Bobinger Gesichten Juni 2016
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ERZÄHLUNGEN<br />
Werbung für die Landpolizei<br />
im Schwabmünchner Anzeiger<br />
vom 2.11.1946.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
ben. Kein polizeiliches oder kriminalistisches<br />
Wissen konnte an<br />
die neueingestellten Männer weitergegeben<br />
werden.Mit den alten<br />
Polizeibeamten verschwanden<br />
auch deren Kenntnisse über die<br />
einheimischen Täter und die kriminellen<br />
Schichtungen, Kreise<br />
und Familien, verschwanden alle<br />
Orts- und Personenkenntnisse.<br />
Aufzeichnungen und Akten waren<br />
bei Kriegsende vernichtet<br />
worden.Ich habe nie alte Ermittlungsakten<br />
gesehen, obwohl diese<br />
mich aus fachlichen Gründen<br />
sehr interessiert hätten ...<br />
Die neuen Polizeibeamten konnten<br />
nach generellen Vorgaben im<br />
Sinne der Auftragstaktik selbständig<br />
handeln und methodisch<br />
vorgehen. Sie konnten berichten<br />
und verstanden Anordnungen<br />
richtig. Sie waren keine Überflieger,<br />
aber verlässliche, solide<br />
Handwerker, die ständig dazu<br />
lernten.Sie konnten insbesondere<br />
entschieden und bestimmt und<br />
von keinen Selbstzweifeln geplagt<br />
in der Öffentlichkeit auftreten<br />
und den neuen Staat repräsentieren,<br />
der allmählich innerhalb der<br />
politischen Vorgaben und der historischen<br />
Grenzen und Erfahrungen<br />
nach dem Willen der Besatzungsmächte<br />
im Entstehen begriffen<br />
war.<br />
Sie fanden in der Regel im Umgang<br />
mit der Bevölkerung einen<br />
angemessenen Verkehrston.Überdies<br />
waren die Menschen noch an<br />
einen knappen,nun aber mit dem<br />
notwendigen zivilen Charme getönten<br />
Feldwebelton gewöhnt,so<br />
dass Beschwerden gegen einen<br />
Rest von gelegentlich raubatzigem<br />
Kasernenhofton höchst selten<br />
vorgebracht wurden. Außerdem<br />
war jeder froh, dass es allmählich<br />
eine funktionierende Polizei<br />
gab, die man zu Hilfe rufen<br />
konnte. Die unsichere Zeit der<br />
Überfälle durch ehemalige<br />
Zwangsarbeiter,Ostarbeiter,Displaced<br />
Persons etc. war noch<br />
nicht vorüber.<br />
Diese„jungen“,nur kurz ausgebildeten<br />
und eingewiesenen Polizeibeamten<br />
handelten in der Regel<br />
nicht übereilt, sondern eher zögernd,<br />
abwartend und bedachtsam.Sie<br />
fühlten sich nicht als die<br />
starken Polizeimänner.Sie hatten<br />
über zwei oder drei Indianerfilme<br />
hinaus noch keine die guten deutschen<br />
Polizeisitten verderbenden<br />
amerikanischen Gangster- und<br />
Detektivfilme gesehen. Sie verstanden<br />
sich von allem Anfang an<br />
als uniformierte Schutzkräfte für<br />
den Bürger, mit dem sie im gleichen<br />
Boot saßen. Daher wurden<br />
selten Widerstandshandlungen<br />
gegen Polizeibeamte bekannt, soweit<br />
ich mich erinnere.<br />
Zum bürgerlichen Frieden in der<br />
Bevölkerung mag beigetragen haben,<br />
dass es kaum schwarzgebrannten<br />
Schnaps oder andere legale<br />
alkoholische Getränke gab<br />
und das Bier dünn war. Alle<br />
Straftaten wurden von der amerikanischen<br />
Besatzungsmacht, d.h.<br />
von den Militärgerichten, meist<br />
