13.01.2017 Aufrufe

Bobinger Gesichten Juni 2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ERZÄHLUNGEN<br />

Werbung für die Landpolizei<br />

im Schwabmünchner Anzeiger<br />

vom 2.11.1946.<br />

Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />

ben. Kein polizeiliches oder kriminalistisches<br />

Wissen konnte an<br />

die neueingestellten Männer weitergegeben<br />

werden.Mit den alten<br />

Polizeibeamten verschwanden<br />

auch deren Kenntnisse über die<br />

einheimischen Täter und die kriminellen<br />

Schichtungen, Kreise<br />

und Familien, verschwanden alle<br />

Orts- und Personenkenntnisse.<br />

Aufzeichnungen und Akten waren<br />

bei Kriegsende vernichtet<br />

worden.Ich habe nie alte Ermittlungsakten<br />

gesehen, obwohl diese<br />

mich aus fachlichen Gründen<br />

sehr interessiert hätten ...<br />

Die neuen Polizeibeamten konnten<br />

nach generellen Vorgaben im<br />

Sinne der Auftragstaktik selbständig<br />

handeln und methodisch<br />

vorgehen. Sie konnten berichten<br />

und verstanden Anordnungen<br />

richtig. Sie waren keine Überflieger,<br />

aber verlässliche, solide<br />

Handwerker, die ständig dazu<br />

lernten.Sie konnten insbesondere<br />

entschieden und bestimmt und<br />

von keinen Selbstzweifeln geplagt<br />

in der Öffentlichkeit auftreten<br />

und den neuen Staat repräsentieren,<br />

der allmählich innerhalb der<br />

politischen Vorgaben und der historischen<br />

Grenzen und Erfahrungen<br />

nach dem Willen der Besatzungsmächte<br />

im Entstehen begriffen<br />

war.<br />

Sie fanden in der Regel im Umgang<br />

mit der Bevölkerung einen<br />

angemessenen Verkehrston.Überdies<br />

waren die Menschen noch an<br />

einen knappen,nun aber mit dem<br />

notwendigen zivilen Charme getönten<br />

Feldwebelton gewöhnt,so<br />

dass Beschwerden gegen einen<br />

Rest von gelegentlich raubatzigem<br />

Kasernenhofton höchst selten<br />

vorgebracht wurden. Außerdem<br />

war jeder froh, dass es allmählich<br />

eine funktionierende Polizei<br />

gab, die man zu Hilfe rufen<br />

konnte. Die unsichere Zeit der<br />

Überfälle durch ehemalige<br />

Zwangsarbeiter,Ostarbeiter,Displaced<br />

Persons etc. war noch<br />

nicht vorüber.<br />

Diese„jungen“,nur kurz ausgebildeten<br />

und eingewiesenen Polizeibeamten<br />

handelten in der Regel<br />

nicht übereilt, sondern eher zögernd,<br />

abwartend und bedachtsam.Sie<br />

fühlten sich nicht als die<br />

starken Polizeimänner.Sie hatten<br />

über zwei oder drei Indianerfilme<br />

hinaus noch keine die guten deutschen<br />

Polizeisitten verderbenden<br />

amerikanischen Gangster- und<br />

Detektivfilme gesehen. Sie verstanden<br />

sich von allem Anfang an<br />

als uniformierte Schutzkräfte für<br />

den Bürger, mit dem sie im gleichen<br />

Boot saßen. Daher wurden<br />

selten Widerstandshandlungen<br />

gegen Polizeibeamte bekannt, soweit<br />

ich mich erinnere.<br />

Zum bürgerlichen Frieden in der<br />

Bevölkerung mag beigetragen haben,<br />

dass es kaum schwarzgebrannten<br />

Schnaps oder andere legale<br />

alkoholische Getränke gab<br />

und das Bier dünn war. Alle<br />

Straftaten wurden von der amerikanischen<br />

Besatzungsmacht, d.h.<br />

von den Militärgerichten, meist<br />

hart bestraft.Damals wirkten die<br />

Strafen noch abschreckend.“<br />

Kapitel III:<br />

