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28<br />

VerBarrikadiert<br />

Nie hätte behauptet sein sollen, dass Frau-Sein<br />

leicht ist. Dafür, dass es das nicht ist, spricht<br />

nicht allein monatliches Mühsal und dargelegter<br />

Fakt, Kaderpositionen – ausgestattet<br />

mit weiblichen Rundungen – vielmehr aus der<br />

Ferne als aus dem Alphatierchenpolstersessel<br />

betrachten zu können.<br />

Misere ist dennoch nicht vom Weibe zu<br />

pachten, wenn doch auch das Männchen aufheulen<br />

könnte. Was hätte manN beanstanden<br />

dürfen, hätte er zwischen den Zeilen gelesen,<br />

denen die Frau vormonatlich zum Thema<br />

stand, und was davon hätte ihn in seinem<br />

Mannsein pikiert?<br />

Auch Männer fänden Nischen, über das<br />

von ihnen gezeichnete Bild zu maulen und<br />

weltliche Verhältnisse zu beanstanden. Wonach<br />

hätten sie im Echo geschrien? Danach,<br />

dass gewissen Frauen die Weltherrschaftspläne<br />

aus den Händen zu reissen sind, auf dass<br />

das männliche Geschlecht nicht länger von der<br />

Ausrottung gefährdet ist, weil ihm die Erzeugerrolle<br />

abgesprochen werden will? Nach dem<br />

Abkommen von gehaltenen Vorwürfen der Dominanz<br />

und von jenen, Frauen in ihren Möglichkeiten<br />

einzuschränken? Danach, das Bilde<br />

zu revidieren, eigene Potenz am Hubraum der<br />

eigenen Karre zu messen?<br />

Man steht vor geschlechterstereotypen<br />

Blickwinkeln, die – sinnvoll oder sinnlos – zu<br />

Gemeinplätzen geworden sind; irgendwo verbarrikadieren<br />

Gemeinplätze sich in jedem<br />

Kopf, so auch jener des starken und schwachen<br />

Geschlechts. Frage bleibt aber immer, wie<br />

sehr man (oder mann oder frau) sich noch genötigt<br />

sieht, fauchend auf Blickwinkel einzudreschen,<br />

die Weibchen und Männchen einst<br />

in fixen Rollen gehalten haben. Dass solche<br />

Plätze noch da sind, heisst nicht, dass sie für<br />

bare Münze genommen werden.<br />

Zum Opfer kann man gegenwärtig stets<br />

werden – das ist das Übel von gedanklichen<br />

Überbleibseln vergangener Zeiten und breitgetretener<br />

Schablonen: die den Seitenhieb via<br />

Überbleibsel manchmal nicht lassen können.<br />

Es gibt sie, süsse Provokation.<br />

Frauen, heult nicht. Emanzipation hängt<br />

nicht von Seitenhieben ab. (bl)<br />

VerVokaBuLiert<br />

Es war einmal ein kleines Menschlein, das<br />

stellte Fragen. Es fing alles ganz harmlos an.<br />

Anfangs fragte es noch, «Papa, warum ist die<br />

Banane krumm?» oder, an besonders guten<br />

Tagen, «Mama, warum ist die Erde rund?».<br />

Dann aber entwächst es, nicht glücklich,<br />

nicht unglücklich, dem Warum-Alter. Die<br />

zweite, schlimmere Phase beginnt. Das Menschlein<br />

guckt den Teller an, den es vor sich<br />

hat und fragt, wieso soll ich essen? Damit du<br />

nicht stirbst, entgegnet man ihm. Wieso soll<br />

ich nicht sterben, fragt es. Weil du dann tot<br />

bist, dann kannst du nichts mehr fühlen und<br />

nichts mehr fragen. Warum weiss man das,<br />

fragt es da. Niemand ist noch da um zu berichten<br />

davon. Das Menschlein schiebt den<br />

Teller weg. Es soll nicht so starrköpfig sein,<br />

herrscht man es an. Es sei sinnloser Protest<br />

und Hochmut noch dazu. Das Menschlein erhebt<br />

