darstellungen extremer Quälereien, die -<br />

übereinstimmend nach allen Untersuchungen - zum Teil noch Wochen später bei den<br />

Kindern präsent sind. Zudem werden Fernsehprogramme - anders als Märchen -<br />

wesentlich intensiver genutzt. Recht gut empirisch belegt ist auch, daß die gefühlsmäßige<br />

Ausstattung der Kinder durch Eltern und Familie ein entscheidender Einflußfaktor ist.<br />

Jungen und Mädchen, die in einem emotional eher ablehnenden Klima aufgewachsen<br />

sind, scheinen empfänglicher für die aggressiven Botschaften vieler Programme zu sein<br />

und werden so in ihren Grundgefühlen - Aggression oder Angst - verstärkt.<br />

Ähnlich eingebettet in den familiären und vor allem auch kulturellen Kontext sind die<br />

kognitiven Wirkungen auf Denkstrukturen, Weltbilder (siehe dazu u.a. Winterhoff-Spurk,<br />

1989) und Umweltwahrnehmungen. Ist die konkrete Umgebung schon vergleichsweise<br />

gefährlich - so zeigen unsere eigenen kulturvergleichenden Studien u.a. in Deutschland,<br />

USA, Israel, Polen und Australien - dann verstärken die Medienberichte die Einschätzung,<br />

daß Gewaltanwendung nötig ist, um in der Welt erfolgreich bestehen zu können. Die<br />

dramaturgische Verdichtung der Ereignisse spielt dabei für die Wirkung eine<br />

entscheidende Rolle. Umgekehrt erzeugt aber in Ländern mit einer vergleichsweise<br />

geringen Gewaltrate in der direkten Umwelt die Häufung aggressiver Darstellungen eine<br />

Überschätzung der Bedrohung durch Kriminalität und politische Gewalt. Bereits ängstlich<br />

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dispositionierte Personen werden in der fatalistischen Einschätzung ihrer Umwelt noch<br />

bestärkt.<br />

<strong>Eine</strong> Hypothese sei hier gewagt: Langfristige Wirkungen der Medien bestehen auch darin,<br />

daß in den emotionalen und kognitiven Reaktionen Unterhaltung und Information<br />

zusammenlaufen. Was z.B. in aggressiven Unterhaltungsserien vom aufgeklärten<br />

Zuschauer (sicher jedoch nicht vom Vorschulkind) richtig als fiktiv identifiziert wird, kann<br />

später durch Kumulation als latente Wirkung zu einer Einschätzung einer Situation als<br />

gefährlich beitragen. Die einzelnen Quellen dieser Einschätzung sind nach einiger Zeit<br />

nicht mehr identifizierbar, so wie auch ein hoher Anteil an unseren Handlungen<br />

automatisch mitgesteuert wird. D.h., wir verhalten uns zwar umweltangepaßt, kontrollieren<br />

aber dennoch nicht jederzeit je<strong>des</strong> Handlungsmotiv und je<strong>des</strong> einzelne Handlungsdetail.<br />

Für diesen Automatismen steuernden Erfahrungshintergrund müßte die Rolle der Medien<br />

noch näher analysiert werden. <strong>Eine</strong> erste Untersuchung dazu beschreibt der folgende<br />

Abschnitt.<br />

2.4.4 Vermischung von Fiktion und Realität<br />

Schon Mitte der 70iger Jahre hatten wir in einer Längsschnittstudie über drei Jahre<br />

herausgefunden, daß Fernsehgewalt bestehende aggressive und ängstliche Tendenzen<br />

min<strong>des</strong>tens verstärkt (Untersuchung von Groebel und Krebs). Besonders interessant in<br />

diesem Zusammenhang: Über den Mehrjahreszeitraum vermischten sich eigene und<br />

fiktive (TV) Erfahrungen (bei hoher persönlicher Relevanz <strong>des</strong> Themas Gewalt und<br />

Bedrohung) und trugen gemeinsam zu ängstlichen Umwelterwartungen bei (Groebel,<br />

1982). Unsere Interpretation: Die Gesamtheit aller Fernseheindrücke wird also of-<br />

fensichtlich auch weiterverarbeitet und führt zu „diffusen“ Weltbildern. Gibt es einen hohen<br />

Bedrohungsanteil im Programm, dann ist dies zumin<strong>des</strong>t Eingangsvoraussetzung für die<br />

Entwicklung bedrohlicher Weltbilder oder auch - ebenfalls empirisch belegt - der<br />

Annahme, Aggression sei ein angemessenes Problemlösungsmittel. Immer allerdings in<br />

Interaktion mit anderen Informationsquellen und Erfahrungen, wobei der Grad <strong>des</strong> Einflus-<br />

ses von der Dominanz (Menge und Intensität) gegenüber den jeweils anderen Quellen<br />

abhängt.<br />

21


2.4.5 Internationaler Wirkungsvergleich<br />

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Der Umbruch in Ost- und Westdeutschland mit den 1992 vielberichteten Gewaltakten u.a.<br />

gegen Ausländer: Ein Zusammenhang mit Mediengewalt? <strong>Eine</strong> vorsichtige Antwort<br />

erlaubt möglicherweise die international vergleichende Studie, zu der auch unsere<br />

<strong>deutschen</strong> Ergebnisse in Beziehung gesetzt werden konnten (Groebel, 1988). Bei dem<br />

Sieben-Länder-Vergleich (Australien, Finnland, Israel, Niederlande, Polen, USA,<br />

Deutschland) über drei Jahre zeigte sich, daß in keinem Land die Aggression von Kindern<br />

durch Mediengewalt abnahm. Allerdings mußte auch eine pauschale Wirkungsannahme<br />

ohne Berücksichtigung <strong>des</strong> kulturellen Kontexts widerlegt werden. Die Zusammenhänge<br />

und Einflüsse zwischen Gewaltdarstellungen und antisozialem Verhalten fielen sehr<br />

unterschiedlich aus. Und dennoch: Zwei Faktoren ließen die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Medienwirkung ansteigen: Menge <strong>des</strong> Fernsehangebots mit einem hohen Anteil an<br />

Gewaltdarstellungen (vor allem USA) und kulturelle Heterogenität. Konsequenz vor allem<br />

auch für die Situation in Ost- und Westdeutschland: In dem Maße, in dem bestehende<br />

normative Rahmenbedingungen in Frage stehen und Werteunsicherheit herrscht, sowie<br />

„positive“ Modelle für soziales Zusammenleben in der konkreten Umwelt fehlen, nimmt die<br />

Orientierungsfunktion <strong>des</strong> Fernsehens zu. Wenn dann einfache und durch die<br />

Dramaturgie besonders auffällige Konfliktlösungs-Modelle angeboten werden, kann<br />

zumin<strong>des</strong>t eine Verstärkung und Kanalisierung schon vorhandener Aggressions- (oder<br />

Angst-)Tendenzen die Folge sein. Monokausalität ist dann zwar immer noch nicht<br />

gegeben, aber die Medien sind am Gesamtprozess zentral beteiligt. Auch weil mit der<br />

Selbstverständlichkeit von Gewalt im Programm gerade nicht mehr das Abschreckende<br />

und das Leiden im Vordergrund stehen, sondern sie als zunehmend normal angesehen<br />

wird und man sich daran gewöhnt. Die Masse „neutralisiert“ dann die wichtige<br />

Einzelinformation.<br />

Gewaltdarstellungen sind sicher nicht ursächlich schuld an Jugendgewalt und Kriminalität.<br />

Immerhin mag min<strong>des</strong>tens für öffentlich diskutierte Gewalt, z.B. derzeit gegen Ausländer,<br />

aber auch das zutreffen, was einmal der britische Publizist und Politiker Cruise O'Brian<br />

über Angehörige der IRA eher rhetorisch gefragt hat: Vor die Wahl gestellt, ein Leben als<br />

„armes Würstchen“ ohne Job und ohne jede Anerkennung zu führen, oder durch<br />

Gewalttaten öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und „wichtig“ zu sein, wie würden Sie<br />

sich entscheiden? Medien bieten eben „politischen“ Akteuren die Möglichkeit, durch<br />

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Gewaltakte ein großes Publikum zu erreichen; Terrorismus und Krawalle sind, so das<br />

Resümee einer gemeinsamen Studie mit der Harvard Law School, erfolgversprechende<br />

Gewalt-PR-Maßnahmen.<br />

2.4.6 Aggression oder Angst als Medienkonsequenz<br />

Wann führt nun dasselbe Medienangebot („aggressiv“ ist ja für viele Zuschauer auch<br />

„bedrohlich“) einmal zu aggressiven und einmal zu ängstlichen Zuschauerreaktionen und<br />

in welcher Beziehung stehen die so erzeugten/verstärkten beiden Verhaltenstendenzen<br />

zueinander? Es ist auch dafür naheliegend, die personalen und situativen Merkmale vor,<br />

während und nach dem Medienkonsum als steuernd anzusehen. Das Geschlecht ist von<br />

vornherein ein wichtiger Moderator: Männer haben durchweg die höheren Aggressions-,<br />

Frauen die höheren Angstwerte. Weitere Faktoren sind hier relativ feststehende<br />

psychologische Merkmale der Person, zum Beispiel hohe Aggressivität, hohe<br />

Neurotizismuswerte und geringes Selbstwertgefühl. Für diese letzte Variable zeigten<br />

Ergebnisse von Groebel, daß sie wiederum mit den Geschlechtsrollenvariablen<br />

interagiert: Jungen mit höherer Angst hatten gleichzeitig eine niedrigere positive<br />

Selbsteinschätzung, und beide Faktoren zusammen führten zu einem höheren<br />

Fernsehkonsum. Vitouch fand, daß angstneurotische Rezipienten mit hoher Angstabwehr<br />

gleichzeitig besonders stark angsterregende Fernsehinhalte aufsuchten. Beide<br />

Ergebnisse können wie auch weitere Befunde amerikanischer und deutscher Studien im<br />

Sinne der Eskapismusthese (Problemflucht) interpretiert werden.<br />

Schließlich spielt die Wahrnehmungs- (Ausgangs-)Struktur eine Rolle: Die jeweils eigenen<br />

in der konkreten Umwelt gemachten, aber auch die bei Verhaltensmodellen beobachteten<br />

Erfahrungen bestimmen mit, mit welchen Erwartungen der Zuschauer an den<br />

Medieninhalt herangeht. Im Zweifel ist er von vornherein so gepolt, daß er selektiv die<br />

Elemente wahrnimmt, die die vorhandenen Wahrnehmungen bestätigen. Der ängstlich<br />

disponierte Zuschauer nimmt im brutalen Film primär die bedrohlichen Elemente war, der<br />

aggressiv gestimmte in erster Linie die aggressiven; bzw. beide interpretieren jeweils die<br />

gleichen Elemente entsprechend spezifisch und finden so ihre Ausgangsbewertung<br />

bestätigt. Ein karikieren<strong>des</strong> Bild dafür ist das Ehepaar, das gemeinsam vor dem<br />

Bildschirm sitzt; er empfindet offensichtlich mit Genuß gestisch und mimisch die<br />

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dargestellte Schlägerei nach, sie schaut entsetzt weg, muß aber ab und zu doch noch<br />

einmal hingucken (die Rollen mögen häufig auch umgekehrt verteilt sein).<br />

2.5 Übersicht über die Wirkungsebenen<br />

Insgesamt lassen sich nun die in diesem Kapitel beschriebenen Prinzipien sowie die<br />

Ergebnisse der <strong>deutschen</strong> und internationalen Studien in eine Taxonomie der Motivation<br />

und Wirkung auf Aggression und Angst im Zusammenhang mit Gewaltdarstellungen<br />

integrieren (siehe auch den vorhergehenden Abschnitt).<br />

Diese Taxonomie (siehe Abbildung 1) unterscheidet vertikal die Ebenen:<br />

Personenbezogene Dispositionen; Motivation; moderierende Faktoren (jeweils<br />

Eigenschaften <strong>des</strong> Medienangebots und <strong>des</strong> situativen und kulturellen Kontexts);<br />

Wirkungen (jeweils kurzfristig und langfristig) und horizontal die Ebenen: psychologisch;<br />

emotional; kognitiv. Zwar können die verschiedenen Ebenen in Interaktion miteinander<br />

stehen, jede weist aber Besonderheiten auf, die nicht zuletzt in empirischen <strong>Analyse</strong>n zu<br />

berücksichtigen sind. Konkreter: Viele dieser Ebenen wurden bereits empirisch analysiert;<br />

angebliche Widersprüche in den Ergebnissen waren dabei häufig auf eine Vermischung<br />

der Ebenen in der Interpretation zurückzuführen.<br />

24


2.6 Resümee: Wissenschaftskonsens in der Wirkungsfrage<br />

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Insgesamt sind also Wirkungen und Wechselbeziehungen nicht eindimensional. Es<br />

kommt darauf an, was gezeigt wird, wie es gezeigt wird, wieviel gezeigt wird; wer warum<br />

wie lange in welcher Situation sieht. Scheinbar also eine viel zu komplizierte Situation, um<br />

irgendwelche Konsequenzen daraus abzuleiten. Und dennoch: Gerade durch diese<br />

Differenzierung sind die Risikobereiche auf der Grundlage der Forschung heute viel<br />

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besser einzugrenzen: Kein Zweifel besteht nach der internationalen Forschungslage mehr<br />

daran, daß besonders jüngere Kinder trotz <strong>des</strong> zum Teil spielerischen Umgangs mit<br />

einzelnen aggressiven Programmen durch Häufung und Intensitat von Mediengewalt in<br />

ihrer Wahrnehmung, ihren Einstellungen und ihrem Verhalten beeinflußt werden. Und<br />

zwar physiologisch, emotional, kognitiv und sozial: Gewöhnung an extremere Reize,<br />

Angst, Weltbild, Aggression. Dies gilt nicht für je<strong>des</strong> Kind unter allen Umständen; aber das<br />

Risiko solcher Konsequenzen ist sehr groß und umso größer, je weniger alternative<br />

Erfahrungen gemacht werden und je mehr Gewalt angeboten und konsumiert wird.<br />

Zusammengefaßt lassen sich nun die folgenden Aussagen über die „Wirkungen“ von<br />

Mediengewalt machen:<br />

a)Nahezu keine neuere Studie belegt den Abbau von Aggressionen durch Mediengewalt.<br />

b)Kaum ein Medienangebot allein führt zwangsläufig zu aggressiven oder gar kriminellen<br />

Verhaltensweisen.<br />

c)Verstärkung von Dispositionen ist häufig wahrscheinlicher als eine ursächliche Wirkung.<br />

d)Medien und ihre möglichen Wirkungen sind eingebettet in den jeweiligen sozialen und<br />

gesellschaftlichen Kontext.<br />

e)Kurz- und langfristige Wirkungen können sehr unterschiedlich sein, Aggression aber<br />

auch Angst können min<strong>des</strong>tens verstärkt werden.<br />

f) Ob und welche Zusammenhänge zwischen Gewaltdarstellungen einerseits und<br />

Einstellung und Verhalten andererseits bestehen, wird stark mitbeeinflußt durch<br />

Personenmerkmale und die persönliche Erlebniswelt <strong>des</strong> Zuschauers.<br />

g)Je weniger alternative (nicht-mediale) Erfahrungen und Erlebnisse gemacht werden,<br />

z.B. bei extrem vielsehenden Kindern, <strong>des</strong>to größer ist die Wahrscheinlichkeit <strong>des</strong><br />

Medieneinflusses.<br />

h)Neben den Gewaltinhalten spielen auch die Darstellungsformen eine wichtige Rolle.<br />

i) Medienbezogene Bedürfnisse und Konsequenzen sind zu unterscheiden nach den<br />

Bereichen Kognition (Wahrnehmung und Denken), Emotion, Physiologie (körperliche<br />

Erregung) und soziales Verhalten.<br />

j) Auch wenn schädliche Wirkungen von Mediengewalt nicht pauschal beweisbar sind: Es<br />

gibt fast nur noch Indikatoren für ein Wirkungsrisiko. Generelle Harmlosigkeit oder gar<br />

Nützlichkeit der meisten („fiktiven“) aggressiven Darstellungen sind nicht<br />

wahrscheinlich.<br />

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3. Internationale Programmanalysen<br />

In den nächsten Abschnitten werden einige internationale Ergebnisse von<br />

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Programmanalysen vorgestellt. Sie zeigen zum einen den methodischen Zugriff, zum<br />

zweiten die Beziehung zwischen durch den Zuschauer subjektiv beurteilter Gewalt im<br />

Programm und „objektiv“ vorfindbaren Strukturen, ermöglichen zum dritten einen<br />

Vergleich der <strong>deutschen</strong> Ergebnisse, die im letzten Teil dargestellt werden, mit den<br />

Befunden aus anderen Ländern. Daß dabei amerikanische Ergebnisse besonders<br />

interessant sind, liegt nahe: amerikanische Produktionen sind im <strong>deutschen</strong><br />

Programmangebot besonders dominant, nicht zuletzt auch im Hinblick auf<br />

gewaltbezogene Serien. Außerdem ist traditionell ein Schwerpunkt der Gewalt-Forschung<br />

in den USA angesiedelt.<br />

3.1 Kategorien der subjektiven Gewaltwahrnehmung<br />

In jüngster Zeit haben sich etliche deutsche Forscher (unter anderem Theunert und<br />

Schorb, 1992) mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Mediengewalt bei Kindern<br />

befaßt. Sie zeigen, daß Kinder zwar Gewaltdarstellungen zum Teil in ihr Spiel integrieren<br />

und mit eigenen Alltagserfahrungen vergleichen, kommen aber auch zu dem Schluß, daß<br />

etliche Darstellungen angsterregend wirken bzw. für die kindlichen Zuschauer<br />

problematisch sind.<br />

<strong>Eine</strong> besonders lange Tradition der systematischen Erfassung von Gewaltwahrnehmung<br />

durch Zuschauer besteht in Großbritannien. Dort hat sich Gunter (1985) mit einer ganzen<br />

Reihe von Untersuchungen dazu beschäftigt. In zahlreichen Experimenten analysierte er,<br />

welche Kombinationen von Gewaltdarstellungen allgemein als besonders aggressiv<br />

angesehen werden, bei welchen der Zuschauer glaubt, daß sie für andere besonders<br />

drastisch sind, und schließlich, welche Kombinationen von Darstellungen einen selbst<br />

besonders verstören. Die von ihm gefundenen Dimensionen waren dabei unter anderem<br />

Fiktionalität gegenüber Realität, Rolle <strong>des</strong> Aggressors (z.B. Krimineller gegenüber<br />

Vertreter <strong>des</strong> Gesetzes), Geschlecht, Art der Gewalt, Schadensintensität, und<br />

physikalischer Kontext (z.B. drinnen, draußen, tags, nachts). Diese Dimensionen werden<br />

auch in unserer eigenen <strong>Analyse</strong> erfaßt. In der Gunter-<strong>Analyse</strong> zeigt sich aber bereits,<br />

was in der Zuschauerbewertung als besonders drastisch wahrgenommen wird:<br />

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Bei der allgemeinen Einschätzung der Schwere von Gewalt sind es die folgenden<br />

Faktoren:<br />

– Handlungskontext aufs eigene Land bezogen<br />

– Aggression wird von Vertreter <strong>des</strong> Gesetzes ausgeübt<br />

– Aggressor ist männlich<br />

– die Form der Aggression besteht aus Schießen oder Stechen - tödliche und schwere<br />

Verletzungen<br />

– Aggression findet im Innenraum statt.<br />

<strong>Eine</strong> ähnliche Konstellation ergibt sich auch bei der Einschätzung <strong>des</strong>sen, was auf andere<br />

Menschen verstörend wirkt.<br />

Etwas abweichend zeigt sich die Struktur der wahrgenommenen Gewalt, wenn es darum<br />

geht, was einen selbst besonders betrifft. Hier spielt die Rolle <strong>des</strong> Aggressors, also<br />

Vertreter <strong>des</strong> Gesetzes oder Krimineller, eine geringere Rolle. Allerdings sind es vor allem<br />

Männer, die als gewaltsam empfunden werden, und auch Schießen tritt bei der eigenen<br />

„Betroffenheit“ gegenüber einem Angriff mit Messern und Stichwaffen zurück.<br />

Insgesamt werden „realistische“ Formen, wie sie z.B. auch beim sogenannten „Reality-<br />

TV“ vorkommen, als besonders schwerwiegend eingeschätzt.<br />

Zugleich zeigt auch diese Studie wieder, daß besonders Vielseher intensiver von der<br />

Gewaltwahrnehmung im Programm betroffen sind.<br />

Bereits in einer früheren Untersuchung über die Zuschauerwahrnehmung der<br />

Fernsehgewalt hatte ein britisches Autorenteam zum Teil ähnliche Dimensionen wie<br />

Gunter gefunden (Howitt und Cumberbatch, 1974). Sie fanden als wichtige Faktoren der<br />

Zuschauerbeurteilung die folgenden:<br />

– Realismus der Darstellung<br />

– Gewaltintensität<br />

– sozialer Status der Akteure - Legitimation der Aggression<br />

– Ungewöhnlichkeit der Darstellung<br />

– Rolle der Frau<br />

– Identifikation mit den Darstellern<br />

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– emotiale Interaktion<br />

– Humor und Aktivität<br />

– Rolle gesetzlicher Institutionen.<br />

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Ein grundsätzliches Problem der Beurteilung und Wahrnehmung von aggressiven Filmen<br />

und Programm durch den Zuschauer ist die Einbettung in einen<br />

Gesamtbedeutungskontext. Hier sind unterschiedliche Verarbeitungsmechanismen<br />

angesprochen. Zum einen wurden in den meisten <strong>Analyse</strong>n aggressive Akte als<br />

individuelle Darstellungen gewertet, auch wenn es um die Interpretation der<br />

Gesamtsituation durch die Zuschauer ging, zum anderen wird aber häufig gefordert, daß<br />

sich der Gesamtkontext und die Gesamtbedeutung einer aggressiven Handlung erst in<br />

der Interpretation vieler, auch nicht-aggressiver Szenen erschließen würden. Dies ist<br />

sicher richtig, auf der anderen Seite muß man aber auch hier wieder unterscheiden<br />

zwischen der Aufnahme von einzelnen Fakten über die Welt und deren Interpretation, mit<br />

anderen Worten, zwischen „Einzeldaten" einerseits und prozeduralem Wissen und vor<br />

allem auch den emotionalen Eindrücken, die einzelne Bilder haben, andererseits. Die<br />

Bedeutung von Programmen und deren Interpretation sind nicht ausschließlich abhängig<br />

von einem gesamten Handlungsverlauf. Vielmehr konstituieren gerade intensive einzelne<br />

Bilder einen Zusammenhang „im Kopf <strong>des</strong> Zuschauers“. Dies gilt umsomehr, je mehr<br />

alternative Bedeutungsmuster fehlen, wie es besonders bei jüngeren Kindern der Fall ist.<br />

Entwicklungspsychologische Studien zeigen nämlich durchgehend, daß gerade die<br />

besonders aufmerksamkeitserregenden Szenen zur Interpretation einer Handlung und<br />

generalisiert der Welt hinzugezogen werden. Von daher scheint es nach wie vor<br />

gerechtfertigt, auch auf der Ebene der einzelnen aggressiven Szene und der einzelnen<br />

aggressiven Darstellung eine Interpretation der Bedeutung für den Zuschauer<br />

vorzunehmen. Dies gilt besonders, da offensichtlich das kontinuierliche Anschauen eines<br />

vollständigen Films seltener geworden ist, man vielleicht sogar beim Zuschauerverhalten<br />

von einer Verlagerung weg von der „Story“ hin zum „Einzelbild“ sprechen kann.<br />

Die Untersuchungen zur subjektiven Wahrnehmung von Mediengewalt bieten eine gute<br />

Möglichkeit der Kategorienbildung auch für eine „objektive“ <strong>Analyse</strong>. Einige der eben<br />

genannten Dimensionen u.a. von Gunter wurden auch in unserer eigenen Studie<br />

berücksichtigt. Zugleich wird deutlich, daß es doch eine größere Korrespondenz zwischen<br />

29


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„objektiven“ Inhaltsanalysen und den Untersuchungen der subjektiven Wahrnehmung gibt.<br />

Mord wird auch von den Zuschauern durchgängig als besonders intensive Aggression<br />

kodiert, hier zeigt sich sowenig Interpretationsspielraum, was denn Mord überhaupt sei,<br />

wie in den Inhaltsanalysen, bei denen die Zuschauerurteile nicht berücksichtigt wurden.<br />

Allgemeiner kann man davon ausgehen, daß es durchaus einen Konsens in der<br />

Wahrnehmung gibt: Alltags- und wissenschaftliche Kategorien weichen nicht voneinander<br />

ab.<br />

3.2 Inhaltsanalysen<br />

Zu den bekanntesten „objektiven“ Inhaltsanalysen von Gewaltdarstellungen gehören<br />

spätestens seit den frühen 70er Jahren die sogenannten „violence profiles“ von George<br />

Gerbner und seinen Kollegen, die inzwischen fast jährlich in den Vereinigten Staaten<br />

durchgeführt werden. Auch wenn die Kategorien von Gerbner und vor allem seine<br />

Schlußfolgerungen zum Teil lange Zeit umstritten waren, scheinen zumin<strong>des</strong>t die<br />

Aussagen über extremere physische Gewaltformen gerade auch durch den Vergleich mit<br />

anderen Studien inzwischen als relativ zuverlässig gelten zu können. Schwieriger sind<br />

Gerbners Wirkungsaussagen, da zum Teil seine Vergleiche von Inhaltsanalysedaten mit<br />

Ergebnissen aus Umfragen statistisch nicht optimal ausgewertet wurden. Dennoch läßt<br />

sich auch hier sagen, daß ein (wenn auch nicht zwangsläufig ursächlicher) Einfluß von<br />

Mediengewalt auf Angst auf der Basis seiner <strong>Analyse</strong>n zu belegen ist.<br />

Zu seinen Ergebnissen. Nicht eingegangen werden soll dabei auf die sogenannten<br />

Aggressions-Indizes. Gewichtungen unterschiedlicher Aggressionswerte haben immer<br />

das Problem der Art der statistischen Verknüpfung. An dieser Stelle sei vor allem<br />

berichtet, was Gerbner und andere Wissenschaftler in weiteren Ländern an<br />

Durchschnittszahlen von Gewalt im Programm fanden. Generell unterscheiden Gerbner<br />

und seine Mitarbeiter dabei zwischen der Hauptsendezeit und den Tagesprogrammen am<br />

Wochenende. Dies steht hauptsächlich im Zusammenhang mit den in den USA (und jetzt<br />

auch in Deutschland) üblichen Samstags- und Sonntagsmorgens-Cartoons, in denen<br />

Gewalt gehäuft vorkommt. Zwar handelt es sich dabei um Trickfilme mit vermeintlich<br />

geringerem Wirkungspotential, aber im vorhergehenden Kapitel hatten wir bereits gezeigt,<br />

daß gerade bei Vorschulkindern auch solche Trickfilmaggression Verhaltenseffekte haben<br />

kann.<br />

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In den 70er Jahren lagen die durchschnittlichen Ratings bei 5 physischen Gewaltakten<br />

pro Stunde <strong>des</strong> amerikanischen Prime-Time-Programms und bis zu 25 physischen<br />

Aggressionen pro Stunde bei den Wochenendprogrammen (Gerbner et al, 1980).<br />

Auch in anderen Staaten hatte man seit Beginn der 70iger Jahre ähnliche Aggressions-<br />

Ratings versucht. Dabei waren allerdings noch 1970 die Anteile von Gewaltfilmen in<br />

manchen Ländern so gering, daß es gar nicht mehr möglich war, Durchschnittszahlen pro<br />

Stunde festzulegen. Dies galt unter anderem für Schweden und Israel.<br />

Halloran und Croll (1972) fanden für Großbritannien in Spielfilmen und Serien einen<br />

Durchschnitt von rund 4 physischen Aggressionen pro Stunde. 1986 wurde von<br />

Cumberbatch und anderen (1987) eine weitere britische Studie durchgeführt, die für die<br />

Hauptsendezeit 2,5 Gewaltakte pro Stunde für den Bereich Fiktion feststellte. <strong>Eine</strong><br />

australische <strong>Analyse</strong> von 1987 ergab 7,4 stündliche Aggressionen in Spielfilmen und<br />

Serien und eine japanische Studie 7 solcher Akte (Iwao et al, 1981).<br />

In den meisten anderen Ländern wurden in den 80iger Jahren 5 bis 6 physische<br />

Gewaltszenen pro Stunde gezeigt. Dies gilt unter anderem für Neuseeland und die<br />

Niederlande. Kanada lag wieder näher bei den amerikanischen Werten mit<br />

durchschnittlich 7 Aggressionen pro Stunde. Spätestens in den 80iger Jahren waren also<br />

international Gewaltdarstellungen selbstverständlich geworden. Zwar gab es hier immer<br />

noch Schwankungen, aber stündlich konnte man zwischen 4 bis 8 Gewaltakte in fiktiven<br />

Programmen sehen.<br />

Ein weiterer <strong>Analyse</strong>zugriff ist die Frage, wieviel Prozent der Programme überhaupt<br />

Gewalt beinhalten. Mit anderen Worten: die Durchschnittswerte beziehen sich auf<br />

aggressive und nicht-aggressive Programme, sagen also noch nichts über das<br />

„Gewaltgenre“ aus. Aus den schon genannten Studien zeigte sich hier, daß die USA und<br />

Japan bei weitem führten mit jeweils fast 80% Anteil von Programmen mit Gewaltbezug<br />

am Gesamtangebot. Neuseeland und Australien lagen jeweils bei rund 65%,<br />

Großbritannien bei rund 55%.<br />

Aus der Vielzahl der internationalen inhaltsanalytischen Studien zur Mediengewalt seien<br />

schließlich einige aktuellere genannt. Dazu gehört eine Untersuchung von Mustonen und<br />

Pulkkinen (1992), die für Finnland einen vergleichsweise „moderaten“ Gewaltanteil von<br />

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durchschnittlich 3,5 Akten pro Stunde fanden. Mit einem spezifischen Aspekt der<br />

Gesamtdebatte befaßte sich eine deutsche Untersuchung von Ingrisch und Lukesch<br />

(1990), die einige Sendungen in Bezug auf prosoziale Verhaltensweisen analysierten. Sie<br />

zeigten, wie schon frühere Studien zur „Sesamstraße“, daß Fernsehprogramme auch ein<br />

prosoziales Potential besitzen, dabei allerdings die Komplexität von Hilfeverhalten nur<br />

schwierig darstellbar zu sein scheint.<br />

Den speziellen Aspekt der Nachrichtengewalt untersuchte unter anderem Johnson (1989).<br />

Er fand für das amerikanische Fernsehen, daß ungefähr die Hälfte aller Berichte mit<br />

Gewalt und Kriminalität zu tun hatten. Interessant eine zu diesem Zeitpunkt (1989) noch<br />

„Ostblock“-Studie über Gewalt in Fernsehnachrichten in Ungarn, der Tschechoslowakei<br />

und der Sowjetunion von Szegal: Das sowjetische Fernsehen zeigte demnach in rund<br />

20% aller Berichte gewaltbezogene Ereignisse, das ungarische in 25% und das tsche-<br />

chische Fernsehen in 35% aller Reports. Inwieweit nach den politischen Veränderungen<br />

(schon diese <strong>Analyse</strong> hatte im Klima der Umwälzungen stattgefunden) andere Zahlen<br />

erreicht werden und dies Indikatoren für eine liberalere Mediengestaltung ist, wurde<br />

bislang noch nicht analysiert.<br />

<strong>Eine</strong> Anmerkung sei allerdings in diesem Zusammenhang erlaubt: Wenn gesagt wird, daß<br />

gerade repressive Regimes ein weitgehend aggressionsfreies Programm hätten, so geht<br />

dies an der eigentlichen Wirkungsdebatte vorbei. Niemand behauptet, daß Fernsehgewalt<br />

politisch radikalere Regierungsformen zur Folge hätte. Jedoch ist auch der Umkehrschluß<br />

nicht möglich: hohe Fernsehgewalt gleich friedlichere Regierungsformen. Die Analy-<br />

seebene ist hier vielmehr die physische Gewalt <strong>des</strong> einzelnen. Strukturelle<br />

Korrespondenzen zwischen Mediengewalt und Gesellschaftsformen müssen sich über<br />

andere <strong>Analyse</strong>formen erschließen lassen.<br />

Abschließend die aktuellste amerikanische Studie zu <strong>Gewaltprofil</strong>en von Hickey. Dabei<br />

handelt es sich um eine <strong>Analyse</strong> vom April 1992, bei der 10 Sender mit ihrem Programm<br />

eines Tages (18 Stunden, von 6 Uhr morgens bis Mitternacht) untersucht wurden, unter<br />

anderem ABC, CBS, NBC, Fox und PBS. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine<br />

herausragenden tatsächlichen Gewaltereignisse für die Nachrichten und keine besonders<br />

spektakulär-aggressiven Filme, dennoch wurden an diesem einen Tag 1.846 aggressive<br />

