Neue Szene Augsburg_2017-01
Das Stadtmagazin für Augsburg.
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38Cinerama<br />
DIE TASCHENDIEBIN<br />
Regie: Park Chan-wook<br />
Mit: Kim Min-hee, Kim Tae-ri, Ha<br />
Jung-woo, Kim Hae-sook, Moon<br />
So-ri u.a.<br />
Es wird derer Filmfreunde geben, die<br />
einen Moment lang ob des neuen<br />
Werks des südkoreanischen Gewaltkunstmeisters<br />
hadern werden. Fans<br />
von „Oldboy“, jenem Meilenstein<br />
der Filmgeschichte aus dem Jahre<br />
2003, könnte die Heist-Story von<br />
der kaltblütigen Kupplerin, der die<br />
entwaffnende Anmut ihres Opfers<br />
einen Strich durch die Rechnung<br />
macht, erst mal zu soft sein. Oder<br />
zu sehr Altherrenphantasie, „The<br />
Duke of Burgundy“ meets „Bilitis“,<br />
Marotte aus dekadentem Adel und<br />
Kulturfetisch, Anschauungsmaterial<br />
für Adolf Loos und sein „Ornament<br />
und Verbrechen“. Doch Halt, alle<br />
misogynen Blicke werden abgestraft.<br />
Und alle knicken ein, vor unsagbarer<br />
Schönheit und Pracht kippt schnell<br />
der letzte Zweifler vom Stuhl. Dem<br />
Liebessog, der zwischen Herrin und<br />
Dienerin entsteht, kann sich keiner<br />
entziehen. Totale Erosion der Rollenhierarchien.<br />
Einer der Filme des<br />
Jahres. (fs) (Kinostart : 05.<strong>01</strong>.)<br />
<br />
LA LA LAND<br />
Regie: Damien Chazelle<br />
mit: Ryan Gosling, Emma Stone, J.K.<br />
Simmons, Sonoya Mizuno, u.a.<br />
Filme gegen die große amerikanische<br />
Identitätskrise, zum Ersten: „La La<br />
Land“. Die Traumfabrik beschwören,<br />
die Ära großer Träume restaurieren.<br />
Mit einem mitreißenden Musical sich<br />
ans richtig große Schlagerkino lehnen,<br />
„Broadway Melodie 1940“ und „Ein<br />
Amerikaner in Paris“. Die Hommage an<br />
die alte Zeit mit einem Bein durchs Hier<br />
und Jetzt balancierend. Wo der Traum<br />
von guten Jobs in der Filmbranche die<br />
Handlung bestimmt. Und: ganz große<br />
Lovestory. Der „Whiplash“–Regisseur<br />
verbindet beides geschickt mit seinem<br />
Thema, dem Bangen vor der großen<br />
Prüfung. Das andere Bein steppt über<br />
dem rosarosigen Sonnenuntergang<br />
in Technicolor von „La La Land“, wie<br />
Hollywood schon immer hieß und von<br />
nun an wieder heißen darf. Also, das<br />
ganze Panorama, mit Starkino am<br />
Firmament, von Emma Stone und Ryan<br />
Gosling gestemmt. Absolut zauberhaft,<br />
wenngleich sehr weiß und blass. Aber<br />
wo ein Traum so toll geblasen wird, da<br />
müssen wir einfach dran glauben. (fs)<br />
(Kinostart: 12.<strong>01</strong>.)<br />
<br />
MANCHESTER<br />
BY THE SEA<br />
Regie: Kenneth Lonergan<br />
Mit: Casey Affleck, Michelle Williams,<br />
Kyle Chandler, Lucas Hedges<br />
Filme gegen die große amerikanische<br />
Identitätskrise, zum Zweiten: „Manchester<br />
By The Sea“. So heißt ein Kaff<br />
im Bundesstaat Massachusetts, dort<br />
werden gerne mal Filme gedreht. Zum<br />
Beispiel die Goin’-Home-Story vom<br />
gebrannten Ex-Familienvater, den<br />
die Vergangenheit heimholt ... nur,<br />
um ihm zu zeigen, dass sie immer<br />
noch brennt. Und dann wartet da<br />
auch noch die neue Herausforderung<br />
in Gestalt seines Neffen auf ihn: der<br />
soeben seinen Vater verloren hat.<br />