Diebesgut und<br />

Wanderschnepfen<br />

„Die Not der Bevölkerung ließ<br />

sich aus der Art des Diebesgutes<br />

ablesen. Gestohlen wurden – und<br />

der Verlust traf die Eigentümer<br />

härter,als man sich das heute vorstellen<br />

kann – z.B. Brennholz,<br />

Kartoffeln, Stallhasen, Getreide,<br />

Benzin, Autoreifen, Bekleidung,<br />

Fahrräder, Vieh, Hühner und<br />

Gänse.<br />

Gelegentlich versuchte ein kleiner<br />

Bauer „schwarz“, d.h. ohne Erlaubnis<br />

einen Rüben- oder Kartoffelschnaps<br />

zu brennen, ein wegen<br />

der stark riechenden, gärenden<br />

Maische denunziationsgefährdetes<br />

Unternehmen. Es wurde<br />

außerhalb der Lebensmittelbewirtschaftung<br />

geschlachtet, ein<br />

mit harten Strafen bedrohtes Delikt.Die<br />

großen Wirtschaftsfürsten<br />

mit bekannten Namen und<br />

später angesehenen Firmen<br />

schmuggelten in den Großstädten<br />

und zwischen den Besatzungszonen<br />

und dem Ausland bereits<br />

Goldbarren aus dem Ausland ein<br />

und bauten ihre Firmen auf, aber<br />

das wurde den kleinen Gendarmen<br />

nicht bekannt.<br />

Es wurde in Privatwohnungen<br />

unzerstörter Häuser, in denen<br />

Geld,Bekleidung,Vorräte vermutet<br />

wurden,und in die Depots der<br />

US Army eingebrochen. In den<br />

ersten Monaten nach Kriegsende<br />

waren die zahlreichen rücksichtslosen,<br />

mit Mord und Misshandlungen<br />

verbundenen Raubüberfälle<br />

durch ehemalige ausländische<br />

Zwangsarbeiter der Schrecken<br />

der Bürger und Bauern. Eine<br />

reiche,sexuell knapp gehaltene<br />

Männer-Armee zieht arme Mädchen<br />

an. Die herbeiströmenden<br />

Soldatenmädchen, meist „Wanderschnepfen“,<br />

junge hübsche<br />

Dinger,von denen es auf dem flachen<br />

Lande meist in der Nähe<br />

von Barracks richtige Nester gab,<br />

wurden von den Amerikanern<br />

„Veronika Dankeschön“ genannt,<br />

abgekürzt „V.D.“. Diese Abkürzung<br />

stand auch für „veneral diseas“<br />

(d.i.Geschlechtskrankheit) ...<br />

Kapitel IV:Das<br />

Beamtenprofil<br />

Die Landpolizei hat in den ersten<br />

Jahrzehnten nach 1945 durch den<br />

Kriegsausgang profitiert. Viele<br />

Polizeibeamte stammten aus Mittel-<br />

und Ostdeutschland,aus den<br />

polnisch und russisch besetzten<br />

Gebieten. Etliche besaßen das<br />

Abitur oder waren in qualifizierten<br />

Zivilberufen oder in der<br />

Wehrmacht in technischen Berufen<br />

gut ausgebildet worden. Sie<br />

brachten eine große Lebens-,<br />

Führungs- und Verwaltungserfahrung<br />

und Ausgewogenheit in<br />

die Organisation ein, vielleicht<br />

hier und da noch eine paramilitärische,<br />

korrekte Starrheit und befehlsgewohnte<br />

Korrektheit.<br />

Soweit ich übersehen konnte,lebten<br />

alle in ordentlichen Familienverhältnissen,<br />

hatten Kinder.<br />

Scheidungen gab es selten, weil<br />

sie als Makel, als Versagen in der<br />

Lebensführung angesehen wurden.<br />

Der Ehebruch war damals<br />

ein nach Strafantrag zu verfolgen-<br />

Frischemarkt<br />

Volgmann<br />

Geschenkkörbe<br />

Metzgereiplatten<br />

EDEKA BOBINGEN<br />

Hochstraße 28 · 86399 Bobingen<br />

Telefon: 08234 9687231<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo.–Sa.: 8–20 Uhr<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,<strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!