Akte im Programm gezählt. Allein 175 Szenen, in denen Gewalt mit Tod endete. 389<br />

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Szenen zeigten schwere Angriffe, in 362 Szenen kamen Schießereien vor und 673<br />

Szenen zeigten Schlagen, Prügeln und starke Bedrohung. Der Autor fand zusätzlich, daß<br />

neuere Programmformen wie Musikvideos und vor allem sogenannte Reality-TV-Shows<br />

die Gewalt deutlich steigern. Schließlich trugen auch Trailer zu einer gegenüber früher<br />

nochmals deutlichen Zunahme der Fernsehgewalt bei. Über die 10 Sender verteilt wurden<br />

durchschnittlich 100 Gewaltszenen pro Stunde gefunden. Dies entspricht einem Anteil von<br />

10 Gewaltakten pro Sender pro Stunde. Ein Drittel davon entfiel allein auf<br />

lebensbedrohliche Angriffe, Trickfilme waren die gewalthaltigste Form mit allein 471<br />

Aggressionen. Auch hier sei nochmals darauf verwiesen, daß Trickfilme vor allem für 2-<br />

5jährige Kinder, die noch nicht die Realitäts-Fiktions-Unterscheidung vollständig beherr-<br />

schen, „problematisch“ sein können. Gegenüber den Daten aus den 70er und 80er Jahren<br />

ist also in den USA eine weitere Zunahme der Fernsehgewalt festzustellen, nochmals:<br />

nicht zuletzt durch neuere, noch extremer gemachte Programmformen.<br />

International liegen in Bezug auf Gewaltdarstellungen die USA und Japan an der Spitze,<br />

gefolgt von den westeuropäischen Staaten und Australien. Skandinavien und<br />

Großbritannien haben demgegenüber etwas geringere Werte aufzuweisen.<br />

4. Vorgehen bei der Erfassung der Gewalt<br />

4.1 Die Aggressions- und Gewaltdefinition<br />

Bevor man Aggression und Gewalt in irgendeiner Form erfassen will, muß erst einmal<br />

geklärt werden, was überhaupt darunter zu verstehen ist. Zwar gibt es ein<br />

Alltagsverständnis, das bei diesen Begriffen in der Regel von absichtlich schädigendem<br />

Verhalten zwischen Personen ausgeht, doch ist das Problem, ob damit alle Aspekte<br />

hinreichend beschrieben sind.<br />

In der Forschung gibt es ungefähr so viele Aggressionsdefinitionen wie Theorien oder<br />

empirische Ansätze dazu. Noch komplizierter wird es, wenn anders als bei konkretem<br />

menschlichem Verhalten nicht mehr nach Absichten gefragt werden kann, sondern diese<br />

nur mehr oder weniger plausibel unterstellt werden können wie bei der <strong>Analyse</strong> der<br />

Mediengewalt: Hier reduziert sich die Schlußfolgerung, eine Handlung sei aggressiv, auf<br />

die Beobachtung eines bestimmten motorischen Verhaltens und <strong>des</strong>sen sichtbare Folgen,<br />

z.B. Umfallen eines Opfers nach einem Schuß. Erschwert wird die Situation noch dadurch,<br />

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daß komplex aufgebaute Motivations- und Absichtsstrukturen über einen ganzen Film für<br />

viele Zuschauer - vielleicht die meisten - heute gar nicht mehr nachvollziehbar sind - sie<br />

„zappen“ sich durchs Programm, bekommen einzelne Szenen, nicht unbedingt aber noch<br />

den ganzen Argumentationsstrang mit. Es ist also interessant, siehe unsere folgenden<br />

<strong>Analyse</strong>n, welche Motive und Absichten in einer einzelnen Handlungssequenz<br />

identifizierbar sind. Kompliziert aufgebaute Filme mit diffiziler Montagetechnik und<br />

zahlreichen Vor- und Rückblenden, siehe z.B. Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“,<br />

erschließen sich auch in Bezug auf die Hintergründe der Gewalt überhaupt nur, wenn man<br />

ihnen von Anfang bis Ende konzentriert folgt. Die Mehrzahl der im <strong>deutschen</strong> Fernsehen<br />

gezeigten Gewaltdarstellungen dürfte allerdings einfacheren Strukturen folgen.<br />

Auf der Ebene individueller Aggression wird allgemein ein Verhalten dann als aggressiv<br />

bezeichnet wenn erkennbar eine Person oder eine Gruppe von Personen eine' andere<br />

Person oder Gruppe sowie Tiere und Sachen bewußt und mit Absicht schädigt oder bei<br />

einer Handlung eine solche Schädigung in Kauf nimmt (Groebel und Hinde, 1989).<br />

Schädigung muß dabei der Endzustand sein, eine medizinische Operation „schädigt“ zwar<br />

kurzfristig, zielt aber letztlich auf Heilung ab. Bei körperlicher Aggression sind Absicht und<br />

Schädigung (Verletzung) meist vergleichsweise einfach zu identifizieren. Schwieriger ist<br />

es bei verbaler und nonverbaler (Gesten, Mimik) Aggression, bei der die Schädigung<br />

meist eher psychologisch (Kränkung, Demütigung) ist, häufig später eintritt und stärker<br />

der Interpretation von Lautstärke, Wortwahl, Kontext, Mimik und Gestik beider („Opfer“<br />

und „Täter“) bedarf. In den <strong>Analyse</strong>n, s.u., wurde diese Kategorie nur bei unmittelbarer<br />

Eindeutigkeit und direkter Verbindung aus Angriff und Folgen eingesetzt, auch wenn die<br />

mittelbare subjektive Schädigung in der Sicht <strong>des</strong> „Opfers“ sogar größer sein mag.<br />

Besonders in Medienanalysen wurde bislang verbale/psychologische Aggression nur<br />

selten untersucht (vielleicht aufgrund der schwierigen Erfassung), dabei kann sie für die<br />

mögliche Erzeugung eines aggressiven psychologischen Klimas sehr wichtig sein.<br />

Gerade bei den Anfang der neunziger Jahre verbreiteteren „aggressiven“ oder<br />

konfrontierenden Talk-Shows wäre dies eine interessante Frage.<br />

Ein weiterer Begriff auf der individuellen Ebene ist Gewalt. Er wird synonym mit schwerer<br />

Aggression benutzt.<br />

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Die weiteren Differenzierungen <strong>des</strong> Aggressionsbegriffs sind auch dem Anhang<br />

(Kategoriensystem) zu entnehmen.<br />

<strong>Eine</strong>n Sonderfall stellt die sogenannte „strukturelle Gewalt“ dar, die als soziologischer<br />

Begriff gesellschaftliche Machtstrukturen, u.a. von Institutionen, als gewaltsam definiert.<br />

Sie ist kaum als einzelne Handlung innerhalb einer Szene zu identifizieren. Allenfalls ist<br />

ein Verhalten Teilsymptom (z.B. als Gewalt gegen Frauen) oder Konsequenz einer<br />

umfassenderen Struktur. Entsprechend wurde sie in den <strong>Analyse</strong>n über die Kombination<br />

aus mehreren Kriterien erfaßt, z.B. als systematische Verteilung bestimmter Täter-Opfer-<br />

Rollen (Beispiel Mann-Frau) zueinander.<br />

4.2 Aggressionsstruktur<br />

Grundlage für die in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen möglichen<br />

Wirkungen oder auch Wechselbeziehungen zwischen Fernsehen und Zuschauern sind<br />

zunächst die Inhalte und Formen <strong>des</strong> Programms. Dabei spielt auch innerhalb einer<br />

Sendung der Kontext eine wesentliche Rolle: Gewalt in einer Nachrichtensendung wird<br />

anders aufgenommen (und mag sogar die Ablehnung ihr gegenüber verstärken) als die<br />

Action in einer Serie, die vor allem auf schnelle Anregung („Kicks“) angelegt ist. Derzeit<br />

wird allerdings intensiv darüber debattiert, inwieweit sich die verschiedenen Mediengenres<br />

(„Infotainment“) und -formen einander angleichen. In jedem Fall weist Aggression sehr<br />

unterschiedliche Aspekte auf, kann nach verschiedenen Dimensionen strukturiert sein.<br />

Wiederum lag bereits durch eigene Vorarbeiten ein Strukturschema von Groebel (1986)<br />

zur Beschreibung der Bedrohungs- und Gewaltdimensionen vor, das eine Grundlage für<br />

die inhaltsanalytischen Kategorien darstellt. Die Abbildung 2 zeigt dieses Schema.<br />

Nicht jede Handlung ist auf allen Dimensionen zugleich zu beschreiben, bei einigen ist<br />

jedoch gerade auch das Fehlen in der Darstellung von zentraler Bedeutung. So wirkt eine<br />

kontextlose Gewalthandlung vermutlich anders als eine, die scheinbar gerechtfertigt<br />

eingesetzt wird. Wichtig bei allen <strong>Analyse</strong>n ist z.B. auch die Unterscheidung zwischen<br />

<strong>des</strong>truktiver und instrumenteller Aggression. Bei der <strong>des</strong>truktiven ist Aggression<br />

Selbstzweck, wird aus „Lust“ oder „Neugierde“ ausgeführt. Instrumentell heißt, daß sie als<br />

Mittel benutzt wird, z.B., um sich zu wehren (reaktiv) oder um ein weitergehen<strong>des</strong> Ziel zu<br />

erreichen. Die Frage ist, welche dieser motivationalen Konzepte im Fernsehen<br />

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vorkommen. Zeigt das Programm insgesamt Aggression eher als einfaches, immer<br />

ähnlich strukturiertes Phänomen oder in der Differenziertheit, wie sie das Schema<br />

beschreibt, und wie sie wohl auch in unterschiedlichen Situationen zu erwarten ist? Die<br />

einzelnen Kategorien werden im Methodenteil ausführlicher beschrieben.<br />

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5. Die Untersuchung<br />

Insgesamt gibt es bei der <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> Angebots von Mediengewalt mehrere<br />

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Zugriffsmöglichkeiten: Zunächst die genaue ganzheitliche Beschreibung einer einzelnen<br />

oder weniger einzelner Sendung(en), die dann mit ihrem Wirkungspotential zum<br />

Zuschauerverhalten in Bezug gesetzt wird/werden. Beispiel wäre hier der Verlauf eines<br />

Krimis mit Spannungshöhepunkten und langsameren Phasen und Aufmerksamkeit und<br />

Reaktion eines Zuschauers darauf. Für einen solchen Einzelfilm könnten dann formale<br />

und inhaltliche Stilmittel verglichen und ihre Verarbeitungspotentiale bestimmt werden;<br />

ebenso ist der Vergleich von Alltagsthemen eines Kin<strong>des</strong> mit Medienthemen möglich, wie<br />

es in der sogenannten „qualitativen“ Forschung geschieht. Sollten solche Einzelfälle<br />

begründet, exemplarisch und repräsentativ ausgewählt werden, sind sie ein wichtiges<br />

Element im Gefüge eines wissenschaftlichen Mehrebenenvorgehens. Nicht zu<br />

beantworten mit einer solchen Einzelfallanalyse ist die Frage nach der Struktur der<br />

insgesamt in allen Programmen vorkommenden unterschiedlichen Aggressionsformen<br />

und nach der Wahrscheinlichkeit, (z.B. beim „Zappen“) innerhalb einer bestimmten Zeit<br />

auf Gewalt zu treffen. Besonders im Zusammenhang mit der möglichen Schaffung von<br />

Weltbildern ist die Erfassung der Quantität und der Häufung von Aggression im Programm<br />

wichtig, z.B.: In welchen Programmgenres kommt welche Gewaltform wie oft vor? Gibt es<br />

zu bestimmten Tageszeiten einen Aggressionsanstieg?<br />

Letztlich sind beide <strong>Analyse</strong>n <strong>des</strong> Angebots, ganzheitliche und repräsentative<br />

(quantitative), notwendig, um ein vollständiges Bild der Angebotsstruktur zu erhalten.<br />

Mittlerweile gibt es auch Mischanalysen, bei denen das Publikum selbst die<br />

Aggressionseinschätzung auf der Basis der eigenen Wahrnehmung vornimmt. Ähnliche<br />

Einschätzungen werden dann durch Urteilsübereinstimmungen festgelegt. Der Nachteil ist<br />

hierbei neben forschungsökonomischen Aspekten (eine ganze Woche und mehrere<br />

Sendungen lassen sich so nicht mehr analysieren), daß die möglicherweise auch latent<br />

(?) wahrgenommenen und entsprechend vielleicht wirkenden Programmelemente, wie<br />

komplexere Motive, Indikatoren für strukturelle Gewalt oder auch Schnittfolgen, sich der<br />

direkten „naiven“ Beurteilung entziehen.<br />

Ideal ist von daher eine Forschungsstrategie, die beide <strong>Analyse</strong>arten miteinander<br />

verknüpft: die Untersuchung der Angebotsstruktur über Inhaltsanalysen und die<br />

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Untersuchung der Zuschauerwahrnehmung, -beurteilung und -reaktion über qualitative<br />

und quantitative Befragungen.<br />

Die nach dem hier vorgestellten Projekt zweite Untersuchungsphase leistet genau diese<br />

Verknüpfung. Die Struktur <strong>des</strong> Angebotspotentials kann dabei direkt in Beziehung gesetzt<br />

werden zur Struktur der (jugendlichen) Zuschauerwahrnehmungen. Die Ergebnisse sind<br />

nach Abschluß dieses Projektteils einer Folgeveröffentlichung zu entnehmen. Allerdings<br />

beginnt auch die hier vorgestellte Inhaltsanalyse nicht beim Punkt Null: Daß Wirkungsund<br />

Interaktionswahrscheinlichkeiten zwischen Gewaltangebot und Zuschauern belegt sind<br />

(auch in eigenen Untersuchungen), wurde bereits beschrieben.<br />

Der konkrete Ablauf der inhaltsanalytischen Untersuchung sah im Überblick<br />

folgendermaßen aus:<br />

Zunächst wurde das Kategoriensystem zur Erfassung aller möglichen Facetten von<br />

Mediengewalt entwickelt.<br />

Mit dem mehrfach getesteten und modifizierten System wurde die endgültige<br />

Programmstichprobe analysiert.<br />

Die aufgezeichneten Programme wurden auf der Basis <strong>des</strong> Kategorienschemas von<br />

sechs Ratern (= Beurteilern) vercodet und die Daten in eine computerlesbare Form<br />

übertragen. Die Endauswertung bestand vor allem aus <strong>des</strong>kriptivstatistischen <strong>Analyse</strong>n<br />

über Häufigkeit, Verteilung und Art der Aggression.<br />

Im Überblick:<br />

– Entwicklung der <strong>Analyse</strong>kategorien und <strong>des</strong> Kodierbuchs für die Inhaltsanalyse.<br />

– Schulung der Beurteiler und Testung <strong>des</strong> Kategoriensystems an Programmbeispielen<br />

sowie Prüfung der Beurteilerübereinstimmung.<br />

– Ziehung der endgültigen Stichprobe aus dem Programmangebot und Aufzeichnung auf<br />

Video.<br />

– <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> Programms.<br />

– Datenauswertung.<br />

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5.1 Kategorienschema und Kodierhandbuch<br />

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Die Aggressions- und Gewaltkategorien wurden zum Teil aus den zahlreich vorliegenden<br />

Theorien und empirischen Arbeiten zum Thema abgeleitet. Zusätzlich stellte das<br />

seinerseits auf mehreren theoretischen Ansätzen basierende Strukturschema Aggression<br />

(von Groebel, 1986, s.o.) einen Rahmen dar. Ein Beispiel ist dabei die Unterteilung nach<br />

„<strong>des</strong>truktiver" (also vor allem Selbstzweck-bezogener), „reaktiver" und „instrumenteller"<br />

(z.B. emotionsloser Raubmord) Aggression. Weitere Quellen waren internationale In-<br />

haltsanalysen, frühere eigene deutsche (von Groebel und Roth) Studien und nicht zuletzt<br />

kategoriengenerierende Voranalysen eines Querschnitts <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong><br />

<strong>Fernsehprogramms</strong> vom Frühjahr 1991.<br />

Dazu wurden nach Auftragsannahme durch die Autoren ab März 1991 mehrere dutzend<br />

Stunden per Zufall ausgewählter Programme aller Sender, Genres und Tageszeiten<br />

aufgezeichnet und mit allen sechs Ratern mithilfe <strong>des</strong> vorläufigen „theoretischen“<br />

Kategoriensystems analysiert. In mehreren Durchgängen wurden die Kategorien am<br />

Material auf Eindeutigkeit hin geprüft, ergänzt und zu jeder Kategorie eine detaillierte<br />

Beschreibung verfaßt, insgesamt so das Kodierhandbuch (siehe Anhang) mit zahlreichen<br />

Beispielen und Abstufungen erstellt. Mit dem fertigen Kategoriensystem und dem<br />

Handbuch wurden schließlich nach umfangreicher Raterschulung noch einmal mehrere<br />

Filme diverser Genres von den Ratern unabhängig voneinander eingeschätzt und die<br />

Ergebnisse miteinander verglichen. Die Urteilsübereinstimmung lag bei .85,<br />

Kategoriensystem und Raterverhalten können also als statistisch abgesichert bezeichnet<br />

werden. Vermutlich auch <strong>des</strong>halb, weil auf zu „komplizierte“, zu „subjektive“ oder<br />

abstrakte Kategorien im Interesse der Fragestellung verzichtet worden war (z.B.<br />

„strukturelle Gewalt“) und keine Intensitätseinschätzungen abgegeben wurden. Es ging<br />

um direkt eindeutig erkennbare Handlungsmuster.<br />

Um mögliche systematische Interpretationsverzerrungen auszuschalten, wurde einerseits<br />

das <strong>Analyse</strong>material per Zufall auf die Rater aufgeteilt, andererseits wurde die gesamte<br />

Dateninterpretation für den Bericht unabhängig von den konkreten Kategorisierungen<br />

vorgenommen. D.h., es gab keine Einflußmöglichkeit der Berichterstatter auf die konkrete<br />

Datenerhebung (z.B. nach Genre und Sender).<br />

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Die Einschätzung <strong>des</strong> endgültigen Gesamtmaterials (siehe Stichprobenziehung) wurde<br />

ebenfalls zum Rater--und Eindeutigkeits-Vergleich für per Zufall ausgewählte Bänder<br />

statistisch überprüft. Auch hier lagen die Übereinstimmungswerte bei über .80. In der<br />

Ergebnisanalyse wurden nur die abweichungsfreien Beurteilungen berücksichtigt, bzw.<br />

Abweichungen als „nicht eindeutig“ kodiert.<br />

Das gesamte Schema mit allen Kategorien ist dem Anhang zu entnehmen. Die<br />

wichtigsten Bereiche sind u.a.:<br />

– Art der Aggression, z.B. physische, psychologische (= nicht körperlich schädigende)<br />

Aggression<br />

– quantitative Ausprägung der Aggression, z.B. Erstreckung der Handlung -<br />

Handlungskontext, z.B. Krieg, Kriminalität<br />

– Hintergrund der Aggression, z.B. reaktive (Rache), instrumentelle (z.B. Raubmord) oder<br />

rein <strong>des</strong>truktive Motive<br />

– Folgen der Aggression, z.B. psychische Schädigung, Körperverletzung, Tod<br />

– Schadensgröße, z.B. Anzahl der Toten<br />

– topographische Einbettung, z.B. Geschehensort, -zeit<br />

– Plazierungsmerkmale, z.B. Vorabendprogramm, Trailer<br />

– senderspezifische Merkmale, z.B. ARD/ZDF-Vormittagsprogramm,<br />

– Genres, z.B. Nachrichten, Spielfilm.<br />

Die natürlich wichtigsten Kategorien sind Aggressionen und ihr Kontext. Dabei liegt der<br />

Schwerpunkt der <strong>Analyse</strong> auf der Darstellung, d.h. auf dem erkennbaren, direkt sichtbaren<br />

Auftreten von Aggression bzw. Gewalt. Von diesem Gesichtspunkt wurde die Entwicklung<br />

der Kategorien geleitet. Die Rater kodierten in der <strong>Analyse</strong> nur das, was auch tatsächlich<br />

in der jeweiligen <strong>Analyse</strong>sequenz konkret gezeigt wurde (d.h. explizit sichtbar und hörbar<br />

war). Subjektive Interpretationen oder Hinweise/Merkmale, die sich nur aus dem<br />

Gesamtkontext der Sendung ergeben (z.B. Auflösung eines Mordmotivs zu einem<br />

späteren Zeitpunkt in der Sendung oder in einer nächsten Serienfolge) blieben<br />

unberücksichtigt. Dieses Vorgehen soll vermeiden, daß der Aggressions- bzw.<br />

Gewaltbegriff „inflationar“ gebraucht wird, d.h. zum Beispiel hinter jedem „dynamischen“<br />

Verhalten (wie z.B. mit dem Finger auf jemanden zu zeigen) eine verdeckte Aggression zu<br />

vermuten (wie etwa im Freud'schen Sinne).<br />

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Zudem sind über eine ganze Sendung verteilte Motive vielen Zuschauern gar nicht mehr<br />

unbedingt zugänglich („Switchen“), wichtig ist allerdings der unmittelbare<br />

Handlungskontext, der in einer Sequenz gegeben ist. Er wurde miterfaßt.<br />

Als Aggression wurden nur Handlungen gewertet, die von Personen bzw. von Lebewesen,<br />

die Eigenschaften oder Merkmale von Personen besitzen (z.B. auch von Außerirdischen,<br />

animierten Zeichentrickfiguren, auch wenn diese Tiere sind, wie z.B. „Bugs Bunny“)<br />

ausgehen. „Natürliche“ Aggression von Tieren wurde dagegen nicht berücksichtigt.<br />

Einige Beispiele für aggressive Handlungen:<br />

– Erschießen eines Menschen (wenn eindeutig mit To<strong>des</strong>folge = Mord)<br />

– Schießduell zwischen Cowboys<br />

– Belagerung und Unterbeschußnahme eines Hauses<br />

– Inschachhalten einer Person mit der Waffe<br />

– Schlägerei zwischen zwei oder mehreren Personen<br />

– Zurückstoßen/Rempelei - jemanden gegen seinen Willen abführen - jemanden<br />

anschreien/bedrohen - jemanden mit Chloroform betäuben<br />

Nicht-aggressive Handlung (Beispiele):<br />

– jemanden vor einer drohenden Gefahr wegstoßen/wegzerren<br />

– Boxen als Wettkampf (siehe auch „Sport“)<br />

– Einsatz von Scherzartikeln in eindeutig humorvoller Situation (z.B. Spritzblume u.s.w.)<br />

Insgesamt wurden im Codebuch (siehe Anhang) 25 verschiedene (plus eine „sonstige“)<br />

Formen von Aggression unterschieden und in den Ergebnissen (z.T. zusammengefaßt)<br />

berücksichtigt.<br />

Als „natürliche“ Gewalt im Sinne von Katastrophen, Unfällen, Unglücken gelten alle<br />

Ereignisse, durch die Menschen, Tieren und Gegenständen Schaden zugefügt wird und<br />

die nicht direkte Folge von absichtlichen Handlungen anderer Personen sind.<br />

Dabei wurde unterschieden zwischen: 1) nicht beeinflußbaren Katastrophen (wie z.B.<br />

Sturm, Vulkanausbruch usw.), die auch als „Naturereignisse“ bezeichnet werden können.<br />

Auch wenn menschliche Verantwortung im weitesten Sinne eine Rolle spielt (z.B. bei der<br />

Verursachung <strong>des</strong> Treibhauseffektes und evtl. damit verbundenen Hitze-, oder<br />

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Kältewellen, oder Dürrekatastrophen), so wurde sie im Falle dieser <strong>Analyse</strong> nicht<br />

berücksichtigt. 2) beeinflußbaren Katastrophen; dabei handelt sich meist um Unglücke<br />

und Unfälle, die sehr viel direkter und stärker im menschlichen Einflußbereich stehen,<br />

häufig durch menschliches Versagen ausgelöst werden und häufig eine „technische“<br />

Komponente haben (z.B. Schiffsunglück, Zugunglück usw.). Diese „Katastrophen“ wurden<br />

bei einem Teil der Ergebnisse einbezogen, um auch die Darstellung der „gefährlichen<br />

Welt“ allgemein erfassen zu können, bei den Ergebnissen zur Gewalt und Aggression<br />

wurden sie allerdings nicht berücksichtigt (siehe Ergebnisteil).<br />

5.2 Definition der <strong>Analyse</strong>ebenen<br />

<strong>Eine</strong> grundlegende Frage der Inhaltsanalyse war und ist, wie - in diesem Fall - Aggression<br />

bzw. aggressive Handlungen zu quantifizieren seien. Hier reichen die Möglichkeiten von<br />

der reinen Auszählung der gezeigten Leichen oder der Messung einzelner motorischer<br />

Angriffsbewegungen (häufig als „Fliegenbeinzählerei“ apostrophiert) bis hin zu der eher<br />

ganzheitlichen Erfassung aggressiver Handlungsstrukturen mit unterschiedlichen Gewich-<br />

tungen für verschiedene Aggressionsformen. Die reine „Leichenzählung“ mag zwar für die<br />

Beschränkung auf das - vermutlich emotional wirkende - Einzelbild ausreichen, die<br />

kognitive Komponente aber - Einordnung in einen Handlungs- und Begründungsrahmen -<br />

erfordert eine darüberhinausreichende Erfassung.<br />

Daher wurde Aggression, wie schon beschrieben, mehrschichtig erfaßt: als Teil einer<br />

gesamten Sendung, als Teil einer in sich kontinuierlich verlaufenden Ereignissequenz und<br />

auch als einzelner konkreter aggressiver Akt (z.B. Zuschlagen). Die Gesamtsendung stellt<br />

einen Kompositionsrahmen dar, der häufig auch komplexe Einordnungen erlaubt, die<br />

Ereignissequenz gibt den unmittelbaren Begründungs- und<br />

Konsequenzenzusammenhang für eine spezifische Aggression oder Aggressionsfolge an<br />

(siehe Methoden-Kapitel), während der Einzelakt dem konkreten Zeigen der direkten<br />

motorischen Ausübung der Aggression einschließlich unmittelbarer Vorbereitung/Absicht<br />

und Schädigung entspricht.<br />

Im ersten Auswertungsschritt wurde als <strong>Analyse</strong>ebene die „aggressive Ereignissequenz“<br />

(ES) gewählt, d.h. eine kontinuierlich verlaufende Handlung, die auch die deutlich<br />

gezeigte Vorbereitung und Begründung einer Aggression wie auch deren direkte Folgen<br />

beinhalten kann, aber nicht muß: häufig werden Gewalttaten ohne wirklichen<br />

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Begründungszusammenhang gezeigt. Sie mögen dann als „l'art pour l'art“ oder reines<br />

Stilmittel im Raum stehen (z.B. in manchen Zeichentrickfilmen).<br />

Tatsächlich bildet häufig bei einer ganzen Sendung die Aggression den zentralen<br />

Themenrahmen, z.B. bei Krimis, Science Fiction. Innerhalb dieser Sendungen zeigt<br />

natürlich nicht jede Sequenz eine direkte Gewaltszene. Würde man daher nur die ganze<br />

Sendung als <strong>Analyse</strong>einheit nehmen, um die Thematisierung von Aggression inklusive<br />

aller Kontextinformationen zur Grundlage zu machen, so würde sich der zeitliche<br />

Aggressionsanteil am Gesamtprogramm vermutlich noch erhöhen. Allerdings wäre dann<br />

die direkt identifizierbare Gewaltdarstellung weniger zugänglich. Ein wichtiger Indikator ist<br />

immerhin die Anzahl der Sendungen, in denen überhaupt Aggression vorkommt (s.u.).<br />

Die Ereignissequenz ist diejenige Einheit - so die Hypothese -, die einen wenn auch<br />

manchmal nur kurzen Sinnzusammenhang konstituiert. Darüberhinausgehende<br />

Begründungsstrukturen (z.B. über einen ganzen Film) sind in der Regel mit komplexeren<br />

Dekodierungs- und Denkprozessen verbunden und dürften meist das kontinuierliche<br />

Verfolgen einer ganzen Handlung von Anfang bis Ende erfordern. Hier wird es aber noch<br />

schwieriger, besonders das emotionale Wirkungspotential abzuschätzen: sind zum<br />

Beispiel traumatische Bildsequenzen <strong>des</strong>halb ohne weitere Konsequenzen, weil ich sie<br />

mit einem erläuternden Text umgebe? Ergebnisse der kognitiven und der<br />

Emotionspsychologie zeigen, daß solche komplexeren Zusammenhangseinordnungen<br />

sehr viel mehr Randbedingungen erfüllen müssen als die Aufnahme einzelner prägnanter<br />

Ereignisse: z.B. höhere Denkkapazität, höhere Motivation etc. Modifizierte<br />

Kontextinformation verhindert also häufig nicht die emotionale Wirkung einzelner Bilder.<br />

Die <strong>Analyse</strong> erfolgte danach in der konkreten Auswertung auf insgesamt drei<br />

<strong>Analyse</strong>ebenen:<br />

a)Die erste <strong>Analyse</strong>ebene war die Sendung. Sie wurde definiert als abgeschlossener<br />

Programmbeitrag eines Senders und ist in der Programmankündigung als solche<br />

gekennzeichnet (z.B. Tagesschau, Golden Girls, Der Fahnder, Pumuckl usw.). <strong>Eine</strong><br />

Sendung wird durch die entsprechenden Kategorien im Block A<br />

„Programmkennzeichen“ (siehe Anhang) differenziert beschrieben.<br />

b)Die zweite <strong>Analyse</strong>ebene war die Ereignissequenz (ES). Sie ist zunächst beschreibbar<br />

als „erweiterter -Kontext“, innerhalb <strong>des</strong>sen sich eine Aggression bzw. eine Katastrophe<br />

ereignet.<br />

Innerhalb von Nachrichtensendungen ist eine Ereignissequenz in ihrer zeitlichen<br />

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Ausdehnung identisch mit dem jeweiligen Nachrichtenbeitrag, innerhalb <strong>des</strong>sen eine<br />

Aggression bzw. Katastrophe thematisiert wird. Sie besteht aus der Gesamtheit der<br />

verbalen und visuellen Elemente innerhalb dieses abgeschlossenen<br />

Nachrichtenbeitrags.<br />

Für fiktive Programme (Spielhandlungen) und Dokumentationen gilt: <strong>Eine</strong><br />

Ereignissequenz ist definiert als szenische Einheit innerhalb einer Sendung, die sowohl<br />

eine zeitliche als auch eine räumliche Konstanz bzw. Kontinuität aufweist. <strong>Eine</strong><br />

Ereignissequenz ist nur am Anfang und am Ende jeweils durch Schnitte definiert,<br />

innerhalb der Sequenz können Umschnitte und Perspektivwechsel vorkommen. Wichtig<br />

ist, daß die Ereignissequenz durch eine „logische“ zeitliche und räumliche Abgeschlossenheit<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Beispiel: Ein Mann befindet sich in einem Hotelzimmer, packt seine Koffer, ruft sich ein<br />

Taxi und verläßt schließlich mit seinem Gepäck das Zimmer. In der nächsten Einstellung<br />

geht der Mann durch die Abfertigungshalle <strong>des</strong> Flughafens zum Flugschalter und kauft<br />

sich ein Ticket. Die nächste Einstellung zeigt einen Mann, der, hinter einer Zeitung versteckt,<br />

„unseren“ Mann beobachtet. Die Kamera wechselt zwei bis dreimal zwischen<br />

Nahaufnahmen dieser beiden Personen hin und her. Als der Mann in Richtung Flugsteig<br />

geht, rennt der zweite Mann plötzlich hinter ihm her, zieht eine Pistole und erschießt ihn.<br />

Der Mörder flieht und wird von einem Sicherheitsbeamten verfolgt, den er ebenfalls erschießt.<br />

Diese Ereignisse innerhalb <strong>des</strong> Flughafens werden aus wechselnden<br />

Kamerapositionen gezeigt. Die nächste Einstellung zeigt den Mann, wie er durch den<br />

Ausgang läuft und in einem Taxi verschwindet. Die folgende Einstellung zeigt den Chef<br />

<strong>des</strong> Flughafens, der in seinem Büro mit dem zuständigen Polizeioffizier über den Vorfall<br />

spricht.<br />

In diesem Beispiel beginnt die zu analysierende Ereignissequenz mit der Einstellung, in<br />

der die Hauptperson zum ersten Mal in der Abfertigungshalle <strong>des</strong> Flughafens zu sehen<br />

ist und endet in dem Moment, in dem der Mörder mit dem Taxi verschwindet. Die<br />

nächste Szene im Büro gehört nicht mehr zu dieser Ereignissequenz. Die zeitliche bzw.<br />

räumliche Kontinuität bzw. Konstanz zeigt sich in der zeitlich logisch und kontinuierlich<br />

ablaufenden Handlung (wenn auch nicht in Echtzeit) und der Unverändertheit <strong>des</strong> Ortes<br />

