32 Heimatklänge * Die Popband Friedrich Sunlight aus <strong>Augsburg</strong> legt derzeit eine steile Karriere hin: Die Gruppe um den kalifornischen Sänger Kenji Kitahama veröffentlichte im November 2<strong>01</strong>6 beim renommierten Hamburger Label „Tapete Records“ ihr Debütalbum. Seitdem kann sich die vor etwa drei Jahren formierte Band vor positiven Rezensionen kaum retten. Sowohl der „Rolling Stone“ als auch Magazine wie „Intro“ oder „Musikexpress“ loben die außergewöhnlichen Songs der fünf <strong>Augsburg</strong>er in höchsten Tönen. Selbst die Fernsehzeitschrift „TV Spielfilm“ kürte das Werk „Friedrich Sunlight“ zum besten deutschen Popalbum des Jahres, die Wochenzeitung „Die Zeit“ preist die Platte in der Rubrik „Alben des Jahres“ als Geheimtipp. Die besten Ideen kommen aus der Provinz
Heimatklänge 33 Die <strong>Augsburg</strong>er Senkrechtstarter Friedrich Sunlight <strong>Szene</strong>-Redakteurin Janina Kölbl, selbst Sängerin der <strong>Augsburg</strong>er Band Zimt, traf Frontmann Kenji und Bassist Thomas in Kenjis Wohnung im Bismarckviertel und plauderte zwischen Regalen voller Vinylplatten über die Entstehung der Band, die Schwierigkeiten mit deutschen Texten und die jüngsten Pläne der Musiker. Dass vieles vom Lande besser ist, wissen wir ja: die Milch vom Bauern nebenan zum Beispiel. Dass das mit Musik ähnlich funktioniert, beweisen gerade Friedrich Sunlight, die Popband, die zwar nicht vom Lande stammt, aber aus <strong>Augsburg</strong> – und <strong>Augsburg</strong> wird in einigen Kreisen durchaus als provinziell erachtet. Das Musikmagazin „Rolling Stone“ schrieb beispielsweise, das kürzlich erschienene Album sei „das Schönste aus <strong>Augsburg</strong> seit Brecht und der Puppenkiste“. Auch wenn der Vergleich etwas schief wirkt, kann sich die Gruppe von einem derartigen Statement getrost ein wenig geschmeichelt fühlen. Vom sonnigen Kalifornien ins graue <strong>Augsburg</strong> Die Entstehungsgeschichte von Friedrich Sunlight klingt wie einer Seifenoper entnommen: Sänger Kenji kam vor knapp zehn Jahren der Liebe wegen vom sonnigen Kalifornien ins graue Deutschland. Der Amerikaner mit japanischen Wurzeln zog zunächst nach Berlin, dann nach München, doch dort wurde er nie richtig heimisch, er suchte nach geeigneten Musikern – vergebens. In <strong>Augsburg</strong> lernt er eines Tages die Musiker Florian Meya, Thomas Riederer und Marc Frank kennen, hier passt alles und so fackelt der Kalifornier nicht lange und zieht nach <strong>Augsburg</strong>. „Nur wegen Friedrich Sunlight“, wie er betont. Die anderen Bandmitglieder wollten auf Deutsch singen und ließen Kenji damit anfangs ein wenig ins kalte Wasser fallen: „Sie drückten mir einen deutschen Text in die Hand, der Song hieß zufälligerweise ’Amerika’. Es klang für die anderen wohl überzeugend und so sind wir bei deutschen Texten geblieben“, erzählt Kenji. „Und wir bei Kenji“, ergänzt Bassist Thomas. Bald stieg noch der Keyboarder Bernd Maier ein, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Pegulan, und so waren Friedrich Sunlight in ihrer heutigen Besetzung vollständig. Die Unterhaltung steht im Mittelpunkt Eines der wichtigsten Anliegen der Band kristallisiert sich im Lauf des Gespräches rasch heraus: Die <strong>Augsburg</strong>er wollen nicht auf ihre Texte reduziert werden. Es geht ihnen vielmehr um die Musik per se. „Ich finde es irritierend