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POLITIK 4<br />
Ehe für alle?<br />
Ja, aber...<br />
Mehr als 80 Prozent der Menschen in<br />
Deutschland sind für die Ehe für alle.<br />
In der eigenen Familie sieht es jedoch<br />
gleich ganz anders aus: Nur noch 60<br />
Prozent der Befragten hätten kein<br />
Problem, wenn die eigene Tochter<br />
lesbisch oder der eigene Sohn schwul<br />
wäre. Das ergab eine vor kurzem veröffentlichte<br />
repräsentative Umfrage der<br />
Antidiskriminierungsstelle des Bundes.<br />
Dass homo- und bisexuelle Menschen<br />
in Deutschland benachteiligt werden,<br />
empfinden 81 Prozent der Befragten.<br />
Auch dass lesbische und schwule Paare<br />
Kinder adoptieren dürfen sollten, sehen<br />
76 Prozent als richtig an. All diese<br />
Zahlen bedeuten, dass die Politik und<br />
Gesetzgebung der Einstellung und dem<br />
Empfinden der Bevölkerung hinterherhinken.<br />
Jedoch kommt die Toleranz der Befragten<br />
an ihre Grenzen, sobald es in das<br />
private oder berufliche Umfeld geht.<br />
Wenn sich ein homosexuelles Paar an<br />
der roten Ampel küsst oder beim Spazierengehen<br />
Händchen hält, empfinden<br />
das gleich 40 Prozent als unangenehm.<br />
Auch hätten über 20 Prozent der Befragten<br />
ein Problem damit, wenn das eigene<br />
Kind in der Kita von einer Lesbe oder<br />
einem Schwulen betreut würde. Wo<br />
also ansetzen? Auf Initiative des Münchner<br />
Stadtrats hin, schrieben im Nov.<br />
2015 Oberbürgermeister Reiter (SPD)<br />
und sein Amtskollege, Bürgermeister<br />
Schmid (CSU) und Amtskollegin Strobel<br />
(SPD) Ministerpräsident Horst Seehofer,<br />
er möge sich doch auf Bundesebene dafür<br />
einsetzen, dass künftig auch schwule<br />
Bürger und lesbische Bürgerinnen im<br />
Eherecht gleichgestellt werden.<br />
Mit der Einführung der eingetragenen<br />
Lebenspartnerschaft im Jahr 2001<br />
hat der Gesetzgeber zwar schon eine<br />
rechtliche Absicherung für homosexuelle<br />
Paare geschaffen, wenn man aber<br />
jedoch genauer hinsieht, erkennt man<br />
keine tatsächliche Gleichstellung. Es<br />
gelten immer noch andere Gesetze,<br />
je nachdem ob Ehe oder eingetragene<br />
Lebenspartnerschaft. Mit dem Adoptionsrecht<br />
ist es ein ähnliches Debakel.<br />
Staatsminister Marcel Huber antwortet<br />
auf das Schreiben im Namen des<br />
Ministerpräsidenten: Man erkenne mit<br />
großer Wertschätzung an, wenn in<br />
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften<br />
Menschen füreinander einstehen und<br />
verlässlich Verantwortung und Sorge<br />
füreinander übernehmen. Und weiter:<br />
Eine eingetragene Lebenspartnerschaft<br />
bewirke in den allermeisten Bereichen<br />
die gleiche Rechtsfolge wie eine Ehe –<br />
insbesondere seit der Gleichstellung im<br />
Einkommensteuerrecht, so der Staatsminister.<br />
Man erkennt bereits, in welche Richtung<br />
es gehen soll. Solange der monetäre<br />
Haushalt stimmt, braucht man keine<br />
wirkliche Gleichstellung. Außerdem<br />
seien dem Herrn Ministerpräsidenten<br />
die Hände gebunden, denn die eingetragene<br />
Lebenspartnerschaft falle nicht in<br />
den Schutzbereich der Ehe nach Art. 6<br />
Abs. 1 des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht<br />
habe diesbezüglich<br />
festgestellt, dass die Ehe nur mit einem<br />
Partner des jeweils anderen Geschlechts<br />
geschlossen werden könne.<br />
Die Bayerische Regierung sei außerdem<br />
der Ansicht, dass Ehe und Familie einen<br />
besonderen Rang genießen, der auch<br />
in einem besonderen rechtlichen Status<br />
zum Ausdruck kommen müsse.<br />
Wie kann man also Vorurteile in der<br />
Bevölkerung abbauen? Vielleicht muss<br />
man die aktuelle Diskussion über die<br />
Veränderung von Lehrplänen in Schulen<br />
zu einem toleranterem Umgang mit<br />
Homosexualität weiterdenken und mehr<br />
Aufklärung in Bayerischen Staatsregierungen<br />
betreiben. •ml<br />
Münchner CSD hat sein Motto<br />
GLEICHE RECHTE. GEGEN RECHTS!<br />
So lautet das kämpferische Motto des Münchner Christopher<br />
Street Day <strong>2017</strong>, der vom 8. bis 16. Juli stattfindet und ganz im<br />
Zeichen der Bundestagswahl im September steht. „Es muss<br />
sich endlich etwas tun in Berlin“, so Thomas Niederbühl, politischer<br />
Sprecher des CSD. Themen wie Adoptionsrecht oder die<br />
Öffnung der Ehe würden schon viel zu lange auf der politischen<br />
Agenda hin- und hergeschoben.<br />
Das Motto „Gleiche Rechte. Gegen Rechts!“<br />
beinhaltet auch eine klare Kampfansage gegen rechte Strömungen.<br />
„Mit dem Erstarken von Bewegungen wie AfD, ‚Demo<br />
für alle‘ oder ‚Besorgte Eltern‘ ist ein Fortschritt für die LSBT*I-<br />
Community nicht zu erwarten“, so CSD-Pressesprecherin Rita<br />
Braaz. „Mit Rechts gibt es keine Zukunft!“ München erwartet<br />
also einen hochpolitischen CSD, bei dem die Szene im Kampf um<br />
eine vielfältige Gesellschaft klare Kante zeigt. •bm