(Flughafen), an dem die Handlung stattfindet. Auch ein purer Angriff ohne Zeigen der<br />

Schädigung kann in einer Ereignissequenz vorkommen, wird dann entsprechend<br />

identifiziert. Mord z.B. liegt nur dann vor, wenn in der Ereignissequenz der/die Tote<br />

selbst zu sehen ist oder ganz eindeutig auf den Tod geschlossen werden kann, z.B.<br />

wenn nach einem gezeigten Angriff gesagt wird: „Der ist hin.“ Umgekehrt gilt das<br />

Zeigen einer Leiche zwar als „Tod“, aber nur dann als „Mord“, wenn aus der<br />

Ereignissequenz selbst Absicht und Tat explizit ersichtlich sind. „Mordszenen“ erfüllen<br />

<strong>des</strong>halb beide Voraussetzungen: Tatablauf und Schadenseintritt.<br />

Die <strong>Analyse</strong>ebene der Ereignissequenz wurde aufgrund der Überlegung in die<br />

Betrachtung mit einbezogen, daß Aggressionen stets innerhalb eines bestimmten<br />

Kontextes stattfinden. Sie werden vorbereitet, ausgeführt und haben Folgen. Die<br />

Ereignissequenz in der vorliegenden Definition gibt die Möglichkeit, die zumin<strong>des</strong>t im<br />

unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Aggression stattfindenden Handlungen und<br />

Situationen näher zu beschreiben und direkte Vorbereitung und direkte Folgen in eine<br />

zeitliche Relation mit dem eigentlichen aggressiven Akt zu setzen. Die Merkmale von<br />

Ereignissequenzen werden durch die Kategorien in Block B „Ereignissequenz“ (siehe<br />

Anhang) näher beschrieben.<br />

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c)Die dritte <strong>Analyse</strong>ebene bezog sich explizit auf die Darstellung der einzelnen<br />

aggressiven Handlung (AH) bzw. der Katastrophe, <strong>des</strong> Unfalls, <strong>des</strong> Unglücks (KAT).<br />

<strong>Eine</strong> AH bzw. KAT beginnt dann, wenn aus dem Handlungs- bzw. Präsentationskontext<br />

eindeutig ersichtlich wird, daß eine aggressive Handlung oder eine Katastrophe<br />

unmittelbar anschließend erfolgt, d.h. der Angreifer erkennbar absichtlich seine<br />

Aggression beginnt. Sie umfaßt die direkte beabsichtigte aggressive Handlung (z.B.<br />

Schlagen, Schießen, Bedrohung) und den Schadenseintritt bzw. das (die) Ereignis(se),<br />

welche eine Katastrophe ausmachen (z.B. das Brechen eines Staudammes, das<br />

Abstürzen eines Autos über die Klippen usw.). <strong>Eine</strong> AH bzw. KAT ist beendet, wenn die<br />

aggressive Handlung erkennbar nicht mehr ausgeübt wird und das Zeigen der<br />

Schädigung mit ihren Folgen beendet ist, bzw. die eine Katastrophe ausmachenden<br />

direkten Ereignisse (z.B. Welle schwemmt Haus weg) nicht mehr stattfinden. Ein<br />

„interaktiver“ Zweikampf ist eine AH und wird als „gleichberechtigte“ Konfliktsituation<br />

(gegenüber einer eindeutigen Täter-Opfer-Situation) ausgewiesen. Dabei müssen die<br />

Ausgangschancen z.B. hinsichtlich Bewaffnung, Stärke etc. gleich sein.<br />

<strong>Eine</strong> AH bzw. KAT wird ebenfalls als beendet angesehen, wenn der Verlauf der<br />

Handlung bzw. der Ereignisse durch eine nicht-gewaltbeinhaltende Sequenz, die<br />

entweder länger als 10 Sekunden dauert oder einen eigenen Inhalt darstellt,<br />

unterbrochen wird. Sind entscheidend neue Personenkonstellationen entstanden (z.B.<br />

anderer Aggressor, neues Opfer usw.), so wird dies als weitere neue AH definiert und<br />

analysiert. In dem oben beschriebenen Beispiel beinhaltet die Ereignissequenz zwei<br />

AH: die erste beginnt mit dem Ziehen der Pistole und dem Schuß auf den Mann, die<br />

zweite AH beginnt mit dem Schuß auf den Sicherheitsbeamten. Beide AH enden dann,<br />

wenn der Schuß bzw. Schußwechsel beendet ist und das Opfer sichtbar am Boden<br />

liegt.<br />

Innerhalb einer Ereignissequenz können eine oder mehrere AH bzw. KAT vorkommen<br />

(siehe Abb. 3). Die Ereignissequenz kann auch (s.o.) mit der AH identisch sein. Die<br />

Abbildung illustriert die Bedeutung der Wahl der <strong>Analyse</strong>ebene. Konkret: Je nach Ebene<br />

kann die Anzahl der Fälle zu-, ihr Zeitanteil am Gesamtprogramm aber gleichzeitig<br />

abnehmen.<br />

Ein hypothetisches Beispiel für ein identisches Angebot mit unterstellter gleicher<br />

Verteilung:<br />

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Sendungsebene<br />

10 Sendungen gleicher Länge, davon 5 mit<br />

min<strong>des</strong>tens einer Mordszene<br />

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= 50% Zeitanteil am Gesamtprogramm, 5<br />

Fälle<br />

Ebene Ereignissequenz<br />

In jeder Sendung mit Mordszenen jeweils 2<br />

solcher Szenen, auf die jeweils zusammen<br />

die Hälfte der Mord-Sendezeit entfällt = 25% Zeitanteil, 10 Fälle<br />

Ebene Einzelgewalt<br />

In jeder Mordszene zwei Einzelmorde,auf<br />

deren Zeigen wiederum jeweils die Hälfte<br />

der Zeit entfällt = 12,5% Zeitanteil, 20 Fälle<br />

Ebene Opfer<br />

Fallen jedem Mordanschlag zwei Menschen<br />

zum Opfer, die kurz gezeigt werden, dann<br />

z.B. = 6,25% Zeitanteil, 40 Fälle<br />

Entsprechend diesen Ebenen kommt man bei gleichem Sachverhalt zu sehr<br />

unterschiedlichen Zahlen. Für einen Vergleich zwischen Studien ist also in jedem Fall die<br />

gleiche <strong>Analyse</strong>ebene vorauszusetzen.<br />

AH und KAT im eigentlichen Sinn werden durch die Kategorien in Block C „Aggressive<br />

Handlung/Katastrophe“ beschrieben. Die Differenziertheit der kategorialen Erfassung von<br />

Katastrophen (KAT) ist dabei beschränkt auf den thematischen Rahmen sowie die<br />

Feststellung, ob und inwiefern sich die formale Darstellung (z.B. Schnittfrequenz,<br />

Spezialeffekte) der KAT von der formalen Darstellung der gesamten Ereignissequenz we-<br />

sentlich unterscheidet; Katastrophen wurden, sofern nicht ausgelöst durch absichtliche<br />

Aggressionen, nicht als Gewalt definiert und nur in einige explizit ausgewiesene (s.u.)<br />

Auswertungen mitaufgenommen. Bei den „Mordraten“ z.B. wurden sie nicht<br />

berücksichtigt.<br />

Aggressionen im Bereich Sport wurden nur dann kodiert, wenn es sich um<br />

„ungewöhnliche“ Ereignisse handelte. Dies bedeutet, daß Ereignisse, die den „normalen“<br />

Wettbewerbscharakter im Sport ausmachen, nicht berücksichtigt wurden. Dazu gehören<br />

u.a. leichtere Fouls im Fußball, Handball usw., auch wenn diese z.B. mit der roten Karte<br />

bestraft werden. Es gehören auch dazu leichtere Unfälle im Motorsport (z.B. Dreher von<br />

der Fahrbahn, Stürze von Motorradfahrern, Karambolagen ohne schweren Per-<br />

sonenschaden usw.), sowie sämtliche Aktionen im Rahmen von Kampfsportarten (Boxen,<br />

Wrestling, Judo usw.). Ein Ereignis sollte dann kodiert werden, wenn Personen so schwer<br />

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verletzt wurden, daß sie z.B. vom Platz getragen oder mit einem Krankenwagen<br />

abtransportiert werden mußten. Ebenfalls kodiert werden sollten außergewöhnliche<br />

aggressive Handlungen unter den Zuschauern (z.B. Massenschlägerei auf der Tribüne)<br />

oder Ereignisse, die ähnlich wie im Heysel-Stadion zu Katastrophen führten. Dies kam<br />

allerdings im <strong>Analyse</strong>zeitraum nicht vor.<br />

Zusammenfassend muß noch einmal betont werden, daß auch die<br />

Zuschauerwahrnehmung der Intensität von Gewalt natürlich sehr variieren kann. Wir<br />

nahmen nur eine <strong>Analyse</strong> der Formen und Strukturen der Aggression vor und werteten<br />

deren Häufigkeiten aus, da es nicht um das Wirkungspotential einer einzelnen Sendung<br />

ging. Entsprechend wurde auch auf subjektive Intensitätsschätzungen verzichtet.<br />

5.3 Datenorganisation und Datenverarbeitung<br />

Die oben bereits erwähnte hierarchische Struktur der <strong>Analyse</strong>ebenen und der<br />

<strong>Analyse</strong>einheiten wurde in eine ebenfalls hierarchisch gegliederte Datenstruktur überführt.<br />

Auf der obersten Ebene stellt eine Sendung (datentechnisch) einen Fall dar. Für jede<br />

Sendung existieren auf der zweiten Ebene null (wenn in der Sendung keine Katastrophe<br />

oder Aggression vorkommt), eine oder mehrere Ereignissequenzen. Als Fall wird hier<br />

jeweils die einzelne Ereignissequenz betrachtet. Auf der dritten Ebene gibt es in jeder<br />

Ereignissequenz min<strong>des</strong>tens eine oder mehrere Darstellungen einer aggressiven<br />

Handlung. Dies bedeutet, daß auf jeder der drei Ebenen unterschiedliche Fallzahlen zu<br />

finden sind. Mit Hilfe <strong>des</strong> Statistik-Programmpaketes SPSSx konnten die Informationen<br />

über Identifikationsvariablen aufeinander bezogen werden, so daß Werte auf einer Ebene<br />

den Fällen auf einer anderen Ebene zugeordnet werden konnten. So wies SPSSx jeder<br />

Ereignissequenz automatisch die entsprechenden Merkmale der Sendung, in der sie<br />

stattfand, zu.<br />

5.4 Stichprobe und Datenerhebung<br />

Es ist ein nahezu unlösbares Problem, vollkommen generalisierbare Aussagen über die<br />

Aggressionshäufigkeiten im Programm zu machen, verfolgt man nicht die Sendungen<br />

über ein ganzes Jahr - bei der Fülle <strong>des</strong> Angebots ist dies nicht mehr möglich. <strong>Eine</strong><br />

gewisse Grundstruktur bieten die Programmschemata, allerdings variieren auch sie durch<br />

redaktionelle Änderungen, jahreszeitenabhängig oder durch besondere politische,<br />

militärische oder sportliche Ereignisse, die dann das übrige Programm dominieren.<br />

47


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1991 gab es etliche solcher Ereignisse. In den ersten Monaten den Golfkrieg, der durch<br />

Live- und Sondersendungen den normalen Programmablauf fast völlig außer Kraft setzte.<br />

Ende August/Anfang September den Moskau-Putsch mit seinen Folgeerscheinungen.<br />

Hinzu kam die „feiertagsintensive“ Zeit im Frühjahr und die regelmäßigen Sport-<br />

Großveranstaltungen. Streng genommen müßte man eine Programmstichprobe über ein<br />

ganzes Jahr streuen. Dabei wären dann Sondereignisse Teil einer übergreifenden<br />

Normalität. Dies war jedoch aufgrund der Vorgaben <strong>des</strong> Projekts nicht möglich und würde<br />

allgemein wohl auch jeden Rahmen sprengen. Von daher sollte die Stichprobe<br />

weitgehend normale Programmschemata abdecken. Allerdings fiel in den<br />

Erhebungszeitraum (s.u.) der Jugoslawien-Konflikt. Dabei reichte aber die<br />

Berichterstattung insgesamt nicht über die fast immer im Programm vorkommenden<br />

zeitlich begrenzten Sondersendungen (wie z.B. „Brennpunkt“) hinaus. Dies wurde <strong>des</strong>halb<br />

als Normalfall gewertet.<br />

Für die Stichprobenziehung war eine weitere Vorgabe, daß Aufzeichnung und Vercodung<br />

unmittelbar aufeinanderfolgen sollten. Die Rater sollten möglichst „naiv“ an die Sendung<br />

selbst herangehen, also möglichst nicht schon durch das frühere Anschauen eines Films<br />

bereits ein Bedeutungskonzept <strong>des</strong> Gesamtkontexts entwickelt haben. Natürlich läßt sich<br />

eine einzelne Bekanntheit von Inhalten nicht völlig ausschließen, sie wurde aber von uns<br />

kontrolliert, sollte jedenfalls nicht den normalen Programmwiederholungsanteil<br />

übersteigen und vor allem nicht durch die Untersuchung selbst erzeugt werden. Da den<br />

Ratern aber nicht über längere Zeit Fernsehabstinenz aufzuerlegen war (sie stellte sich<br />

wohl nach der Untersuchung vorübergehend von selbst ein), konnte erst nach<br />

Fertigstellung und Testung <strong>des</strong> Kategoriensystems (s.o.) die Stichprobenziehung<br />

erfolgen.<br />

Als <strong>Analyse</strong>zeitraum wurde eine gesamte Programmwoche pro Sender (ausgewiesen<br />

durch die verschiedenen Programmschemata) zugrundegelegt. Erfaßt werden sollte<br />

allerdings eine „künstliche“ Woche aus einem Gesamtzeitraum von acht Wochen.<br />

Nach den genannten zeitlichen und strukturellen Vorgaben wurde für die Zeit vom 17.06.<br />

bis 11.08.1991 jedem Programmplatz (ausgewiesen durch die Programmschemata der<br />

Sender) pro Tag und Sender eine Zahl zwischen 1 und 8 zugeordnet. Diese Zahl<br />

bestimmte die Woche, in der die Sendung auf diesem Programmplatz aufgezeichnet<br />

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wurde. Durch den Gesamtablauf der Untersuchung (s.o.) fiel die Stichprobe auf Frühling<br />

und Sommer. Zwar war nicht davon auszugehen, daß von Seiten der Anbieter in dieser<br />

Zeit besonders aggressive oder besonders wenig aggressive Programme gezeigt würden<br />

(z.B. nach dem Motto „Wer zu Hause geblieben ist, soll sich wenigstens abreagieren<br />

dürfen.“ Versus „Wir wollen die Daheimgebliebenen nicht noch mehr reizen.“). Dennoch<br />

könnte durch unterschiedliche Programmgewichtungen auch aggressionsspezifisch eine<br />

Verzerrung entstehen. Ein entsprechender möglicher Effekt wurde von uns auf zweierlei<br />

Weise überprüft: Zum einen lag die zur Konstruktion <strong>des</strong> Kategoriensystems benutzte<br />

frühere Zufallsstichprobe vor (Mai), die die verschiedenen Genres und Sender<br />

berücksichtigt hatte. Hier zeigten sich umgerechnet auf Stunden keine systematischen<br />

Abweichungen. Zum anderen wurden in der Gesamtauswertung auf Sendungsebene<br />

nochmals die Genrehäufigkeiten für November (laut Programmpresse) mit denen <strong>des</strong><br />

Stichprobenzeitraums verglichen. Auch hier ergaben sich in der Auszählung für eine<br />

Gesamtwoche keine systematischen Verzerrungen. Innerhalb <strong>des</strong> Programms war also<br />

nicht von sommerspezifischen Aggressionshäufigkeiten auszugehen.<br />

Ein weiterer Test der Generalisierbarkeit bezog sich auf die Reliabilität der Ergebnisse.<br />

Hierzu wurde das Untersuchungsmaterial selbst per „splithalf“-Verfahren zufällig aufgeteilt<br />

und beide Befunde miteinander verglichen. Sie entsprachen sich statistisch vollkommen.<br />

Bei der Acht-Wochen-Stichprobe wurde explizit in Kauf genommen, auf verschiedene<br />

Programmschemata zu treffen. Der Grund für eine solche Spreizung: Erfaßt man nur eine<br />

einzige kontinuierliche Woche, besteht immer die Gefahr, eine beabsichtigte oder<br />

unbeabsichtigte Ausnahmesituation vorzufinden: Großereignisse (s.o.), zufällig oder<br />

geplant besonders hohe oder besonders geringe Gewalt. Mögliche Verzerrungen in dieser<br />

Richtung werden durch größere Zeiträume und Zufallsauswahl zumin<strong>des</strong>t deutlich re-<br />

duziert. Zudem wird die Generalisierbarkeit gerade durch Einbezug der möglichen<br />

Schemaschwankungen größer. Auf der Grundlage <strong>des</strong> oben beschriebenen<br />

Stichprobenplans wurden zunächst die Gesamtprogramme von ARD (einschließlich<br />

WWF), ZDF, ARD/ZDF-Vormittagsprogramm, RTL, SAT 1, Tele 5, PRO 7 auf Video<br />

aufgezeichnet und nach Zufallsreihenfolge auf die Rater verteilt. Sofern parallel<br />

zueinander ein bun<strong>des</strong>weites und ein nordrhein-westfälisches Regionalprogramm<br />

ausgestrahlt wurde, wurden beide Versionen erfaßt. In mehreren per Zufall<br />

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vorgenommenen Reliabilitätschecks wurden die Vercodungen aller Rater bei den gleichen<br />

Sendungen überprüft. Die Inter-Rater-Korrelationen lagen wie schon bei der Vortestung<br />

über .8. Auch dies sprach also für die Eindeutigkeit der Ergebnisse.<br />

Insgesamt wurden für alle redaktionellen Programme 44.615 Minuten (= 743 Stunden, 35<br />

Minuten) erfaßt, die sich auf 1.219 Sendungen verteilten.<br />

Werbung als nicht-redaktionelles Programm wurde zwar auch ausgewertet, nicht aber<br />

dem Gesamtangebot eines Senders zugerechnet.<br />

Während beim Teleshopping und den redaktionell-werbe-bezogenen Mischformen von<br />

vornherein keine oder nur sehr geringe Aggressionswerte zu erwarten waren, ist dies von<br />

Werbespots nicht zwangsläufig zu vermuten. In den letzten Jahren wurden international<br />

auch spektakuläre, aggressionshaltige Spots vorgestellt und zum Teil heftig diskutiert. Wir<br />

werteten daher auch die Werbung gesondert aus, kamen - das Ergebnis sei hier vor-<br />

weggenommen - auf insgesamt 5 entsprechende Spots, was übertragen auf alle im<br />

Fernsehen vorkommenden aggressiven Szenen einen Anteil von 0,2% ausgemacht hätte,<br />

also vernachlässigbar schien.<br />

Ähnliches galt für die Regionalschienen der Privaten, auch hier wurde keine Aggression<br />

festgestellt, sie wurden nicht weiter berücksichtigt.<br />

Anders die überregional verbreiteten Produktionen wie „Spiegel-TV“, sie wurden im Block<br />

mit dem jeweiligen Privatsender erfaßt.<br />

Programmtrailer wurden als eigenständiges Element in die <strong>Analyse</strong> mitaufgenommen<br />

(s.u.), dagegen vermutlich aggressionsirrelevante Zwischenteile, z.B. Programm- und<br />

Impressumstafeln nicht einbezogen.<br />

Weitere Besonderheiten:<br />

ARD und ZDF strahlen an sechs Tagen ein gemeinsames Vormittagsprogramm mit<br />

wechselnden Verantwortlichkeiten aus. Es wurde als eigenständiges Angebot<br />

ausgewiesen. Strenggenommen „verschlechterten“ sich dadurch die „Gewaltquoten“ für<br />

ARD und ZDF, da das relativ aggressionsfreie Vormittagsprogramm nicht von vornherein<br />

anteilig dem Vollprogramm zugewiesen wurde. Allerdings wurden die aus beiden<br />

ermittelten Werte in der entsprechenden Tabelle aufgeführt (s.u.).<br />

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Ein Teil der Stichprobe fiel für RTL in die Zeit der Wimbledon-TennisAusstrahlung. Hier<br />

wurden die entsprechenden Wochentage für andere Zeitpunkte innerhalb <strong>des</strong><br />

Stichprobenzeitraums „nachgezogen“. <strong>Eine</strong> Beeinflussung der Aggressionslevels war<br />

daraus nicht abzuleiten.<br />

Aus technischen Gründen bezogen sich die Ziehungen auf die täglichen Zeiträume 6 Uhr<br />

morgens bis 5 Uhr morgens <strong>des</strong> nächsten Tages, so daß nur 23 Stunden Programm<br />

erfaßt wurden, also bei Tele5 eine Vernachlässigung von einem Vierundzwanzigstel<br />

darstellten. Beim Sendervergleich müßte dies eigentlich berücksichtigt werden. Die<br />

Programmstruktur zeigte aber, daß sich hierdurch Relationen nicht verändert hätten.<br />

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß ARD und ZDF zu diesem Zeitpunkt<br />

Frühstücksfernsehen nach dem Golf-Krieg nicht mehr und als normalen<br />

Programmbestandteil noch nicht ausstrahlten, dagegen hatte RTL eine zeitliche<br />

Ausweitung <strong>des</strong> Programms begonnen. Von Tag zu Tag variieren zudem bei weniger als<br />

24 Stunden Programm die Sendezeiten. Da die meisten Ergebnisse aber auf relationalen<br />

Aussagen in Bezug auf das eigene Programm eines Senders basieren,<br />

aggressionsrelevante Einflüsse aus den für das Programm insgesamt normalen<br />

Variationen nicht zu erwarten waren, bzw. die meisten Befunde sich auf die Gesamtheit<br />

aller Sendungen bezogen, schließen wir systematische Verzerrungen aus.<br />

Nach den genannten Kriterien verteilten sich die Programmzeiten der einzelnen<br />

überregional verbreiteten Sender für die <strong>Analyse</strong> wie folgt (in Minuten): ARD (mit WWF-<br />

Vorabendprogramm) 4.999; ZDF 4.640; ARD/ZDF 1.451; SAT 17.362; RTL 8.750; Tele 5<br />

8.425; PRO 7 8.987.<br />

Nicht berücksichtigt waren bei diesen Zeiten die herausgerechneten nicht-redaktionellen<br />

Programmteile (die auch keinen Aggressionsbezug aufwiesen, s.o.), zeitlich erfaßt<br />

dagegen Sparten, die im <strong>Analyse</strong>zeitraum als Teil <strong>des</strong> Normalprogramms keine Gewalt<br />

aufwiesen, wie z.B. Sport. Sie tauchen nicht als eigene Programmkategorie in den<br />

Tabellen auf (siehe die Definition von Gewalt, die leichtere „Fouls“ und Kampfsportarten<br />

ausschloß).<br />

51


5.5 Datenauswertung<br />

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Nach Übertragung der insgesamt rund 150.000 Rohdaten in computerlesbare Form<br />

wurden u.a. mithilfe <strong>des</strong> Programmpakets SPSSx die Auswertungen vorgenommen. Sie<br />

bezogen sich weitgehend auf <strong>des</strong>kriptive <strong>Analyse</strong>n. Auf eine Gewichtung der einzelnen<br />

Aggressionsarten und auf eine Indexbildung wurde verzichtet, da für Bewertung und<br />

Verknüpfungsregeln große individuelle Unterschiede in den Einschätzungen der<br />

Zuschauer zu erwarten sind. Es ging in den <strong>Analyse</strong>n darum, welche Formen von<br />

Aggression wie häufig vorkommen, also z.B. Mord, schwere Körperverletzung usw. Auch<br />

auf voraussetzungsbehaftete (z.B. Linearitätsannahme, Intervallniveau), komplexere<br />

statistische Auswertungsverfahren wurde bewußt verzichtet.<br />

6. Ergebnisse<br />

– Die Ergebnisse gliedern sich in mehrere Stufen:<br />

<strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> Aggressionsanteils am Gesamtangebot aller Sender.<br />

Dies geschieht auch unter dem Aspekt, daß die Zuschauer häufig nicht mehr einen<br />

einzelnen Sender oder ein Programm über einen längeren Zeitraum nutzen, sondern<br />

sich durch Hin- und Herschalten ihr eigenes Programm zusammenstellen. Gerade<br />

aggressive Szenen haben hier laut vielen Studien schon durch ihren höheren Action-<br />

Anteil einen höheren Aufmerksamkeits- und Verweilwert - vielleicht mit ein Grund dafür,<br />

warum sie im Wettbewerb häufig eingesetzt werden. Andererseits kann durch den<br />

hohen Aufmerksamkeitswert auch eine nur kurze Gewaltszene deutlicher im Gedächtnis<br />

haften bleiben als eine neutrale und zu einer subjektiven Überschätzung ihrer Häufigkeit<br />

im Programm führen.<br />

– Aufteilung nach verschiedenen Formen von Aggression und Gewalt sowie von deren<br />

Kontext, z.B. körperliche Gewalt, verbale Aggression usw.<br />

– Aufteilung nach einzelnen Sendern, Genres und Tageszeiten.<br />

– Wechselbeziehungen zwischen mehreren Faktoren, z.B. Aggressionsform und<br />

Tageszeit.<br />

– <strong>Analyse</strong> der inhaltlichen Struktur der gezeigten Aggression, z.B. emotionaler Kontext,<br />

Begründung, Rolle von Mann und Frau als Täter und Opfer.<br />

6.1 Das Gesamtangebot<br />

Bei der Mehrzahl der Sendungen handelt es sich (1991) um deutsche Produktionen<br />

(60,0%), allerdings mit Schwankungen je nach Sender und Genre. An zweiter Stelle<br />

rangieren (besonders hinsichtlich Serien und Spielfilmen) die US-amerikanischen<br />

Produktionen (25,2%). Dies ist hier insofern interessant, da sich die mit Abstand meisten<br />

52


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später beschriebenen Geschehensorte für Aggression auf die USA beziehen. Auf eine<br />

Aufteilung der Produktionsländer auf die einzelnen Sender wurde hier verzichtet. Wie<br />

andere <strong>Analyse</strong>n zeigen, sind amerikanische Produktionen (1991) bei den Privaten<br />

deutlich häufiger zu finden als bei den Öffentlich-Rechtlichen.<br />

Auf die einzelnen Genres entfielen im Gesamtprogramm als Prozentanteil an der<br />

redaktionellen Gesamtzeit: Nachrichten 4,4%; Informations- und<br />

Dokumentationssendungen 9,5%; Spielfilme 23,2%; Serien 27,5%; Show, Musik, Sport<br />

20,0%, Kinder, Jugend- und Vorschulprogramme (außer Trickfilm) 7,0%; Trickfilme 5,7%;<br />

Sonstige 2,7%.<br />

Nicht überraschend ist das Übergewicht der Unterhaltung mit ihren verschiedenen<br />

Formen (Spielfilm, Fiction, Shows, usw.) gegenüber Informationsprogrammen. Ebenfalls<br />

aus den Programmschemata und früheren <strong>Analyse</strong>n bekannt: Durchschnittlich bieten die<br />

Öffentlich-Rechtlichen min<strong>des</strong>tens doppelt so viele Nachrichten- und<br />

Informationssendungen wie die Privaten.<br />

Umgekehrt ist der Unterhaltungsanteil der Privaten im Schnitt min<strong>des</strong>tens doppelt so hoch<br />

wie der der Öffentlich-Rechtlichen.<br />

6.2 Der Anteil der Aggression am Gesamtangebot<br />

Insgesamt wurden 2.745 Ereignissequenzen mit irgendeiner als bedrohlich oder aggressiv<br />

kodierten Handlung festgestellt. Auch wenn auf dieser Ebene noch sehr vorsichtig zu<br />

argumentieren ist (auch schwere Bedrohung wurde als Aggression kodiert): Diese<br />

Sequenzen verteilen sich auf insgesamt 582 Sendungen (= 47,7% aller erfaßten<br />

Sendungen) und beinhalten insgesamt 3.632 konkrete einzelne aggressive Akte. Das<br />

macht pro Stunde rund 4,9 Einzelaggressionen (bei 743 Std. Programm) und entspricht<br />

einem Zeitanteil von 2,9% „purer“ Aggression bezogen auf das Gesamtprogramm.<br />

Mit anderen Worten:<br />

In fast der Hälfte; aller <strong>deutschen</strong> Fernsehsendungen wird zumin<strong>des</strong>t einmal Aggression<br />

oder Bedrohung in irgendeiner Form thematisiert.<br />

Und:<br />

53


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Stündlich werden im <strong>deutschen</strong> Fernsehen durchschnittlich fast 5 aggressive<br />

Handlungen gezeigt.<br />

Dies sagt noch wenig über spezifische Wirkungspotentiale aus, für die Konstituierung<br />

eines aggressiven Klimas und aggressiver Weltbilder kann es aber mit bedeutsam sein.<br />

Zudem belegen diese pauschalen Zahlen zunächst einmal allgemein, daß Aggression als<br />

Stilmittel einen vergleichsweise hohen Attraktivitätsgehalt hat: Schlagen, Schreien wirken<br />

nach allen einschlägigen Untersuchungen auf physiologische Erregung direkter als z.B.<br />

komplizierte prosoziale Handlungen und eignen sich vermutlich auch daher für eine -<br />

schnelle - Mediendramaturgie.<br />

Zur Struktur einer als bedrohlich wahrgenommenen Welt, wie sie in etlichen Studien als<br />

Folge von gehäuftem Medienkonsum beschrieben wird, tragen Aggressionen zwischen<br />

Menschen, aber auch Unglücke, Unfälle und Katastrophen bei. Die Tabelle 1 zeigt die<br />

Verteilung der in den als möglicherweise bedrohlich empfundenen Sequenzen<br />

vorkommenden Ereignisarten. Aggressive Handlungen dominieren danach eindeutig.<br />

Tab. 1: Verteilung möglicher Bedrohungsinformationen<br />

Anzahl Prozent<br />

aggressive Handlungen 2428 88,5%<br />

beeinflußbare Katastrophen 203 7,4%<br />

nicht beeinflußbare<br />

Katastrophen<br />

114 4,2%<br />

Für die Dramaturgie stellt sich die Frage, in welchen Programmelementen die<br />

Aggressionen und Bedrohungen vorkommen (Tab. 2); dabei ist u.a. auch interessant,<br />

welche Rolle Trailer als aggressive Darstellungen spielen. Im Schnitt werden täglich 13<br />

gewaltsame Trailer gezeigt. Da sie Aggression meist in konzentrierter Form präsentieren<br />

(„Action-Highlights“), wären hier nähere Wirkungsanalysen gerade bei Kindern notwendig.<br />

Aus Tabelle 2 geht außerdem hervor, daß das Gros aggressiver Szenen aus den<br />

Handlungsrahmen Spielfilme und Serien stammt. Allerdings machen Nachrichtenag-<br />

gression und -bedrohung fast 20% aller überhaupt im Gesamtprogramm vorkommenden<br />

entsprechenden Elemente aus. Damit liegt dieser Anteil etwas höher, als ihn Nachrichten<br />

insgesamt am Programm haben. Dies gilt allerdings auch für Spielfilme und Serien, da<br />

54


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andererseits bestimmte Programmformen (fast) völlig aggressionsfrei sind (z.B.<br />

Kindersendungen ohne Trickfilme).<br />

Tab. 2: Verteilung von Aggression und Bedrohung auf Programmelemente<br />

Anzahl Prozent<br />

als Handlung/Plot 1.960 71,4%<br />

im Nachrichtenbeitrag 517 18,8%<br />

im Vorspann 156 5,7%<br />

im Trailer 93 3,4%<br />

in der Werbung<br />

(Separatauswertung)<br />

5 0,2%<br />

im Abspann 6 0,2%<br />

Ein weiterer wichtiger dramaturgischer Aspekt ist die Art der Darstellung. Die Tabelle 3<br />

demonstriert die Dominanz der „normalen“ audiovisuellen Darstellung, aber auch die<br />

Überrepräsentanz der Trickfilm-Darstellung an der Gesamtheit der aggressiven und<br />

bedrohlichen Inhalte im Vergleich zu ihrem relativen Vorkommen als Genre an allen<br />