und schade, dass es bei Besprechungen deutschsprachiger Musik meist hauptsächlich um Texte geht und weniger um Musik, bei englischsprachiger Musik ist es genau anders herum. Das kann wohl nicht allein an den mangelnden Englischkenntnissen der Rezensenten liegen“, sagt Thomas. „Klar, wir spielen deutschsprachige Popmusik, doch die Texte sind nicht vorrangig und könnten genauso gut in einer anderen Sprache sein. Diskurspop à la Hamburger Schule war vorgestern – wir wollen mit musikalischer Unterhaltung den Weltschmerz lindern und ihn nicht anfachen.“ Ebenso sei ironisches „auf die Schippe nehmen“ für die Band keine wichtige Option. Es scheint, als würden Friedrich Sunlight eine Art Gegenpol zu der oftmals auftretenden schweren Textlastigkeit deutscher Bands sein – mit dem gleichzeitigen indirekten Aufruf zu einem gänzlich neuen Verständnis für deutschsprachige Musik. Ein ganz spezieller Sound Die Konzentration auf die schönen Harmonien allein bewirkt jedoch auch, dass der Bandsound ein ganz eigener zu sein scheint. Dies schlägt sich auch in den Rezensionen nieder. Die Presse tut sich sichtlich schwer, den Klang einzuordnen. „Oft werden 66er- Beach-Boys-Vergleiche gezogen, der Musikexpress sieht in der Band eine Mischung aus Elliott Smith und Superpunk und die häufigste Assoziation ist Manfred Krug“, meint Kenji. Die Gruppe kann sich zwar mit solchen Assoziationen nicht immer anfreunden, andererseits „haben wir uns einen eigenen Sound erarbeitet und es steht jedem frei, an das erinnert zu werden, was er will“, sagt Thomas. Diese „schöne Musik“, wie sie die Bandmitglieder selbst bezeichnen, ist den ihnen in den Jahren seit der Gründung in Leib und Seele übergegangen und passt wie ein maßgeschneiderter Anzug: „Den Bandsound zu finden war schwer und langwierig. Mittlerweile jedoch schreiben sich die Songs fast wie von selbst“, erzählen beide. Die zweite Platte lässt nicht lange auf sich warten Dass das Musikmachen mit dem eigens gefundenen Sound nun leicht fällt und der Band die Ideen geradezu zufliegen, zeigt sich auch in den ambitionierten Zukunftsplänen: Die Gruppe arbeitet schon jetzt, da gerade vor knapp einem Monat die erste Platte erschienen ist, an neuen Songs: „Wir haben gerade so viel Spaß an der Musik. Nach den Aufnahmen in Bremen waren schon wieder neue Ideen im Kopf – wir arbeiten gerade an etwa sieben neuen Liedern. Spätestens im nächsten Sommer wollen wir eine neue Single zur Vorankündigung des zweiten Albums veröffentlichen“, verrät Kenji. Ob der Sound hier ein ganz anderer sein wird, weiß die Band noch nicht. Jedenfalls wollen sie die erste Platte, ihr „Gesellenstück“, wie sie sagen, künstlerisch toppen. Ob sie das überhaupt müssen, sei dahingestellt. So scheint der heitere, sonnige Pop von Friedrich Sunlight für mich gerade in diesen Tagen ein Heilmittel für all diejenigen, die sich gerne in eine andere, vielleicht heiterere und schönere Welt versetzen möchten, doch tut er es ohne aufgedrängte politische Statements und sonstige alltägliche Sorgen. Vielleicht kommen einem ja wirklich solche schwelgerischen musikalischen Ideen erst in einem Leben in der Provinz und nicht dort, wo man sowieso schon alles um sich hat. Und mit der Platte, die wie die Band selber heißt, kann man sich als Zuhörer den Martini am Pool (oder am Meer) getrost ins heimatliche Wohnzimmer holen – das geht mit ihnen nämlich sehr kostengünstig und leicht.