Also... heilen mit den neuen Wunden<br />
auch die alten aus? Es ist schwierig!<br />
Ein mit Rückblenden arbeitendes Ostküstenepos,<br />
das eine weiße Arbeiterklasse<br />
vorführt und sich dabei immer<br />
auch nach Collegefilm und Indiepop<br />
anfühlt. Damit könnten sich auch die<br />
Juroren und Herrschaften von der<br />
Westküste identifizieren und Oscars<br />
folgen lassen. Es hat schon schlechtere<br />
Favoriten gegeben, in besseren<br />
Zeiten. (fs) (Kinostart: 19.<strong>01</strong>.)<br />
<br />
JACKIE<br />
Regie: Pablo Larraín<br />
mit: Natalie Portman, Peter Sarsgaard,<br />
Greta Gerwig, Billy Crudup<br />
Filme gegen die große amerikanische<br />
Identitätskrise, zum Dritten: „Jackie“.<br />
Kennedy, spätere Onassis. Was war mit<br />
dieser Frau, als an ihrer Seite ihr Mann<br />
und ihre Macht von Kugeln durchbohrt<br />
wurden? Ihre Stellung vermochte sie<br />
zu behaupten, und darum geht es hier:<br />
Um die Stunden und Tage nach dem Attentat,<br />
Entscheidungen und Weichen,<br />
die inmitten von Schock und Trauer<br />
getroffen und gelegt wurden. Statt<br />
eines Biopic also eher ein Powerpic.<br />
Filmästhetisch superb, die den Kameraaugen<br />
von Pablo Larraín so eigene<br />
Mischung aus nervösem Zeitstaub,<br />
politischem Kammerflimmern und böser<br />
Energie passt perfekt, und Natalie<br />
Portman spielt die Rolle mit Grandezza.<br />
Am Ende bleibt die Ungewissheit, ob<br />
all das, was nicht zur Sprache kommt,<br />
irgendwo zwischen den Zeilen lauert,<br />
oder der Film Teil eines Löschverfahrens<br />
ist. Aber es geht hier schließlich<br />
nicht um Marilyn Monroe, und auch<br />
nicht um Geheimnisse, die Jackie mit<br />
ins Grab genommen haben soll... (fs)<br />
(Kinostart: 26.<strong>01</strong>.)<br />
<br />
FILM DES MONATS<br />
DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI<br />
Regie: Juho Kuosmanen<br />
Mit: Jarkko Lathi, Oona Airola, Eero Milonoff, John Bosco Jr. u.a.<br />
Räumen wir zunächst einmal den sperrigen Titel, den der internationale Verleih<br />
diesem Film anhängt, beiseite, so haben wir einen poetischen Streifen mit<br />
dem glücklichen Titel „Lächelnder Mann“ vor uns. Einen Boxerfilm, der nicht<br />
die Fallhöhe in der Hybris eines ehrgeizigen Kämpfers sucht, sondern die<br />
bodenständige Bescheidenheit des finnischen Boxers Olli Mäki samt seiner<br />
Niederlage feiert. Titelkampf ist denn auch nur das Thema, das die Welt „da<br />
draußen“ beschäftigt – im Inneren ist der wortkarge Held vor dem entscheidenden<br />
Match ganz damit beschäftigt, verliebt zu sein. Interessant ist auch<br />
die formale Qualität: Der auf 16mm-Kodak-Tri-X gedrehte Film beschert uns<br />
eine detaillierte schwarzweiße Illusion des Jahres 1962, und schlägt unserer<br />
Vorstellung eines stimmigen Zeitportraits einen Haken: Im Filmjahr 1962 galt<br />
es bereits als modern, in Farbe zu drehen, während Schwarzweiß damals<br />
schon der Blick in die Vergangenheit war. Das Verliebtsein auf diese Weise<br />
hervorzukramen, muss so gefeiert werden: als Versuch, unsere Gegenwart mit<br />
einer aus der Zeit gefallenen Maßnahme zu retten! (fs) (Kinostart: 05.<strong>01</strong>.)<br />
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