Programmen.<br />

Tab. 3: Darstellungsmodus der aggressiven und bedrohlichen Ereignisse<br />

Anzahl Prozent<br />

Audiovisuell 1.847 67,3%<br />

Trickfilm 724 26,4%<br />

Standbild-Grafik 69 2,5%<br />

Auditiv 97 3,5%<br />

Was läßt sich zur Plazierung der Aggression im Handlungsverlauf sagen? Offensichtlich<br />

wird sie besonders häufig als „Aufreißer” oder gar Handlungsauslöser benutzt: Mit der<br />

relativ größten Wahrscheinlichkeit kommt sie im ersten Viertel einer Sendung vor (siehe<br />

Tab. 4).<br />

55


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Tab. 4: Die Ereignissequenz mit aggressiver Handlung beginnt relativiert an der<br />

Länge der Sendung im...<br />

1. Viertel N<br />

%<br />

2. Viertel N<br />

%<br />

3. Viertel N<br />

%<br />

4. Viertel N<br />

%<br />

In welchen Weltregionen, sofern identifizierbar, spielen sich die bedrohlichen Ereignisse<br />

883<br />

36,9<br />

552<br />

23,2<br />

505<br />

21,3<br />

433<br />

18,6<br />

ab? Aus Tabelle 5 geht hervor, daß mit weitem Abstand die USA als Aggressions- und<br />

Bedrohungsort führen (33,6%), viermal so hoch wie Deutschland (7,8%). Dies ist vor<br />

allem auf den hohen Anteil amerikanischer Serien zurückzuführen. Gerade für den<br />

Weltbildaspekt könnte dies heißen, daß der gesamte Programmkontext die USA als<br />

besonders gefährlich erscheinen läßt (sofern nicht durch eigene Erfahrungen<br />

gegenläufige Informationen vorliegen): Wenn die USA gezeigt werden (natürlich<br />

besonders oft in Spielfilmen und Serien), geschieht dies sehr häufig in einem bedroh-<br />

lichen Zusammenhang (= Anteil aggressiver Programme an den Importen).<br />

Tab. 5: Geschehensregion der Bedrohungen und Aggressionen<br />

Anzahl Prozent<br />

Nordamerika 920 33,6%<br />

Restliches Europa 511 18,7%<br />

Deutschland 214 7,8%<br />

All/Universum 204 7,4%<br />

Afrika 138 5,0%<br />

Asien 136 5,0%<br />

Südamerika 67 2,4%<br />

Meer/Ozean 52 1,9%<br />

Schweiz 6 0,2%<br />

Österreich 15 0,5%<br />

Nicht identifizierbar 476 17,4%<br />

56


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Die Tabellen 6 und 7 zeigen den Aktualitätsgrad der aggressiven Darstellungen. „Früher”<br />

ist eine dabei durch Kleidung, gezeigte Autos usw. erkennbar nicht mehr ganz aktuelle<br />

Situation (z.B. 70er Jahre). „Nicht identifizierbar” bezieht sich unter anderem auf<br />

Trickfilme.<br />

Die etwas über 20% „real” in der Tabelle 7 kennzeichnen die Aggression aus echten<br />

Informationsprogrammen, „fiktiv” bedeutet: könnte so passieren, stammt aber aus einer<br />

Spielhandlung, „irreal” sind Szenen aus Fantasy-, Science Fiction-, Horror- und<br />

Trickfilmen. Daß sie dennoch „wirken” können, wurde bereits ausgeführt.<br />

Tab. 6: Geschehenszeit der Ereignissequenz (bezogen auf die Realzeit)<br />

Anzahl Prozent<br />

früher 1.205 44.2%<br />

aktuell (heute und gestern) 870 31.9%<br />

in der Zukunft 261 9.6%<br />

live 9 0.3%<br />

nicht identifizierbar 377 13.8%<br />

Tab. 7: Realitätsgrad der Ereignissequenz<br />

Anzahl Prozent<br />

fiktiv 1.436 52.3%<br />

irreal 751 27.4%<br />

real 544 19.8%<br />

semidokumentarisch 10 0.4%<br />

nicht identifizierbar 4 0.1%<br />

Die Schwere <strong>des</strong> Schadens ist eine der zentralen Gewichtungsmöglichkeiten für die<br />

dargestellte Aggression. Die bislang genannten Formen beinhalten auch verbale Angriffe<br />

und sind daher zunächst noch relativ pauschal. Die Tabelle 8 legt die Verteilung auf die<br />

verschiedenen gezeigten Konsequenzen dar. Immerhin entfallen auf vollendeten Tod fast<br />

20% aller Schadensfälle, körperliche Schädigung in diversen Varianten betrifft mehr als<br />

50% der Ereignisse; oder, wieder übertragen auf den Durchschnitt <strong>des</strong> Gesamt-<br />

programms, würde dies heißen,<br />

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daß in bis zu einem Viertel der <strong>deutschen</strong> Fernsehsendungen aggressive Szenen oder<br />

Bedrohungen mit physischen Folgen zu sehen sind.<br />

Der sehr geringe Anteil „psychologischer Folgen“ sagt nicht unbedingt etwas über deren<br />

tatsächliche Häufigkeit aus. Vielmehr entzieht sich diese Kategorie viel stärker einer<br />

einigermaßen „objektiv meßbaren“ Beobachtung und wurde <strong>des</strong>halb im Zweifel nicht<br />

gezählt. Dabei wurde auch nicht berücksichtigt, daß zumeist physische Schäden mit<br />

psychologischen einhergehen.<br />

Tab. 8: Formen der Schädigung<br />

Anzahl Prozent<br />

Drohende Gefährdung 654 23.8%<br />

Leichte Verletzung 554 20.2%<br />

Tod 489 18.5%<br />

Materieller Schaden 427 15.6%<br />

Schwere Verletzung 237 8.6%<br />

Psychologischer Schaden 36 1.3%<br />

Geschädigte Tiere 13 0.5%<br />

Kombination 167 6.1%<br />

Nicht identifizierbar 148 5.4%<br />

<strong>Eine</strong> Schätzung der Anzahl der gezeigten oder angesprochenen Toten ist besonders<br />

schwierig; außerdem ist eine „Leichenzählerei“ noch nicht allzu aussagekräftig. Dennoch<br />

wurde eine vorsichtige „Hochrechnung“ der „Toten einer Woche“ versucht. Nach<br />

Herausrechnen einer in diesen Zeitraum fallenden Flutkatastrophe mit geschätzten über<br />

zigtausend Opfern blieben mehrere tausend (vermutlich min<strong>des</strong>tens 4.000) im Programm<br />

vorkommende Leichen. Hypothese: Dies trägt zumin<strong>des</strong>t zur Selbstverständlichkeit und<br />

Gewöhnung an „Tod in den Medien“ bei, nicht zu vergessen allerdings die emotionalen<br />

Potentiale auch einzelner Bilder, die im Extrem höher sein können als viele andere<br />

zusammengenommen.<br />

Für Aufnahme und Weiterverarbeitung in kognitiver Hinsicht sind allerdings<br />

Handlungsrahmen und Begründungszusammenhang wichtiger. Die Tabelle 9 zeigt die<br />

Verteilung der aggressiven Ereignisse auf verschiedene Programmgenres, aus Tabelle 10<br />

58


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geht der Ereigniskontext hervor. In beiden Fällen sind nur noch Aggressionen und nicht<br />

mehr Katastrophen und Unglücke berücksichtigt.<br />

Tab. 9: Verteilung der aggressiven Handlungen auf die unterschiedlichen Genres<br />

Anzahl Prozent<br />

Nachrichten 299 9.4%<br />

Info/Dock 107 4.4%<br />

Spielfilm 603 24.8%<br />

Serie 630 25.9%<br />

Unterhaltung 112 4.6%<br />

Zeichentrick 707 29.1%<br />

Sonstiges 40 1.6%<br />

In Kindersendungen ohne Trickfilmelemente wurden im <strong>Analyse</strong>zeitraum keine direkt<br />

identifizierbaren Gewaltanteile nachgewiesen.<br />

Relativiert man die Genres am Gesamtprogramm, so schaut die Verteilung der<br />

Aggression bei Nachrichten und Filmen/Serien ähnlich aus wie deren Vorkommen<br />

allgemein. Trickfilme ragen wieder heraus: ihr Aggressionsanteil ist höher als ihr Anteil am<br />

Gesamtprogramm, mit anderen Worten:<br />

Trickfilme sind durch einen besonders hohen Anteil an Gewaltelementen<br />

gekennzeichnet.<br />

59


Tab. 10: Inhalt/Thema der Aggression/Handlungkontext<br />

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Anzahl Prozent<br />

Kriminalität/Verbrechen 906 37.3%<br />

Science<br />

Fiction/Übersinnliches<br />

340 14.0%<br />

Komik 275 11.3%<br />

Alltag/Familie/Ehe/Beziehung 264 10.8%<br />

Krieg 165 6.8%<br />

Politische<br />

Auseinandersetzung<br />

161 6.7%<br />

Jugend/Spiel 56 2.3%<br />

Terrorismus 33 1.3%<br />

Sonstiges 57 2.6%<br />

Nicht identifizierbar 176 6.9%<br />

Beim Ereignisrahmen spielen zunächst genreübergreifend Kriminalität und Verbrechen mit<br />

Abstand die Hauptrolle, Krieg kommt (im Vergleich zum Beispiel zum Februar 1991) im<br />

Programm deutlich seltener vor. Die genrespezifische Verteilung sieht anders aus und<br />

wird in einem späteren Kapitel beschrieben. An zweiter Stelle rangieren Science<br />

Fiction/Fantasy mit einem hohen Anteil an Trickfilmszenen. Interessant ist der gleiche<br />

Aspekt auch bei der „Komik“, die ebenfalls vor allem im Zusammenhang mit Trickfilmen<br />

steht: Schadenfreude mag zwar „normal“ sein, doch ist nicht selbstverständlich davon<br />

auszugehen, daß es ein angeborenes zwingen<strong>des</strong> Bedürfnis nach der Koppelung von<br />

Komik und Gewalt gibt: Hier handelt es sich wohl eher um ein dramaturgisches Mittel, das<br />

das Erregungspotential der Action mit der inhaltlichen Komik verbindet, um höhere<br />

Aufmerksamkeit und Attraktivität zu erzielen.<br />

6.3 Verteilung der Aggression auf einzelne Sender und Programmplätze<br />

Wie verteilen sich die Aggressionen (ohne „Katastrophen“) auf die einzelnen Anbieter?<br />

Zunächst ohne Ausdifferenzierung wurden die Anteile aggressiver Ereignisse an der<br />

insgesamt analysierten Programmzeit berechnet. Tabelle 11 zeigt die Ergebnisse.<br />

60


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Tab. 11: Anteil aggressiver Ereignisse am jeweils insgesamt vom Sender<br />

ausgestrahlten Programm (in Klammern ARD und ZDF mit Vormittagsprogramm<br />

anteilig gemittelt auf Ganztagsprogramm)<br />

Prozent<br />

ARD 6,7% (4,4%)<br />

ZDF 7,2% (4,6%)<br />

ARD/ZDF 2.1%<br />

SAT 1 7.3%<br />

RTL 10.7%<br />

Tele 5 11.7%<br />

PRO 7 12.7%<br />

Der Zeitanteil aggressiver Elemente am eigenen Gesamtprogramm bewegte sich<br />

demnach 1991 um 10% mit senderspezifisch deutlichen Ausschlägen nach oben oder<br />

unten.<br />

Übertragen in ein Blockdiagramm (Abb.4) zeigt sich dabei deutlich, daß die<br />

Aggressionsanteile am Programm bei den Privaten tendenziell höher liegen als bei den<br />

Öffentlich-Rechtlichen. In den speziellen NRW-Regionalschienen auf den Frequenzen der<br />

privaten Anbieter wurden im Erhebungszeitraum keine aggressiven Darstellungen<br />

festgestellt (s.o.).<br />

1991 hatte PRO 7 (höchster Wert) einen fast doppelt so hohen Anteil an<br />

Aggressionsformen wie die ARD (niedrigster Wert, läßt man da.s ARD/ZDF-<br />

Vormittagsprogramm außer acht, das die Aggressionsanteile von ARD und ZDF jeweils<br />

auf unter 5% senken würde). Zu berücksichtigen ist dabei natürlich, daß die vorgegebene<br />

Programmstruktur (Film- und Serienakzent) auch genre-spezifisch Gewaltdarstellungen<br />

wahrscheinlicher macht als ein Programm mit einem größeren Themenspektrum. In<br />

Stunden ausschließlich aggressiver Szenen (Ereignissequenzen) ausgedrückt, reichte da-<br />

bei 1991 das Spektrum von 5 Stunden 45 Minuten (einschließlich <strong>des</strong> gemittelten<br />

ARD/ZDF-Vormittagsprogramms) bei der ARD bis zu 19 Stunden 6 Minuten bei PRO 7.<br />

61


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An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, daß mehrere Sender, so PRO 7 und<br />

RTL, inzwischen (1992) erklärten, ihr Programm gewaltfreier gemacht zu haben. Von<br />

daher müßten die Ergebnisse regelmäßig aktualisiert werden. Allerdings gibt es seit 1993<br />

den Veranstalter Tele 5 nicht mehr.<br />

Bei den Einzelakten sah die Verteilung der Sender insgesamt wie folgt aus (dabei war<br />

auch psychologische Gewalt miterfaßt):<br />

ARD 238 Akte (= 6,6% von allen im Gesamtprogramm aller Sender gezeigten), ZDF 226<br />

(6,2%), ARD/ZDF 36 (1,0%), SAT 1 509 (14%), RTL 736 (20,3%), Tele 5 887 (24,4%),<br />

PRO 7 1000 (27,5%).<br />

Der Vergleich mit der Verteilung der Ereignissequenzen (s.o.) zeigt, daß beim<br />

Berechnungsmodus Einzelakt die Werte weiter auseinanderliegen. PRO7 erhält dabei z.B.<br />

einen viermal so hohen Wert wie die ARD, während der Unterschied bei der<br />

62


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Zeitauswertung über die Ereignissequenz etwa beim Doppelten lag. Man kann darauf<br />

schließen, daß beim Privatsender mehr, dafür aber kürzere Aggressionsszenen<br />

vorkommen. Dies ist charakteristisch für „Action“-Orientierung.<br />

Dies bestätigt sich bei der <strong>Analyse</strong> der durchschnittlichen Längen einer einzelnen<br />

aggressiven Handlung bei den Sendern:<br />

ARD 29,4 sec<br />

ZDF 32,4 sec<br />

ARD/ZDF 29,2 sec<br />

SAT 1 22,9 sec<br />

RTL 22,8 sec<br />

Tele 5 19,5 sec<br />

PRO 7 18,1 sec<br />

Ein einzelner aggressiver Akt dauert also im Durchschnitt bei den Öffentlich-Rechtlichen<br />

rund 50% länger als bei den Privaten. Dies ist u.a. zu interpretieren über unterschiedliche<br />

Genre-Gewichtungen (z.B. Trickfilme bei Tele 5 und PRO 7) sowie verschiedene<br />

Dramaturgien bei <strong>deutschen</strong> und amerikanischen Produktionen (z.B. „Tatort“ gegenüber<br />

„A-Team“).<br />

Auch auf der Ebene der einzelnen aggressiven Handlung kann man nun die Zeitanteile<br />

am Gesamtprogramm <strong>des</strong> Senders bestimmen. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um<br />

das „pure“ Zeigen eines Gewaltvorgangs ohne einen szenischen Themenrahmen:<br />

ARD 2.3%<br />

ZDF 2.6%<br />

ARD/ZDF 1.2%<br />

SAT 1 2.6%<br />

RTL 3.1%<br />

Tele 5 3.4%<br />

PRO 7 3.3%<br />

Auch bei dieser Berechnungsgrundlage ergab sich für 1991 wieder eine ähnliche<br />

Reihenfolge wie bei den anderen Auswertungsmodi. Die Privaten hatten bis zu 50%<br />

höhere Werte als die Öffentlich-Rechtlichen.<br />

63


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Dabei ist die Frage, wie die entsprechenden Zeitanteile überhaupt psychologisch zu<br />

interpretieren sind. Bei einer Sendung ist das Thema Aggression oder Gewalt über<br />

längere Zeit präsent, folgt Handlungsbögen und hat kognitive Reaktionen <strong>des</strong> Zuschauers<br />

zur Folge, z.B. den Versuch, den Mörder zu ermitteln. Auch bei der Ereignissequenz gibt<br />

es vermutlich noch eine kurzfristig ausgeprägtere kognitive Ebene, es wird in Bezug auf<br />

den Kontext einer konkreten Handlung versucht, einen Bedeutungszusammenhang<br />

herzustellen, wichtig für die Konstituierung von Weltbildern. Man könnte die Hypothese<br />

aufstellen, daß der einzelne aggressive Akt, das konkrete Zeigen eines<br />

„Schädigungsvorgangs" als „Bild“ am ehesten eine emotionale Reaktion auslöst und<br />

entsprechend erinnert wird. Schockierende Einzelbilder, die oft nur für wenige Sekunden<br />

(siehe auch die Fernsehnachrichten mit Kriegsausschnitten) gezeigt wurden, können noch<br />

nach Wochen erinnert werden, während eine kompliziertere Einzelstory unter Umständen<br />

schon lange verblaßt ist.<br />

Von daher relativieren sich die zuletzt genannten, vergleichsweise niedrig erscheinenden<br />

Prozentwerte für die konkreten Verhaltensweisen unter Umständen wieder. 3,3% von 21<br />

Stunden Programm kann dann zum Beispiel für täglich 40 Minuten purer Gewaltakte<br />

stehen, als Einzelbilder ohne größere szenische Einbindung.<br />

Welche Berechnung man also auch zugrundelegt: relativer Aggressionsanteil am eigenen<br />

Programm; Länge der gezeigten Gewalt; Anzahl aggressiver Akte - die Verteilung<br />

zwischen den Sendern sieht ähnlich aus. Die Privaten lagen höher als die Öffentlich-<br />

Rechtlichen, die ARD hatte die niedrigsten, PRO 7 die höchsten Werte (1991).<br />

Immerhin bestätigt das Ergebnis die Hypothese, daß Spielfilm-/Serienbetonung und<br />

dabei hohe US-Importraten (s.o.) die Häufigkeit aggressiver Szenen ansteigen lassen.<br />

<strong>Eine</strong> weitergehende Hypothese besagt, daß diese Film- und Serienbetonung besonders<br />

auch mit einem höheren Anteil an direkt gezeigter extremer Gewalt verbunden ist. Um<br />

dies zu überprüfen, analysierten wir die „Mordraten“ der Sender, ein Kriterium, bei dem für<br />

die Kategorisierung anders als bei psychologischer Gewalt, auch für den Zuschauer<br />

besonders wenig Interpretationsspielraum bleibt: jemand ist tot oder nicht, ein mehr oder<br />

weniger gibt es hier nicht. Die Abbildung 5 zeigt das Ergebnis, die Hypothese wird<br />

bestätigt. Der Trend aus Abbildung 4 stellt sich noch deutlicher dar, der höchste<br />

„Mordszenenwert“ (PRO 7) war dreimal so hoch wie der niedrigste (ARD). Hier spielten<br />

64


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nun Trickfilme eine viel geringere Rolle, auf sie entfielen rund 8% der gezeigten Morde<br />

(s.u.).<br />

Allerdings sagt dieses Ergebnis zwar etwas aus über die Häufigkeitswahrscheinlichkeiten,<br />

im Programm auf extreme Gewalt zu treffen, immer noch kann aber auch eine einzige<br />

Mordszene aus einem Programm mit einem ansonsten niedrigen Gewaltanteil sehr<br />

drastisch sein und u.U. stärkere emotionale Wirkungen hinterlassen, beispielsweise eine<br />

Kidnapping-Szene mit angedeuteter Vergewaltigung aus einer ARD-Produktion.<br />

Dennoch: Die „Selbstverständlichkeiten“ von Mordszenen variieren. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, daß in einer solchen Szene häufig auch mehrere oder gar viele<br />

Menschen gleichzeitig umgebracht werden.<br />

65


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Ohne weitere Differenzierung als Durchschnittswert auf Tage und Stunden umgerechnet<br />

bedeuten die Zahlen, daß<br />

im Schnitt im Gesamtprogramm täglich fast 70 Mordszenen vorkommen (481 in einer,<br />

Woche).<br />

Noch einmal: Diese fast 500 Mordszenen wöchentlich können sich dabei jeweils auf die<br />

Tötung auch mehrerer Menschen beziehen. Auch ein Massenmord, in einer Szene<br />

gezeigt, bliebe danach eine Mordszene. <strong>Eine</strong> spätere Tabelle zeigt, daß bei Trickfilmen<br />

die „Mordraten“ in Bezug auf ihren Anteil an den anderen Genres deutlich niedriger (8,3)<br />

als ihr Gesamt-Aggressionsanteil lagen. Mit anderen Worten: Mord ist für Trickfilme<br />

weniger typisch als andere Aggressionsformen, kommt aber auch vor, z.B. Aufspießen<br />

eines Körpers auf einen gigantischen Stachel mit To<strong>des</strong>folge.<br />

Im Erhebungszeitraum waren bei den einzelnen Sendern durchschnittlich zu sehen:<br />

– bei PRO 7 pro Tag fast 20 Mordszenen, oder fast stündlich eine;<br />

– bei Tele 5 und<br />

– RTL pro Tag jeweils etwas mehr als 13 Mordszenen, bzw. knapp alle zwei Stunden eine;<br />

– bei SAT 1 täglich rund 9;<br />

– beim ZDF pro Tag rund 7 solcher Szenen; - bei der ARD etwas weniger als 6;<br />

– am Vormittag in ARD und ZDF etwas mehr als 2 Mordszenen.<br />

Dies sind Durchschnittsangaben. Tatsächlich kommen in vielen Sendungen Häufungen<br />

von Mordszenen vor, sind dafür in anderen über mehrere Stunden hinweg gar keine zu<br />

sehen. Daher ist besonders auch die Tageszeitanalyse wichtig (s.u.). Bei Nachrichten<br />

mag das Zeigen von Toten sogar abschreckende Wirkungen haben, dennoch belegen die<br />

Ergebnisse:<br />

Die Tötung von Menschen ist zum Teil zu einem selbstverständlichen Programmelement<br />

geworden.<br />

Häufig problematisiert, weil die einzelnen Fälle besonders drastisch dargestellt und<br />

entsprechend erlebt werden, sind direkte Vergewaltigungen, andere sexuelle Gewalt und<br />

schwere Sittlichkeitsdelikte. Ohne Berücksichtigung der Prägnanz fallen sie zahlenmäßig<br />

im Erhebungszeitraum auch in Erotikfilmen im Vergleich zu anderen Aggressionsformen<br />

66


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so gut wie gar nicht ins Gewicht (über alle Sender hinweg 12 Ereignisse). Allerdings ist<br />

hier nochmals anzumerken, daß gerade bei diesem Thema jede einzelne Darstellung sehr<br />

traumatisch wirken mag. Frühere qualitative <strong>Analyse</strong>n einzelner Vergewaltigungsszenen<br />

ergaben z.T. eine sehr drastische, weil langsam aufgebaute Dramaturgie mit<br />

entsprechendem Angstpotential.<br />

Daß mit einer stärkeren Betonung von Spielfilmen und Serien auch höhere<br />

Aggressionsanteile einherzugehen scheinen, wurde schon angesprochen. Wie sieht nun<br />

tatsächlich die Verteilung einzelner Aggressionsformen auf die verschiedenen Genres in<br />

den verschiedenen Sendern aus? Dazu werden mehrere Arten von Ergebnissen<br />

präsentiert. Zunächst pro Sender aufgeteilt nach drei zusammengefaßten<br />

Genrekategorien der Anteil aggressiver Elemente am jeweiligen Gesamtprogramm. Dann<br />

die Verteilung der Sender jeweils mit ihrem prozentualen Beitrag zur<br />

Nachrichtenaggression, zur Trickfilmaggression usw. Schließlich die Anteile einzelner<br />

Aggressionsformen an der Gesamtsendezeit der einzelnen Genres.<br />

Tab. 12: Aggressive Anteile der drei zusammengefaßten Genres INFORMATION;<br />

FICTION; TRICKFILM an der Gesamtsendezeit pro Sender (in %)<br />

INFORMATION<br />

SPIELFILM/<br />

SERIE<br />

TRICKFILM SUMME<br />

ARD 1.8 3.5 1.1 6.4<br />

ZDF 2.9 3.9 1.1 7<br />

ARD/ZDF 1 1 - 2<br />

SAT 1 0.8 5.6 0.4 6.8<br />

RTL 0.5 8.7 1.8 11<br />

Tele 5 0.5 4.2 5.8 10.5<br />

PRO 7 0.2 9.6 2.9 12.7<br />

Die Summen in der Tabelle 12 weichen leicht von den Werten aus Tabelle 11 ab, da hier<br />

die Rest-Genres nicht mehr berücksichtigt wurden. Je mehr Information ein Sender<br />

ausstrahlt, <strong>des</strong>to größer wird natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, daß dort<br />

vorkommende aggressive Szenen einen höheren Anteil am Gesamtprogramm haben. So<br />

verwundert nicht, daß z.B. bei Information ARD und ZDF in Bezug auf ihr jeweils eigenes<br />

Gesamtprogramm relativ höhere Werte als die anderen haben, PRO 7 und RTL bei<br />

67


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Spielfilm und Serie besonders hoch rangieren. Nimmt man dagegen den Anteil von<br />

Gewalt pro Genre pro Sender, relativiert sich dieses Bild unter Umständen wieder (s.u.).<br />

Faßt man die genrespezifischen Aggressionen, z.B. „Nachrichtengewalt“, „Spielfilmgewalt“<br />

etc, zusammen, welchen Anteil haben dann - weiterhin ungeachtet der verschiedenen<br />

Genrelängen - jeweils die einzelnen Sender daran (siehe Tabellen 13 bis 15)? (Wieviel<br />

trägt zum Beispiel SAT 1 zur gesamten verbalen Spielfilm-Aggression bei?) „Reality-TV“<br />

spielte Mitte 1991 im Programm noch keine zahlenmäßig wichtige Rolle, wurde daher<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Tab. 13: Anteile verbaler Aggression innerhalb der Genres (Sequenzen in<br />

absoluten Zahlen)<br />

ARD ZDF SAT 1 RTL Tele 5 PRO 7 TOTAL<br />

NACHRICHTEN 1 0 1 0 0 2 4<br />

INFO/DOCU 1 0 0 0 2 0 3<br />

SPIELFILM 4 0 19 5 7 7 42<br />

SERIE 0 0 8 11 4 10 33<br />

UNTERHALTUNG 0 0 6 1 3 0 10<br />

ZEICHNTRICK 1 1 0 5 14 7 28<br />

SONTIGES 2 0 0 0 0 0 2<br />

Tab. 14: Anteile der Gewalt gegen Sachen innerhalb der Genres (Sequenzen in<br />

absoluten Zahlen)<br />

ARD ZDF ARD/ZDF SAT 1 RTL Tele 5 PRO 7 TOTAL<br />

NACHRICHTEN 12 10 3 6 7 7 4 49<br />

INFO/DOCU 6 9 2 10 0 3 0 30<br />

SPIELFILM 4 9 0 18 22 25 34 112<br />

SERIE 6 5 1 27 47 9 38 133<br />

UNTERHALTUNG 0 1 1 11 2 13 0 28<br />

ZEICHNTRICK 6 5 0 15 27 47 48 198<br />

SONTIGES 2 1 0 0 0 4 0 7<br />

68


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Tab. 15: Anteile der schweren körperlichen Gewalt innerhalb der Genres<br />

(Sequenzen in absoluten Zahlen)<br />

ARD ZDF ARD/ZDF SAT 1 RTL Tele 5 PRO 7 TOTAL<br />

NACHRICHTEN 10 9 3 10 19 2 6 59<br />

INFO/DOCU 3 8 3 12 3 12 0 41<br />

SPIELFILM 16 14 0 41 57 45 112 285<br />

SERIE 12 13 4 38 77 24 100 268<br />

UNTERHALTUNG 1 2 1 5 1 15 0 25<br />

ZEICHNTRICK 33 12 0 3 39 81 98 266<br />

SONTIGES 4 2 0 0 1 10 0 17<br />

Der Vergleich der Tabellen zeigt zunächst, daß auf verbale Gewalt (auch aufgrund der<br />

Berücksichtigung nur eindeutiger Fälle) insgesamt vergleichsweise wenige Ereignisse<br />

entfallen, sie bei Informationssendungen so gut wie gar nicht vorkommt. Aufgrund der<br />

niedrigen Fallzahlen sind Genre-proSender-Ergebnisse als Prozente hier nicht mehr<br />

interpretierbar. Über alle Genres zusammen fällt allerdings der Unterschied verbaler<br />

Aggression zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen auf. Die niedrigen Werte der Öf-<br />

fentlich-Rechtlichen mögen auch damit zusammenhängen, daß von ihnen immer noch<br />

eher eine gesetztere Sprache gepflegt wird. Inzwischen gibt es zudem besonders bei den<br />

Privaten Talk-Sendungen/Kontroversen, die gerade auf verbale Aggressionen setzen.<br />

Auch Gewalt gegen Sachen und körperliche Gewalt sind in den unterhaltenden Genres<br />

öfter zu finden als in Informationsprogrammen und bei den Privaten mehr als bei den<br />

Öffentlich-Rechtlichen. In Relation zueinander haben dabei die Sender jeweils eine<br />

„aggressive Spezialität“, die sie gegenüber den anderen deutlich auszeichnet: So kommt<br />

in den ARD- und ZDF-Nachrichten (mit allerdings nicht sehr hohen Fallzahlen) viel<br />

häufiger als bei den anderen Gewalt gegen Sachen vor, führt RTL bei der körperlichen<br />

Gewalt in Nachrichten, taucht verbale Gewalt öfter in SAT 1-Spielfilmen auf als bei<br />

anderen, liegt PRO 7 bei der körperlichen Gewalt in Spielfilmen und Serien vorne und<br />

teilen sich PRO 7 und Tele 5 die „Führung“ bei der Trickfilmgewalt (körperlich), siehe die<br />

Tabellen 13 bis 15.<br />

Am aussagekräftigsten allerdings dürften in diesem Zusammenhang letztlich die relativen<br />

Beiträge der Gewalt zu allen Programmen innerhalb eines Genres innerhalb eines<br />

69


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Senders (in %) sein. Die folgenden Tabellen zeigen daher die Programmanteile von<br />

Aggression an den Genres innerhalb der Sender (Wieviel Aggression kommt zum Beispiel<br />

in den ZDF-Nachrichten vor?). Aus den Abbildungen geben die absoluten Verteilungen<br />

hervor.<br />

Tab. 16: Gewalt (allgemein) pro Sender als Anteil am Genre<br />

ARD ZDF ARD/ZDF SAT 1 RTL Tele 5 PRO 7<br />

NACHRICHTEN 8.1% 11.3% 9.7% 12.3% 15.4% 9.4% 10.2%<br />

INFO/DOCU 5.8% 4.1% 1.0% 3.8% 2.0% 2.8% 13.5%<br />

SPIELFILM 15.8% 20.8% 0.0% 11.4% 16.0% 23.5% 11.4%<br />

SERIE 3.4% 3.8% 3.8% 9.3% 12.4% 6.8% 11.9%<br />

ZEICHENTRICK 8.6% 12.3% 0.0% 21.3% 14.9% 21.6% 21.5%<br />

Prozentzahlen beziehen sich auf Gesamtprogrammzeit pro Sender und Genre<br />

Tab. 17: Körperliche Gewalt pro Sender als Anteil am Genre<br />

ARD ZDF ARD/ZDF SAT 1 RTL Tele 5 PRO 7<br />

NACHRICHTEN 1.4% 0.7% 1.3% 2.5% 7.6% 0.3% 2.6%<br />

INFO/DOCU 0.5% 1.3% 0.1% 2.7% 1.9% 1.4% -<br />

SPIELFILM 7.6% 5.6% - 3.8% 8.4% 8.6% 5.5%<br />

SERIE 1.5% 1.8% 1.8% 3.4% 4.3% 2.6% 4.6%<br />

ZEICHENTRICK 4.3% 7.9% - 5.5% 4.0% 5.5% 9.0%<br />

Prozentzahlen beziehen sich auf Gesamtzeit pro Sender und Genre<br />

Relativ zum eigenen Nachrichtenangebot hatte RTL 1991 die höchsten<br />

Aggressionsanteile (allgemein und speziell körperlich). Bei der körperlichen Gewalt lagen<br />

sie bei RTL dreimal höher als bei den beiden nächstfolgenden Sendern SAT 1 und PRO 7<br />

und bis zum Siebenfachen höher als bei ARD und ZDF. Verglichen mit Spielfilmen und<br />

Serien sind allerdings all diese (Informations-) Aggressionsdarstellungen in absoluten<br />

