Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - Landessozialgericht der ...
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Grundsicherung für Arbeitsuchende<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> Richter am LSG Kuhnke<br />
Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit<br />
Urteil vom 9. Februar 2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1<br />
BvL 3/09, 1 BvL 4/09) entschieden hatte, dass<br />
die Regelungen <strong>der</strong> Regelleistung nach § 20<br />
bzw. § 28 des Sozialgesetzbuches Zweites<br />
Buch (SGB II) a.F. verfassungswidrig sind, weil<br />
die Ermittlung <strong>der</strong> jeweiligen Regelleistung<br />
wegen Abweichung von dem Strukturprinzip<br />
des Statistikmodells mit <strong>der</strong> Verfassung nicht<br />
in Einklang zu bringen sei, und <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
hierauf durch Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung<br />
von Regelbedarfen und zur Än<strong>der</strong>ung<br />
des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch<br />
vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453)<br />
die Regelungen zum 1. Januar 2011 neu bestimmt<br />
hatte, war die Hoffnung groß, dass<br />
hierdurch Rechtsfrieden in größerem Maße<br />
eintreten würde. Dies lässt sich zumindest<br />
anhand <strong>der</strong> Verfahrenseingänge in 2011 beim<br />
<strong>Landessozialgericht</strong> zum Rechtsgebiet <strong>der</strong><br />
Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht feststellen.<br />
Die Berufungs- und Beschwerdeeingänge<br />
blieben weiterhin hoch. Am Ende des<br />
Geschäftsjahres 2011 umfasste dieses Rechtsgebiet<br />
1.321 unerledigte Verfahren. Nach dem<br />
zahlenmäßig stärksten Rechtsgebiet <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
(1.482) entsprach dies rund<br />
einem Viertel aller noch anhängigen Verfahren<br />
(5.152), womit bis zu 40 Richterinnen und<br />
Richter (von insgesamt 56) des Hauses – neben<br />
<strong>der</strong> Zuständigkeit für weitere Verfahren<br />
auf an<strong>der</strong>en Rechtsgebieten – in weiterhin<br />
zwölf Senaten zuständig waren und sind. Dies<br />
macht einerseits deutlich, welcher hohe Stellenwert<br />
diesem Rechtsgebiet in <strong>der</strong> täglichen<br />
Bearbeitung zukommt, ohne dass damit eine<br />
Wertung gegenüber an<strong>der</strong>en Rechtsgebieten,<br />
für die die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist,<br />
verbunden ist, an<strong>der</strong>erseits welche – nicht nur<br />
richterliche – Personalkapazität erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist, um <strong>der</strong> Verfahren Herr zu werden. Obwohl<br />
in <strong>der</strong> Zwischenzeit eine Vielzahl von Streitfragen<br />
grundsätzlich vom Bundessozialgericht<br />
(BSG) seit 2005 bis heute geklärt werden<br />
konnte (s. z.B. Tätigkeitsberichte des BSG auf<br />
www.bsg.bund.de zu Medien), umfassten die<br />
beim <strong>Landessozialgericht</strong> 2011 eingehenden<br />
Verfahren weiterhin auch Fragen von grundsätzlicher<br />
Bedeutung (s. u.), was damit zu-<br />
sammenhängen mag, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
seit In Krafttreten des SGB II insgesamt 56<br />
Gesetzesän<strong>der</strong>ungen (bis 1. April 2011, vgl.<br />
Mün<strong>der</strong>, Lehr- und Praxiskommentar – SGB II<br />
– Grundsicherung für Arbeitsuchende, 4. Aufl.,<br />
2011, Einleitung Rn. 28); vorgenommen hat.<br />
Zwangsläufig geht damit eine Unsicherheit in<br />
<strong>der</strong> Rechtsanwendung einher, was zu neuen<br />
und weiteren Verfahrenseingängen führen<br />
wird. Auch im Geschäftsjahr 2011 ist die tägliche<br />
richterliche Arbeit zu diesem Rechtsgebiet<br />
beson<strong>der</strong>s geprägt von Verfahren des einstweiligen<br />
Rechtsschutzes. Sie nahmen in dem<br />
Geschäftsjahr den mit Abstand größten Umfang<br />
im Gericht (869 von insgesamt 2.155<br />
Verfahren zu diesem Rechtsgebiet) ein. Dies<br />
erklärt sich daraus, dass bei Streitigkeiten von<br />
existenzsichernden Leistungen in <strong>der</strong> Regel<br />
eine beson<strong>der</strong>e Eilbedürftigkeit gegeben ist,<br />
die sogar in Einzelfällen Entscheidungen innerhalb<br />
von Stunden erfor<strong>der</strong>n (z. B. bei <strong>der</strong><br />
Frage nach Mietschuldenübernahme, wenn<br />
eine bevorstehende Zwangsräumung <strong>der</strong><br />
Wohnung am nächsten Tag zu erwarten ist).<br />
Thematische Schwerpunkte <strong>der</strong> Berufungs-<br />
und Beschwerdeverfahren bildeten – wie in<br />
den Vorjahren – auch im Jahr 2011 die Themen<br />
<strong>der</strong> Leistungsberechtigung, Bedarfsgemeinschaften/Haushaltsgemeinschaften,Anrechnung<br />
von Einkommen, Aufhebung und<br />
Erstattung von Leistungen, Leistungen zur<br />
Einglie<strong>der</strong>ung in Arbeit, Kosten <strong>der</strong> Unterkunft<br />
und Heizung, Sanktionen. Hieraus sollen einige<br />
erwähnenswerte Entscheidungen des <strong>Landessozialgericht</strong>s<br />
aus dem Berichtszeitraum auch<br />
zum Verfahrensrecht dargestellt werden; alle<br />
Entscheidungen sind in Juris veröffentlicht:<br />
1. Leistungsberechtigte<br />
Eine Leistungsberechtigung für einen sich im<br />
offenen Strafvollzug befindenden Freigänger,<br />
dessen Haftzeit noch für 10 Monate andauerte,<br />
hat <strong>der</strong> 14. Senat in seinem Beschluss vom<br />
15. April 2011 – L 14 AS 218/11 B ER – verneint.<br />
Leistungen zum Lebensunterhalt und<br />
Kosten <strong>der</strong> Unterkunft/Heizung für die in <strong>der</strong><br />
Zwischenzeit weiterhin angemietete Wohnung<br />
waren deswegen vom Jobcenter nicht zu<br />
übernehmen.<br />
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