sich, zieht Schuhe an und läuft in die<br />

weite Welt hinaus. Jeden, den es trifft, fragt es<br />

nach Gott und der Welt, dem Protest und dem<br />

Hochmut. Das ist die dritte Phase. Dann aber<br />

fragt das Menschlein eines Tages, wieso soll<br />

ich meinen rechten Arm heben? Und lässt ihn<br />

fortan unten. Man sucht es zu überzeugen,<br />

dass solches Benehmen nicht erlaubt sei.<br />

Bis Einer meint, man solle das Menschlein<br />

doch machen lassen, was es wolle. Das<br />

Menschlein guckt bestürzt und ratlos. Was<br />

will es denn? Wie solle man denn wissen, was<br />

es wolle, schreit man entnervt. Da klappt das<br />

Menschlein seinen Mund zu und wird stumm.<br />

Es kehrt in die Heimat zurück und setzt sich<br />

wieder an den Tisch. Die vollen Teller häufen<br />

sich vor ihm. Das Menschlein wird immer<br />

dünner und dürrer. Die Wirbelsäule beginnt,<br />

sich unter dem Gewicht des Kopfes erbärmlich<br />

zu beugen. Das Menschlein wird dürftiger<br />

und schwärzer, bis es nur noch ein Fragezeichen<br />

ist. (os)<br />

VVV<br />

VerSCHrankt<br />

Es ist falsch zu denken, dass Peinlichkeiten<br />

sich nur in präpubertären Phasen im<br />

Schatz der Erinnerungen – dem eigenen<br />

oder dem anderer – ansammeln. Nicht konfuse<br />

Hormone tragen Schuld an Missgriffen<br />

im Kleiden, im verbalen Austausch, im Benehmen,<br />

sonst wären selbst Bürohengste noch<br />

von konfusen Hormonen gesteuert, und das<br />

zu konstatieren lässt eine gewisse erwachsene<br />

Reife per se ja wohl kaum zu.<br />

Peinlichkeiten stehen nicht unter<br />

dem Scheffel von Hormonen; geboren aus<br />

schlechtem Geschmack können sie sich zu<br />

jeder Zeit und in jedem Alter aufdrängen.<br />

Peinlichkeiten reifer Menschen lassen<br />

sich im Gegensatz zu jenen pubertärer nicht<br />

mit kinderfreundlicher Nachgiebigkeit abtun.<br />

Es kommt der Punkt, an dem Peinlichkeiten<br />

akut, unakzeptabel, mehr noch: prekär sind,<br />

und nichts mehr verdienen als den gellenden<br />

Aufschrei, den Wink mit dem Baumstamm –<br />

nicht mit dem Zaunpfahl! – zum Zeichen, dass<br />

über die Stränge des Stilgefühls geschlagen<br />

wurde, dass die Gratwanderung zwischen Individualismus<br />

und Unbeholfenheit nur noch<br />

in eine Richtung verlaufen wird. Nicht in jene,<br />

die Individualismus aufzeigt.<br />

Grundsätze der Peinlichkeit wären eigentlich<br />

leicht zu verstehen – das Alter setzt<br />

Schranken, Nüchternheit setzt Schranken,<br />

Scharfsinn auch.<br />

Fakt ist: Jeder erwachsene Mensch auf<br />

einem Kickboard ist lächerlich; Partyhütchen<br />

stehen niemandem wirklich, auch wenn das<br />

angetrunken unterzugehen scheint; deutsche<br />

Sprache englisch auszuschmücken kann<br />

nicht gut gehen (oder haben sie Reclam-Büchlein<br />

auch bereits einmal englisch aussprechen<br />

wollen? Ist nicht cooler, ist nur falsch).<br />

Und doch steht man wiederholt vor der<br />

vollen Portion Lächerlichkeit des Seins. (bl)<br />

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Hast du kürzlich einen Zahnarzttermin verschlafen, deines Onkels Geburtstag<br />

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Polykum Nr. 7/08–09 Illustration: Marie Veya

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