Zahlen vergleichsweise niedrig.<br />

Noch einmal: Viel höhere Werte werden bei Spielfilm und Serien („Fiction“) erreicht. Faßt<br />

man beide zusammen, so führten (je nach Aggressionsform wieder unterschiedlich) im<br />

Durchschnitt die Privaten, z.B. RTL und Tele 5 bei der körperlichen Gewalt in Spielfilmen<br />

70


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(jeweils rund 8,5% Aggressionsanteile am gesamten Spielfilmangebot). Während aber bei<br />

Spielfilmen z.B. auch ARD und ZDF, das bei allgemeiner Gewalt in Spielfilmen mit 20,8%<br />

an zweiter Stelle lag, noch höhere Anteile hatten, waren bei den Serien („Fiction“) die<br />

Aggressionsprozente der Privaten deutlich größer als die der Öffentlich-Rechtlichen.<br />

An Tabelle 17 ist zudem interessant, daß die Summierung aller Zeiten einen Wert von<br />

mehr als 25 Stunden ergibt. Während bislang die Anteile am Gesamtprogramm als<br />

Prozente der Ereignisse angegeben worden waren, ist der letztgenannte Wert ein<br />

Zeitindikator. Mit anderen Worten:<br />

Im <strong>deutschen</strong> Fernsehen wurden in einer Woche aufsummiert rund 25 Stunden<br />

körperliche Gewaltszenen gezeigt.<br />

Bezogen auf die ca. 750 Stunden Programm ergibt dies zwar nur einen Wert von 3,3%,<br />

das bedeutet aber immer noch, daß umgerechnet alle 30 Minuten eine Minute physische<br />

Gewalt gezeigt würde. Zudem, und dies ist letztlich der realitätsnähere Aspekt, stehen<br />

diese 25 Stunden für pure körperliche Aggressionen (s.o.). Zum einen sind sie jedoch<br />

eingebettet in z.T. größere Handlungskontexte, zum anderen gibt es darüberhinaus die<br />

zahlenmäßig noch mehr ins Gewicht fallenden anderen Aggressionsformen. Noch einmal:<br />

die Zahlen sind vor allem Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit, im Programm Gewalt und<br />

Aggressionen zu begegnen.<br />

An dieser Stelle sollen für die Genres abschließend noch einmal Blockdiagramme die<br />

absoluten Zeiten von (körperlicher) Gewalt im Sendervergleich wiedergeben. Dabei sind<br />

die Referenzpunkte zwischen den Blockdiagrammen unterschiedlich, z.B. bei Spielfilm<br />

12.000 als höchster Wert, bei Info/Docu 1.000; d.h. im Direktvergleich müßten die Info-<br />

Balken weniger als ein Zehntel der Spielfilm-Balken ausmachen.<br />

71


72<br />

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Den über alle Sender und Genres hinweg absolut höchsten Wert hatte 1991 PRO 7 mit<br />

pro Woche 3 Stunden und fast 17 Minuten Spielfilm-Szenen, die ausschließlich<br />

körperliche Gewalt zeigten, natürlich verteilt auf verschiedene Handlungskontexte. Auch<br />

bei Serien führte PRO 7 mit einem noch einmal annähernd gleichen Wert von mehr als 3<br />

Stunden.<br />

Die meiste Trickfilmaggression kam bei Tele 5 vor, gefolgt von PRO 7.<br />

Nachrichtenaggression war auch absolut gesehen am häufigsten bei RTL vertreten. In<br />

Dokumentationen kam das Thema Gewalt am häufigsten bei SAT 1 und ZDF vor.<br />

Zwischen den Genres sind die Unterschiede z.T. so groß, daß zum Beispiel<br />

Spielfilmaggression eine andere Funktion (und Wirkung) bei den Zuschauern haben kann<br />

als Nachrichtengewalt (siehe die Differenzierung nach Physiologie, Emotion, Kognition),<br />

berücksichtigt man den Stellenwert der Nachrichtenaggression für pure Information oder<br />

gar ihre häufig abschrekkende Wirkung, wenn sie nicht voyeuristisch eingesetzt wird.<br />

73


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Während Erwachsene diese Differenzierungen meist zumin<strong>des</strong>t kurzfristig recht gut<br />

leisten können, sind eine mögliche Problemgruppe Kinder jüngeren Alters.<br />

Ein wesentliches Moment in der Debatte über Gewaltdarstellungen ist dabei der Aspekt<br />

Jugendschutz. Für den Zeitraum nach 23 Uhr gelten hier andere Regelungen (auch wenn<br />

nach Daten vom Beginn der neunziger Jahre selbst zu dieser Stunde zumin<strong>des</strong>t samstags<br />

noch zwischen 300.000 und 500.000 6- bis 13-jährige Kinder vor dem Bildschirm sitzen;<br />

siehe dazu auch die Debatte über die Verantwortung der Eltern). Die folgenden Tabellen<br />

zeigen den Faktor körperliche Gewalt verteilt auf die verschiedenen Sender und<br />

Tageszeiten. Insgesamt fand bei Umrechnung der in der Tabelle unterschiedlichen<br />

Zeitabstände auf einen Zwei-Stunden-Rhythmus die Ballung der Fernsehgewalt vor 23<br />

Uhr im Vorabendprogramm (18:00 - 20:00 Uhr) statt, vermutlich bedingt durch die<br />

Häufung der Serien. Die Senderanteile an der Aggression zwischen 18:00 - 20:00 Uhr (da<br />

zu diesem Zeitpunkt alle ausstrahlen, entfällt eine Relativierung): ARD: 7,9%; ZDF: 5,5%;<br />

SAT 1: 3,9%; RTL: 22,8%; Tele 5: 7,9%; PRO 7: 52,0%. Die absoluten Zahlen<br />

(Ereignissequenzen) zeigt die Abbildung 11.<br />

Dazu ist zu berücksichtigen, daß in dieser Zeit unterschiedliche Aggressionsformen<br />

gezeigt wurden: von der Trickfilm- bis hin zur realen Gewalt. Pauschal kann dabei nichts<br />

darüber gesagt werden, welche Form ein höheres Wirkungspotential hat (s.o.).<br />

74


6 - 14 Uhr<br />

14 - 18 Uhr<br />

18 - 20 Uhr<br />

20 - 22 Uhr<br />

22 - 23 Uhr<br />

23 - 5 Uhr<br />

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Tab. 18: Körperliche Gewaltdarstellungen zu verschiedenen Tageszeiten<br />

(Sequenzen)<br />

ARD ZDF<br />

14<br />

4,8%<br />

32<br />

17,3%<br />

10<br />

7,9%<br />

12<br />

11,0%<br />

6<br />

8,6%<br />

5<br />

2,8%<br />

4<br />

1,4%<br />

18<br />

9,7%<br />

7<br />

5,5%<br />

11<br />

10,1%<br />

3<br />

4,3%<br />

17<br />

9,4%<br />

ARD/<br />

ZDF<br />

11<br />

3,8%<br />

0<br />

.0%<br />

0<br />

.0%<br />

0<br />

.0%<br />

0<br />

.0%<br />

0<br />

.0%<br />

SAT 1 RTL Tele 5 PRP 7 Σ<br />

44<br />

15,2%<br />

25<br />

13,5%<br />

5<br />

3,9%<br />

26<br />

23,9%<br />

0<br />

.0%<br />

9<br />

5,0%<br />

66<br />

22,8%<br />

29<br />

15,7%<br />

29<br />

22,8%<br />

20<br />

18,3%<br />

14<br />

20,0%<br />

39<br />

21,7%<br />

66<br />

22,8%<br />

29<br />

15,7%<br />

10<br />

7,9%<br />

17<br />

15,6%<br />

24<br />

34,3%<br />

43<br />

23,9%<br />

85<br />

29,3%<br />

52<br />

28,1%<br />

66<br />

52,0%<br />

23<br />

21,1%<br />

23<br />

32,9%<br />

67<br />

37,2%<br />

290<br />

(30,2%)<br />

185<br />

(19,3%)<br />

127<br />

(13,2%)<br />

109<br />

(11,3%)<br />

70<br />

(7,3%)<br />

180<br />

(18,7%)<br />

79 60 11 109 197 189 316 961<br />

75


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Im Vorabendprogramm zwischen 18:00 und 20:00 gab es 1991 im Vergleich zu den<br />

anderen Tages- und Nachtzeiten vor 23 Uhr eine besondere Ballung von körperlichen<br />

Gewaltdarstellungen.<br />

In Zahlen: In diesen Zeitraum fielen in einer Woche 127 Szenen, in denen teils extreme<br />

körperliche Aggressionen gezeigt wurden, oder:<br />

Täglich bis zu 20 Gewaltszenen zwischen 18:00 und 20:00.<br />

<strong>Eine</strong> andere aktuellere Studie (Groebel und Klingler, 1991) belegt, daß gerade am<br />

Vorabend die meisten jüngeren Kindern vor dem Bildschirm sitzen.<br />

Während die Verantwortlichkeit der Sender für Kinder bislang nach 23 Uhr endet, ist eine<br />

so starke Häufung von Aggression im Vorabend- und Tagesprogramm auch aufgrund der<br />

Hinweise zahlreicher Wirkungsstudien vermutlich problematisch. Inzwischen (1992) haben<br />

allerdings fast alle Anbieter eine „Entschärfung" <strong>des</strong> Vorabendprogramms angekündigt<br />

bzw. vorgenommen.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Zeitanalyse bezog sich auf die Wochentage. Hier zeigte sich ein zu<br />

erwarten<strong>des</strong> Ergebnis: Auf die Tage Montag bis Donnerstag entfiel ein Tagesdurchschnitt<br />

von 13,8% aller gezeigten Gewalt, auf Freitag 13,9%, auf Sonntag 14,2%, deutlich am<br />

höchsten lag mit 16,5% der Samstag.<br />

6.4 Qualitative Gewaltstruktur<br />

Die folgenden Ergebnisse behandeln die Einzelaggressionen, also jede Handlung, bei der<br />

explizit die Ausübung eines Angriff bis zum Ende <strong>des</strong> Schädigungsvorgangs gezeigt wird.<br />

Hierbei geht es um den motivationalen und emotionalen Rahmen für einen einzelnen Akt.<br />

In einer Ereignissequenz (s.o.) können gleichzeitig mehrere Motive angesprochen<br />

werden, z.B. Angriff (= AH 1) und Verteidigung (= AH 2), beim Einzelakt ist jedoch von<br />

einer meist eindeutigen „Qualität" der Aggression auszugehen. Noch einmal: Insgesamt<br />

kamen 3.632 solcher Handlungen vor. Bezogen auf das Gesamtprogramm aller Sender<br />

entspricht dies einem Zeitanteil von 2,9%. Mit anderen Worten, fast 25 Stunden aller<br />

untersuchten Programmstunden entfielen auf das unmittelbare Ausüben von Gewalt, ohne<br />

daß dabei schon die für den Aufbau einer aggressiven Szene u.U. wesentlichen<br />

Kontextinformationen berücksichtigt worden wären. Die Zählung der Einzelakte erhöht<br />

gegenüber der Zählung der Ereignissequenzen überproportional den Anteil von<br />

76


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Actionszenen, die schnell aufeinanderfolgen, im Vergleich zu langsam aufgebauten,<br />

gerade dadurch häufig intensiv wahrgenommenen „allmählichen“ Gewalttaten.<br />

Letztlich kommt es bei der Wahl der Ebene auf das Bedeutungsinteresse an. Wir hatten<br />

uns dafür entschieden, mit unterschiedlichen Schwerpunkten Sendungs-, Sequenz- und<br />

Einzelaktebene auszuwerten.<br />

In den folgenden <strong>Analyse</strong>n geht es genau um das Potential für die Schaffung eines<br />

Bedeutungskontexts rund um eine einzelne aggressive Handlung. Wie werden Täter und<br />

Opfer dargestellt? Welche motivationalen Erklärungen bietet man für Gewalt an? Welche<br />

Themenrahmen gibt es dabei? Für jeden Akt wurden diese Kontextinformationen (z.T. aus<br />

der Ereignissequenz erschlossen, siehe Methodenabschnitt) analysiert.<br />

6.4.1 Inhalt und Form der Aggression<br />

Auch für die Einzelakte wurde zunächst noch einmal die häufigste inhaltliche Thematik der<br />

Aggression bestimmt. Hier waren ähnliche Ergebnisse zu erwarten wie bei der<br />

Ereignissequenz, ein etwas höherer Anteil allerdings bei Komik, da hier<br />

Trickfilmaggression mit größeren Anteilen einzelner Akte pro Ereignissequenz zu Buche<br />

schlagen dürfte. Die Tabelle 19 bestätigt das Ergebnis. Reihenfolge und Prozentwerte<br />

sind nahezu identisch mit den Werten der Ereignissequenz, siehe oben, tatsächlich<br />

entfällt auf Komik ein etwas höherer Anteil, ist dafür der Bereich Alltag und Familie<br />

deutlich geringer repräsentiert (siehe nochmals zum Vergleich die Tabelle 10). Dra-<br />

maturgische Schlußfolgerung an dieser Stelle: gerade Gewalt, die sich auf Familie und<br />

Alltag bezieht, wird entsprechend von einem größeren zeitlichen Bedeutungsrahmen<br />

umgeben, es entfallen darauf weniger Anteile von Einzelaggressionen.<br />

Kriminalität<br />

Komik<br />

Science Fiction<br />

Alltag/Familie<br />

Krieg<br />

Sonstige<br />

N = 3.632<br />

Tab. 19: Häufigste inhaltliche Thematik der Aggression<br />

38,8%<br />

13,3%<br />

13,2%<br />

7,5%<br />

6,1%<br />

21,1%<br />

77<br />

(1.376)<br />

(471)<br />

(469)<br />

(266)<br />

(217)<br />

(833)


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Welche Struktur hat die im Fernsehen gezeigte Gewalt, welche Arten von Aggressionen<br />

kommen vor? Auf der Grundlage der einzelnen Handlungen zeigte die <strong>Analyse</strong> zunächst<br />

ein Überwiegen der leichteren bis mittleren Aggressionen. Dabei ist allerdings zu<br />

berücksichtigen, daß ein Akt gleichzeitig mehrere Aggressionsformen aufweisen konnte.<br />

So konnte z.B. bei zwei Kämpfen einer der Beteiligten eine leichte Körperverletzung<br />

davontragen, der andere aber eine schwere, oder auch eine Schlägerei mit gleichzeitiger<br />

Beschimpfung einhergehen. Wie in der Tabelle 20 gezeigt, wurden alle auch gleichzeitig<br />

vorkommenden Einzelhandlungen aufsummiert, die Ergebnisse geben den Anteil der<br />

einzelnen Formen wieder.<br />

Auf schwere Formen von Gewalt, das heißt Gewaltakte mit physischen Folgen von der<br />

schweren Körperverletzung an aufwärts, entfallen zusammengerechnet rund 43,7%. Also<br />

nicht ganz die Hälfte aller aggressiven Handlungen sind dem Bereich extremer physischer<br />

Gewalt zuzurechnen. Es fällt auch bei der Prozentverteilung auf, daß im<br />

Untersuchungszeitraum explizit gezeigte sexuelle Gewalt nahezu nicht vorkam. Ebenso<br />

gehören „Selbstaggressionen“ nicht zu den üblichen Mustern. Auch wenn hier die<br />

Quantität keine Rolle spielt, so können beide Formen, Vergewaltigung und Selbstmord,<br />

wenn gezeigt, besonders drastisch und schockierend wirken. Hier gab es in den letzten<br />

Jahren immer wieder spektakuläre Fälle, die besonders hohe Aufmerksamkeit in der<br />

Öffentlichkeit bekamen und die sehr oft auch in der Wirkungsdebatte hinzugezogen<br />

wurden.<br />

Durch das <strong>Analyse</strong>vorgehen wurden indirekte und psychologische Aggressionen nur dann<br />

aufgenommen, wenn sie explizit aus einem einzelnen Akt erschlossen werden konnten.<br />

Subtil über einen ganzen Film aufgebaute existentielle Vernichtungen z.B. konnten so<br />

nicht berücksichtigt werden.<br />

Entsprechend mag deren Anteil hier unterschätzt werden. Immerhin gab e auch etliche<br />

Fälle, siehe Tabelle 20, bei denen eindeutig auf existenziell Vernichtung hin gehandelt<br />

wurde. Allerdings spielten sie im Vergleich z den „visuell klaren“, für Kinder vermutlich<br />

relevanteren Aggressionsforme: eine immer noch eher geringe Rolle.<br />

78


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Tab. 20: Art der aggressiven Akte<br />

Von allen Handlungen (= insgesamt 180%, da mehrere aggressive Handlungen<br />

gleichzeitig möglich waren): Grundlage N = 3.632<br />

KÖRPERLICHER ZWANG/LEICHTE KÖRPERVERLETZUNG<br />

BEDROHUNG DURCH KÖRPERHALTUNG<br />

SACHBESCHÄDIGUNG<br />

MORD<br />

SCHLÄGEREI<br />

SCHWERE KÖRPERVERLETZUNG<br />

BESCHIMPFUNG<br />

ANSCHLAG/ATTENTAT<br />

ÜBERFALL<br />

VERHAFTUNG<br />

VERBALE ANDROHUNG EXISTENTIELLER VERNICHTUNG<br />

ENTFÜHRUNG/GEISELNAHME<br />

VERBALE ANDROHUNG PHYSISCHER GEWALT<br />

DIEBSTAHL<br />

RAUB<br />

FOLTER<br />

LEICHTE SELBSTBESCHÄDIGUNG<br />

BRANDSTIFTUNG<br />

ERPRESSUNG<br />

VERBALE ANDROHUNG PSYCHOLOGISCHER SCHÄDIGUNG<br />

SELBSTMORD<br />

VERGEWALTIGUNG<br />

SCHWERE SELBSTVERSTÜMMELUNG<br />

AMOKLAUF<br />

SITTLICHKEITSDELIKT<br />

38,8%<br />

31,9%<br />

23,5%<br />

14,8%<br />

13,8%<br />

10,7%<br />

10,4%<br />

7,4%<br />

5,5%<br />

5,1%<br />

4,2%<br />

3,6%<br />

3,4%<br />

1,3%<br />

1,2%<br />

1,2%<br />

1,0%<br />

0,9%<br />

0,6%<br />

0,4%<br />

0,4%<br />

0,4%<br />

0,2%<br />

0,1%<br />

0,0%<br />

<strong>Eine</strong> besondere wichtige Frage bei der Darstellung von Aggression ist die nach ihrer<br />

formalen Präsentation. Die physiologischen Wirkungen, aber auch die emotionalen<br />

Reaktionen werden stark gesteuert durch Spezialeffekte und besondere Kameraführung.<br />

Hier wurden in knapp zwei Drittel aller Darstellungen entsprechende visuelle oder<br />

79


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akustische Mittel benutzt. Der überwiegende Teil mit mehr als 50% entfiel auf zusätzliche<br />

Musik- und Soundeffekte. Optische Spezialeffekte gab es in fast 18% der Fälle und ein<br />

Näherrücken der Kamera in 17% der Fälle, siehe Tabelle 21.<br />

Interessant ist neben diesem zu erwartenden Ergebnis die Frage, ob es eine Beziehung<br />

zwischen Schadensintensität und formaler Aufbereitung gibt, konkreter, ob mit<br />

zunehmender Schwere <strong>des</strong> Schadens auch die Kamera näher heranrückt. Dazu gibt die<br />

Tabelle 22 die Antwort. Tatsächlich wird von den verschiedenen Formen körperlicher<br />

Schädigung Tod am häufigsten in Nahaufnahme gezeigt. Auch wenn bei Mord immer<br />

noch eine normale Kameraführung überwiegt: Hier gibt es immerhin 136 einzelne Fälle, in<br />

denen die Kamera an den Toten heranrückt. Inwieweit dies auf voyeuristische Weise<br />

geschieht, erschließt sich durch eine Inhaltsanalyse nicht.<br />

Insgesamt wurden immerhin in einer Woche 136 Mal Sterben oder Tod im Detail gezeigt.<br />

Zusätzliche Musik/Pfandeffekten<br />

Special Effects<br />

Kamera näher<br />

Sonstiges<br />

N = 1.996<br />

Tab. 21: Formale Präsentation der aggressiven Akte<br />

50,7%<br />

17,7%<br />

17,2%<br />

16,4%<br />

Tab. 22: Werden bestimmte Schäden in Nah-/Detailaufnahme gezeigt?<br />

Leichte Verletzung<br />

Schwere Verletzung<br />

Tod<br />

Ja Nein Σ<br />

49<br />

5,8%<br />

21<br />

7,8%<br />

136<br />

21,1%<br />

206<br />

11,7%<br />

795<br />

94,2%<br />

249<br />

94,2%<br />

509<br />

78,9%<br />

1553<br />

88,3%<br />

844<br />

(48,0%)<br />

270<br />

(15,3%)<br />

645<br />

(36,7%)<br />

1759<br />

100,0%<br />

Aggressionen können in sehr unterschiedlichen Konfliktsituationen auftreten. Es kann<br />

sich um Schlägereien unter Personen mit gleichen Ausgangschancen handeln, es kann<br />

80


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ebenso um die eindeutige Überwältigung einzelner Personen durch mächtigere Gegner<br />

gehen. Die letzte Form scheint bei weitem zu überwiegen. In fast 3/4 aller Fälle wurde<br />

eine eindeutige Aggressor-Opfer-Situation gezeigt, gleiche Ausgangschancen durch<br />

Bewaffnung oder Stärke waren dabei nicht gegeben.<br />

Die häufigste Form gezeigter Gewalt ist also die eines klar dominierenden Angreifers,<br />

der einen anderen oder eine andere schädigt und/oder überwältigt.<br />

Tab. 23: Aggressor/Opfer- vs. Gleichberechtigte Konfliktsituation<br />

Eindeutige Aggressor/Opfer-Situation:<br />

Gleichberechtigte Konfliktsituation:<br />

N = 3.590<br />

71,1%<br />

28,9%<br />

(2.551)<br />

(1.039)<br />

Welche Demographie haben Aggressoren und Konfliktpartner bei Gewaltdarstellungen?<br />

Ein knappes Drittel der gezeigten Angreifer sind zugleich Haupt- und Titelfiguren einer<br />

Sendung. Über alle Genres hinweg überwiegen Einzelne als Aggressoren mit rund zwei<br />

Drittel der Fälle (In den Tabellen werden jeweils die eindeutig identifizierten Fälle<br />

berücksichtigt).<br />

Nicht verwunderlich ist vermutlich die sehr starke Dominanz männlicher Angreifer. Rund<br />

90% der Aggressoren sind Männer, 8% Frauen. In einem folgenden Abschnitt wird dieser<br />

Punkt noch einmal aufgegriffen, hier sei nur erwähnt, daß unabhängig vom<br />

Themenrahmen Kriminalität oder Krieg die Verteilung im Fernsehen der der tatsächlichen<br />

Kriminalitätsstatistik nahekommt. Dies mag allerdings auch mit der Betonung physischer<br />

Aggression zu tun haben. Häufig wird argumentiert, daß durchaus auch weibliche<br />

Aggression verbreiteter sei, sich- allerdings bei den Darstellungen in den Medien nicht in<br />

physischer Schädigung äußere. Ein Resümee ist jedenfalls möglich:<br />

Aggression im Fernsehen ist meist männliche Aggression.<br />

Während auf Jugendliche bei realer Gewalt durchaus höhere Prozentsätze entfallen und<br />

hier besonders auch beklagt wird, daß sie die „Hauptwirkungsgruppe“ von<br />

Gewalterstellungen seien, sind sie bei der Darstellung von Gewalt als Angreifer kaum<br />

vertreten. Jedenfalls sind die rund 5% Kinder und Jugendliche als Täter in Fernsehszenen<br />

keine Widerspiegelung der allgemein in der Öffentlichkeit thematisierten Anteile, die sie<br />

81


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an der Gewalt haben, z.B. auch im Zusammenhang mit Gewalt gegen Ausländer. Dies<br />

hängt hier auch mit der Dominanz fiktiver Formen zusammen.<br />

Vor allem in Spielfilmen und Serien sind Aggressoren fast immer Erwachsene.<br />

Über die verschiedenen Genres hinweg sind es 92% der Aggressionen, die von Personen<br />

im Erwachsenenalter unter 60 ausgehen, auf ältere Menschen entfallen ebenfalls nur sehr<br />

wenige Fälle.<br />

Beim Status der Aggressoren führen „Privatpersonen“, also Menschen, die nicht von<br />

vornherein schon eine Definition als Angreifer haben, wie z.B. Kriminelle oder auch von<br />

Berufs wegen damit befaßte Personen, Militär oder Polizei. Auf solche Privatpersonen<br />

entfallen rund 27% der Angriffe, 20% auf Kriminelle, 10% auf Militär, 7% auf Polizei und<br />

trickfilmspezifisch rund 11% auf Phantasiefiguren bzw. mehr als 8% auf vermenschlichte<br />

Tiere. Insgesamt aber geht der weitaus überwiegende Anteil der Aggression von<br />

realistisch gezeigten Menschen aus, nicht von irrealen Figuren.<br />

Ja<br />

Nein<br />

N = 2.252<br />

Einzelner<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 3.304<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

N = 2.723<br />

Tab. 24: Sind Aggressoren/Konfliktpartner Hauptfiguren der Sendung?<br />

31,5%<br />

68,5%<br />

Tab. 25: Anzahl der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

66,2%<br />

17,5%<br />

11,8%<br />

4,4%<br />

Tab. 26: Geschlecht <strong>des</strong> Aggressors/Konfliktpartners<br />

82<br />

89,4%<br />

7,9%


Erwachsener<br />

Jugendlicher<br />

Kind<br />

Alter ab 60<br />

N = 2.801<br />

Privatperson<br />

Kriminelle(r)<br />

Fantasieblume<br />

Militär<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Polizei<br />

Sonstiges<br />

N = 3.288<br />

Tab. 27: Alter der Täter/Konfliktpartner<br />

92,1%<br />

4,0%<br />

1,6%<br />

1,6%<br />

Tab. 28: Status der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

27,2%<br />

20,3%<br />

11,5%<br />

10,3%<br />

8,8%<br />

7,4%<br />

14,8%<br />

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Besonders wichtig für mögliche Wirkungen ist die „Aktualität“ der gezeigten Aggression.<br />

Welche Waffen werden eingesetzt, vor allem, welche Motive führen überhaupt zur<br />

Aggression und welche Gefühle werden beim Ausüben der Gewalt sichtbar? Schließlich<br />

auch wichtig: wird die Aggression in irgendeiner Weise bestraft, gar belohnt, oder gibt es<br />

andere deutliche direkte Reaktionen auf das Ausüben der Gewalt?<br />

Die mit Abstand meisten Angriffe bestehen entweder aus rein körperlichen Aggressionen<br />

oder werden von Schußwaffengebrauch begleitet. Die in <strong>Analyse</strong>n zur persönlichen<br />

Wahrnehmung von Aggression als besonders drastisch erlebten Stichwaffen kamen in<br />

fast 8% der Fälle vor, das sind wöchentlich rund 260 Angriffe mit Messern oder ähnlichen<br />

Gegenständen (siehe Tabelle 29).<br />

Welche Gründe werden überhaupt für Gewalt angegeben? Zumin<strong>des</strong>t aus dem<br />

unmittelbaren Handlungskontext gehen in fast zwei Drittel der Fälle (faßt man die explizit<br />

nicht erkennbaren oder nicht codierbaren Fälle zusammen) keine Gründe für den Einsatz<br />

von Gewalt hervor. Dies könnte für Wirkungen bedeuten, daß Aggression häufig als „l'art<br />

pour l'art“ erscheint.<br />

83


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Danach ist Gewalt in vielen Fällen Selbstzweck, bzw. wird sie nur sehr fragmentarisch,<br />

diffus, jedenfalls nicht erkennbar begründet.<br />

Unter den tatsächlich ersichtlichen Motiven gibt es dann fast eine Gleichverteilung.<br />

Politisch-ideologische Gründe und Sanktion stehen gleich auf, Verteidigung und<br />

psychologische Motive sowie materielle Gründe folgen; schließlich wird Gewalt auch aus<br />

Gehorsam ausgeübt, aus Ärger oder Frustration und um sich zu rächen. Faßt man diese<br />

unterschiedlichen Motive wieder zusammen, so ist Aggression bei den erkennbaren<br />

Motiven besonders häufig instrumentell, d.h. sie wird zur Erreichung eines Ziels<br />

eingesetzt oder ist Reaktion auf das Verhalten anderer. Etliche Fälle beziehen sich aber<br />

auch auf Aggression ohne äußeren Anlaß, also z.B. Lust an der Gewalt oder Ablassen<br />

von Wut (siehe Tabelle 30: „psychologisch“; „Ärger“).<br />

Sofern also überhaupt begründet, erscheint Aggression besonders häufig als Möglichkeit,<br />

bestimmtre Ziele zu erreichen oder Konflikte zu lösen.<br />

Auch der gefühlsmäßige Kontext spielt bei der Präsentation von Gewalt und ihren<br />

möglichen Wirkungen eine wichtige Rolle. In fast zwei Drittel der Fälle war wiederum<br />

unmittelbar keine Emotion bei den Aggressoren festzustellen. Kaltblütige Aktionen sind<br />

natürlich auch keine Emotionen, wurden aber, sofern besonders auffallend, in diesem<br />

Zusammenhang erfaßt. Auf solche „nicht-emotionalen“ Begleitumstände entfielen mehr<br />

als 25%, d.h. der Angreifer zeigte sich besonders kalt und überlegen. Mit Wut verbundene<br />

Angriffe folgten, rund 20%. Häufig war auch explizit zynisches Verhalten, bei dem der<br />

Aggressor z.B. noch das Opfer lächerlich machte oder verhöhnte (umgesetzt in absolute<br />

Zahlen kam dies rund 180 mal vor). Aggression aus Angst, wie sie z.B. bei Notwehr zu<br />

vermuten ist, war demgegenüber deutlich seltener zu sehen (rund 6%).<br />

In den Fällen, in denen überhaupt gefühlsrelevante Eigenschaften beim Ausüben von<br />

Gewalt sichtbar werden, handelt es sich überwiegend um kalte oder zynische Angriffe, mit<br />

einem gewissen Abstand gefolgt von extremeren Gefühlsformen wie Wut oder Angst.<br />

Insgesamt wird Aggression seltener von extremen Gefühlen begleitet (Tabelle 31),<br />

erscheint vermutlich auch dem Zuschauer eher als „cool“.<br />

In der Theorie <strong>des</strong> Modell-Lernens ist eine wichtige Bedingung für das Erlernen von<br />

Aggression, inwieweit sie sichtlich belohnt oder bestraft wird. Entsprechend wurde auch in<br />

dieser <strong>Analyse</strong> erfaßt, welche Reaktionen, welche Konsequenzen auf die Aggressionen<br />

84


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für den Aggressor erfolgen. <strong>Eine</strong> unmittelbare Belohnung oder Bestrafung geschieht sehr<br />

selten, allenfalls taucht sie im späteren Handlungsverlauf auf. Dies mag dramaturgisch<br />

nicht verwundern. Nimmt man aber die Ergebnisse der Lerntheorie, nach der gerade<br />

direkte Konsequenzen besonders wichtig für eine Übernahme von Verhalten sind, so ist<br />

auch dieses Ergebnis für mögliche Wirkungen bedeutsam.<br />

Wenn überhaupt Konsequenzen sichtbar sind, so eher belohnende: Der Angreifer zeigt<br />

sich befriedigt; Strafe erfolgt in den seltensten Fällen für seinen Angriff.<br />

Noch einmal: Dies bezieht sich auf den unmittelbaren Kontext, zu späteren Zeitpunkten im<br />

Handlungsverlauf wird zumin<strong>des</strong>t bei kriminellen Angreifern sehr häufig eine Strafreaktion<br />

gezeigt (Tabelle 32).<br />

Körpereinsatz<br />

Schußwaffe<br />

Gegenstand<br />

Übernatürliche Kräfte<br />

Stichwaffe<br />

Kriegsgerät<br />

Sonstige<br />

N = 3.398<br />

Tab. 29: Waffen der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

85<br />

32,0%<br />

20,9%<br />

8,9%<br />

8,1%<br />

7,7%<br />

5,9%<br />

16,5%


Nicht rekennbar<br />

politisch-ideologsch<br />

Sanktion<br />

Verteidigung/Schutz<br />

psychologisch<br />

materiell<br />

aotoritativ geleitet<br />

Ärger/Frust<br />

Rache<br />

Sonstiges<br />

N = 1.915<br />

überlegen/kalt<br />

ist wütend/schreit<br />

zynisch<br />

zeigt Angst<br />

Sonstiges<br />

N = 1.215<br />

Keine<br />

Befriedigung<br />

Strafe<br />

Sonstiges<br />

N = 1.136<br />

Tab. 30: Motive der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

32,3%<br />

8,0%<br />

8,0%<br />

7,8%<br />

7,2%<br />

7,1%<br />

6,6%<br />

6,5%<br />

4,4%<br />

12,1%<br />

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Tab. 31: Emotionaler Kontext bei Aggressoren/Konfliktpartner<br />

