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NR. 1 20. Dezember 2006 17. JAHRGANG - Stadtverwaltung Tanna

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Wie schlimm war es am 10. Oktober 1806 in <strong>Tanna</strong> wirklich?<br />

Der damals amtierende Pfarrer Meyer<br />

notierte in der Kirchenchronik: ... den<br />

10ten hörte man eine starke Canonade<br />

(Kanonendonner) gegen Schleiz, wo ein<br />

Corps Preußen und Sachsen stand, welche weil<br />

sie zu schwach waren sich retirieren (zurückziehen)<br />

mußten. Uns betraf aber noch an diesem<br />

Abend ein groß Unglück – denn es kam<br />

das Corps des Marschall Ney – von wenigstens<br />

<strong>20.</strong>000 Mann zu uns – der Zug dauerte bis<br />

gegen 12 Uhr. Die Angst war groß. Alles stürmte<br />

in die Häußer – zu 40 bis 6o und mehrere<br />

und verlangten Eßen und Trinken. Die Hauswirthe<br />

verließen aus Furcht vor Mißhandlungen<br />

ihre Häußer – und nun liefen sie mit<br />

Schleußen (brennenden Holzspänen) in den<br />

Stuben und Böden herum – und nahmen alles<br />

was sie wollten. In der Stadt – und allenthalben<br />

nahe an den Häußern und Scheunen<br />

wurde Feuer angeschieret und gekocht.<br />

Diese Schilderung deutet in wenigen Sätzen<br />

an, welche Auswirkungen die größte Ansammlung<br />

von Menschen in der gesamten Geschichte<br />

<strong>Tanna</strong>s auf das Leben im Ort hatte. Zum Vergleich<br />

seien die Bedingungen in Erinnerung gerufen,<br />

die sich nach dem Einmarsch der USamerikanischen<br />

Kampftruppen am 16. April<br />

1945 und der sie ablösenden sowjetischen Besatzungssoldaten<br />

am 1. Juli 1945 ergaben. In beiden<br />

Fällen waren jeweils nur einige hundert fremde<br />

Militärpersonen im Ort anwesend, und zu<br />

schwerwiegenden Übergriffen, Brandschatzungen<br />

und Plünderungen ist es nicht gekommen,<br />

wobei zwar vorübergehend eine Reihe von Häusern<br />

besetzt wurde, aber an und in ihnen keine<br />

gravierenden Schäden entstanden sind. Die Ei-<br />

Marschall Ney (1769 – 1815) Aufmarschskizze<br />

genversorgung der Truppen war selbst bei den<br />

Russen weitgehend abgesichert, und Zeitzeugen<br />

wissen zu berichten, dass die Amerikaner aus der<br />

Sicht der <strong>Tanna</strong>er mit einem Vorrat an Lebensmitteln<br />

ausgestattet waren, der geradezu unerschöpflich<br />

zu sein schien und dazu noch in<br />

Deutschland damals unerreichbare oder unbekannte<br />

Produkte wie Schokolade, Kaugummi,<br />

Kakao, Kaffee, Butterkekse sowie Obst- und<br />

Fleischkonserven aller Art einschloß. Die GIs der<br />

US-Army erwiesen sich sogar insbesondere gegenüber<br />

Kindern als großzügige Spender von Lebens-<br />

und Genussmitteln. Aus einheimischen Beständen<br />

versorgten sie sich lediglich mit frischen<br />

Eiern, allerdings auf eine friedliche Art und Weise,<br />

indem sie zumeist ihre Produkte gegen sie eintauschten.<br />

Die Franzosen des Neyschen Corps waren dagegen<br />

am 10. Oktober 1806 mit dem Ziel in unsere<br />

Stadt gekommen, sich hier mit allem Lebensnotwendigen<br />

zu versorgen; denn das<br />

Requirierungssystem der napoleonischen Grande<br />

Armee beinhaltete, dass sich die Truppen am jeweiligen<br />

Aufenthaltsort Lebensmittel, Futter für<br />

die Pferde und brennbare Materialien ohne<br />

Rücksicht auf die Einwohner verschafften, weil<br />

ein mitgeführter umfangreicher Versorgungstross<br />

die Beweglichkeit und Geschwindigkeit der<br />

vorrückenden Soldaten stark einschränkt. Marschall<br />

Neys Korps bildete zusammen mit dem<br />

Korps von Marschall Soult, das über Plauen nach<br />

Norden marschierte, den östlichen Heereskeil der<br />

3 französischen Armeesäulen (siehe Skizze),<br />

schwenkte von Hof aus nach Norden ein, um am<br />

10. Oktober in <strong>Tanna</strong> zu biwakieren, sich dann<br />

am 11. Oktober nach dem Gefecht bei und in<br />

Schleiz dem mittleren Teil – zu ihm gehörte<br />

auch das Hauptquartier des Kaisers – anzuschließen<br />

und in Richtung Auma-Jena weiter vorzugehen.<br />

Bereits am 13. und 14. Oktober vereinten<br />

sich dann nach einem unvorstellbar strapaziösen<br />

Marsch alle Teile der Armee nördlich von Jena<br />

und besiegten in der Doppelschlacht bei Jena und<br />

Auerstedt das preußisch-sächsische Heer vernichtend.<br />

In <strong>Tanna</strong>, wo sich Ney selbst einen Tag lang<br />

im Langschen Haus (Bäckerei Geyer – Ecke<br />

Bach- und Kirchgasse) einquartiert hatte, fanden<br />

die Einwohner, nachdem sie aus den umliegen-

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