hart bestraft.Damals wirkten die<br />
Strafen noch abschreckend.“<br />
Kapitel III:<br />
Diebesgut und<br />
Wanderschnepfen<br />
„Die Not der Bevölkerung ließ<br />
sich aus der Art des Diebesgutes<br />
ablesen. Gestohlen wurden – und<br />
der Verlust traf die Eigentümer<br />
härter,als man sich das heute vorstellen<br />
kann – z.B. Brennholz,<br />
Kartoffeln, Stallhasen, Getreide,<br />
Benzin, Autoreifen, Bekleidung,<br />
Fahrräder, Vieh, Hühner und<br />
Gänse.<br />
Gelegentlich versuchte ein kleiner<br />
Bauer „schwarz“, d.h. ohne Erlaubnis<br />
einen Rüben- oder Kartoffelschnaps<br />
zu brennen, ein wegen<br />
der stark riechenden, gärenden<br />
Maische denunziationsgefährdetes<br />
Unternehmen. Es wurde<br />
außerhalb der Lebensmittelbewirtschaftung<br />
geschlachtet, ein<br />
mit harten Strafen bedrohtes Delikt.Die<br />
großen Wirtschaftsfürsten<br />
mit bekannten Namen und<br />
später angesehenen Firmen<br />
schmuggelten in den Großstädten<br />
und zwischen den Besatzungszonen<br />
und dem Ausland bereits<br />
Goldbarren aus dem Ausland ein<br />
und bauten ihre Firmen auf, aber<br />
das wurde den kleinen Gendarmen<br />
nicht bekannt.<br />
Es wurde in Privatwohnungen<br />
unzerstörter Häuser, in denen<br />
Geld,Bekleidung,Vorräte vermutet<br />
wurden,und in die Depots der<br />
US Army eingebrochen. In den<br />
ersten Monaten nach Kriegsende<br />
waren die zahlreichen rücksichtslosen,<br />
mit Mord und Misshandlungen<br />
verbundenen Raubüberfälle<br />
durch ehemalige ausländische<br />
Zwangsarbeiter der Schrecken<br />
der Bürger und Bauern. Eine<br />
reiche,sexuell knapp gehaltene<br />
Männer-Armee zieht arme Mädchen<br />
an. Die herbeiströmenden<br />
Soldatenmädchen, meist „Wanderschnepfen“,<br />
junge hübsche<br />
Dinger,von denen es auf dem flachen<br />
Lande meist in der Nähe<br />
von Barracks richtige Nester gab,<br />
wurden von den Amerikanern<br />
„Veronika Dankeschön“ genannt,<br />
abgekürzt „V.D.“. Diese Abkürzung<br />
stand auch für „veneral diseas“<br />
(d.i.Geschlechtskrankheit) ...<br />
Kapitel IV:Das<br />
Beamtenprofil<br />
Die Landpolizei hat in den ersten<br />
Jahrzehnten nach 1945 durch den<br />
Kriegsausgang profitiert. Viele<br />
Polizeibeamte stammten aus Mittel-<br />
und Ostdeutschland,aus den<br />
polnisch und russisch besetzten<br />
Gebieten. Etliche besaßen das<br />
Abitur oder waren in qualifizierten<br />
Zivilberufen oder in der<br />
Wehrmacht in technischen Berufen<br />
gut ausgebildet worden. Sie<br />
brachten eine große Lebens-,<br />
Führungs- und Verwaltungserfahrung<br />
und Ausgewogenheit in<br />
die Organisation ein, vielleicht<br />
hier und da noch eine paramilitärische,<br />
korrekte Starrheit und befehlsgewohnte<br />
Korrektheit.<br />
Soweit ich übersehen konnte,lebten<br />
alle in ordentlichen Familienverhältnissen,<br />
hatten Kinder.<br />
Scheidungen gab es selten, weil<br />
sie als Makel, als Versagen in der<br />
Lebensführung angesehen wurden.<br />
Der Ehebruch war damals<br />
ein nach Strafantrag zu verfolgen-<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,<strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> 5