26,9%<br />

21,6%<br />

14,8%<br />

5,8%<br />

30,8%<br />

Tab. 32: Konsequenz für die Aggressoren/Konfliktpartner<br />

74,7%<br />

10,4%<br />

6,6%<br />

4,3%<br />

Entsprechend der Demographie der Aggressoren wurde auch die der Opfer bestimmt.<br />

Auch hier überwiegen Männer, allerdings nicht mehr ganz so deutlich wie bei den<br />

Aggressoren (Tabelle 33). Immer noch sind die Opfer vor allem Erwachsene, mit einem<br />

86


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allerdings höheren Anteil von Jugendlichen, Kindern und älteren Menschen. Und meist<br />

handelt es sich wieder um Privatpersonen.<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen (Masse)<br />

N = 2.741<br />

Erwachsener<br />

Jugendlicher<br />

Kind<br />

Alter ab 60<br />

Kombination<br />

N = 2.766<br />

Privatperson<br />

Fantasiefigur<br />

Kriminelle(r)<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Militär<br />

Polizei<br />

Nichtmenschliches Ding<br />

Sonstiges<br />

N = 3.300<br />

Tab. 33: Geschlecht <strong>des</strong> Opfers/Konfliktpartners<br />

78,8%<br />

12,7%<br />

8,5%<br />

Tab. 34: Alter der Opfer/Konfliktpartner<br />

87,3%<br />

4,5%<br />

2,5%<br />

2,2%<br />

3,5%<br />

Tab. 35: Status der Opfer/Konfliktpartner<br />

40,5%<br />

11,3%<br />

10,3%<br />

8,6%<br />

7,8%<br />

5,7%<br />

5,5%<br />

10,3%<br />

In der Mehrzahl der Fälle sind die Opfer selbst nicht bewaffnet, eine Bestätigung also der<br />

„nicht-gleichberechtigten“ Konfliktsituation. Sofern sie überhaupt eine Gegenwehr zeigen<br />

oder hätten zeigen können, handelt es sich um Körpereinsatz, seltener um<br />

Schußwaffengebrauch. Insgesamt kann man also vor allem von „wehrlosen“ Opfern<br />

87


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ausgehen. Für die Vorstellungen der Zuschauer bedeutet dies, daß eher eine Bedrohung<br />

durch dominante Aggressoren gezeigt wird als Konflikte, bei denen gleiche Chancen<br />

bestehen. Nimmt man die Tatsache hinzu, daß die Opfer vor allem Privatpersonen, nicht<br />

Kriminelle oder sonstige in diesem Zusammenhang „besondere“ Konfliktpartner sind, so<br />

konstituiert sich eine Welt, die auch für den „Normalbürger“ als bedrohlich erscheint.<br />

Keine<br />

Filtereinsatzes<br />

Schusswaffe<br />

Sonstiges<br />

N = 3.124<br />

Tab. 36: Waffen der Opfer/Konfliktpartner<br />

56,3%<br />

15,9%<br />

10,2%<br />

17,6%<br />

Motive, emotionaler Kontext und Reaktionen der Opfer stellen sich folgendermaßen dar:<br />

Abgesehen davon, daß ein Grund für Angriffe eher seltener beim Opfer zu finden ist als<br />

beim Aggressor (durch den unmittelbaren Handlungskontext ersichtlich), zeigen sich die<br />

erwarteten Motive: Verteidigung, Notwehr und Ärger bei einem meist gleichberechtigten<br />

Konflikt. Faßt man die verschiedenen Formen ängstlicher Reaktionen zusammen, so<br />

überwiegt beim emotionalen Kontext irgendeine Form von Angst. Schreien vor Angst,<br />

Zittern oder ähnliches wird in 36% der entsprechend identifizierbaren Szenen gezeigt,<br />

explizit keine Angst ist immerhin bei einem Drittel der Konfliktpartner oder Opfer<br />

festzustellen. Der Rest entfällt auf Gefühle, die denen von Angreifern entsprechen<br />

könnten, also Wut oder Überlegenheit und kennzeichnet wieder eher die Konfliktpartner in<br />

gleichberechtigten Situationen. Insgesamt aber überwiegt Angst, sofern überhaupt<br />

Emotionen beim Opfer gezeigt werden, was nur für ein Drittel der Fälle zutrifft. Die<br />

Ausübung von Aggression ist damit auch von der Gefühlsseite der Opfer her eher<br />

konsequenzenlos. Mit anderen Worten: weder finden im unmittelbaren Zusammenhang<br />

von Gewalt Bestrafungen <strong>des</strong> Täters statt, noch wird in der überwiegenden Zahl der Fälle<br />

gezeigt, daß Aggression beim Opfer negative Gefühle erzeugt. Vorsichtiger Rückschluß<br />

auf die Reaktionen der Zuschauer:<br />

<strong>Eine</strong> Einfühlung in das Leiden und die Gefühle der Opfer wird häufig nicht nahegelegt.<br />

Auch physische Reaktionen der Opfer sind meist nicht sichtbar (Tabelle 39). Sofern<br />

überhaupt angesprochen, finden in etwas weniger als der Hälfte der Fälle explizit gar<br />

88


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keine Reaktionen statt, in 23% der Fälle ist eine Gegenwehr zu sehen und in nur 4% der<br />

Fälle wird der Konfliktpartner noch im Verlauf der aggressiven Handlung selbst zum<br />

(dominierenden) Aggressor.<br />

Die direkte Gegenüberstellung von Täter- und Opfer-Status (Tabelle 40) zeigt schließlich<br />

noch einmal, daß vor allem bei der Verteilung von Privatpersonen und Kriminellen das<br />

vermutlich auch zu erwartende Ungleichgewicht besteht: Opfer oder Konfliktpartner sind<br />

vor allem Privatpersonen; auch die Angreifer werden zwar häufig als Privatpersonen<br />

dargestellt, sind aber ebenfalls in sehr vielen Fällen Kriminelle.<br />

Nicht erkennbar<br />

Verteidigung/Schutz<br />

Notwehr<br />

Ärger/Frust<br />

Sonstiges<br />

N = 1.255<br />

Tab. 37: Motive der Opfer/Konfliktpartner<br />

16,5%<br />

16,7%<br />

6,4%<br />

7,4%<br />

53,0%<br />

Tab. 38: Emotionaler Kontext bei Opfern/Konfliktpartner<br />

zeigt keine Angst<br />

29,3%<br />

zeigt verschiedene Formen der Angst<br />

ist wütend/schreit<br />

schreit vor Angst<br />

überlegen/kalt<br />

Sonstiges<br />

N = 1.145<br />

89<br />

23,5%<br />

14,1%<br />

12,4%<br />

6,1%<br />

14,4%


Keine<br />

Gegenwehr<br />

Flucht<br />

wird zum Aggressor<br />

Sonstiges<br />

N = 1.479<br />

Privatperson<br />

Kriminelle(r)<br />

Fanatsiefigur<br />

Militär<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Polizei<br />

(alle anderen unter 3%)<br />

Tab. 39: Reaktion der Opfer/Konfliktpartner<br />

42,3%<br />

22,9%<br />

10,4%<br />

4,2%<br />

20,2%<br />

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Tab. 40: Häufigster Status der Täter/Opfer<br />

Täter/K1 Opfer/K2<br />

27,2%<br />

20,3%<br />

11,5%<br />

10,3%<br />

8,8%<br />

7,4%<br />

6.4.2 Männer und Frauen als Täter und Opfer<br />

40,5%<br />

10,3%<br />

11,3%<br />

7,8%<br />

8,6%<br />

5,7%<br />

Männer überwiegen als Aggressoren insgesamt deutlich mit rund 90%. Die Tabelle 41<br />

zeigt in der näheren <strong>Analyse</strong>, daß bei Frauen, auch wenn man die Proportionen<br />

berücksichtigt, eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, zum Opfer zu werden als zum<br />

Aggressor. Zwar überwiegen auch bei den Opfern die Männer, doch sind hier die<br />

Verhältnisse nicht spiegelbildlich zu denen der Aggressoren. Konkret: Während weniger<br />

als 9% der Frauen Täter sind, sind sie in etwas mehr als 15% der Fälle die Opfer. Dabei<br />

erhöht sich diese Zahl noch einmal etwas, wenn Frauen auch die Angreifer sind und liegt<br />

leicht niedriger, wenn die Aggressoren Männer sind. Das Fernsehen bestätigt also die<br />

„klassischen“ Vorstellungen der Verteilung von Aggression in der Gesellschaft, ohne daß<br />

hier darauf eingegangen werden kann, inwieweit das Bild unabhängig von der<br />

Kriminalitätsstatistik gerechtfertigt ist:<br />

Männer sind in den allermeisten Fällen die Angreifer, bei Frauen besteht demgegenüber<br />

eine etwas größere Wahrscheinlichkeit, zum Opfer zu werden.<br />

90


Bei Mord (s.u.) ist diese Diskrepanz noch sehr viel größer.<br />

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Tab. 41: Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Aggressoren zu<br />

männlichen und weiblichen Opfern (explizite Aggressor/Opfer-Situation)<br />

Opfer:<br />

Männlich Weiblich Σ<br />

1101<br />

195<br />

1296<br />

Täter Männlich<br />

Weiblich<br />

85,0%<br />

91,6%<br />

101<br />

81,5%<br />

8,4%<br />

1202<br />

84,6%<br />

15,0%<br />

89,4%<br />

23<br />

18,5%<br />

10,6%<br />

218<br />

15,4%<br />

91,3%<br />

124<br />

8,7%<br />

1420<br />

100,0%<br />

Die folgenden Tabellen differenzieren für Männer und Frauen wiederum nach den<br />

unterschiedlichen Arten der Aggression und ihrem emotionalen und motivationalen<br />

Kontext. Bei den Motiven ist zusammengefaßt nach Reaktion und Initiative (also<br />

Erreichen eines Ziels bzw. Aggression als Selbstzweck) bei Männern noch etwas häufiger<br />

als bei Frauen der „die Situation kontrollierende“ Aspekt zu finden. Die Aggression geht in<br />

den meisten Fällen vom Aggressor selbst aus, wird ihm nicht von außen auferlegt<br />

(reaktiv). Dies gilt zwar auch für Frauen, ist aber bei Männern nochmals stärker<br />

ausgeprägt (Tabelle 42).<br />

Bei den verwendeten Waffen wird vor allem der Unterschied bei Gegenständen ohne<br />

Schuß- und Stichwaffen deutlich. Diese werden sehr viel häufiger von Frauen als von<br />

Männern eingesetzt. Daß Gegenstände bei Frauen proportional häufiger vorkommen, ist<br />

auf das Fehlen von Kriegsgerät bei weiblichem Waffeneinsatz zurückzuführen.<br />

Bei der Verteilung <strong>des</strong> inhaltlichen Kontexts der Aggression fällt auf, daß die Privatsphäre<br />

bei Frauen häufiger Anlaß für Aggression ist als bei Männern. Überspitzt formuliert,<br />

könnte man auch hier von einer Widerspiegelung der Kriminalitätsstatistik ausgehen.<br />

Wenn also Frauen zu Aggressorinnen werden, geschieht dies besonders häufig im<br />

privaten Bereich (Tabelle 44). Noch deutlicher werden die großen Unterschiede beim<br />

Status der Täter: Hier handelt es sich bei Frauen in mehr als zwei Drittel der Fälle um<br />

Privatpersonen, während weniger als die Hälfte der Männer proportional gesehen eine<br />

91


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entsprechende Rolle haben. Bei Männern sind es die „klassischen“ aggressiven Rollen,<br />

nicht-legitimierte wie Kriminelle oder auch legitimierte wie Soldaten oder Polizei, die das<br />

Gros der „Angreifer“ ausmachen.<br />

Weibliche Aggression findet im privaten Nahraum statt, männliche in den herkömmlichen<br />

Feldern wie Verbrechen oder Krieg.<br />

Dem entspricht vermutlich ebenfalls, daß Frauen nochmals häufiger als Männer vor allem<br />

als Einzelpersonen Aggression ausüben (Tabelle 45).<br />

Tab. 42: Das Verhältnis von Reaktion und Initiative als Aggressionsmotiv bei<br />

männlichen und weiblichen Aggressoren<br />

Motiv:<br />

Reaktion Initiative Σ<br />

270<br />

713<br />

983<br />

Täter Männlich<br />

Körpereinsatz<br />

Schußwaffe<br />

Gegenstand<br />

Stichwaffe<br />

Kriegsgerät<br />

Übernatürliche Kraft<br />

N = 1.821<br />

Weiblich<br />

27,5%<br />

88,5%<br />

35<br />

33,7%<br />

11,5%<br />

305<br />

28,1%<br />

72,5%<br />

91,4%<br />

69<br />

66,3%<br />

8,8%<br />

782<br />

71,9%<br />

Tab. 43: Häufigste Waffen der Täter<br />

Männer Frauen<br />

30,3%<br />

32,1%<br />

26,1%<br />

9,7%<br />

7,4%<br />

4,9%<br />

1,3%<br />

92<br />

23,7%<br />

14,7%<br />

7,7%<br />

-<br />

2,6%<br />

90,4%<br />

104<br />

9,6%<br />

1087<br />

100,0%


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Tab. 44: Häufigste inhaltliche Thematik der Aggression<br />

Männer Frauen<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

47,9%<br />

39,6%<br />

Komik<br />

Alltag/Familie<br />

Science Fiction<br />

Krieg<br />

Ehe/Bezeihung<br />

N = 1.818<br />

Einzelperson<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.836<br />

Kriminelle(r)<br />

Privatperson<br />

Militär<br />

Fantasiefigur<br />

Polizei<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Detektiv<br />

N = 1.772<br />

12,6%<br />

9,4%<br />

7,0%<br />

4,4%<br />

2,9%<br />

8,2%<br />

14,5%<br />

5,7%<br />

0,6%<br />

8,2%<br />

Tab. 45: Anzahl der Aggressoren<br />

Männer Frauen<br />

6,1%<br />

89,3%<br />

15,7%<br />

11,9%<br />

3,2%<br />

1,3%<br />

9,4%<br />

Tab. 46: Häufigster Status der Täter<br />

Männer Frauen<br />

30,8%<br />

7,2%<br />

27,1%<br />

10,6%<br />

9,7%<br />

8,5%<br />

5,4%<br />

2,0%<br />

Auch bei den Motiven wird die unterschiedliche Verteilung bestätigt. Bei<br />

-<br />

68,0%<br />

1,3%<br />

7,8%<br />

2,0%<br />

3,9%<br />

4,6%<br />

Frauenaggression sind ähnlich wie bei den Männern die Hintergründe oft nicht unmittelbar<br />

erkennbar (siehe oben). Da aber, wo sie erkennbar sind, überwiegen im Gegensatz zur<br />

männlichen Aggression emotionale oder psychologische Motive.<br />

93


http://www.mediaculture-online.de<br />

Das Erreichen politisch-ideologischer Ziele oder materielle Gründe spielen anders als bei<br />

Männern bei Frauen fast keine Rolle. Demgegenüber findet man bei ihnen sehr häufig<br />

Aggression aus Wut, zur Verteidigung und vor allem aus psychologischen Gründen, auch<br />

hier eine Widerspiegelung der vor allem „privaten“ Gewaltanwendung.<br />

Der direkte emotionale Kontext von Gewalt ist vor allem in drei Punkten bei Männern und<br />

Frauen verschieden; auch diese sprechen wiederum für die höhere Emotionalität der Frau<br />

in der Darstellung: Zynismus, Angst und Verzweiflung sind deutlich häufiger zu finden als<br />

bei Männern. Inwieweit hier Klischees festgeschrieben werden, kann an dieser Stelle<br />

nicht näher analysiert werden.<br />

Nicht erkennbar<br />

Identifizierbar<br />

davon:<br />

politisch-ideologisch<br />

materiell<br />

autoritativ geleitet<br />

psychologisch<br />

Sanktion<br />

Verteidigung/Schutz<br />

Ärger/Frust<br />

Rache<br />

N = 1.855<br />

Tab. 47: Erkennbare Motive der Täter<br />

Männer Frauen<br />

59,1%<br />

55,4%<br />

41,9%<br />

7,2%<br />

11,0%<br />

7,5%<br />

9,3%<br />

7,7%<br />

5,7%<br />

6,2%<br />

4,4%<br />

94<br />

44,6%<br />

_<br />

3,8%<br />

2,9%<br />

15,4%<br />

8,7%<br />

9,6%<br />

11,5%<br />

2,9%


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Tab. 48: Erkennbarer emotionaler Kontext bei den Tätern<br />

Männer Frauen<br />

Nicht erkennbar<br />

58,7%<br />

48,5%<br />

überlegen/kalt<br />

ist wütend/schreit<br />

zynisch<br />

verzweifelt/Scham<br />

schreit vor Angst<br />

zeigt andere Formen der Angst<br />

Sonstige<br />

N = 1.855<br />

13,8%<br />

9,3%<br />

6,5%<br />

0,8%<br />

0,4%<br />

1,3%<br />

7,1%<br />

11,3%<br />

9,4%<br />

12,6%<br />

2,5%<br />

0,6%<br />

4,4%<br />

7,5%<br />

Bei den Folgen der Aggression sind nur geringe Unterschiede sichtbar. Frauen haben<br />

eine etwas größere Wahrscheinlichkeit, in Mordfälle oder schwere Angriffe verwickelt zu<br />

sein, als Männer. Dies gilt wohlgemerkt innerhalb der Männer- bzw. Frauenaggression,<br />

die absoluten Zahlen sind in allen Fällen bei Männern bis zum 10fachen höher.<br />

In Serien kommen Frauen proportional häufiger als Aggressoren vor als Männer. Dies<br />

spiegelt auch die größere Wahrscheinlichkeit von Alltagsund Privatsituationen in Serien<br />

als in den meisten anderen Genres wieder.<br />

Leichte Verletzung<br />

Tod<br />

schwere Verletzung<br />

Sonstiges<br />

N = 1.778<br />

Tab. 49: Folgen der Aggression<br />

Männer Frauen<br />

26,3%<br />

25,2%<br />

17,5%<br />

8,3%<br />

43,9%<br />

95<br />

19,5%<br />

11,3%<br />

38,4%


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Tab. 50: Anteil von Männern und Frauen als Täter in unterschiedlichen Genres<br />

Männer Frauen<br />

Spielfilm<br />

32,3%<br />

30,8%<br />

Serie<br />

Zeichentrick<br />

Kinder<br />

Information/Dokumentation<br />

Nachrichten<br />

Unteraltung<br />

Sonstiges<br />

N = 1.855<br />

28,7%<br />

18,1%<br />

9,4%<br />

3,5%<br />

3,3%<br />

2,9%<br />

1,8%<br />

40,3%<br />

13,2%<br />

6,3%<br />

2,5%<br />

1,3%<br />

4,4%<br />

1,3%<br />

Die geschlechtsspezifische Opferanalyse zeigt schließlich folgen<strong>des</strong>: Männer und Frauen<br />

werden in fast der Hälfte aller Fälle Opfer von Verbrechen. Deutliche Unterschiede<br />

ergeben sich bei den restlichen Bereichen: Auch hier fällt wieder auf, daß der<br />

Privatbereich nochmals Frauen häufiger als Geschädigte erscheinen läßt als Männer. Hier<br />

ist sogar eine Differenzierung zwischen Alltag/Familie und Ehe/Beziehung möglich:<br />

Frauen werden am zweithäufigsten bezogen auf alle Opferszenen in der Partnerschaft<br />

„geschädigt“.<br />

Tab. 51: Thema der Aggression bei männlichen Opfern<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

48,5%<br />

Komik<br />

Alltag/Familie<br />

Science Fiction<br />

Krieg<br />

Sonstiges<br />

N = 1.467<br />

96<br />

13,2%<br />

10,2%<br />

9%<br />

4,4%<br />

14,8%


Tab. 52: Thema der Aggression bei weiblichen Opfern<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

43,1%<br />

Ehe/Beziehung<br />

Pathologisch/Übersinnlich<br />

Komik<br />

Science Fiction<br />

Alltag/Beziehung<br />

Spiel<br />

Sexualität<br />

Krieg/Terrorismus<br />

Politische Auseinandersetzung<br />

Sonstiges<br />

N = 276<br />

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9,4%<br />

9,4%<br />

9,1%<br />

6,9%<br />

4,3%<br />

4,3%<br />

4,0%<br />

1,8%<br />

1,4%<br />

6,2%<br />

Sie sind zugleich als Opfer noch häufiger Einzelpersonen als Männer, dabei gibt es keine,<br />

bzw. oft sogar „belohnende“ Konsequenzen für ihre Angreifer. Der Vergleich zwischen<br />

Tabelle 32 und Tabelle 55 zeigt, daß Angreifer weiblicher Opfer noch häufiger als<br />

zufrieden gezeigt werden als die Angreifer aller Opfer zusammengenommen.<br />

Einzelner<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.398<br />

Einzelner<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 266<br />

Tab. 53: Anzahl der Aggressoren bei männlichen Opfern<br />

70,8%<br />

15.5%<br />

11.2%<br />

2,5%<br />

Tab. 54: Anzahl der Angreifer weiblicher Opfer<br />

97<br />

77,1%<br />

12,8%<br />

9,4%<br />

0,8%


Keine<br />

Befriedigung<br />

Strafe<br />

Reue<br />

Sonstiges<br />

N = 126<br />

Keine<br />

Gegenwehr<br />

Flucht<br />

wird zum Aggressor<br />

Sonstiges<br />

N = 156<br />

Tod<br />

Leichte Verletzung<br />

Schwere Verletzung<br />

Tab. 55: Konsequenz für Angreifer weiblicher Opfer<br />

73,8%<br />

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13,5%<br />

7,1%<br />

2,4%<br />

3,2%<br />

Tab. 56: Reaktion der weiblichen Opfer<br />

39,7%<br />

16,7%<br />

10,9%<br />

3,8%<br />

28,8%<br />

Tab. 57: Entstandener Schaden bei weiblichen Opfern<br />

28,9%<br />

Sonstiges (Bedrohung, Gefährdung, materieller Schaden)<br />

N = 273<br />

22,7%<br />

9,5%<br />

38,8%<br />

Insgesamt kann man von einer deutlich anderen Topographie der Aggressionsstruktur bei<br />

Männern und Frauen in der Darstellung ausgeben.<br />

Für Frauen werden bestehende Vorstellungen auch im Fernsehen fortgeschrieben. Sie<br />

werden eher selten als Angreifer dargestellt. Wenn sie es sind, geschieht dies besonders<br />

häufig im privaten Kontext, ist mit höherer Emotion verbunden und findet gleichzeitig in<br />

nicht von vornherein als schon aggressiv definierten Umfeldern statt.<br />

98


6.4.3 Nachrichten<br />

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Die folgenden Abschnitte beschreiben die Aggressionsstrukturen innerhalb der einzelnen<br />

Genres. Zunächst die Nachrichten. Häufig wird in der Diskussion argumentiert, daß die<br />

Gewalt im Programm vor allem die gesellschaftliche Wirklichkeit wiedergebe. Wenn dem<br />

so wäre, müßte sich dies zum einen in relativ hohen Nachrichtenanteilen an der Gewalt<br />

zeigen, zum anderen die Verteilung der Mediengewalt auf die unterschiedlichen<br />

Themenbereiche der „Wirklichkeit“ entsprechen. Zunächst:<br />

Tatsächlich entfallen auf Nachrichtenaggression weniger als 10% aller im Programm<br />

vorkommenden Gewaltakte. Der weitaus überwiegende Teil gezeigter Aggression stammt<br />

aus den fiktiven Genres.<br />

Thema der Aggression bei Nachrichten sind, wie zu erwarten, vor allem kriegerische und<br />

politische Auseinandersetzungen. Im Erhebungszeitraum standen dabei an erster Stelle<br />

Rassen- und Minoritätenkonflikte, also z.B. Gewalt in Südafrika und Gewalt gegen<br />

Ausländer in Deutschland. Kriegsberichterstattung folgte, Jugoslawienkonflikt bzw. die<br />

weltweit ständig aktuellen Konfliktherde. Nicht explizit kriegerische oder<br />

minoritätenbezogene innenpolitische Auseinandersetzungen waren ebenfalls ein häufig<br />

angesprochenes Thema, so daß sich insgesamt die in irgendeiner Form politischen<br />

Konflikte zu fast 80% aller Gewalttaten aufaddieren. Kriminalität und Verbrechen nehmen<br />

demgegenüber bei Nachrichten weniger als 20% der Reports ein. Dies dürfte der zu<br />

erwartenden Struktur entsprechen. Zugleich wird hier ein thematischer Unterschied zum<br />

sogenannten Reality-TV deutlich: Es wird zwar mit Realitäts- und Aktualitätsanspruch<br />

versehen, bezieht sich aber zugleich vor allem auf die Unglücks- bzw.<br />

Verbrechensthematik.<br />

Unglücke und Katastrophen waren hier allerdings bereits ausgeklammert worden, siehe<br />

ein vorhergehen<strong>des</strong> Kapitel, es ging um menschengesteuerte und beabsichtigte<br />

Aggressionen. Entsprechend der von der gesamten Gewaltstruktur abweichenden<br />

Themenverteilung kamen in Nachrichten auch häufiger gleichberechtigte<br />

Konfliktsituationen vor.<br />

Es fällt vor allem auf, daß gegenüber der Gesamtgewalt der entstandene „Schaden“ in<br />

den Nachrichten fast zur Hälfte mit Tod identisch ist. Hier kann man auf Studien<br />

99


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verweisen, nach denen die Berichtenswahrscheinlichkeit auch eine Funktion der<br />

Schadensschwere ist.<br />

Tab. 58: Nachrichten: Thema der Aggression<br />

Rassen/-Mioritätenkonflikte<br />

Krieg<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

Politische Auseinandersetzung<br />

Terrorismus<br />

Sonstiges<br />

N = 237<br />

Tab. 59: Nachrichten: Art der Konfliktsituation<br />

Eindeutige Aggression-Opfer-Situation<br />

Gleichberectigte Konfliktsituation<br />

N = 237<br />

Tod<br />

Schwere Verletzung<br />

Leichte Verletzung<br />

Tab. 60: Nachrichten: Entstandener Schaden<br />

Sonstiges (Bedrohung, Gefährdung, materieller Schaden)<br />

N = 223<br />

29,8%<br />

24,3%<br />

18,3%<br />

16,6%<br />

6,4%<br />

4,7%<br />

67,1%<br />

32,9%<br />

45,3%<br />

7,2%<br />

4,0%<br />

43,5%<br />

Für die Demographie der Aggressoren zeigt sich in Nachrichten die folgende Verteilung:<br />

Aufgrund <strong>des</strong> Themas „politische Auseinandersetzung“ sind sie in Nachrichten meist<br />

Gruppen bzw. eine große Masse. Einzelne Aggressoren werden in weniger als 15% der<br />

Fälle gezeigt. Auch hier liegt die Korrespondenz zur Themenverteilung Kriminalität und<br />

Verbrechen nahe.<br />

Nochmals viel deutlicher als bei den Gewaltakten insgesamt ist die Dominanz männlicher<br />

Aggressoren mit fast 94% gegenüber Frauen mit 2%. Auch der Status der Aggressoren,<br />

ihre verwendeten Waffen und die Motive setzen den beim Themenrahmen beschriebenen<br />

100


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Trend fort. Gezeigt werden überwiegend Militär, politische und ethnische Gruppen, bei<br />

den Waffen handelt es sich um Kriegsgerät oder Schußwaffen, die Motive sind politisch-<br />

ideologisch oder stehen im Zusammenhang mit autoritativ geleiteten Maßnahmen.<br />

Masse<br />

Clique<br />

Einzelner<br />

Paar<br />

N = 138<br />

Tab. 61: Nachrichten: Anzahl der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

50,7%<br />

31,9%<br />

13,8%<br />

3,6%<br />

Tab. 62: Nachrichten: Geschlecht der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Männlich<br />

93,5%<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen<br />

N = 92<br />

Militär<br />

Politische Gruppe<br />

Polizei<br />

Ethnische Gruppe<br />

Privatperson<br />

Kriminelle(r)<br />

Sonstige<br />

N = 189<br />

2,2%<br />

4,3%<br />

Tab. 63: Nachrichten: Status der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

44,4%<br />

101<br />

14,8%<br />

10,6%<br />

10,6%<br />

8,5%<br />

5,8%<br />

5,3%


Kriegsgerät<br />

Schußwaffe<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Körpereinsatz<br />

Gegenstand<br />

Sonstige<br />

N = 137<br />

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Tab. 64: Nachrichten: Waffen der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

48,2%<br />

29,2%<br />

8,0%<br />

6,6%<br />

3,6%<br />

4,4%<br />

Tab. 65: Nachrichten: Motive der Aggressoren/Konfliktpartner.<br />

Nicht erkennbar<br />

18,2%<br />

politisch-ideologisch<br />

autoritativ geleitet<br />

materiell<br />

Sonstige<br />

N = 99<br />

47,5%<br />

12,1%<br />

5,1%<br />

17,0%<br />

Direkte Konsequenzen für Aggressoren werden im unmittelbaren Kontext auch in<br />

Nachrichten meist nicht gezeigt, allerdings bestehen sie, sofern sie auftreten, vor allem<br />

aus Bestrafung.<br />

Auch die Opferstruktur entspricht wiederum den Themen: Meist Massei oder Gruppen,<br />

meist männliche Opfer oder eine Verteilung von Männer und Frauen (Masse), sehr selten<br />

einzelne Frauen (rund 2%).<br />

Bei den Opfern handelt es sich zumeist um Privatpersonen, Konsequen; der Themen<br />

Krieg und politische Auseinandersetzung, danach folgt Militär Ethnische Gruppen, also<br />

z.B. in Deutschland „Ausländer“ wurden im Erhe bungszeitraum in 7,5% der Fälle als<br />

Opfer gezeigt.<br />

Das Alter der Opfer: vor allem Erwachsene oder Kombinationen. Häufiger als bei den<br />

Aggressoren kamen auch Kinder und Jugendliche mit insgesamt rund 11 % als Opfer vor.<br />

102


Keine<br />

Strafe<br />

Reue<br />

N = 38<br />

Masse<br />

Clique<br />

Einzelne<br />

Paar<br />

N = 169<br />

Männlich<br />

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Tab. 66: Nachrichten: Konsequenzen für Aggressoren/Konfliktpartner<br />

55,3%<br />

Ausgeglichen (Masse)<br />

Weiblich<br />

N = 105<br />

Privatpersonen<br />

Militär<br />

Ethnische Gruppe<br />

Polizei<br />

Politische Gruppe<br />

Sonstiges<br />

N = 187<br />

Tab. 67: Nachrichten: Anzahl der Opfer<br />

Tab. 68: Nachrichten: Geschlecht der Opfer<br />

Tab. 69: Nachrichten: Status der Opfer<br />

103<br />

39,5%<br />

5,3%<br />

43,8%<br />

30,8%<br />

18,3%<br />

7,1%<br />

72,4%<br />

25,7%<br />

1,9%<br />

42,8%<br />

25,1%<br />

7,5%<br />

6,4%<br />

5,9%<br />

12,3%


Erwachsener<br />

Kombination<br />

Kind<br />

Jugendlicher<br />

Alter – ab 60<br />

N = 109<br />

Tab. 70: Nachrichten: Alter der Opfer<br />

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72,5%<br />

14,7%<br />

7,3%<br />

3,7%<br />

1,8%<br />

<strong>Eine</strong> formale Präsentation, die aus besonderen Kameraperspektiven oder Schnitten<br />

bestanden hätte, fiel in den meisten Fällen nicht auf. In den identifizierten Fällen handelt<br />

es sich vor allem um Zooms oder schnellere Schnittfolgen, also die gebräuchlichen<br />

formalen Darbietungsformen.<br />

Kamera Näher<br />

Schnitt schneller<br />

Kamera entfernter<br />

Sonstiges<br />

N = 31<br />

Tab. 71: Nachrichten: Formale Präsentation der aggressiven Akte<br />

35,5%<br />

29,0%<br />

25,8%<br />

9,6%<br />

Die Gewalt in den Nachrichten unterscheidet sich insgesamt also deutlich vom<br />

Gesamtangebot und von den anderen Genres (siehe unten). Dies gilt für fast alle<br />

Bereiche: Themenrahmen, Art der Opfer und Täter, Schadenshöhe, verwendete Waffen.<br />

Wichtig ist dieser Aspekt zugleich für die Frage nach der Vermischung von fiktiven und<br />

dokumentarischen Formen. Bei eindeutig als Nachrichten ausgewiesenen Sendungen<br />

hebt sich die Struktur von der Gesamtgewalt ab. Noch einmal: dabei ist zu<br />

berücksichtigen, daß auf Nachrichtenaggression weniger als 10% aller aggressiven Akte<br />

entfallen.<br />

6.4.4 Trickfilm<br />

In der Diskussion über Gewaltdarstellungen im Fernsehen wird immer auch das Thema<br />

Trickfilm angeschnitten. Sei es, daß ihnen besondere Harmlosigkeit attestiert wird, sei es,<br />

daß gerade von Trickfilmen Wirkungen auf jüngere Kinder erwartet werden. Neueste<br />

<strong>Analyse</strong>n (siehe die ersten Kapitel) belegen die tatsächlich kurzfristigen<br />

104


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Imitationswahrscheinlichkeiten von Trickfilmen bei den Kindern. Bei Jugendlichen und<br />

Erwachsenen wird man allerdings eher davon ausgehen, daß Trickfilme auf sie zwar<br />

physiologische Wirkungen haben (höhere Aufmerksamkeit, höhere Erregung), gleichzeitig<br />

aber diese Altersgruppe die Trennung zwischen Real und Irreal fast immer leisten kann.<br />

Beim Themenrahmen verteilen sich im Trickfilm die Bereiche Science Fiction und Komik<br />

in etwa gleich auf die verschiedenen Programme. Mit deutlichem Abstand folgen<br />

Kriminalität und Verbrechen, danach Alltag und Familie. Die Konfliktformen entsprechen in<br />

etwa denen aller aggressiven Akte, noch etwas deutlicher findet man eindeutige<br />

Aggressor-Opfer-Konstellationen mit fast drei Viertel aller Fälle.<br />

Bei den „Mordraten“ wird häufig ins Feld geführt, daß hierbei auch nicht-eindeutige<br />

Trickfilmangriffe mitgezählt worden seien, obwohl z.B. das Opfer nach einem schweren<br />

Angriff wieder aufstehen könne. Tatsächlich wurden diese Formen hier nicht<br />

berücksichtigt; nur wirklich eingetretener Tod wurde als Mord kodiert. Dies war nur bei den<br />

extremeren Action-Cartoons vorwiegend aus ostasiatischen Produktionen der Fall.<br />

Entsprechend entfielen anders als bei den anderen Genres weniger als 6% der in<br />

Trickfilmen festgestellten Schädigungen auf Tod, und auch schwere Verletzungen kamen<br />

vergleichsweise selten vor. Damit ist der Trickfilm eher das Genre, das zumin<strong>des</strong>t nach<br />

unserer Auswertung nicht die ganz schweren Gewalttaten zeigt. Allerdings gibt es ein<br />

größeres Spektrum von Prügeleien zwischen vermenschlichten Tiergestalten bis hin zu<br />

horrorfilmähnlich aufgebauten Szenen. Bei der (identifizierbaren) demographischen<br />

Verteilung zeigt sich wieder ein ähnliches Bild wie bei der Gesamtaggression, Angreifer<br />

sind vorwiegend Männer, dabei Erwachsene, allerdings werden häufiger auch<br />

Jugendliche und Kinder in dieser Rolle gezeigt. Körpereinsatz ist die meist verwendete<br />

„Waffe", auffällig ist allerdings die genrespezifische Besonderheit von Fantasie-Figuren<br />

und vermenschlichten Tieren als zentrale Aggressoren und die Verwendung von Science-<br />

Fiction-Waffen.<br />

105


Science-Fiction<br />

Komik<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

Alltag/Familie<br />

Sonstiges<br />

N = 1.129<br />

Tab. 72: Trickfilm: Thema der Aggression<br />

Tab. 73: Trickfilm: Art der Konfliktsituation<br />

Eindeutige Aggressor-Opfer-Situation<br />

Gleichberechtiget Konfliktsituation<br />

N = 1.143<br />

Leichte Verletzung<br />

Schwere Verletzung<br />

Tod<br />

Tab. 74: Trickfilm: Entstandener Schaden<br />

Sonstiges (Bedrohung, Gefährdung, materieller Schaden)<br />

N = 1.103<br />

Einzelner<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.100<br />

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33,3%<br />

31,4%<br />

14,5%<br />

11,0%<br />

9,9%<br />

72,4%<br />

27,6%<br />

35,4%<br />

7,9%<br />

5,7%<br />

51,0%<br />

Tab. 75: Trickfilm: Anzahl der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

69,2%<br />

106<br />

18,4%<br />

11,3%<br />

1,2%


Männlich<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen<br />

N = 706<br />

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Tab. 76: Trickfilm: Geschlecht der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

91,9%<br />

5,4%<br />

2,7%<br />

Tab. 77: Trickfilm: Status der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Fantasiefigur<br />

29,7%<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Privatperson<br />

Kriminelle(r)<br />

Nicht-menschliches Ding<br />

Sonstiges<br />

N = 1.090<br />

25,6%<br />

12,6%<br />

10,3%<br />

5,8%<br />

16,0%<br />

Tab. 78: Trickfilm: Alter der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Erwachsener<br />

87,9%<br />

Jugendlicher<br />

Kind<br />

Alter – ab 60<br />

Kombination<br />

N = 761<br />

4,5%<br />

3,7%<br />

2,4%<br />

1,6%<br />

Tab. 79: Trickfilm: Waffen der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Körpereinsatz<br />

31,2%<br />

Science-Fiction-Waffe<br />

Gegenstand<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Sonstige<br />

N = 1.125<br />

107<br />

20,4%<br />

13,6%<br />

6,7%<br />

28,2%


Auch die Verteilung der Motive folgt überwiegend der Gesamtstruktur, direkt<br />

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rückschließbar sind die meisten Motive nicht. Dagegen zeigt sich eine einfachere Struktur<br />

als bei allen anderen Genres für den emotionalen Kontext. Mehr als die Hälfte der<br />

identifizierbaren „Gefühle“ sind kalte und zynische Reaktionen, gefolgt von Wut und<br />

extremem Ärger.<br />

Bei den meisten strukturellen Merkmalen der Gewalt heben sich die Trickfilme nicht von<br />

der Gesamtheit aller gezeigten Aggressionen und besonders nicht vom fiktiven Genre ab.<br />

Unterschiede tauchen überall da auf, wo Fantasie-Figuren angesprochen werden, bzw.<br />

wo es um Spezialeffekte geht. Diese sind, nicht verwunderlich, in Trickfilmen besonders<br />

häufig.<br />

Ein weiteres Spezifikum dieses Genres ist schließlich die Art der Konsequenzen für Opfer<br />

und Aggressor. Beim Opfer wird Angst nicht oft angesprochen, für den Aggressor haben<br />

zumin<strong>des</strong>t im unmittelbaren Handlungskontext die Angriffe nur selten direkte Folgen. Dies<br />

könnte nun als „Harmlosigkeit“ der Trickfilmgewalt interpretiert werden, vielleicht gar als<br />

besonders irreale Darstellung der Aggression. Andererseits sei aber noch einmal betont,<br />

daß gerade von den rein motorischen Action-Abläufen sehr wohl auch<br />

Imitationswirkungen ausgehen können, wie es sich in den bereits zitierten<br />

Untersuchungen für sehr junge Kinder gezeigt hat. Zumin<strong>des</strong>t ist bei Trickfilmen eine<br />

starke physiologische Wirkungswahrscheinlichkeit gegeben.<br />

Tab. 80: Trickfilm: Motive der Aggressoren/Konfllktpartner<br />

Nicht erkennbar<br />

33,1%<br />

Verteidigung/Schutz<br />

materiell<br />

Ärger/Frust<br />

Sanktion<br />

psychologisch<br />

Rache<br />

autoritativ geleitet<br />

Sonstiges<br />

N = 520<br />

108<br />

9,6%<br />

8,5%<br />

8,3%<br />

8,1%<br />

7,1%<br />

5,0%<br />

4,6%<br />

20,3%


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Tab. 81: Trickfilm: Emotionaler Kontext bei Aggressoren/Konfliktpartnern<br />

überlegen/kalt<br />

28,1%<br />

zynisch<br />

ist wütend, schreit<br />

Sonstiges<br />

N = 360<br />

Keine<br />

Befriedigung<br />

Strafe<br />

Sonstige<br />

N = 531<br />

Einzelne<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.091<br />

Männlich<br />

24,2%<br />

20,8%<br />

45,5%<br />

Tab. 82: Trickfilm: Konsequenz für Aggressoren/Konfliktpartner<br />

71,4%<br />

Ausgeglichen (Masse)<br />

Weiblich<br />

N = 724<br />

Tab. 83: Trickfilm: Anzahl der Opfer<br />

Tab. 84: Trickfilm: Geschlecht der Opfer<br />

109<br />

13,9%<br />

5,3%<br />

9,5%<br />

66,5%<br />

20,1%<br />

12,8%<br />

0,6%<br />

84,3%<br />

8,8%<br />

6,9%


Fantasiefigur<br />

Vermenschlichtes Tier<br />

Privatperson<br />

Nicht-menschliches Ding<br />

Kriminelle(r)<br />

Sonstiges<br />

N = 1.076<br />

Tab. 85: Trickfilm: Status der Opfer<br />

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32,5%<br />

25,4%<br />

17,1%<br />

6,4%<br />

4,8%<br />

13,8§<br />

Tab. 86: Trickfilm: Emotionaler Kontext bei den Opfern<br />

Zeigt keine Angst oder andere Emotion<br />

28,8%<br />

schreit vor Angst<br />

zeigt andere G´Formen der Angst<br />

ist wütend, schreit<br />

Sonstiges<br />

N = 338<br />

Keine<br />

Gegenwehr<br />

Flucht<br />

wird zum Aggressor<br />

Sonstiges<br />

N = 413<br />

Tab. 87: Trickfilm: Reaktion der Opfer<br />

110<br />

8,6%<br />

17,2%<br />

21,9%<br />

13,6%<br />

47,%<br />

16,7%<br />

14,3%<br />

3,6%<br />

17,9%


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Tab. 88: Trickfilm: Formale Präsentation der aggressiven Akte<br />

Zusätzliche Musik/Soundeffekte<br />

45,4%<br />

Kamera näher<br />

Schnitt schneller<br />

Special Effects<br />

Schnitt langsamer<br />

Kamera entfernter<br />

Sonstiges<br />

N = 643<br />

21,8%<br />

20,5%<br />

5,0%<br />

3,0%<br />

3,6%<br />

0,8%<br />

Insgesamt entfällt auf Trickfilme fast ein Viertel aller Gewaltszenen. Allerdings spielen sie<br />

nach unserem <strong>Analyse</strong>vorgehen bei extremer körperlicher Gewalt und gar Mord eine viel<br />

geringere Rolle.<br />

Dennoch sind sie zumin<strong>des</strong>t bei jüngeren Vorschulkindern und für den motorischen<br />

Aspekt der Aggression nicht als vollkommen isoliertes Genre zu behandeln. Auch bei<br />

Trickfilmen gibt es ein Risiko von Verhaltenskonsequenzen, besonders da, wo es sich um<br />

realistischer gemachte Programme handelt. Und zudem müßte in<br />

Wirkungsuntersuchungen analysiert werden, inwieweit die dargebotenen aggressiven<br />

Akte allgemein auch in entsprechende aggressive Denkkategorien mitübernommen<br />

werden.<br />

6.4.5 Spielfilme und Serien<br />

Auch die Themenanalyse der Spielfilme und Serien bestätigt die ganz andere Struktur<br />

dieses Genres im Vergleich zu den Nachrichten. Das dominierende Thema ist hier<br />

Kriminalität, eine Widerspiegelung der aktuellen Berichterstattung zeigt sich also nicht.<br />

Die in Nachrichten häufigen Bereiche Krieg oder politische Gewalt kommen so gut wie gar<br />

nicht vor, dagegen werden Aggression und Gewalt in der Familie öfter angesprochen. Ein<br />

weiterer, auch zu erwartender Strukturunterschied ist die Betonung <strong>des</strong> einzelnen<br />

Aggressors. Spielfilme und Serien leben sehr stark von der Personalisierung, also von der<br />

Identifikation einzelner konkreter Personen als Handlungsträger. Gewalt als Gruppenphä-<br />

nomen, wie es in der Realität häufig der Fall sein dürfte, ist eher selten. Für<br />

111


http://www.mediaculture-online.de<br />

Wirkungsanalysen wäre hier eine interessante Frage, inwieweit entsprechende Muster<br />

einzeln ausgeübter Aggression auch von Kindern und Jugendlichen übernommen werden.<br />

Beim entstandenen Schaden rangiert Tod an erster; Stelle., man kann also auch hier<br />

davon ausgeben, daß die Dramatik besonders durch Mord erreicht wird - was Spielfilme<br />

und Serien neben der Darstellungsform auch von Trickfilmen unterscheidet.<br />

Bei der Rolle der Aggressoren zeigt sich wieder die starke Dominanz von Männern<br />

gegenüber Frauen, allerdings nicht ganz so ausschließlich wie bei den Nachrichten. Ein<br />

zwar kleiner Teil (vielleicht zunehmend?) von Unterhaltungsfilmen bezieht sich auf die<br />

besondere „Dramatik“ weiblicher Aggression. Hier müßten längerfristige <strong>Analyse</strong>n zeigen,<br />

inwieweit es sich nur um ein vorübergehen<strong>des</strong> Phänomen handelt. Wieder sind auch in<br />

der Fiktion die Angreifer meistens Erwachsene. Es sind allerdings, anders als bei den<br />

Nachrichten, Privatpersonen oder Kriminelle, die Gewalt ausüben. Die Rolle der<br />

Privatperson bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Personen, die nicht schon vor<br />

der Tat als Kriminelle eindeutig gekennzeichnet waren. Daß eine Gewalttat selbst<br />

gleichzusetzen ist mit einem kriminellen Akt, wurde hierbei nicht berücksichtigt, es ging<br />

vielmehr darum, ob jemand schon vorher eindeutig etikettiert war.<br />

Tab. 89: Fictionprogramme: Thema der Aggression<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

Alltag/Familie<br />

Komik<br />

Krieg<br />

Übersinnliches<br />

Science Fiction<br />

Sonstiges<br />

N = 1.894<br />

112<br />

57,8%<br />

6,4%<br />

5,2%<br />

5,0%<br />

4,7%<br />

4,4%<br />

16,5%


Tod<br />

Leichte Verletzung<br />

Schwere Verletzung<br />

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Tab. 90: Fictionprogramme: Entstandener Schaden<br />

26,2%<br />

Sonstiges (Bedrohung, Gefährdung, materieller Schaden)<br />

N = 1.841<br />

22,5%<br />

9,1%<br />

42,2%<br />

Tab. 91: Fictionprogramme: Anzahl der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Einzelner<br />

69,8%<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.829<br />

15,8%<br />

12,7%<br />

1,6%<br />

Tab. 92: Fictionprogramme: Geschlecht der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Männlich<br />

88,3%<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen<br />

N = 1.713<br />

9,3%<br />

2,4%<br />

Tab. 93: Fictionprogramme: Alter der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Erwachsener<br />

93,9%<br />

Jugendlicher<br />

Alter – ab 60<br />

Kind<br />

Kombination<br />

N = 1.715<br />

113<br />

4,0%<br />

1,1%<br />

0,8%<br />

0,2%


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Tab. 94: Schleifenprogramme: Status der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Privatperson<br />

37,2%<br />

Kriminelle(r)<br />

Militär<br />

Polizei<br />

Detektiv<br />

Sonstiges<br />

N = 1.765<br />

29,2%<br />

9,9%<br />

8,7%<br />

3,2%<br />

11,8%<br />

Insgesamt kommt durch die hohe Repräsentanz <strong>des</strong> fiktiven Genres bei der gesamten<br />

Gewaltstruktur ihre spezifische Qualität der durchschnittlichen im Programm am nächsten.<br />

Daß überhaupt eine Durchschnittsqualität von Aggression, die sich natürlich aus zum Teil<br />

sehr unterschiedlichen Bereichen zusammensetzt, bestimmt wurde, hing mit der schon<br />

erläuterten Wahrscheinlichkeitsaussage über einzelne Aggressionsformen im Gesamtpro-<br />

gramm zusammen. Diese Wahrscheinlichkeitsaussagen werden entsprechend besonders<br />

stark von dem dominanten fiktiven Genre geprägt. Das gilt auch für die verwendeten<br />

Waffen, die Motive, den emotionalen Kontext und die Konsequenzen für Aggressoren.<br />

Körpereinsatz und Schußwaffen stehen wieder vorne, Kriegsgerät oder Phantasie-Waffen<br />

kommen so gut wie gar nicht vor. Die Ausübung von Gewalt steht häufig in keinem unmit-<br />

telbar erschließbaren Motivkontext. Wenn Motive angesprochen werden, handelt es sich<br />

um eine relativ nah beieinanderliegende Palette aus instrumentellen, reaktiven und<br />

psychologischen Gründen für Gewaltausübung. Eindeutige Emotionen kommen in<br />

weniger als einem Drittel der Angriffe auf Seiten der Aggressoren überhaupt vor; wenn,<br />

dann handelt es sich um Kälte, Wut, Zynismus oder auch, allerdings deutlich seltener,<br />

Aggression, die mit Angst verbunden ist. So, wie die Motive zum Teil unklar bleiben, gibt<br />

es meist auch keine direkten Konsequenzen für die Ausübung von Aggression. Dies<br />

hängt natürlich unter anderem mit der hier gewählten <strong>Analyse</strong>ebene, dem einzelnen<br />

aggressiven Akt, bzw. der Ereignissequenz, zusammen. In den meisten Sendungen wird<br />

irgendwann gezeigt, daß sich z.B. Verbrechen nicht lohnt, es bestraft wird. Nur sind diese<br />

Konsequenzen fast immer zeitlich und räumlich vollkommen von der einzelnen Tat<br />

abgetrennt. Wenn man so will, eine durchaus realistische Widerspiegelung tatsächlicher<br />

Tatverläufe.<br />

114


http://www.mediaculture-online.de<br />

Da wir bei den Konsequenzen allerdings den unmittelbaren psychischen Zustand direkt<br />

nach Vollendung der Tat miterfaßten, wird auch sichtbar, daß so etwas wie Reue nach<br />

einer Affekthandlung fast überhaupt nicht vorkommt. Eher wird (in fast 10% der Fälle)<br />

gezeigt, daß der Angreifer befriedigt über die Auswirkungen seiner Tat ist.<br />

Faßt man die verschiedenen Ergebnisse bis zu dieser Stelle zusammen, so ist davon<br />

auszugehen, daß zwar die Konsequenzen von Gewalt für das Opfer noch gezeigt werden,<br />

dies aber nicht in einer Weise geschieht, die das Leiden selbst betonen würde, bei_ der<br />

ein Zuschauer Einfühlungsvermögen gegenüber dem Opfer entwickeln könnte.<br />

Der Schwerpunkt liegt auf der motorischen Ausübung der Gewalt, auf der ,,Action", das<br />

Opfer wird in der Regel; nur noch kurzpräsentiert. Der Verlauf <strong>des</strong> Angriffs selbst ist<br />

wesentlich wichtiger als das Leiden.<br />

Tab. 95: Fictionprogramme: Waffen der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Körpereinsatz<br />

39,7%<br />

Schußwaffe<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Gegenstand<br />

Sonstige<br />

N = 1.862<br />

29,8%<br />

8,4%<br />

7,0%<br />

15,1%<br />

Tab. 96: Fictionprogramme: Motive der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Nicht erkennbar<br />

31,9%<br />

Verteidigung/Schutz<br />

Sanktion<br />

psychologisch<br />

autoritativ geleitet<br />

materiell<br />

Ärger/Frust<br />

Rache<br />

Sonstiges<br />

N = 1.092<br />

115<br />

8,4%<br />

8,2%<br />

8,0%<br />

7,6%<br />

7,1%<br />

6,3%<br />

4,2%<br />

18,3%


http://www.mediaculture-online.de<br />

Tab. 96: Fictionprogramme: Motive der Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Nicht erkennbar<br />

31,9%<br />

Verteidigung/Schutz<br />

Sanktion<br />

psychologisch<br />

autoritativ geleitet<br />

materiell<br />

Ärger/Frust<br />

Rache<br />

Sonstiges<br />

N = 1.092<br />

8,4%<br />

8,2%<br />

8,0%<br />

7,6%<br />

7,1%<br />

6,3%<br />

4,2%<br />

18,3%<br />

Tab. 97: Fictionprogramme: Emotionaler Kontext bei Aggressoren/Konfliktpartnern<br />

überlegen/kalt<br />

26,9%<br />

ist wütend, schreit<br />

zynisch<br />

zeigt andere Formen der Angst<br />

Sonstiges<br />

N = 762<br />

20,9%<br />

11,2%<br />

6,4%<br />

34,6%<br />

Tab. 98: Fictionprogramme: Konsequenz für Aggressoren/Konfliktpartner<br />

Keine<br />

77,4%<br />

Befriedigung<br />

Strafe<br />

Sonstige<br />

N = 880<br />

116<br />

9,0%<br />

6,1%<br />

7,5%


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Tab. 99: Fictionprogramme: Sind Aggressoren/Konfliktpartner Haupt-/Titelfiguren<br />

Ja<br />

Nein<br />

N = 1.387<br />

der Sendung?<br />

31,7%<br />

68,3%<br />

Bei der spezifischen „Opferanalyse“ wird wiederum die schon angesprochene<br />

Demographie deutlich. Einzelne überwiegen, es handelt sich vor allem um Erwachsene.<br />

Die Opfer sind nun in mehr als der Hälfte der Fälle Privatpersonen, Kriminelle werden<br />

anders als in ihrer Rolle als Angreifer relativ selten als Angegriffene (z.B. bei<br />

Verhaftungen) gezeigt. Es war zwar für die Gewaltstruktur <strong>des</strong> gesamten<br />

Fernsehangebots schon angesprochen worden, bei Spielfilmen und Serien zeigt es sich<br />

aber wieder besonders klar: Frauen haben hier eine nochmals größere<br />

Wahrscheinlichkeit, als Opfer gezeigt zu werden verglichen mit der Verteilung zwischen<br />

Opfer und Täter bei Männern.<br />

Einzelne<br />

Clique<br />

Paar<br />

Masse<br />

N = 1.842<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen (Masse)<br />

N = 1.713<br />

Tab. 100: Fictionprogramme: Anzahl der Opfer<br />

71,7%<br />

15,4%<br />

12,1%<br />

1,4%<br />

Tab. 101: Fictionprogramme: Geschlecht der Opfer<br />

78,1%<br />

117<br />

14,9%<br />

6,9%


Erwachsener<br />

ugebdlicher<br />

Alter – ab 60<br />

Kombination<br />

Kind<br />

N = 1.703<br />

Privatperson<br />

Kriminelle(r)<br />

Polizei<br />

Militär<br />

Nicht-menschliches Ding<br />

Sonstiges<br />

N = 1.802<br />

Tab. 102: Fictionprogramme: Alter der Opfer<br />

Tab. 103: Fictionprogramme: Status der Opfer<br />

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91,0%<br />

3,8%<br />

2,2%<br />

1,8%<br />

1,2%<br />

52,9%<br />

15,1%<br />

7,8%<br />

7,7%<br />

5,1%<br />

11,4%<br />

In der überwiegenden Zahl der Fälle sind die gezeigten Opfer wehrlos, haben also gar<br />

keine Möglichkeit, sich z.B. mit Waffengewalt zu verteidigen. Dies hängt allerdings auch<br />

mit der Definition der Situation zusammen. Sofern beide Konfliktpartner bewaffnet waren,<br />

wurde meist von einem gleichberechtigten Konflikt ausgegangen. Dennoch gibt es<br />

natürlich auch eindeutige Opfersituationen, bei denen die Angegriffenen im Prinzip über<br />

Waffen verfügen, z.B. dann, wenn die Aggression von hinten erfolgt oder sie in einer<br />

eindeutig viel schlechteren Ausgangsposition sind. Die häufigsten Reaktionen der Opfer<br />

sind verschiedene Formen von Angst, auf sie entfallen fast 40% der gezeigten Gefühle.<br />

Bei der Frage, ob Aggressoren und Opfer Hauptfiguren einer Sendung sind, sehen die<br />

Ergebnisse für beide ähnlich aus, jeweils ein knappes Drittel der Angreifer und Opfer sind<br />

zugleich Hauptpersonen der Handlung.<br />

118


Keine<br />

Körpereinsatz<br />

Schußwaffe<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Sonstige<br />

N = 1.747<br />

Tab. 104: Fictionprogramme: Waffen der Opfer<br />

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53,3%<br />

18,5%<br />

14,4%<br />

6,3%<br />

6,5%<br />

Tab. 105: Fictionprogramme: Emotionaler Kontext bei den Opfern<br />

zeigt keine Angst<br />

26,3%<br />

zeigt andere Formen der Angst<br />

schreit vor Angst<br />

ist wütend, schreit<br />

überlegen/kalt<br />

Sonstiges<br />

N = 771<br />

Keine<br />

Gegenwehr<br />

Flucht<br />

wird zum Aggressor<br />

Sonstiges<br />

N = 902<br />

Ja<br />

Nein<br />

N = 1.367<br />

Tab. 106: Fictionprogramme: Reaktion der Opfer<br />

24,4%<br />

13,2%<br />

12,1%<br />

6,8%<br />

17,2%<br />

39,2%<br />

24,8%<br />

8,6%<br />

4,4%<br />

22,8%<br />

Tab. 107: Fictionprogramme: Sind die Opfer Titel-/Hauptfiguren?<br />

29,7%<br />

70,3%<br />

Rund ein Drittel der gezeigten Gewalttaten hebt sich vom Rest der Handlung durch eine<br />

besondere formale Präsentation ab. Dabei dominieren Musik und Soundeffekte. Dies<br />

119


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entspricht dem in der Forschung demonstrierten besonderen Aufmerksamkeitsgrad, der<br />

mit Geräuschen verbunden ist. Akustische Reize wirken noch aufmerksamkeits- und<br />

erregungssteigernder als visuelle. Abgesehen davon, daß Geräuscheffekte bei den<br />

(bereits beschriebenen) Nachrichten bislang nicht vorkamen, sind auch die visuellen<br />

Effekte in Spielfilmen und Serien stärker ausgeprägt als in den rein dokumentarischen<br />

Genres. Abgesehen von der inhaltlichen Betonung der Realität dürfte das Spezifische <strong>des</strong><br />

aktuelleren „Reality-TV“ gerade auch in der besonderen formalen Darstellung, dabei<br />

wiederum der akustischen Untermalung liegen.<br />

Tab. 108: Fictionprogramme: Formale Präsentation der aggressiven Akte<br />

Zusätzliche Musik<br />

57,2%<br />

Schnitt schneller<br />

Kamera näher<br />

Special Effects<br />

Schnitt langsamer<br />

Sonstiges<br />

N = 1.195<br />

14,9%<br />

14,1%<br />

4,0%<br />

3,1%<br />

6,7%<br />

Vergleicht man alle Genres miteinander, so werden die großen Unterschiede in der<br />

Gewaltpräsentation deutlich. Insgesamt dominieren Spielfilme und Serien die<br />

Aggressionsstruktur im Programm. Deutlich anders sind sowohl in thematischer als auch<br />

in „demographischer“ Hinsicht Nachrichten aufgebaut. Bei ihnen stehen politisch-<br />

gesellschaftliche Inhalte im Vordergrund, Kriminalität und Verbrechen kommen viel<br />

seltener vor. Zugleich werden auch die aggressiven Akteure anders dargestellt, der<br />

Gruppenaspekt, der vielleicht für „reale“ Gewalt repräsentativer ist, kommt in den<br />

Nachrichten viel häufiger vor.<br />

Was Nachrichten und den fiktiven Bereich gegenüber Trickfilmen unterscheidet, ist die<br />

Bedeutung schwerer Formen von Aggression, vor allem Mord. Dieser ist in Trickfilmen<br />

seltener zu finden.<br />

Spielfilme und Serien sind damit, was die Verteilung im Programm und die Intensität der<br />

Aggressionen angeht, das Gewaltdarstellungen dominierende Genre. Zwar werden in<br />

Nachrichten zum Teil noch sehr viel „drastischere“ (auch weil reale) Formen von Gewalt<br />

120


http://www.mediaculture-online.de<br />

gezeigt, sie schlagen aber rein quantitativ mit viel geringeren Prozentzahlen zu Buche.<br />

Trickfilme zeigen zwar relativ viel Gewalt, dafür aber eher mittlere Formen.<br />

<strong>Eine</strong> Widerspiegelung der Realität, wie sie sich in Nachrichten darstellt, sind die fiktiven<br />

Sendungen nicht.<br />

6.4.6 „Mordstruktur“ im Fernsehprogramm<br />

Für die vermutlich schwerste, zumin<strong>des</strong>t endgültigste Schadensform als Folge von<br />

Gewalt, nämlich Mord, wurde nochmals eine getrennte <strong>Analyse</strong> durchgeführt. Auch hier ist<br />

wieder festzuhalten, daß das fiktive Genre am Mord einen besonders starken Anteil hat,<br />

demgegenüber Trickfilme nur wenig zur „Mordstatistik“ beitragen.<br />

Die Ergebnisse der einzelnen Tabellen bedürfen keiner erneuten Erläuterung, die<br />

Interpretation entspricht zum großen Teil der beim Spielfilm. Auffällig ist allein, daß bei<br />

„Tod“ durch den hohen Anteil politischer Gewalt an den Nachrichten auch das Militär eine<br />

größere Bedeutung hat. Außerdem ergeben sich indirekte Rückschlüsse auf die<br />

Dramaturgie von Spielfilmen und Serien dadurch, daß Mordopfer deutlich seltener<br />

zugleich Hauptfiguren eines Handlungsverlaufs sind. Mit anderen Worten, anders als z.B.<br />

in Hitchock's „Psycho“, werden die „Helden“ in den meisten Fällen nicht „geopfert“.<br />

Tab. 109: Thematischer Rahmen der Morde<br />

Kriminalität/Verbrechen<br />

Krieg<br />

Science Fiction<br />

Rassen-/Minoritätenkonflikte/Politische Auseinandersetzung<br />

Übersinnlich/Pathologisch<br />

Sonstiges<br />

N = 497<br />

121<br />

48,1%<br />

13,5%<br />

10,1%<br />

8,4%<br />

5,0%<br />

14,8%


Einzelner<br />

Paar<br />

Clique<br />

Masse<br />

N = 431<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen<br />

N = 359<br />

Erwachsener<br />

Alter – ab 60<br />

Jugendlicher<br />

Kind<br />

N = 365<br />

Krimineller<br />

Militär<br />

Privatperson<br />

Fantasie/Horrorfigur<br />

Polizei<br />

Sonstige<br />

N = 425<br />

Tab. 110: Mord: Anzahl der Täter<br />

Tab. 111: Mord: Geschlecht der Täter<br />

Tab. 112: Mord: Alter der Täter<br />

Tab. 113: Mord: Status der Täter<br />

122<br />

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62,6%<br />

10,2%<br />

19,3%<br />

7,9%<br />

89,7%<br />

8,4%<br />

1,9%<br />

96,4%<br />

1,6%<br />

1,1%<br />

0,3%<br />

31,1%<br />

21,4%<br />

19,5%<br />

8,7%<br />

6,1%<br />

13,2%


Schußwaffe<br />

Körpereinsatz<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Kriegsgerät<br />

Science-Fiction-Waffe<br />

Sonstige<br />

N = 451<br />

Nicht erkennbar<br />

politisch-ideologisch<br />

Verteidigung/Schutz/Sanktion<br />

psychologisch<br />

autoritativ geleitet<br />

materiell<br />

Rache<br />

Sonstiges<br />

N = 299<br />

überlegen/kalt<br />

zeigt keine Angst<br />

ist wütend/schreit<br />

zynisch<br />

zeigt Angst<br />

Sonstiges<br />

N = 126<br />

Tab. 114: Mord: Waffen der Täter<br />

Tab. 115: Mord: Motive der Täter<br />

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39,0%<br />

17,1%<br />

13,1%<br />

10,6%<br />

4,9%<br />

15,3%<br />

39,1%<br />

16,1%<br />

8,4%<br />

7,7%<br />

6,7%<br />

5,0%<br />

4,0%<br />

13,0%<br />

Tab. 116: Mord: Emotionaler Kontext bei den Tätern<br />

34,9%<br />

123<br />

24,6%<br />

15,1%<br />

11,1%<br />

5,6<br />

33,3%


Keine<br />

Strafe<br />

Befriedigung<br />

Sonstiges<br />

N = 202<br />

Ja<br />

Nein<br />

N = 322<br />

Einzelner<br />

Clique<br />

Masse<br />

Paar<br />

N = 468<br />

Männlich<br />

Weiblich<br />

Ausgeglichen (Masse)<br />

N = 414<br />

Tab. 117: Mord: Konsequenz für die Täter<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

72,8%<br />

11,9%<br />

6,9%<br />

8,4%<br />

Tab. 118: Mord: Sind die Täter Titel-/Hauptfiguren?<br />

21,7%<br />

Tab. 119: Mord: Anzahl der Opfer<br />

Tab. 120: Mord: Geschlecht der Opfer<br />

124<br />

78,3%<br />

61,5%<br />

21,4%<br />

9,2%<br />

7,9%<br />

73,4%<br />

19,3%<br />

7,2%


Erwachsener<br />

Alter – ab 60<br />

Jugendlicher<br />

Kind<br />

Kombination<br />

N = 408<br />

Privatperson<br />

Militär<br />

Kriminelle(r)<br />

Polizei<br />

Fantasieblume<br />

Sonstiges<br />

N = 454<br />

Keine<br />

Schußwaffe<br />

Körpereinsatz<br />

Hieb-/Stichwaffe<br />

Sonstige<br />

N = 399<br />

Tab. 121: Mord: Alter der Opfer<br />

Tab. 122: Mord: Status der Opfer<br />

Tab. 123: Mord: Bewaffnung der Opfer<br />

125<br />

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90,7%<br />

3,2%<br />

1,7%<br />

1,5%<br />

2,9%<br />

53,5%<br />

12,6%<br />

11,5%<br />

5,3%<br />

4,8%<br />

12,3%<br />

60,7%<br />

17,5%<br />

6,3%<br />

5,8%<br />

9,7%


schreit vor Angst<br />

zeigt andere Formen der Angst<br />

zeigt keine Angst<br />

bittet um Gnade<br />

verzweifelt/Scham<br />

Sonstiges<br />

N = 133<br />

Keine<br />

Gegenwehr<br />

Flucht<br />

Sonstiges<br />

N = 252<br />

Ja<br />

Nein<br />

N = 327<br />

Zusätzliche Musik<br />

Schnitt schneller<br />

Kamera näher<br />

Special Effects<br />

Sonstiges<br />

N = 278<br />

Tab. 124: Mord: Emotionaler Kontext bei den Opfern<br />

Tab. 125: Mord: Reaktion der Opfer<br />

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32,3%<br />

26,3%<br />

17,3%<br />

4,5%<br />

4,5%<br />

15,1%<br />

67,9%<br />

12,7%<br />

8,3%<br />

11,1%<br />

Tab. 126: Mord: Sind die Opfer Titel-/Hauptfiguren?<br />

16,8%<br />

Tab. 127: Formale Präsentation der Morde<br />

83,2%<br />

55,8%<br />

16,9%<br />

14,7%<br />

4,3%<br />

8,3%<br />

Bei der Verteilung der Genres auf Morde ergibt sich aus dem Gesagten, daß Nachrichten<br />

im Vergleich zu ihrem Beitrag zu allen Aggressionen einen höheren Anteil haben,<br />

umgekehrt Trickfilme einen deutlich geringeren. Aus der Tageszeitanalyse geht hervor,<br />

126


daß sich umgerechnet auf einen ZweiStunden-Rhythmus ab Beginn <strong>des</strong><br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

Vorabendprogramms (18 Uhr) Mordszenen in etwa gleich verteilen. Die deutliche Ballung<br />

im Vorabendprogramm wie bei der körperlichen Gewalt insgesamt zeigt sich nicht,<br />

andererseits sind Morde zwischen 18 und 20 Uhr aber auch nicht viel seltener als zu<br />

anderen Sendezeiten. Ein letzter Befund schließlich zum Mord (siehe die Tabelle 130):<br />

Bei Frauen besteht eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, zu Mordopfern zu werden.<br />

Spielfilm<br />

Serie<br />

Nachrichten<br />

Zeichentrick<br />

Information/Dokumentation<br />

Unterhaltung<br />

Sonstiges<br />

N = 506<br />

6 Uhr – 14 Uhr<br />

14 Uhr – 18 Uhr<br />

18 Uhr – 20 Uhr<br />

20 Uhr – 22 Uhr<br />

22 Uhr – 23 Uhr<br />

23 Uhr – 5 Uhr<br />

N = 506<br />

Tab. 128: Verteilung der Morde auf Programmgenres<br />

46,4%<br />

Tab. 129: Verteilung der Morde auf die Tageszeit<br />

127<br />

20,8%<br />

15,4%<br />

8,3%<br />

5,1%<br />

3,4%<br />

0,6%<br />

19,4%<br />

8,7%<br />

12,3%<br />

14,6%<br />

8,3%<br />

36,8%


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Tab. 130: Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Tätern bei ausgeführten<br />

Morden<br />

Opfer:<br />

Männlich Weiblich Σ<br />

209<br />

42<br />

251<br />

Täter Männlich<br />

Weiblich<br />

Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Das Programm insgesamt<br />

83,3%<br />

91,7%<br />

19<br />

79,2%<br />

8,3%<br />

228<br />

82,9%<br />

16,7%<br />

89,4%<br />

5<br />

20,8%<br />

10,6%<br />

47<br />

17,1%<br />

91,3%<br />

4<br />

8,7%<br />

275<br />

100.0%<br />

Faßt man das Programm aller Anbieter (insgesamt also fast 750 Stunden) zusammen, so<br />

kamen im von uns analysierten Zeitraum einer Woche 1991 in 582 Sendungen aggressive<br />

und bedrohliche Handlungen vor. Dies entspricht 47,7% aller erfaßten Sendungen. Mit<br />

anderen Worten:<br />

In fast der Hälfte aller <strong>deutschen</strong> Fernsehsendungen wird zumin<strong>des</strong>t einmal Aggression<br />

oder Bedrohung in irgendeiner Form thematisiert.<br />

Die Aggressionen verteilen sich auf 2.745 Szenen mit einem oder mehreren Angriffen und<br />

Bedrohungen und auf 3.632 einzelne aggressive Akte. Stündlich werden also im<br />

Gesamtprogramm durchschnittlich rund 5 Aggressionen gezeigt. Jede einzelne dauert im<br />

Schnitt knapp 22 Sekunden mit starken Schwankungen zwischen Öffentlich-Rechtlichen<br />

(ca. 30 Sekunden) und Privaten (ca. 19 Sekunden).<br />

Die überwiegende Zahl der Aggressionen und Bedrohungen bezieht sich auf fiktionale<br />

Beiträge (Spielfilme, Serien), Nachrichten und Dokumentationen sind mit rund 15% am<br />

gesamten Aggressionsbudget beteiligt. Die 93 aggressiven Trailer einer Woche machen<br />

rund 3,5% der insgesamt gezeigten Gewalt aus.<br />

128


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Bei der hohen Importrate von Serien erstaunt nicht, daß die USA einen 33%-Anteil an<br />

allen Gewalt-Geschehensorten haben (im Vergleich zu rund 8% aller aggressiven<br />

Szenen, die sich auf deutschem Boden abspielen).<br />

Bei der Schwere <strong>des</strong> Schadens zeigt sich, daß mehr als die Hälfte aller aggressiven<br />

Ereignissequenzen eine direkte physische Schädigung (Verletzung oder Tod) beinhalten.<br />

Auf vollendeten Mord/Tod entfallen 20% von allen einschlägigen Szenen.<br />

Die einzelnen Sender<br />

Wie verteilte sich die Aggression 1991 auf die einzelnen Anbieter? Zunächst ohne weitere<br />

Differenzierung wurden die Anteile aggressiver Ereignisse an der insgesamt analysierten<br />

Programmzeit je<strong>des</strong> einzelnen Senders berechnet. Danach sahen die<br />

Aggressionsprozente am eigenen Gesamtprogramm (Zeit) folgendermaßen aus:<br />

ARD: 6,7%; ZDF: 7,2%; ARD/ZDF (Vormittag): 2,1%; SAT 1: 7,3%; RTL: 10,7%; Tele 5:<br />

11,7%; PRO 7: 12,7%.<br />

Der Zeitanteil aggressiver Elemente am Gesamtprogramm bewegt sich demnach um 10%<br />

mit senderspezifisch mehr oder weniger deutlichen Ausschlägen nach oben oder unten.<br />

Die Aggressionsanteile am Programm lagen bei den Privaten insgesamt deutlich höher<br />

als bei den Öffentlich-Rechtlichen. 1992 wurden von einzelnen Sendern die Gewaltanteile<br />

laut eigener Aussage reduziert.<br />

Legt man nicht eine ganze Ereignissequenz, sondern nur noch den einzelnen aggressiven<br />

Akt („pure Gewalt“) zugrunde, so ergibt sich folgende Verteilung:<br />

ARD: 2,3%; ZDF: 2,5%; ARD/ZDF: 1,2%; RTL: 3,1%; SAT 1: 2,6%; Tele 5: 3,4%; PRO 7:<br />

3,3%.<br />

Zu berücksichtigen ist dabei natürlich, daß die vorgegebene Programmstruktur (Film- und<br />

Serienakzent) auch genrespezifisch Gewaltdarstellungen wahrscheinlicher macht als ein<br />

Programm mit einem größeren Spektrum.<br />

Das Ergebnis zeigt, daß Spielfilm-/Serienbetonung und dabei hohe US-Importraten (s.o.)<br />

die Häufigkeit aggressiver Szenen ansteigen lassen.<br />

<strong>Eine</strong> weitergehende Hypothese besagt, daß diese Film- und Serienbetonung im Zweifel<br />

auch mit einem höheren Anteil an direkt gezeigter extremer Gewalt verbunden ist. Um<br />

129


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dies zu überprüfen, analysierten wir die „Mordraten“ der Sender. Das Ergebnis bestätigte<br />

die Hypothese, der Trend über die Sender stellte sich noch deutlicher dar, der höchste<br />

„Mordszenen-Wert“ (PRO 7) war mehr als dreimal so hoch wie der niedrigste (ARD).<br />

Dabei kann natürlich eine einzelne Szene eines niedrig plazierten Senders durchaus<br />

traumatischer wirken als mehrere zusammen eines anderen Senders (siehe den<br />

Unterschied zwischen emotionalen und kognitiven Wirkungen).<br />

Dennoch: die „Selbstverständlichkeiten“ von Mordszenen variieren. Dabei ist zudem zu<br />

berücksichtigen, daß in einer solchen Szene häufig auch mehrere oder gar sehr viele<br />

Menschen umgebracht werden. Ohne weitere Differenzierung als Durchschnittswert auf<br />

Tage und Stunden umgerechnet bedeuten die Zahlen, daß im Schnitt im<br />

Gesamtprogramm einer Woche 1991 fast 500 Mordszenen (genau 481) mit zum Teil<br />

wieder mehreren Einzelmorden bzw. mehreren Toten vorkamen oder täglich rund 70;<br />

dabei entfielen auf:<br />

PRO 7 täglich ca. 20; Tele 5 täglich ca. 13; RTL täglich ca. 13; SAT 1 täglich ca. 9; ZDF<br />

täglich ca. 7; ARD täglich ca. 6; ARD/ZDF täglich 2 (Vormittag).<br />

Häufig beschworen, weil die einzelnen Fälle besonders drastisch dargestellt und<br />

entsprechend erlebt werden, sind direkte Vergewaltigungen und schwere<br />

Sittlichkeitsdelikte. Ohne Berücksichtigung der Prägnanz fallen sie zahlenmäßig im<br />

Untersuchungszeitraum kaum ins Gewicht (über alle Sender hinweg 12 Ereignisse).<br />

Interessant sind die Gewaltanteile pro Sender innerhalb eines spezifischen Genres, also<br />

z.B. bei SAT 1 der Gewaltanteil an den von diesem Sender ausgestrahlten Serien. Hier<br />

nur eine Auswahl bezogen auf körperliche Gewalt, jeweils nur höchster und niedrigster<br />

Wert. Dabei ist zu beachten, daß die absoluten Zahlen immens unterschiedlich sind: PRO<br />

7 zeigte über 3 Stunden pro Woche Spielfilmszenen mit körperlicher Gewalt, umgekehrt<br />

(vor den systematischer plazierten Nachrichten) nur 3 1/2 Minuten gewaltbezogene<br />

Nachrichtenbilder. Im einzelnen reichten die Werte für Nachrichten von 0,7% (ZDF) bis<br />

7,6% (RTL) Gewaltanteil, für Info/Doku von 0,5% (ARD) bis 2,7% (SAT 1), für Spielfilm<br />

von 3,8% (SAT 1) bis 8,6% (Tele 5), für Serien von 1,5% (ARD) bis 4,6% (PRO 7) und für<br />

Cartoon von 4,0% (RTL) bis 9,0% (PRO 7).<br />

Summiert man die diesen Prozentzahlen zugrundeliegenden absoluten Zahlen über alle<br />

Sender und Genres, so erhält man einen Gesamtwert für körperliche Gewaltszenen von<br />

130


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25 Stunden pro Woche. Dies bedeutet, der Zusammenschnitt aller direkten körperlichen<br />

Gewaltakte einer Woche hat eine Dauer von 25 Stunden.<br />

Bei Berücksichtigung nur der absoluten Zahlen zeigten sich folgende Ergebnisse:<br />

Den über alle Sender und Genres hinweg absolut höchsten Wert hatte PRO 7 mit in einer<br />

Woche 3 Stunden und 17 Minuten Spielfilmszenen, die ausschließlich körperliche Gewalt<br />

zeigten. Auch bei Serien führte PRO 7 mit einem noch einmal annähernd gleichen Wert<br />

von mehr als drei Stunden. Die meiste Trickfilmaggression kam bei Tele 5 vor.<br />

Nachrichtenaggression war absolut gesehen am häufigsten bei RTL vertreten.<br />

Zwischen den Genres sind die Unterschiede z.T. so groß, daß zum Beispiel<br />

Spielfilmaggression eine ganz andere Funktion und Wirkung für den Zuschauer haben<br />

kann als Nachrichtengewalt (siehe die Differenzierung nach Psychologie, Emotion,<br />

Kognition). Während Erwachsene diese Differenzierung meist zumin<strong>des</strong>t kurzfristig recht<br />

gut leisten können, sind - ungeachtet von ihrem vermutlich größeren Programmwissen -<br />

eine mögliche Problemgruppe jüngere Kinder.<br />

Unsere Befunde zeigen: Zumin<strong>des</strong>t vor 23 Uhr fand die größte Ballung von körperlicher<br />

Gewalt im Vorabendprogramm zwischen 18 und 20 Uhr statt, einer Zeit, zu der<br />

gleichzeitig die meisten Kinder vor dem Bildschirm sitzen. In absoluten Zahlen kamen zu<br />

dieser Zeit täglich fast 20 Gewaltszenen (physisch) vor, wieder sehr unterschiedlich<br />

verteilt auf die einzelnen Sender.<br />

Die inhaltliche Struktur der Aggression<br />

Während für den Sendervergleich die Ereignissequenzen analysiert wurden, geht es im<br />

folgenden um die Art der einzelnen dargestellten Gewalthandlung und ihren Kontext.<br />

Insgesamt wurden in einer Woche Programm 3.632 solcher aggressiven Akte gezählt. In<br />

den meisten Ereignissequenzen (rund zwei Drittel) kommt nur ein aggressiver Akt vor.<br />

Auch wenn Durchschnittszahlen nur bedingt aussagefähig sind: Die „Vorbereitung“ einer<br />

einzelnen Gewalthandlung innerhalb einer Szene dauert im Schnitt eine Minute: Hier wird<br />

der Zuschauer z.B. im Spielfilm durch anschwellende Musik und durch eine beschleunigte<br />

oder umgekehrt auch verlangsamte Schnittfolge auf die tatsächliche Aggression<br />

eingestimmt.<br />

Die einzelnen Gewaltakte verteilen sich dabei folgendermaßen:<br />

131


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Art der Konfliktsituation: Eindeutige Aggressor-Opfer Situation 71%; Gleichberechtigte<br />

Konfliktsituation 29%.<br />

Arten der Aggression: Körperlicher Zwang/leichte Körperverletzung 39%; Physische<br />

Bedrohung 32%; Sachbeschädigung 23%; Mord 15%; Schlägerei 14%; Schwere<br />

Körperverletzung 11%; Massive Beschimpfung 10%.<br />

In 92% der Fälle waren die Aggressoren Erwachsene mittleren Alters, 4% entfielen auf<br />

Jugendliche und je weniger als 2% auf Kinder oder ältere Leute. In fast zwei Drittel der<br />

Fälle war ein Motiv aus dem unmittelbaren Handlungskontext nicht erkennbar, mußte man<br />

also min<strong>des</strong>tens einen größeren Teil <strong>des</strong> Programms verfolgt haben, um die Aggression<br />

(die dennoch sehr häufig auch dann nur fragmentarisch begründet war) einordnen zu kön-<br />

nen. Insgesamt erscheint Gewalt im Programm sehr häufig als l'art pour l'art, wird sie<br />

kaum psychologisch oder gesellschaftlich begründet.<br />

Ein Augenmerk der <strong>Analyse</strong> galt der Beziehung zwischen der Gewaltdarstellung und einer<br />

speziellen Form der Präsentation. Nah- und Detailaufnahmen können für die Vermittlung<br />

von Leiden aber auch für eine mögliche „voyeuristische“ Perspektive ein wichtiges<br />

Stilelement sein. Sie werden bei den meisten Aggressionsformen nicht eingesetzt (jeweils<br />

unter 10%), nur bei Mord wird jeder fünfte Einzelakt im Detail gezeigt (in absoluten Zah-<br />

len, bezogen auf Mord als einzelner Akt: 136).<br />

Ausführlich ausgewertet wurde auch die Mann-Frau-Verteilung auf Aggressor, Opfer,<br />

Kontext, Begründung und Art der Aggression. 91,3% der Aggressoren waren Männer,<br />

8,7% Frauen. Bei den Opfern entfielen 84,6% auf Männer, 15,4% auf Frauen. Frauen<br />

haben also eine größere Wahrscheinlichkeit, als Opfer denn als Aggressor dargestellt zu<br />

werden. Wenn sie als Aggressor gezeigt werden, sind ihre Opfer zu 81,5% Männer, zu<br />

18,5% Frauen. Bei Männern als Aggressoren ist das Verhältnis der Opfer 85% (Männer)<br />

zu 15% (Frauen). Am deutlichsten ist die Diskrepanz bei Mord: Frauen sind mit doppelt so<br />

großer Wahrscheinlichkeit Opfer als Täter.<br />

Verteilung der Aggression auf die unterschiedlichen Programmgenres<br />

Bei der Debatte über Mediengewalt wird häufig ins Feld geführt, daß die Gesellschaft<br />

tatsächlich gewalttätig sei und entsprechend auch Gewalt im Programm auftauchen<br />

müßte. Dabei wird den Nachrichten ein besonders hoher Stellenwert zugewiesen und<br />

132


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argumentiert, gerade Nachrichtenaggression könne sogar abschreckend auf die<br />

Anwendung von Gewalt wirken. Die <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Programms zeigt, daß<br />

weniger als 10% der insgesamt gezeigten Aggression auf Nachrichten entfallen und,<br />

nimmt man Dokumentationen und Reportagen hinzu, der Anteil „realer“ Gewaltdarstellun-<br />

gen bei unter 15% bleibt. Die überwiegende Zahl der Gewaltdarstellungen (über 80%)<br />

bezieht sich also auf fiktive und Unterhaltungsprogramme. Den größten Anteil haben<br />

dabei Serien und Spielfilme mit über 50% vom Gesamtangebot aggressiver Szenen, und<br />

ein ebenfalls noch großer Prozentsatz entfällt auf Trickfilme: rund ein Viertel aller<br />

dargestellten Aggression. Zwar wird den Trickfilmen in der Regel ein Sonderstatus<br />

zugewiesen, weil hier irreale Formen und Darstellungen überwiegen, doch war zumin<strong>des</strong>t<br />

noch 1991 in diesem Genre auch sehr extreme Gewalt vertreten bis hin zum Mord, bei<br />

dem z.B. einzelne Personen auf einen riesigen Stachel aufgespießt wurden, typisch für<br />

asiatische Billigproduktionen. Auch wenn man bei Trickfilmen Aussagen über das direkte<br />

(Verhaltens-)Wirkungspotential eher für jüngere Kinder machen kann: es bleibt<br />

festzuhalten, daß die dort gezeigten Aggressionskategorien ebenfalls zu einer<br />

generalisierten Auffassung der Selbstverständlichkeit von Gewalt beitragen können.<br />

Die Genres im einzelnen<br />

Struktur der Aggression in Nachrichten<br />

Beim Themenrahmen der Aggression dürfte die Variation bei den Nachrichten besonders<br />

groß sein. Hier hängt die Berichterstattung natürlich sehr stark von aktuellen Ereignissen<br />

und auch der jeweils für besonders wichtig gehaltenen Agenda ab. 1991 war das am<br />

meisten vertretene Aggressionsthema in den Nachrichten Rassen- und<br />

Minoritätenkonflikte, vermutlich auch 1992 noch zutreffend. Auf diesen Themenbereich<br />

entfielen rund 30% der aggressionsbezogenen Berichte.<br />

Kriegsberichterstattung folgte mit rund 25% der Fälle, Kriminalität und Verbrechen waren<br />

bei etwas weniger als einem Fünftel der Aggressionsthemen der Ereignisrahmen;<br />

innenpolitische Auseinandersetzungen wurden in rund 17% der Fälle angesprochen und<br />

Extremformen <strong>des</strong> Terrorismus in rund 6% der Fälle thematisiert. Nicht verwunderlich ist<br />

dann, daß bei den eindeutig zu identifizierenden Motiven für Gewaltanwendung in<br />

Nachrichten politisch-ideologische Hintergründe mit über 50% dominieren.<br />

133


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Ein weiterer Aspekt ist die Verteilung von Männern und Frauen als „Angreifer“ in der<br />

Nachrichtengewalt (auch im Vergleich zu fiktiven Programmen s.u.). Frauen als<br />

Aggressoren wurden in nur 2% der Fälle in den Nachrichten gezeigt, gegenüber rund 94%<br />

Männer und 4% Gleichverteilung, z.B., da die Ereignisse sich auf eine größere Gruppe<br />

von Personen bezogen. Auch bei den Opfern entfiel auf ausschließlich Frauen nur ein<br />

geringer Prozentsatz (2%). Hier kamen Männer in rund 72% der Fälle als Opfer vor, rund<br />

ein Viertel zeigte wieder eine größere Menge von Opfern, d.h. Männer und Frauen<br />

gemischt.<br />

Die naheliegendste Interpretation dieser Zahlen besteht darin, sie einfach als<br />

Widerspiegelung der tatsächlichen Verteilung männlicher und weiblicher Aggressoren zu<br />

deuten. Allerdings ist die Überprüfung an statistischen Daten schwierig, da anders als bei<br />

der Kriminalität keine Informationen über die demographische Struktur unterschiedlicher<br />

Gewaltformen vorliegen.<br />

So bleibt als interessanter Vergleich der mit der fiktiven Gewalt: hier sind Frauen fünfmal<br />

so häufig (= 10%) die Angreifer, vermutlich zu erklären über die sehr unterschiedlichen<br />

Themenrahmen: Nachrichten: Krieg und Politik; Fiktion: Alltag oder Verbrechen.<br />

Da in den Nachrichten schwere Konfliktformen vorherrschen, entfällt auch ein besonders<br />

hoher Prozentsatz der gezeigten Gewalt auf Aktionen mit To<strong>des</strong>folge. Zwar werden in<br />

absoluten Zahlen die meisten tödlichen Angriffe in fiktiven Programmen gezeigt, doch ist<br />

gemessen an den anderen Formen von Gewalt innerhalb eines Genres Tod in den<br />

Nachrichten mit 50% die am stärksten vertretene Schadensform. Zum Vergleich: bei<br />

fiktiven Programmen entfallen rund 27% der Fälle auf Mord oder Totschlag, während es<br />

im Trickfilm rund 7% sind.<br />

Bei der formalen Präsentation wird auch Gewalt in den Nachrichten durch spezifischen<br />

Kameraeinsatz betont. So finden sich bei der Darstellung von Aggression in den<br />

Nachrichten sowohl deutlich schnellere Schnitte wie auch der Einsatz von Zooms.<br />

Faßt man diese und andere Ergebnisse zur Nachrichtengewalt zusammen, so zeigt sich,<br />

daß politische und militärische Themen gegenüber der Kriminalität bei weitem überwiegen<br />

(anders als im Reality-TV, welches sich fast ausschließlich auf Kriminalität und<br />

134


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Katastrophen beschränkt) und daß entsprechend in den Nachrichten vor allem die<br />

schweren Gewaltformen vorkommen und für berichtenswert gehalten werden.<br />

Spielfilme und Serien<br />

Spielfilme und Serien sind zunächst nicht direkt miteinander zu vergleichen, und auch<br />

innerhalb dieser Genres gibt es natürlich ein sehr großes Themenspektrum. An dieser<br />

Stelle ging es jedoch vor allem um die Aufteilung auf dokumentarisch und fiktiv<br />

(Mischformen spielten im Erhebungszeitraum quantitativ noch keine große Rolle). Von<br />

daher wird das fiktive Genre hier zusammengefaßt, tatsächlich zeigte sich auch in bezug<br />

auf Gewalt eine recht große Homogenität zwischen Spielfilm und Serie:<br />

Hauptthema in Spielfilmen und Serien ist mit weitem Abstand Kriminalität, mit fast 60%<br />

aller Stories mit Gewaltbezug. Aggressionen in Alltag und Familie, im Zusammenhang mit<br />

Komik und schließlich mit Krieg sind jeweils mit rund 5% vertreten, der Rest entfällt auf<br />

unterschiedliche Themen, mit zum Teil weit unter 5% wie Sciene-Fiction, Western usw.<br />

Anders als bei den Nachrichten beziehen sich die Konfliktformen bei Serie und Spielfilm<br />

vor allem auf Einzelpersonen. 70% der Aggressionen spielen sich zwischen<br />

identifizierbaren Männern oder Frauen ab (zum Vergleich: bei den Nachrichten<br />

überwiegen mit Abstand Konflikte zwischen größeren Gruppen).<br />

Während bei der Nachrichtengewalt auch im unmittelbaren Kontext <strong>des</strong> Ereignisses meist<br />

ein direkter Begründungszusammenhang präsentiert wird, erscheint bei Spielfilmen und<br />

Serien Aggression häufig als l'art pour l'art, d.h., ohne daß sich unmittelbar aus dem<br />

direkten Handlungsablauf längerfristig Motive für ihre Anwendung plausibel erschließen<br />

ließen. Im Vordergrund steht die Action, der durch Aggression angerichtete Schaden<br />

kommt demgegenüber deutlich seltener vor. Der Betonung der Action entspricht der<br />

Einsatz formaler Mittel, in 60% der Fälle wird die Gewalt durch zusätzliche Musik und<br />

Soundeffekte nochmals hervorgehoben.<br />

Auch im Fictionbereich kommt insgesamt die empathische Perspektive gegenüber dem<br />

Opfer so gut wie gar nicht vor, dafür findet sich allerdings häufig die Betonung <strong>des</strong> „Spaß-<br />

Effekts". Bezogen auf das entsprechend vermittelte Weltbild kann man hier davon<br />

ausgehen, daß Aggression nicht dargestellt wird als ein Verhalten, das für andere<br />

Menschen konkretes Leiden bedeutet. Sie wird eher entweder als Beweis von Stärke mit<br />

135


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einem deutlichen Hedonismusakzent präsentiert oder als angemessene Reaktion zur<br />

Konfliktlösung dargestellt, ohne daß die Implikationen deutlich würden, physische<br />

Schädigung, Konfliktaufschaukeln etc.<br />

Trickfilm<br />

Thematisch stehen Science-Fiction und Komik bei Trickfilmen mit je rund einem Drittel an<br />

erster Stelle, gefolgt von Kriminalität (14%) und Alltag und Familie (11%). Auch die starke<br />

Dominanz von Fantasiefiguren (32,5%) und spezieller Soundeffekte belegt den zunächst<br />

hohen Irrealitätsgehalt der Darstellungen. Auch sie werden aber als Aggressionen<br />

wahrgenommen und können durch Generalisierungsprozesse in das Gesamtsystem<br />

langfristiger Gewalteinschätzungen aufgenommen werden und vor allem bei sehr jungen<br />

Kindern Imitationen auslösen.<br />

Konsequenzen<br />

Die hier vorgestellte Studie kann keine Wirkungsstudie ersetzen. <strong>Eine</strong> solche<br />

Wirkungsstudie wird im direkten Anschluß durchgeführt. Sehr wohl aber ist auch eine -<br />

quantitative und qualitative - Inhaltsanalyse wichtiger Bestandteil einer mehrstufigen<br />

Behandlung <strong>des</strong> Themas Mediengewalt. Sie ermöglicht Aussagen über die Häufung, die<br />

Selbstverständlichkeit von Aggression im Programm und damit über die<br />

Wahrscheinlichkeit, auf ein entsprechen<strong>des</strong> Wirkungspotential zu treffen.<br />

Während mit einer solchen <strong>Analyse</strong> keine Verarbeitungsprozesse beschrieben werden<br />

können, ist sie aber Ausgangspunkt für die Untersuchung einer möglichen Verstärkung<br />

oder Konstituierung - ängstlicher und aggressiver - Weltbilder. Wer prägt heute die<br />

Vorstellung über Ereignisse und Sachverhalte, die außerhalb <strong>des</strong> unmittelbaren<br />

Erfahrungsbereichs von Kindern und Erwachsenen liegen? Auch wenn die Zuschauer<br />

eine aufgeklärte Vorstellung von der Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe der Programme<br />

haben: Bei entsprechenden Beurteilungen handelt es sich zumeist um kurzfristige<br />

Einschätzungen aktuell gesehener Sendungen. Wichtig sind aber auch Erkenntnisse über<br />

die langfristigen Einflüsse <strong>des</strong> Gezeigten auf Denken und Fühlen. <strong>Eine</strong>r Neuauflage der<br />

Manipulationsthese wird hier nicht das Wort geredet, und Medien sind immer vernetzt mit<br />

sozialen und persönlichen Faktoren zu sehen.<br />

136


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Aber: Viele, vielleicht die meisten unserer Handlungen werden von psychologischen<br />

Prozessen gesteuert, die uns nicht alle jederzeit als „bewußtes Denken“ präsent sind.<br />

Frühere Erfahrungen spielen mit hinein, die unterschiedlichsten Informationsquellen<br />

prägen unsere Erwartungen mit, ohne daß all diese Quellen noch rekonstruierbar wären.<br />

Und hier setzt ein mögliches Risiko gehäufter Gewaltdarstellungen ein: bei der<br />

Entwicklung von Vorstellungen über die Welt, die diese noch „bedrohlicher“ erscheinen<br />

lassen als sie zumin<strong>des</strong>t in unserem Kulturkreis wirklich ist. Größere Angst, der Glaube an<br />

die Angemessenheit aggressiver Problemlösungen wären dann indirekte Folgen<br />

selbstverständlich eingesetzter Mediengewalt - abgesehen von den noch nicht<br />

widerlegten kurzfristigen physiologischen und emotionalen Auswirkungen.<br />

Es mag nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein, zu bewerten oder gar Empfehlungen<br />

auszusprechen. Aber:<br />

Selbst wen die wissenschaftlichen Ergebnisse über die Wirkungen von Mediengewalt<br />

nicht endgültig überzeugen, wem sie immer noch nicht „eindeutig" genug sind, der sollte<br />

überlegen, ob ohne Bedenken das Risiko möglicher negativer Einflüsse eingegangen<br />

werden sollte. So als sei die Nicht-Wirkung bewiesen.<br />

Vermutlich steht dabei nicht ein pauschales Abschaffen jedweder Mediengewalt zur<br />

Debatte, vielmehr geht es um das Anerkennen <strong>des</strong> Problems durch alle Beteiligten,<br />

Programmanbieter, Pädagogen, Eltern und auch Kinder, nicht zuletzt (gesellschafts-)<br />

politische Instanzen. Auf jeder Ebene können dann Lösungen koordiniert entwickelt<br />

werden: Auf der Ebene <strong>des</strong> Programms durch Entwicklung von Alternativen zur Gewalt<br />

(die dennoch attraktiv sein können und keine Wettbewerbsnachteile bringen; Stichwort:<br />

Sozialer Medienmarkt), in der Pädagogik durch eine systematischere Beschäftigung mit<br />

den Medien (ohne die kulturpessimistische Pauschalablehnung <strong>des</strong> Fernsehens ä la Neil<br />

Postman), zwischen Eltern und Kindern durch das Gespräch (auch wenn häufig zwischen<br />

Elternwunsch und Umsetzung im Verhalten eine große Lücke klafft).<br />

Schließlich könnte die öffentliche Diskussion in dem schon genannten sozialen<br />

Medienmarkt zunächst das demokratische Mittel der Wahl sein, wenn es darum geht,<br />

Problembewußtsein und Willen zur Veränderung herbeizuführen.<br />

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